MITTWOCH, 9. MAI 1951

NUMMER 7*

Berufsausbildung - ein Problem der Schulreform

80 Prozent der Jugendlieben in Berufsschulen / Schwierigkeiten für Schüler und Lehrer / Von Gewerbeschulrat Kurrer, Horb

Oie folgende Abhandlung nimmt auf den ArtikelErfüllt die heutige Schule ihre Auf­gabe? in unserer Ausgabe vom 25. 4. 1951 Bezug und befaßt «ich mit der Stellung der Berufsschulen neben den Volks- und Ober­schulen. Bei der hohen Aufgabe der Berufs­schule für die Erziehung und Bildung unse­rer berufstätigen Jugend besteht kein Zwei­fel daß auch sie vordringlich in die Schul­reform einbezogen werden muß. (Die Red.)

Die Frage der Schulreform eines Landes kann nicht behandelt werden, ohne neben den Volksschulen und den Höheren Schulen den dritten Zweig des Schulwesens, die berufs­bildenden Schulen, ln die Problemstellung einzubeziehen, es sei denn, man ignoriere die Bedeutung, die gerade diesem Schulzweig für die geistige und sittliche Reifung des außerhalb der Oberklassen der sogenannten Höheren Schulen stehenden Teiles unserer Jugend zwischen dem 14. und 18. Lebens­jahr heute zukommt (das ist die erdrückende Mehrzahl aller Jugendlichen; ich glaube 80 oder 90 Prozent).

Nicht nur berufliche Ausbildung

Ein weit verbreiteter Irrtum ist es, anzu­nehmen, die berufsbildenden Schulen hätten nur beruisbildende Aufgaben im Sinne der Anerziehung einer gewissen Routine zur rationellen Beherrschung manueller und me­chanischer Vorgänge bei der Berufsausübung. Wäre es so, dann müßten die Schulen dem Arbeitsministerium oder Wirtschaftsministe­rium unterstehen und nicht dem Kultmini­sterium. Ein Lehrer dieser Schulgattung, der kein anderes Lehrziel vor Augen hätte, wür­de auch der ihm durch den Lehrauftrag (§ 1 des Lehrplans für die Gewerbe- und Han­delsschulen in Württemberg) gestellten Auf­gabe nicht gerecht, in dem es heißt:

Die Gewerbe- und Handelsschulen haben die Aufgabe, den Schülern die zu ihrer be­ruflichen Ausbildung nötigen Kenntnisse und Fertigkeiten zu vermitteln, soweit diese in der praktischen Lehre und Tätigkeit nach den bestehenden allgemeinen oder örtlichen Verhältnissen nicht oder nur in unzuläng­lichem Maße erworben werden. In der Er­füllung dieser Aufgabe ist darauf Bedacht zu nehmen, daß das, was die Schüler an allge­meiner Bildung mitbringen, erhalten und an­gemessen erweitert wird. Zugleich ist bei al­lem Unterricht die sittliche Erziehung der gewerblichen und kaufmännischen Jugend unablässig ins Auge zu fassen und auf eine gedeihliche Entwicklung des Charakters hin­zuwirken.

Alle Intelligenzstufen

Wir finden in den berufsbildenden Schulen unseres Landes Schüler aller Iritelligenzstufen und aller Begabungen, vom nur praktisch begabten ; bis zum theoretisch-wissenschaft­lich geneigten jungen Menschen, der den An­schluß an die sogenannteHöhere Schule" meist milieubedingt versäumt hat Und all diesen Begabungen muß die Berufsschule Rechnung tragen.

Ebenso verschieden wie die Begabung ist aber

Neuer Sowjetjäger im Serienbau

NEW YORK. In der Sowjetunion werden nach Schätzungen der amerikanischen Fach­zeitschriftAviation Age monatlich etwa 160 bis 170 Jagdflugzeuge mit Düsenantrieb vom neuen Typ LA-17 im Serienbau hergestellt Die amerikanische Zeitschrift schreibt, dieser Jäger sei zurzeit einer der Haupttypen der sowjetischen Luftstreitkräfte. Die LA-17 er­reiche bei vorsichtiger Schätzung eine Ge­schwindigkeit von 1050 Stundenkilometer. Der Motor sei einer Rolls-Royce-Maschine nach­gebaut, von der Großbritannien nach dem Kriege einige an die Sowjetunion verkauft hat

Kirche und Politik

Zum 65. Geburtstag von Karl Barth

Es hat scheinbar ganz unpolitisch angefangen, als im Jahr 1921 derRömerbrief" von Karl Barth das erste große Aufsehen erregte. Niemand hätte gedacht, daß der Mann, der damals die Theologie und Kirche zurückrief aus all ihren politischen, sozialen und kulturellen Bindungen, später gerade dadurch so bekannt und umstrit­ten werden würde, daß er aufs stärkste die politische Verantwortung der Kirche betonte. Er tat es, im Unterschied von den üblichen Beden der Kirche zu diesen Dingen, das, wenn über­haupt, dann immer zu spät kommt, gerade dort, wo die Dinge noch im Fluß, der Ausweg noch un­gewiß und daher eine Stellungnahme gefähr­lich war. So war es, als Barth 1933 zum Wider­stand gegen dieDeutschen Christen aufrief und die theologische und damit auch die politi­sche Grundlage für den Kampf der Bekennen­den Kirche gegen den Nationalsozialismus lie­ferte. So war es während der Tschechenkrise im Herbst 1938, als Barth die Losung an Eu­ropa ausgab, jetzt oder nie der Aggression Hitlers zu widerstehen. So war es dann wieder in den Jahren nach dem Krieg, als Barth als einer der ersten die Mauern des Hasses um Deutsch­land durchbrach, rieh gegen die unsinnige Be­satzungspolitik wendete und die Kirchen der Welt aufforderte, sich zu dem geschlagenen Deutschland zu bekennen. Als die Mauer zwi­schen West und Ost immer höher wurde, da war wiederum er es, der die Kirche auf beiden Seiten zur Wahrnehmung Ihrer politischen Ver­antwortung rief, die in dieser Lage darin be­stehen müsse, die ideologischen und machtpoli­tischen Gegensätze nicht zu solchen des Glau­bens. den Kampf für die eine oder andere Seite nicht zu einem Kampf zwischen Licht und Fin­sternis werden zu lassen. Daß die Weltkirchen­konferenz in Amsterdam der Versuchung wider­stand, sich in die westliche Kreuzzugsfront ein­gliedern zu lassen und so im Weltmaßstab noch einmal dasselbe zu tun wie die deutsche Chri­stenheit, als sie der falschen Antithese:Natio­nalsozialismus oder Bolschewismus? erlag, das war in erster Linie Karl Barth zu verdanken.

Gedankt hat man ihm das freilich selten. Er mußte in fast all diesen Fällen die Kreise der

auch der Kenntnisstand, den die Schüler aus ihrenVor-Schulen mitbringen, sind doch ln einer Klasse der Berufsschule Schüler aus fast ebensovielen Volksschulen vertreten, wie die Klasse Schüler bat, aus einklassigen Landschulen und aus vollausgebauten Stadt­schulen. Dazu kommen dann noch die Schüler aus den unteren und mittleren Klassen der Höheren Schulen.

Die Buntheit im Herkommen der Schüler stellt im Hinblick auf das Lehrziel höchste pädagogische Anforderungen an den Lehrer. Dazu kommen nicht geringe berufskundliche Anforderungen, muß doch der Lehrer an der Berufsschule seine Erziehungsarbeit auf den beruflichen Erfahrungsschatz und den be­ruflichen Interessen seiner Schüler (weil an­dere zunächst meist fehlen) aufbauen und von da aus mit den Schülern zu sowohl be- rufsförderaden als auch allgemeinbildenden Erkenntnissen durchstoßen.

unte Zusammensetzung Ebenso unterschiedlich wie die Vorbildung der Schülerschaft ist auch ihre berufliche Zusammensetzung. 40 und mehr Berufe sind im allgemeinen an einer Berufsschule vertre­ten, und es ist nur eine Frage der Gesami- schülerzahl der Schule, wie weit es möglich ist, die Vertreter so zahlreicher Berufe in sogenannten Fachklassen zusammenzufassen, in denen dann nur ein Beruf vertreten ist Das können sich im allgemeinen nur sehr große Schulen mit 2000 und mehr Schülern leisten. Mittlere Schulen müssen sich mit sogenannten Fachgruppenklassen begnügen, in denen dann wenigstens werkstoffverwandte Berufe wie Mechaniker, Automechaniker,

Dreher, Fräser. Bau-, Maschinen- und Betriebsschlosser, Schmiede, Flaschner u. a. oder Schreiner, Küfer, Wagner, Glaser u. a ln je einer Klasse jahrgangsweise' zusammen­gefaßt werden. Den kleinen Schulen aber bleibt keine andere Wahl, als sich mit Mischklassen abzufinden, die alle Berufe um­fassen.

Diese Vielzahl von Berufen und Berufs­gruppen, mit denen sich der Lehrer an be­rufsbildenden Schulen auseinandersetzen muß, erfordert eine Beherrschung einer großen Anzahl von Fachgebieten, die weit über das Handwerklich-Technische hinausgehen muß. Ein Lehrer aber, der dieser schweren Auf­gabe gerecht wird, leistet für 8090 Prozent unserer Jugend Bahnbrechendes. Er führt sie ihren geistigen Fähigkeiten entspre­chend nicht nur zur beruflichen, sondern auch zur geistigen Reife. Die strebsamen Schüler können Anschluß an die Ingenieur­schulen oder die Hochschulen finden oder mit der Vorbereitung auf die Meisterprüfung einem gewissen Abschluß ihrer Bildungslauf­bahn zustreben. Für diese Jugend ist die Be­rufsschule die Oberschule, an der sie ihre Reifeprüfung ablegen.

Eine wesentliche Aufgabe der Schulreform wäre es deshalb, die berufsbildenden Schu­len zweckmäßig zwischen Volksschule und sogenannteHöhere Schule einzugliedern, die Lehrpläne derjenigen Klassen der Hö­heren Schule, deren Schüler zu einem we­sentlichen Teil in die Berufsschule übertre­ten, mit deD Lehrplänen der Volksschule und der Berufsschule zu koordinieren und die Berufsschule wertmäßig mit der Oberschule gleichzustellen.

Wir Deutsche müssen zusammenstehn

Ein Bericht über das Leben der noch in Oberschlesien lebenden Deutschen

Wie leben die in Oberschlesien verblie­benen Deutschen heute, wie ist ihre Stim­mung und ihr Verhältnis zu den polnischen Behörden? Diese Frage wird immer wie­der lebhaft erörtert, wenn von der ober- schlesischen Heimat die Rede ist. Ein ehe­maliger deutscher Kriegsgefangener, der bis zum Jahre 1950 in Kohlenbergwerken Ober­schlesiens arbeiten mußte, schildert nachste­hend seine Eindrücke.

J. Sch. Schon in den ersten Tagen meiner Arbeit auf einer oberschlesischen Kohlengrube stellte ich fest, daß dort unten noch viel deutsch gesprochen wird, und bald bekam Ich näheren Kontakt mit diesen Leuten. Wenn ich heute an sie zurückdenke, ist mein Herz voll tiefer Dankbarkeit erfüllt, denn sie haben uns Gefangenen vor allem in den allerschwersten Jahren, von 1945 bis 1947, durch Zuwendung von Nahrungsmitteln und Gebrauchsgegen­ständen tatkräftig unterstützt. Bis 1947 war es gestattet,; an Sonntagen den Kriegsgefan­genen Mittagessen zum JLager zu bringen. Die Frauen kamen dann mit großen Taschen, in denen die Essentöpfe standen, zum Lager. Diese Taschen wurden auf der . Wache abge­geben; die Frauen mußten ihre Ausweise vor­zeigen und wurden eingetragen. Dann wurden die Taschen durchsucht und ihr Inhalt kon­trolliert. Nach Entleerung durch den Empfän­ger wurden sie zur Wache zurückgebracht und dort ein zweites Mal durchsucht, vor allem nach Schriftlichem, denn es war strengstens verboten, sich mit der Bevölkerung irgendwie zu verständigen. Die Spender waren häufig Haussuchungen und anderen Schwierigkeiten ausgesetzt. Trotzdem ließen sich diese präch­tigen Frauen nicht davon abhalten, immer wieder den Kriegsgefangenen zu helfen.

Später, als diese Hilfe verboten wurde, brachte mir ein Arbeiter täglich ein Kochge­schirr voll Essen unter Tage mit. Da ich mit ihm nicht zusammen arbeitete, konnte ich ihn nur immer für Sekunden am Schacht treffen.

gerade herrschenden Politiker stören und war darum stets umstritten: in Bonn verlor er seine Professur und wurde aus Deutschland ausge­wiesen, um nachher in Basel auch der Schwei­zer Regierung unbequem zu werden. Heute paßt sein Verhalten nicht zu der Propaganda des Westens. Aber auch die des Ostens kann ihn nur gebrauchen, indem sie seine Äußerungen ver­fälscht. Als die Russen neulich Ilja Ehrenburg vorsehickten, um Barth zum Beitritt zur Stock­holmer Friedensbewegung zu veranlassen, da mußte er Ehrenburg darüber belehren, daß die Friedenstaube auf ihrem Programm sich nur allzuleicht in einen Geier verwandeln lasse. Aber auch schon in der Bekennenden Kirche in Deutschland, die ihm soviel verdankte, wurden damals seine politischen Äußerungen weithin abgelehnt. Er kann es offenbar immer wieder niemand eigentlich recht machen; und man hat sich dafür die billige Erklärung zurechtgelegt, daß er zwar vielleicht der größte Theologe sei, den die Evangelische Kirche seit Schleiermacher gehabt habe, der aber leider gelegentlich in einer Weise ins Politische abgleite, die mit sei­ner Theologie nichts mehr zu tun habe. So sa­gen auch viele in Deutschland, wo man sich auch nach der Hamburger Synode Immer noch nicht klar Ist, ob manche Kirchenführer bei ihrer politischen Stellungnahme in der letzten Zeit nur ihre unverbindliche Privatmeinung gesagt oder aber ln ihrer kirchlichen und theologischen Ver­antwortung und darum verbindlich geredet ha­ben. Man sieht in Jenem Eingreifen der Kirche in die Politik eine Auswirkung der Theologie von Barth. Was ist daran richtig?

Es ging Barth bei seiner Erklärung des Rö­merbriefes nur darum, wieder Gottes Wort zum Reden zu bringen. Dazu mußte er sich aber nicht nur gegen jene Stimmen wehren, für welche die bestehende Kultur- und Gesell­schaftsordnung wegen ihrer Herkunft aus der christlichen Tradition des Abendlandes mit gro­ßer Selbstverständlichkeit als das christlich zu Erhaltende erschien, sondern er hatte es bereits es war die Zeit nach dem 1. Weltkrieg mit allen möglichen Erneuerungsbewegungen zu tun, die ihr Heil anpriesen. Es war wirklich eine Stimme eines Predigers in der Wüste, als Barth erklärte, daß es weder so noch so ginge; und es hat einige Zeit gedauert, bis gegen all jene allzu raschen Versöhnungsversuche zwi-

iDIE DEUTSCH ENj+EWERitsCHÄFTEN

Von 15/5 Millionen Arbeitnehmern gehören an:

DEM

DAVON:

DGB

Nach einem vorsichtigen Rundblick, ob kein gefährlicher Beobachter in der Nähe war, öff­nete er seine Tasche, gab mir das volle Koch­geschirr und nahm dafür von mir ein leeres in Empfang.

Die Gefangenen kamen, außer ihrer Arbeits­zeit unter Tage, mit der Zivilbevölkerung nicht in Berührung. Mir gelang es einmal durch einen besonderen Glücksumstand, die Frau, die mich versorgte und von der ich wußte, daß sie im gleichen Lager noch fünf weiteren Kameraden half, zu sprechen. Als ich sie fragte, wie sie es möglich mache, die Mittel für diese Unterstützung aufzubringen, antwortete sie mir:Wir Deutschen müssen doch Zusammenhalten! Viele solcher Beispiele könnte ich anführen von geschmuggelten Brie­fen, von zugesteckter Winterbekleidung, von Beihilfe bei Fluchtversuchen und vielem an­deren.

In den letzten Tagen meiner Gefangen­schaft war mir ein besonderes Erlebnis be- schieden. Eine Gruppe von etwa 800 Gefan­genen war in Gleiwitz im Entlassungslager zusammengezogen worden. Durch irgend­welche Schwierigkeiten verzögerte sich die Entlassung, und wir mußten insgesamt 14 Tage warten. An einem Tage führte man uns, und nun kommt das Erstaunliche, ohne jede Bewachung in die Stadt, wo wir eine soge­nannte Aufbauschicht durchführen sollten. Wir wurden auf verschiedene Trümmerstätten in der Stadt verteilt und dort ohne jede Be­aufsichtigung belassen. Die deutsche Bevölke­rung von Gleiwitz nützte diese acht Arbeits­stunden aus, um einmal mit uns sprechen zu können. Ich werde nie vergessen, wie plötz­lich eine alte Dame, sich an einen Mauerrest lehnend, bei uns stehen blieb:Entschuldigen Sie, meine Herren, wenn ich mich hier einen Augenblick aufhalte. Ich möchte nur einige Minuten die lieben Laute meiner Mutter­sprache mal wieder hören.

sehen Gott und Welt die Erkenntneis sieh durch­gesetzt hatte, daß Gott im Himmel ist und wir auf der Erde und daß zwischen hier und dort einige erhebliche Hindernisse liegen. Aber es hat fast noch länger gedauert, bis man Barth die Erkenntnis abnahm, daß Gott selbst diese Hindernisse überwunden hat, indem er diese vermeintlich von Gott und allen guten Geistern verlassene Welt in Jesus Christus geliebt und sich um sie angenommen hat. Hier lag die große theologische Aufgabe von Barth, die er in sei­nem Werk derKirchlichen Dogmatik durch­führt. Es geht ihm dabei in aller theologischen Strenge um den konkreten, lebendigen Men­schen. Und wenn das Ziel der Menschwerdung Gottes in Jesus Christus letztlich nichts anderes als die Menschwerdung des Menschen ist, so handelt es sich dabei um den Menschen, der nie allein, sondern immer in bestimmten so­zialen und politischen Bindungen lebt. Datum mußte diese Theologie auch stärkste politische Relevanz bekommen, die. sieh freilich nicht erst in der Stellungnahme zu den aktuellsten poli­tischen Tagesfragen, sondern schon in der ge­samten Predigttätigkeit der Kirche zu zeigen hat.

Man hat in Deutschland nach 1945 die Losung von der politischen Verantwortung der Kirche ausgegeben, ohne bis heute einigermaßen klar zu wissen, was man darunter verstehen soll. Praktisch kommt es immer wieder darauf hin­aus, daß man möglichstunpolitisch" predigt und die politischen Dinge durch diejenigen po­litischen Parteien besorgen läßt, in welchen die Kirche noch einigen Einfluß ausüben kann. Weil das im Westen noch möglich ist, merkt man nicht daß es nicht in Ordnung ist, und ent­rüstet sich nur, daß im Osten dieser Weg nicht mehr gangbar ist und die Kirche dort politisch bedeutungslos wird, weil sie keinenweltlichen Arm mehr besitzt. Demgegenüber hat Barth gezeigt, daß die Kirche ihre politische Verant­wortung in der Predigt selbst wahrzurtehmen hat. Sie tut das nicht, indem nun auf der Kan­zelpolitisiert wird, sondern dadurch, daß die Predigt kein Privatchristentum pflegt. Von den politischen Bindungen, in denen die Gemeinde lebt, darf sie auf keinen Fall absehen und muß sich mit der Gemeinde zusammen bemühen, auf die bedrängenden Fragen vom Wort Gottes her eine gemeinsame Antwort zu finden. Nur so

der DAG

678000 (Angesteltten-

5 90000 Gewerkschft)

580000

407000

406000

389000

7weitere Gewerksdi.mil- zus. 609ooo Mitgliedern

UN zieht um

LAKE SUCCESS. Nur noch wenige Tage wird die OrtsangabeLake Success am Kopf von Zeitungsmeldungen über die UN zu le­sen sein. Die Vereinten Nationen ziehen aus ihrem provisorischen Hauptquartier, einem umgebauten Fabrikgebäude in Lake Success, endgültig in ihren funkelnagelneuen 39stöcki- gen Wolkenkratzer im Stadtinnem von New York um. Am 18 Mai werden die Flaggen der 60 Nationen zum letzten Male eingeholt. Das schon fertiggestellte Hochhaus ist aber nur eiries der drei künftigen UN-Gebäude. Es wird das Sekretariat aufnehmen. Ein zweites für die Tagungs- und Beratungs­räume wird bis August fertig. Auch die Voll­versammlung bekommt ihr eigenes Heim, das aber erst im August 1952 beziehbar sein wird. Vorher wird es nicht gebraucht, da die diesjährige Sitzung der Vollversammlung in Paris stattfindet. Mehr als 5O0mal tagte in Lake Success der Sicherheitsrat, mehr als 40- mal sagten die Sowjets hier, ihrNj,et und manche dramatische Szene haben die Hun­derttausende von Besuchern gesehen, die Tag für Tag mit Wagen, Bus und Bahn nach Lake Success kamen, um etwas von der gro­ßen Politik mitzubekommen.

Drei Jahre Israel

TEL AVIV. Der junge Staat Israel wird am 10. Mai drei Jahre alt. Vier Tage lang, von Montag bis Donnerstagnacht, feiert das ganze Land fast ununterbrochen seinen Ge­burtstag, und auch die gegenwärtige Span­nung an der israelisch-syrischen Grenze soll dtb Festfreude nicht trüben. Mit den fast Vit Millionen Israelis im Lande gedenken viele der 10 Millionen Juden ln aller Welt mit Stolz und Freude der Wiedergeburt des Lan­des ihrer Väter. Denn als eine Gemein­schaftsleistung des jüdischen Volkes sieht der junge Staat sich selbst und als die legitime Heimat des verstreuten Volkes betrachtet er sieb. Die Einwanderung geht so sprunghaft vor sich, daß in den drei Jahren der Selb­ständigkeit die Bevölkerung um mehr als das Doppelte zunahm. Behindert wird der Auf­bau durch eine chronische Devisenknappheit, durch die schleichende Inflation. .Fertig" ist Israel auch politisch noch nicht. Es hat noch keine Verfassung. Diese wird erst von dem am 30. Juli neuzuwählenden Parlament ge­schrieben.

WARSCHAU. Alle noch in Polen lebenden Deutschen müssen sich nach einem Bericht aus Warschau auf Grund einer staatlichen polnischen Verfügung vom Januar verpflichten, ihre deut­sche Staatsangehörigkeit aufzugeben und sich na­turalisieren zu lassen. Allen Deutschen, die älter sind als 21 Jahre, werde jetzt auch die Rückkehr nach Deutschland verwehrt, die ihnen im vorigen Jahr noch zugesichert worden war.

kann die Kirche ihrpolitisches Wächteramt" oder, wie man auch sagt, ihrprophetisches Amt ausüben. Darin allein werden ihre politi­schen Stellungnahmen verbindlich, daß rie zum Gegenstand der Verkündigung gemacht werden. Wo die Kirche aber im einzelnen Fall ihrer Sache nicht sicher genug ist, um das tuir zu können, da hat sie überhaupt nichts zu sagen. So braucht sie nicht bloß keinenweltlichen Arm, um ihre politische Verantwortung wahr­zunehmen. sondern sie wird sich auch sehr hü­ten müssen, sich einem solchen zu verschreiben und sich damit an eine bestimmte politische Konstellation zu binden. Ob aber die politische Verantwortung der Kirche auf diese Weise von einem Bischof oder einer Synode oder von ir­gendeinem Pfarrer in der Verantwortung vor seiner Gemeinde wahrgenommen wird, das be­deutet keinen Unterschied in der Verbindlichkeit. Eine Kirche, welche den daraus entstehenden Schwierigkeiten und Anfechtungen von inneü und außen ausweichen woilte, indem sie die po­litische Stellungnahme in der Verkündigung zur unverbindlichen Privatmeinung erklärt, würde nicht nur sich selbst zur politischen Bedeutungs­losigkeit verurteilen, sondern hätte überhaupt aufgehört, Licht und Salz für die Weit zu sein.

Diese Besinnung auf die Aufgabe der rechten Verkündigung ist es, was wir neben anderem von dem Theologen Karl Barth gelernt haben, und jedenfalls nicht das Unwichtigste, wofür wir ln der deutschen Kirche an seinem 65. Ge­burtstag (10. Mai) ihm herzlich zu danken haben.

Pfarrer Hermann Diem

Kulturelle Nachrichten

Elsa Reger, die Witwe des Komponisten Max Reger, ist in Bonn im 81. Lebensjahr gestorben.

Unter den hervorragenden Persönlichkeiten der Wissenschaft und des öffentlichen Lebens, denen die Universität Glasgow anläßlich ihres 500- jährigen Bestehens am 20. Juni den Doktortitel ehrenhalber verleihen wird, befinden sieh auch die drei deutschen Gelehrten Ernst Robert C u r - t i u s, Bonn, Otto H. Eißfeldt, Halle, und Reinhard Dohm von der deutschen zoologi­schen Station der Universität Neapel.

Prof. Dr. Karl L o e w i t h . Larchmont (New York), wurde auf einen ordentlichen Lehrstuhl an der Universität Heidelberg berufen.