NUMMER 87
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MITTWOCH, 2. MAI 1951
Die Bnupoct des Hatten
D’bontgsDies
Von Marlin Schlek^r
Abt Molitor, mit dem bürgerlichen Namen Sebastian Müller, geb. 1477 zu Neuffen, der 34. unter den insgesamt 49 Äbten, die das Kloster Zwiefalten von 1091 bis zur Säkularisation 1802 regierten, war ein gelehrter, kluger und energischer Mann, just wie ihn das Kloster in dem so bewegten 10. Jahrhundert brauchen konnte. Mit unbeugsamem Willen verteidigte er die Rechte und Freiheiten seines Klosters sowohl Herzog Ulrich von Württemberg als auch Österreich gegenüber.
Wie er aber mit Umsicht und Tatkraft einerseits den umfangreichen Besitz verwaltete und mehrte, so wußte er andererseits mit Klugheit und List sich die Gunst der weltlichen Herren so gut wie möglich zu erhalten. Er hatte dabei aus den Erfahrungen seines Vorgängers Piscator — Georg Fischer — lernen können, welcher einmal das Ansinnen des Jungen, verschwenderischen Herzogs Ulrich um leihweise^Überlassung von 4000 Gulden abwies und dem Boten zur Antwort gab: „Ich wollte, Dein Herr Herzog verwaltete seine Finanzen so, daß wir auch die unserigen in Ordnung halten könnten!“ Worauf der über die Maßen erzürnte Herzog allsogleieh mit 40 Reitern gen Zwiefalten kam, den Abt hinterrücks auf einen
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rechte Meersburger, der Markgräfler, der Türkheimer vorgesetzt, während man den anderen, die man nicht gerne über Nacht im Gastbau behalten wollte, zwischen Tür und Angel einen Krug echten „Rachenputzer“ zu trinken gab. Bei der Ankunft von Gästen lautete darum die stumme Frage des Großkellners an den Abt stets: Will man sie die Schuhe aus- ziehen lassen oder nicht?
Eines Tages kamen Jörg, Truchseß von Waldburg, dermali- ger Statthalter von Württemberg, dann Graf Wilhelm von Eberstain und Herr Rudolph von Ehingen nach Zwiefalten. Wiewohl sich der Abt dem Truchseß Jörg gegenüber zu höchstem Dank verpflichtet fühlte, weil ihm dieser Anno 1525 gegen die aufständischen Klosteruntertanen so wacker geholfen hatte, auf die Anwesenheit des Eberstainers hätte man gerne verzichtet. So entfuhr ihm denn, wie ihm die Besucher gemeldet wurden, im ersten Unmut ein böses Wort. Der Abt hatte, wie es damals nicht nur zu Hofe so Sitte war, einen Narren mit Namen Zerenhaut. Der stand daneben. Und wie also die Besucher kamen und der Abt diesen mit der freundlichsten Miene entgegenging, um sie mit den Worten zu begrüßen: „Sind mir doch wahrhaftig seit langer Zeit nimmer so liebe und angenehme Gäste gemeldet worden ..." — Da rief der Narr dazwischen: „So habt Ihr vorhin in Eurer Stuben nicht gesagt!“ Der Abt kam mächtig in Verlegenheit, er gebot dem Narren zu schweigen. Diesen entschuldigend sprach er zu den Herren: „Ist ein Narrengered, lasset es nicht für wahr gelten!“ Graf Eberstain, auch nicht gerade der Dümmste im Land, rief: „Ei was, Herr Abt, heißt es nicht: Kinder, Narren und volle Leut’ reden die Wahrheit?" Und zu dem Narren gewendet: „Was sagte also Euer Herr Abt? Nur frisch von der Zunge geredet!“ Der Narr, wiewohl ihm der Abt heimliche Zeichen gab, erwiderte allsogleieh 0 l~- "«o-weilen: „So sagte er: So kommet halt her in Teufels Namen!
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6es ifd)«a »«fite praeflt — ont> 231o«ma geits beet, graufj onb Hei, unb bau)et ifmmla fommet brei onb b'Qonn gueft jua onb Iacf)t.
Komm gang mit mir auf b’^onigwies, no lieget mr ens ©raas — weit weg vom tUeag onb mittla nei — mir fällt no au a ©febiedjtle ei, i wo iß bloß no net waas.
Unb wemmr no gnuag gfdjwäQt bent, no femmr eaba fliU onb beefet biea onb beefet bas — an narrata Ulaarbe onb fei £aas — onb was a jebs halt will.
®nb wemmr no gnuag beeft bent, no werra mr fdjau gfcfjeit — tflaubfcfy, «ufer fdjeene ^onigwie» »erfebwätjt ons net? — @ell woiß i gwieß,
ARTUR GEORG RICHTER
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0efd)led)t und Burg Candau
Das barocke Bauwunder von Zwiefalten
Gaul binden und in schwerste Haft auf die Feste Hohenneuf- fen bringen ließ.
Dann schon lieber gute Miene zum bösen Spiel, sagte sich Abt Molitor und handelte danach. Er hatte oft Besucher im Kloster. Seine Gastfreundschaft war in weiten Kreisen ebenso gerühmt wie seine Begabung als glänzender Gesellschafter, der in allen Zeitfragen erschöpfend Bescheid wußte. Zeitweise war Jedoch seine Beanspruchung als gastlicher Hausherr so groß, daß er auf Mittel sinnen mußte, die. nicht so ganz gern gesehenen Gäste schnellmöglichst wieder , zu verabschieden. Er machte es aber nicht so wie ein anderer Abt jener Zeit, der „karge Abt von Ursberg“, der den Spruch prägte: „Mist und Gäst sind im Feld am best!“ Abt Molitor tat dies auf feinere Weise, wenn er zwei Sorten von Gästen unterschied, nämlich solche, die ihm Gott sandte, das waren die guten — und solche, die ihm der Teufel schickte, das waren die böswilligen..,
Nicht umsonst barg der Klosterkeller verschiedene Wein- sorteh. So wurde den Besuchern der ersteren Gattung der
Die schwäbischen Familien mit dem Namen Landauer dürften ihren Namen auf eine der verschiedenen deutschen Städte Landau zurückführen, von denen die in der Pfalz die bedeutendste ist. Die Grafen von Landau aber, die in den Anfängen der württembergischen Geschichte öfter, und zwar als nahe Verwandte der Grafen von Württemberg genannt werden, haben mit diesen Städten allen nichts zu tun. Sie gehören zu einer einstigen Burg Landau, die sich eine starke Stunde Wegs oberhalb Riedlingen bei dem Dorf Binzwangen über der Donau erhoben hat und mehrere Jahrhunderte Sitz dieses Geschlechts gewesen ist Heute ist der dortige Schloßberg freilich ohne Burg; die Nonnen des Klosters Heiligkreuztal, die den ganzen Besitz 1443 käuflich erworben haben und schließlich nach manchem Rückfall darin verblieben sind, ließen die Burg abtragen, um das Gelüsten der Nachbarn nicht zu sehr zu wecken, und setzten einen heut noch bestehenden Gutshof an ihre Stelle.
Die Grafen von Landau aber, die wie ihre württembergischen Verwandten drei Hirschstangen im Wappen führten, hatten ursprünglich Grafen von Grüningen geheißen, nach ihrem Stammsitz in dem Dorf Grüningen, ein halbes Stünde
Der ftfopfets=TBid)el
Von Paut Sachsenmatta
Einst lebte in meinem Heimatdorf ein etwas sonderlicher Mann Von ihm will ich heute erzählen, ruht er doch schon •in Jahrzehnt in einem der stillen Gräber des sonnigen Friedhofs zwischen den Leinwiesen, und ich schmälere somit weder seine Ehre noch hebe ich sein Ansehen. Michael Röger hieß er und war den Leuten unter dem Namen Klopfers-Michel bekannt.
Der Klopfers-Michel war von der Natur mit verschiedenen Gaben, wie der des Gesanges, des Frohsinns und der Witzigkeit, gesegnet worden Auch war er beim Musikverein und daheim der erste Trompeter. Aber Schönheit zierte ihn nicht. Seine O-Beine und sein linkes, in sieben Häfen auf einmal sehendes Schielauge waren von kennzeichnender Seltenheit und wohl nirgends mehr zu finden. Von seiner Pfeife, die »tets brennend im linken Mundwinkel eingekeilt war, behauptete er selbst, daß sie nicht mehr rauche, wenn sie in der anderen Ecke der Zahnreihe hänge, und böse Menschen meinten hierzu- das käme nur davon, weil das rechte Kaminloch seiner beträchtlichen Hundshütte zu groß wäre und sofort allen Rauch aufzöge, und er würde diesen somit nicht sehen. Sein Pfeifenfutter bestand aus echt schwäbischem, von ihm selbst gezogenem Gewächs und war von so hervorragender Güte, daß der Michel an die zehnmal in der Minute einen weiten Bogen spuckte.
Seine Karoline war in dieser Angelegenheit anderer Ansicht, und diese hieß: daß, wer den ganzen Tag über den Koksofen im Maul habe, solle, wenn ihn des Nachts darnach gelüste, der Katze ihren Schwanz zu Hilfe nehmen, denn dann würde kein Bett verrußt und verbrannt werden. Sie müsse eine Höllenangst ausstehen, und es wäre eine Qual, neben einem solch gleichgültigen Manne zu schlafen, wisse sie doch nie, wann ihr schneeweißes Hemd glimme. Den Michel regte so etwas nicht mehr auf, man war ja verheiratet und einander gewohnt, und seiner Alten mußte er recht geben, ob er wollte oder nicht. Doch das mit dem schneeweißen Hemd, meinte er, sei zu viel gesagt — mm, es war auch gleichgültig: Eines muß immer recht haben! —
Von regem Arbeitseifer getrieben, war er heute mit seinem Gespann und einer Fuhre Kartoffeln vom Felde zurückgekehrt, und vieles hatte er noch geplant und dies und jenes mußte heute noch getan werden, denn morgen ging’s wieder ln die Kartoffelernte.
„Also, Weib“, sagte er, „steig’ auf den Wagen ’nauf und gib mir die Säcke aufs Kreuz!“
Seine Karoline tat wie befohlen. „Daher, Michel, meinst vielleicht, ich halte dir’s noch lang* hin!“
„Laß’ die Last auf mich her sinken und..— und schön der Michel unter dem Wagen, und der Kartoffelsack kollerte den Abhang hinab.
Der Michel, der mit dem Schrecken und einer kleinen Schürfung davongekommen, rekelte sich hoch, spuckte aus, Uh nach dem Sack, legte sich wieder nieder und kugelte
dem Ausreißer nach. „Wenn der Rain schon gewalzt sein soll, so muß man zweimal darüber hinroilen!“ Und unten beim Sack: .Anscheinend gefällt es Ihnen hier besser als in meinem Keller, verehrte Fräuleins Schnaufkugeln? Bleiben Sie also hier!“ — zog sein Messer aus der Tasche, schnitt die Schnur durch und entleerte den Sack.
Und einige Stunden später .
Die Turmuhr schlug Mitternacht und die letzten Gäste des „Adlers“ zogen heimwärts. Darunter war auch der Motzer, der Nachbar des Klopfers-Michels, der Tausendkünstler, der Metzger, derFleisch- und Trichinenbeschauer, der Vieharzt, der Zahnzieher, der Hühneraugenschneider und so weiter — je nach der Art seiner jeweiligen Tätigkeit benannte man ihn. Heute wußte er den Stammtischgästen eine besondere Neuigkeit vom Klopfers-Michel zu erzählen und deshalb war auch sein kleiner Rausch entschuldbar; das mußte auch seine Frau einsehen. Und weil der Weg bei Klopfers vorüberführte, nahm er ein bestimmtes Plätzchen besonders in Augenschein. Und weil ihn das Bedürfnis dazu trieb, so benetzte er es mit Bier, denn als erfahrener Wundermann wußte er um den Kreislauf der Dinge, und warum sollte auch das Bier eine Ausnahme machen?
Der Michel, welcher über der Straße im Obergeschoß schlief, schreckte auf horchte auf das Geplätscher, glaubte, es regne — und er wollte doch schon morgen früh aufs Kartoffelfeld fahren — stand auf und schaute zum Fenster hinaus. Er schaute hin und schaute her, schaute links und schaute rechts, schaute auf und schaute nieder, wurde teufelswild und schrie- „ Ich hör’ doch etwas , und sieh doch nichts — der Himmel hat doch Sterne!“ Und nach einer Weile: „Karoline, steh auf und sieh! Heute regnet es aufwärts!“
Sein Nachbar aber, der vorher nicht mehr ganz standfest war, wurde von Lachen geschüttelt und saß bald in der von ihm selbst angeschwemmten Pfütze. Da fand ihn seine ihn suchende, mit der funkelnden Stallaterne und mit Gezeter ankommende Frau.
Als der Michel den Sitzenden sah, rief er ihm zu: „Motzer, komm’ schnell in meinen Stall herein, meine Kühe haben das Aufstoßen Doch wenn sie deinen Hosenboden ablecken, so erspare ich morgen das Viehsalz.“
Die Motzerin schimpfte lauter.
Der Michel aber lachte, holte seine Trompete aus dem Schrank, trat von neuem ans Fenster und schmetterte aus Leibeskräften den Nachbarn für den Heimweg zu: „Es, es, es und es, es ist ein harter Schluß... Ich will mein Glück probieren, marschieren “
Chen nordwestlich von Riedlingen. Sie treten, ähnlich den Württembergem, richtig ins Licht der Geschichte in den stür- ' mischen Jahrzehnten nach dem Zusammenbruch der Hohen- Stauflschen Macht. Da ist ein Graf Hartmann von Grüningen, : Vetter des Grafen Ulrich von Württemberg, des „Stifters“ (1240—65), mit diesem zusammen im schwäbischen Herzog- ' tum die Seele des Widerstandes gegen den von einer päpst- ' liehen Partei bekämpften stauflschen König Konrad; sie werden dann Parteigänger des Königs Wilhelm von Holland, der sich freilich nicht durchsetzen konnte und 1256 erschlagen wurde. Dieser belohnte, solang er noch konnte, den Grafer Hartmann, den Reichsbannerträger, 1252 mit der nördlich von Stuttgart gelegenen Stadt, die auch Grüningen oder Groningen hieß und wegen ihrer Lage nahe der fränkischen -Grenze Markgröningen genannt wurde. So bekam der Name Graf von Grüningen einen Doppelsinn. Auch dem Kaiser Rudolf von Habsburg, der nach der Zeit des sogenannten Interregnums, der .Jcaiserlosen, der schrecklichen Zeit“, wieder Ordnung zu schaffen suchte, widersetzten sieh die auf ihre Selbständigkeit stolzen schwäbischen Grafen Hartmann von Grüningen und Ulrichs Sohn, Eberhard „der Erlauchte" und schreckten vor offenem Widerstand nicht zurück; damals kam es zu der Einnahme von Stuttgart durch den Kaiser im Jahr 1286, und der Graf Hartmann verlor schon früher Markgrö-, ningen wieder. Die Ansprüche von Hartmanns Söhnen Konrad und Eberhard löste Rudolfs Nachfolger, Kaiser Adolf von Nassau, mit Geld vollends ab. Hartmann war 1280 gestorben und hatte wenigstens die letzte Ruhe noch in der Markgrö- ninger Stadtkirche gefunden, wo heute noch sein Grabstein ist.
Diese Söhne aber nannten sich nun, vielleicht um unangenehme Erinnerungen zu vermeiden, vielleicht auch bloß, weil sie ihr Stammschloß in dem Riedlinger Grüningen verlassen und das Schloß Landau bezogen hatten, Grafen von Landau. Das Geschlecht hatte aber seine Blütezeit schon überwunden; es gelang ihnen nicht wie den württembergischen Verwandten, ihren Besitz zusammenzuhalten und zu mehren. Besonders das nahe Kloster Kreuztal, dessen erste Äbtissin eine Gräfin von Landau gewesen war, kaufte sie aus, wie Bebenhausen die Tübinger Pfalzgrafen. Im 14. Jahrhundert, wo noch einmal viele schwäbische Adelige im Gefolge der Italienzüge der Kaiser, aber auch einfach als Söldnerführer in den Händeln der italienischen Stadtstaaten ähnlich den italienischen Condottieri sich kriegerischen Ruhm holten, werden verschiedene Grafen von Landau rühmlich genannt, besonders wieder ein Graf Konrad von Landau. Er hat die vielgenannte „Große Kompanie“, ein deutsches Reiterheer, nach dem Ritter Werner von Irslingen bei Rottweil, der sich noch Herzog von Spoleto nennen konnte, angeführt, wie nach ihm seine Söhne Luz und Eberhard. Ein ehrwürdiges Denkmal für diese deutschen Reiterführer ist die Kirche des hl Georg in Verona, vom Grafen Konrad mitgestiftet, die die Bilder und Wappen vieler dort bestatteter deutscher Ritter getragen hat.
Im 17. Jahrhundert starb das Geschlecht der Landauer, das auch den Grafentitel längst abgelegt hatte, mit einem Dietrich von Landau aus. Und wer weiß heute noch etwas von dem schwäbischen Landau? G. B.
Sdiroobafpiecjel
Wir wollen dem Schwaben eine gewisse Kleinlichkeit, eine gewisse wunderliche Gebärdung uns andern gegenüber gar nicht als eine Tugend anrechnen; da mag er immer noch der „tumbe Schwabe“ heißen... Warum? Weil er schwer aus sich heraus will und heraus kann; weil er etwas in sich Abgeschlossenes, Festes hat, was schwer in Anderes und Fremdes übergeht... Aber er ist reich genug in einer tiefen Leidenschaft, in vielen wallenden und unbewußten edlen Trieben und Kräften, daß er sich auch einen tüchtigen Tadel wohl gefallen lassen kann. Die wirklich Lust haben, über ihn greinen zu wollen, denen mag er zur Beschämung und stillen Widerlegung die Hohenstaufen, die Frundsberge, die Emser, die Christoffe, Reuchline, Zwingli, Melanchthone, Kepler, Euler, Haller, Schiller. Holbeine. Uhlande. Schellinge entgegenhalten
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