NUMMER 73

DIENSTAG, 15. MAI 1 9 5 |

Bemerkungen zum Tage

Bevorstehende Auseinandersetjung

hf. Finanzminister Schäffer hat sich nicht nur durch die Schlüsselstellung seines Res­sorts, sondern auch als Persönlichkeit eine starke Stellung im Kabinett erarbeitet. Seine Politik ist in Bonn weit weniger umstritten als die seines Kollegen Erhard. Es wunderte daher kaum jemand, als im Verlauf der Aus­einandersetzungen um die notwendigen wirt­schaftlichen Maßnahmen Schäffer immer mehr die Finanzpolitik aus der ausschließlichen Ab­hängigkeit von der Wirtschaftspolitik lösen konnte, die er vielmehr selber beeinflußte, als sich seine Sonderumsatz- und Sparpläne durch­zusetzen begannen. Schäffers Wort hat sehr an Gewicht gewonnen und das ist von einiger Bedeutung, wenn die konkrete Auseinander­setzung zwischen Regierung und Bundestag über die Deckung des auf 3,3 Milliarden DM geschätzten Defizits im Haushalt beginnt. Schäffer wird hart sein, auch gegenüber dem Bundestag, wenn dieser neue Aufwendungen beschließt. Er ist entschlossen, das Kabinett zu einem Veto gegen die Beschlüsse des Par­laments zu bringen, wennAufwendungen ohne Deckungsvorschläge zu Gesetzen gemacht werden. Wirtschaft und Währung stehen nach der Ansicht des Ministers auf dem Spiel, wenn das Parlament lediglich im Sinne der Popula­rität entscheiden und die Grenzen ignorieren sollte, die von der Lage der Finanzen diktiert werden. In Rhöndorf, wo Anfang Mai Bundes­kanzler und Finanzminister konferierten, be­stand am Schluß der Gespräche Einmütigkeit darüber, neuen Bewilligungen des Bundes­tages entgegenzutreten.

Das Parlament steht jedoch vor der Bera­tung neuer Vorlagen, die lediglich die Aus­gabenseite des Budgets belasten. Die Ausein­andersetzung ist also unvermeidlich. Welcher Standpunkt sich durchsetzen wird? Trotz des inneren Gehalts der Vorlagen über Erhöhung des Grenzlandfonds, über die Verbilligung des Dieselkraftstoffs für privilegierte Verbraucher, über Wohnungsbauprämien und anderes mehr, wird der Bundestag die Einschränkung seiner Bewilligungsfreiheit respektieren müssen. Wo nichts (oder nicht genug) ist, hatten nicht nur die Kaiser, sondern hat auch der Bundestag sein Bewilligungsrecht verloren; es sei denn, er würde mit neuen Aufwendungen auch neue steuerliche Belastungen beschließen. Wenn das nicht geschieht, wird auch die Überlegung eine Rolle gespielt haben, daß man nur dann mit Erfolg über die Reduzierung der Besatzungs­kosten verhandeln kann, wenn die letzte Spar­samkeit im eigenen Haushalt bewiesen ist.

Es bleibt bei Todesurteilen

WASHINGTON. Der Oberste Gerichtshof der USA hat am Montag zum zweiten Male das Gesuch der zum Tode verurteilten sieben Landsberger Häftlinge um Revision der Ur­teile abgelehnt. Damit sind alle den Verur­teilten zur Verfügung stehenden Rechtsmittel erschöpft.

Beamte des amerikanischen Hohen Kom­missariats in Frankfurt erklärten hierzu, es müsse jetzt damit gerechnet werden, daß die Todesurteile umgehend vollstreckt würden. Die Entscheidung über Zeit und Art der Hinrich­tung liege nun wieder beim Hauptquartier der amerikanischen Streitkräfte in Europa.

Die Bundesregierung wird zunächst zu dem Beschluß des Obersten Gerichtshofes der USA nicht Stellung nehmen, sondern zuerst den Eingang der amerikanischen Unterlagen über die Fälle abwarten.

Doch in deutscher Hand

Tübingen. Die Generalstaatsanwaltschaft in Tübingen und die französische Landeskommis­sion für Württemberg-Hohenzollern teilten am Samstag mit, daß der Prozeß gegen den Kom­mandanten desSchwarzen Konzentrationsla­gers bei Balingen und dessen Helfernach wie vor in deutschen Händen sei. Berichte, nach de­nen der Fall vor einem französischen Militärge­richt in Reutlingen verhandelt werden soll, wur­den als nicht zutreffend bezeichnet. Ein Spre­cher der Generalstaatsanwaltschaft erklärte, daß über den Prozeßbeginn noch keine Entscheidung getroffen sei.

Parlament und Budget

Rechtzeitige Verabschiedung des Haushalts ein Kernproblem der Demokratie

Von unserem Bonner Mitarbeiter Horst Flügge

Im englischen Unterhaus hat die Regierung ihren Haushaltplan für 1951/52 vorgelegt. Auch in anderen Ländern gehört es zu den Selbst­verständlichkeiten der parlamentarischen De­mokratie, den Haushalt der Regierung mit Be­ginn des Finanzjahres zur Diskussion zu stel­len. Die Bestimmung und die Kontrolle des Regierungsbudgets ist ja das gewichtigste aller Mittel zur Kontrolle der Regierung durch das Parlament. Am Anfang des Finanzjahres sol­len die Fraktionen der Regierung und die der Opposition mit der Festlegung des Haushalts, seiner Ausgaben und Einnahmen, die künftige Politik der Regierung bestimmen, wie es den Funktionen einer Vertretung des Volkes ent­spricht. Ein Parlament, das die Kontrolle der Regierung durch das Budget ganz oder teil­weise vernachlässigt, schwächt seine Stellung gegenüber der Regierung und erfüllt nicht eine seiner wichtigsten, wenn nicht d i e wich­tigste Aufgabe.

Die Bundesrepublik, deren Verfassung dem Kabinett ohnehin eine kaum zu erschütternde Stellung gegenüber dem Parlament gegeben hat, hat diese Selbstverständlichkeiten noch nicht übernommen. Es ist April 1951 und das Gesetz über die Feststellung des Bundeshaus­haltplanes für das Rechnungsjahr 1950 ist noch nicht verabschiedet. Das Finanzjahr ging am 31. März zu Ende Der Haushaltplan für das laufende Finanzjahr ist natürlich noch gar nicht in Sicht. Im vorigen Jahr legte ihn die Regierung mit Datum vom 31. Oktober vor. Sie brauchte also etwas länger als dann der Bundestag für seine Beratung und bevorste­hende Verabschiedung. Das Parlament hat ge­gen die zu späten Termine bisher keinen ener­gischen Widerstand gezeigt. Es hat sich damit abgefunden, die Bewilligungen und die grund­sätzlichen Debatten der Regierungspolitik nachträglich vorzunehmen. Daß im Laufe des Finanzjahres der Haushaltausschuß des Bun­destages eine begrenzte Kontrolle der Aus­gaben der Regierung ausübte, ändert daran nichts. Das Plenum des Bundestages muß mit dem Haushaltplan über die Politik der Regie­

rung urteilen. Nachträglich hat das wenig Sinn und verpflichtet zumindest die Fraktio­nen der Regierungskoalition zu reinen Bestäti­gungen, gerade dort, wo sie zu bestimmen hät­ten. Ein Haushaltplan mit seinen unzähligen Posten und Ziffern ist doch nichts anderes als ein Regierungsprogramm, über das ein ver­antwortungsvolles Parlament vor dem An­laufen mitja odernein befinden muß. Mit dem Budget stellt die Regierung nicht nur ihre Ausgaben, sondern ihre ganze Politik dem Urteil der Volksvertreter. Der Bundestag hat in den letzten Wochen dieses Urteils in den Einzelberatungen des Gesamthaushalts mit so viel Verantwortungsbewußtsein gesucht und einzelne Haushaltsdebatten standen auf so ho­hem parlamentarischen Niveau, daß es schwer ist, Verständnis aufzubringen, wenn das immer mehr in seine Aufgaben hineinwachsende Par­lament nicht die Einsicht in die Tat umsetzt, dieses Urteil rechtzeitig zu suchen.

Daß der Bundestag hier die Dinge nach dem Zeitplan des Kabinetts laufen läßt, muß um so mehr überraschen, als es in allen Parteien nicht an Stimmen fehlt, die von der Notwendigkeit einer stärkeren Initiative des Parlaments ge­genüber der Regierung sprechen. Der Haushalt gibt nicht nur die Chance für diese Initiative, sondern er fordert sie, wenn wir eine parla­mentarische Demokratie werden wollen. Ge­wiß, es gibt auf seiten der Regierung wie auf der des Parlaments gewichtige Gründe da­für, daß der Haushalt für 1949 im März 1950 und der Haushalt für 1950 im April 1951 ver­abschiedet wird. Die Regierung kann auf viele Faktoren hinweisen, die es ihr unmöglich ma­chen, bereits im April den jeweiligen Haus­haltplan vorzulegen und das Parlament kann erklären, am Beispiel des letzten Haushaltpla­nes sei ein Modell für alle künftigen Budgets geschaffen worden. Doch beide Stellungnah­men sind keine Rechtfertigung für alle bishe­rigen Termine bei der Einbringung, Beratung und Verabschiedung des Bundeshaushalts. Es geht um ein Kernproblem der Demokratie, um die Stellung des Parlaments!

Kleine Weltchronik

BONN. Auf Grund einer Durchführungsver­ordnung zum Alliierten Gesetz Nr. 22 ist Deutsch­land die Herstellung und der Gebrauch von Geiger-Zählern, die zum Feststellen radioakti­ver Strahlungen verwendet werden, wieder ge­stattet. Ebenso dürfen wieder gewisse Elektro­den, Chemikalien und Metalle, die mit der Atomenergie in Verbindung stehen, produziert werden.

BONN. Am vergangenen Wochenende über­reichten der neue belgische Botschafter Muuls und der neue norwegische Gesandte Danielsen ihre Beglaubigungsschreiben Bundespräsident Prof. Heuß. Die spanische Regierung gab die Er­richtung einer Botschaft in Bonn bekannt und hat gleichzeitig ihren bisherigen diplomatischen Vertreter Aguirre zum Botschafter ernannt.

LONDON. Der Atlantische Rat wird voraus­sichtlich im Juli oder August über die Aufnahme Griechenlands und der Türkei als Vollmitglieder in den Atlantikpakt beraten. Beide Länder, die bisher dem Atlantikpakt nur als assoziierte Mit­glieder angehören, haben in den letzten Mona­ten wiederholt um ihre Aufnahme als Vollmit­glieder ersucht.

LONDON. Der wegen Atomspionage zu 14 Jah­ren Zuchthaus verurteilte Dr. Klaus Fuchs wird nach Meldungen britischer Zeitungen möglicher­weise in Kürze aus der Haft entlassen, um wie­der für die Atomforschung in Großbritannien tätig sein zu können.

WARSCHAU. Die polnische Regierung hat die USA davon unterrichtet, daß der amerikanische Staatsbürger, Bischof Padewski, nach viermona- tiger Inhaftierung in einem polnischen Gefäng­nis gestorben ist. Padewski, der Prälat der pol­nischen nationalen Kirche in den USA, war am 19. Januar von der polnischen Sicherheitspolizei wegen angeblicher Devisenvergehen verhaftet worden. Der 84jährige Erzbischof von Kra­kau, Kardinal Sapieha, ist schwer erkrankt.

BELGRAD.. Die jugoslawische Sicherheitspo­lizei verhaftete in der Nacht zum Montag meh­rere Mitglieder der tschechoslowakischen Bot­schaft unter Spionageverdacht.

KAIRO. Das ägyptische Kabinett hat beschlos­sen, den Kriegszusttnd mit Deutschland zu be­enden.

JERUSALEM. Israel und Syrien haben sich am Montag bereit erklärt, die notwendigen Schritte zur Wiederherstellung der Ordnung und zur Si­cherung des Friedens im umstrittenen Grenzge­biet einzuleiten. Der politische Ausschuß der Arabischen Liga befaßt sich zurzeit gleichfalls mit dem Grenzstreik.

LAGOS (Nigeria). Am Sonntag kamen bei ei­nem Großfeuer in einem vollbesetzten Licht­spieltheater über 100 Personen ums Leben. 300 erlitten erhebliche Verletzungen.

SYDNEY. Von 41000 Australiern im Alter von 18 Jahren, die sich nach dem Gesetz bis Montag­abend für den Wehrdienst registrieren lassen mußten, hatten sich bis Sonntag nur 14 000 ge­meldet.

NEW YORK. Der Oberste Gerichtshof des Staates New York hat am Montag dem Antrag der in den USA lebenden Baronin Margot v. Opel auf Trennung von ihrem Mann, dem ehe­maligen deutschenAutomobilkönig Fritz von Opel, stattgegeben. Für Frau von Opel wurde ein jährlicher Unterhaltsbeltrag von 60 000 Dol­lar festgesetzt; außerdem macht sie Ansprüche auf die vier Millionen Dollar der Vermögens­werte ihres früheren Mannes in den USA, die gegenwärtig vom amerikanischen Amt für Feind­vermögen verwaltet werden, geltend. Der 52- jährige Fritz von Opel hält sich gegenwärtig in der Schweiz auf. Die Ehe war 1929 geschlossen worden und ist jetzt auf Grundgrausamer und unmenschlicher Behandlung und mangelnder Un­terstützung geschieden worden.

Sdiienenausfuhr gestoppt

Über 300 Güterwagen zurückgeschickt

FRANKFURT. Die Bundesregierung hat; nach einer Mitteilung der amerikanischen Ho-i hen Kommission -die Ausfuhr von 1150 Ton­nen Eisenbahnschienen nach Ungarn unter-i sagt. 75 mit Schienen beladene Güterwagen wurden an der deutsch-tschechischen Grenz­übergangsstelle Furth im Wald zurückgehal­ten. Weitere 250 Waggons mit nahezu 3000 Tonnen Schienen 4 sind in Nürnberg und Osna­brück angehalten und an den Exporteur zu­rückgeschickt worden.

In alliierten Kreisen wird angenommen, daß diese Maßnahme auf Grund der im amerikani­schen Kongreß laut gewordenen Kritik an der Ausfuhr strategischen Materials aus West­deutschland in die Länder hinter dem Eiser­nen Vorhang ergriffen wurde.

Schumacher rechnet

Keine Koalitionspläne

BONN. Der SPD-Vorsitzende Dr. Kurt Schumacher nahm am Montag ausführlich zu Problemen der Innen- und Außenpolitik Stellung. Schumacher erklärte, die Sozialdemo­kraten würden nach den Erfahrungen der letz­ten Landtagswahlen aus Bundestagswahlen mit großem Vorsprung als stärkste Partei hervor­gehen. Die Zusammensetzung eines neuen Bundestages rechnete Schumacher folgender­maßen vor: die SPD wäre mit rund 150155 Abgeordneten vertreten, die CDU/CSU mit knapp 100, die FDP mit 5256, die Deutsche Partei mit 810, die WAV würde verschwin­den und der BHE etwa 35 Sitze bekommen. Dr. Schumacher wiederholte, daß seine Partei auf keinen Fall bereit sei, die Basis der bestehen­den Bonner Koalition zu verbreitern: Der Wirt­schaftspolitik der Bundesregierung schob der SPD -Vorsitzende die Schuld an dem Neofa­schismus in Deutschland zu.

50. und 51. Sftjung

Gromyko macht weitere Einwände

PARIS. Auf der 50. Sitzung der Außenmini­sterstellvertreter am Samstag erhob der So­wjetdelegierte Gromyko weitere Einwände gegen die letzten westlichen Vorschläge für eine Tagesordnung der Außenministerkonfe­renz. Zumindest eine der von den Westmäch­ten abgelehnten Hauptforderungen der So­wjetunion müsse in die Tagesordnung auf­genommen werden. Wenn er die westlichen Tagesordnungsvorschläge annehme, so bedeute dies, daß über zwei wichtige Fragen Rü­stung und deutsche Entmilitarisierung keine Einigung besteht.

In der 51. Sitzung am Montag legte Gro­myko eine schriftliche Erklärung zur deut­schen Entmilitarisierung vor.

100 000 im portugiesischen Lourdes

COVA DA IRIA. Über 100 000 Pilger sind über Pfingsten bei Fatima, dem portugiesi­schen Lourdes, zusammengeströmt, um für die Bekehrung der Kommunisten zu beten. Vor 34 Jahren erschien an dieser Stelle in der Ein­öde von Estremadura die heilige Jungfrau drei armen portugiesischen Kinderlein und trug ihnen auf, für die Bekehrung Rußlands zu beten. Der 13. Mai und der 13. Oktober wurden zu Wallfahrtstagen für die Pilger, die seitdem zu Tausenden aus allen Teilen der Welt nach Fatima kommen, um Heilung von ihren seelischen und körperlichen Leiden zu finden und um für die Bekehrung der Bol­schewisten und die Erlösung der Welt zu be­ten. Über 15 000 Krücken, Rollstühle und an­dere Zeichen des Gebrechens schmücken als Beweis wunderbarer Heilungen den großen Dom, der in dem Bergtal errichtet wurde. In der Schar der Gläubigen bei der großen Pro­zession sah man die Exkönige von Italien und Rumänien, Umberto und Carol.

TEHERAN. Der persische Ministerpräsident Mossadeq brach am Sonntag vor Aufregung und Erschöpfung im persischen Parlament zusam­men, nachdem er erklärt hatte, er werde so lange im Parlament sich aufhalten, bis das Verstaat­lichungsprogramm für die Ölindustrie durchge- fuhrt sei.

Der oerschlosserie MUND

10 ]

Roman von Doris ticke'

Alle Redite Pertaß$haus Heuthnßen

Sage das nicht, Will! Nichts ist sinnlos, auch dieses nicht. Sprich nicht so unbedachte Worte, die wären sie wahr mich zur Verzweif­lung treiben müßten. Diese Trennung war eine Prüfung, an der wir uns bewähren mußten. Zerbricht unsere Ehe daran, so war ihr Kern nicht echt, und dies hätte sich früher oder später doch gezeigt und hätte durchlitten wer­den müssen. Aber ich glaube das nicht. So wie ich an diesen Jahren innerlich gewachsen bin und heute weit von dem Punkt stehe, an dem ich sie begann, so werden sie auch Andry ge­reift haben, so daß wir nun unsere Probleme von einer höheren Warte aus anpacken, durch­sprechen und eines dem andern helfen können. Wir haben uns einmal in wenigen Stunden gefunden, so stark war unsere gegenseitige An­ziehungskraft. Ich hoffe und glaube, daß da­von noch genug übrig sein wird, auch diesen Abgrund zu überbrücken.

Nun ja, gab Syamken zögernd und wider Willen ergriffen zu,es spielen da wohl noch Faktoren mit hinein, die ein Außenstehender nicht überblichen kann. Aber um so mehr soll­test Du Dich erholen, bevor Du Andry vor die Augen trittst.

Du meinst, ich könnte sonst leicht Mitleid statt Liebe erwecken? fragte Merck mit schmerzlichem Spott.

Syamken zuckte die Achseln.

Ich kann mir Andrea in der Rolle einer Krankenpflegerin schlecht vorstellen.

Du hättest sie sehen sollen, wie sie Detlev betreute, als er ganz klein war. Ich glaube, in Jeder Frau liegen verborgene Quellen, bereit

aufzubrechen, wenn die Notwendigkeit es er­fordert.

Nun, Du mußt das besser wissen als ich.

Vielleicht obwohl es mir scheinen will, als hättest Du Andrea in diesen drei Jahren eingehend studiert.

Ich habe oft in Bremen zu tun, und schließ­lich war es meine Pflicht, mich um sie zu kümmern, sie hatte eine Ablenkung bitter nö­tig.

Pflicht, wiederholte Merck etwas gereizt, das ist ein neues Wort bei Dir, Will. Ich höre es heute schon zum zweiten Male und wieder im Zusammenhang mit Andry. Ich glaube, die­ses gewichtige Wort würde ihr in Verbindung mit ihrer Person nicht gefallen. Es kann doch kein solches Muß für Dich gewesen sein, Dich um eine schöne junge Frau wie Andry zu kümmern, oder Du müßtest Dich sehr geän­dert Haben.

Natürlich tat ich es gern.

Eben, sagte Merck, plötzlich wieder ein­silbig werdend.

Eine fühlbare Pause entstand. Wieder wollte es Niels scheinen, als sei da etwas unter der Oberfläche, das mit Worten nicht zu nennen, dem Gefühl aber wahrnehmbar sei.

Ganz im Gegensatz zu ihm selber war Syam­ken von früher Jugend an im Umgang mit Frauen gewandt gewesen, und seine galanten Abenteuer hatten sich förmlich überstürzt und waren oft zeitgemäß schwer alle unterzubrin­gen gewesen. So gut er aber auch mit Frauen umzugehen verstand, in seiner Ehe bewährte sich dieses Talent nicht. Die junge Gräfin Ulriche, die sich so heftig in ihn verliebt hatte, daß sie ihm ihr Krönlein opferte, kam mit ihm als Ehemann nicht auf ihre Kosten. Wenn sie geglaubt hatte, ihn leicht beherrschen zu kön­nen, hatte sie ihn verkannt, und so war ihre Ehe von Anfang an ein verbissener Kampf um die Vorherrschaft gewesen. Niels kannte sie gut, da er dabei gewesen war, als Will und die junge Komtesse sich kennengelernt hatten.

Sie war schön wie eine alte Miniatur, geist­reich und vermögend, und so gab es nichts, was Will daran hätte hindern können, ihr seine kostbare Freiheit zu opfern. Ihre Herrschaft und erbarmungslose Spottlust, mit denen sie seine männliche Eitelkeit fortgesetzt verwun­dete, waren erst später zutage getreten zu spät. Im ersten Jahr ihrer Ehe gebar sie ihm einen Sohn und benutzte seither das Kind als Vorwand, um den größten Teil des Jahres mit ihm auf dem Gut ihrer Mutter zuzubringen. Von der Perspektive einer Dreizimmerwoh­nung aus. mochten die Räume noch so rie­sig sein. erschien ihr das Leben nicht le­benswert. Will ließ sie ziehen und dachte sel­ten an sie. Auch bei ihm fehlte jede innere Notwendigkeit, den Buchstaben dieses Ehe­vertrags zu erfüllen. Geschieden schien er je­doch bis heute nicht zu sein. Sicher war es für eine junge, einsame Frau wie Andry nicht un­gefährlich, sich von einem Mann wie Syamken trösten zu lassen. Das Telefon schlug an, und Will griff, froh über die Unterbrechung, zum Hörer.

Hallo, Andrea! sagte er mit einem Erstau­nen, dessen Echtheit Merck gefühlsmäßig in Zweifel zog. Er war bei Nennung dieses Na­mens vom Stuhl aufgesprungen, doch winkte ihm Syamken ungeduldig ab.Was verschafft mir die seltene Ehre dieses Anrufs? fragte er lächelnd in den Hörer hinein, mit jener etwas billigen Galanterie, die sich bei Männern, die viel mit einer bestimmten Klasse von Frauen zu tun haben, leicht herausbildet, worauf An­drea anscheinend eine Frage stellte, die Syam­ken kurz verneinte.

Niels Merck grub sich die Nägel tief ins schmerzende Fleisch, ohne es eigentlich zu merken. Er kam sich vor wie in einem Narren­haus. Dort, am anderen Ende der Leitung war Andry mit Syamken verbunden, seine Frau, die er seit fast drei Jahren nicht mehr gesehen hatte, und sie wußte nichts davon, daß er nur wenige MeW vom Apparat entfernt stand und

den leisen Widerhall ihrer Stimme hörte. Nichts hinderte ihn daran, Will den Hörer aus der Hand zu reißen, sich erkennen zu geben und die erlösenden Worte zu sprechen:Ich bin heimgekehrt! Die Versuchung war nur kurz und wurde abgewürgt, kaum daß sie auf­gekeimt war. Er wollte die ersten Worte mit Andry nicht in Gegenwart eines Dritten spre­chen.

Syamken lauschte aufmerksam in den Hörer hinein und sagte hin und wieder ein paar un­bestimmte Worte:Ja, ich habe es gelesen schon möglich so wird es sein." Merck ließ kein Auge von ihm. Wenn irgend etwas zwi­schen ihm und Andry nicht stimmte, würde er sich jetzt vielleicht verraten. Halb schämte er sich seines Mißtrauens, halb redete er sich ein, daß es bei einem Mann wie Syamken begreif­lich sei. Plötzlich fiel sein Name.

Ich finde es nicht weiter verwunderlich. Du kannst nicht erwarten, daß Niels die Korre­spondenz einseitig über Monate hinweg fort­führt. Da Deine Antwort so hartnäckig aus­blieb, wird er die Lust verloren haben.

Hast Du denn irgendeine Gewähr dafür, daß dieser Brief auch wirklich angekommen ist? Du solltest neben Deinem beleidigten Stolz auch die Stimme der Vernunft hören.

Hierauf sprach wieder Andry, lange und zu­erst sehr erregt, später ruhiger. Plötzlich wurde das Gespräch unterbrochen. Syamken legte den Hörer auf.

Das Fernamt hat uns unterbrochen. Er warf einen forschenden Blick auf Niels und holte dann aus einer kleinen Hausbar zwei Gläser und eine Flasche Henessy heraus. Trink einen auf den Schrecken, alter Freund und Kupferstecher!

Merck drehte das Glas nachdenklich in sei­nen mageren Händen, dann leerte er es mit einem Zug und gleich darauf noch einmal. Syamken wunderte sich, daß er nichts fragte. Auf einmal stand er auf. (Fortsetzung folgt)