MITTWOCH, 2. MAI 1951
NUMMER 6 T
Wer wird Präsident in Oesterreich?
Wahlkampf auf dem Höhepunkt / Gleißner hat die größten Chancen Von unserem E. B.-Österreich-Korrespondenten
WIEN. Der Wahlkampf um den Bundesprä- aidenten hat nunmehr seinen Höhepunkt erreicht. Der Kandidat der Volkspartei, Dr. Gleißner, hat Wien, Niederösterreich und Steiermark bereist und sprach in drei öffentlichen Versammlungen in Vorarlberg. Bundeskanzler Ing. Figl fungierte in Niederösterreich als sein Vorredner. Der sozialistische Kandidat Dr. Körner hat außer in Wien — dessen Bürgermeister er ist — in Kärnten gesprochen und dann in Vorarlberg seinen 78. Geburtstag gefeiert. Beide sprachen auch über den Sender Rot-Weiß-Rot. Der Kommunist Fiala bereiste die Steiermark, Frau Hainisch-Marchet war in Salzburg. Der aussichtsreichste parteilose Kandidat Univ.-Prof. Dr. Breitner hat es abgelehnt, in öffentlichen Versammlungen zu sprechen, da sich dies mit seiner Eigenschaft als überparteilicher Kandidat nicht vereinbare. Ein Komitee aus parteilosen Persönlichkeiten wirbt jedoch überall für ihn. Völlig zurückgezogen lebt noch Univ.-Prof. Ude in seinem Heim am Grundlsee. Zu seiner Präsidentschaftskandidatur stellt das Sekretariat der Apostolischen Nuntiatur fest, daß ein Geistlicher der Erlaubnis seiner vorgesetzen kirchlichen Behörde bedürfe, um politische Würden anzunehmen. Diese Ermächtigung wurde Prof. Ude formell verweigert.
Am 6. Mai werden die 4,6 Millionen Wahlberechtigten eine schwerwiegende Entscheidung treffen. Die Stellung des österreichischen Bundespräsidenten kommt verfassungsgemäß eigentlich der einer zweiten Kammer gleich, nachdem der Bundesrat keine große praktische politische Bedeutung hat. Die Stellung des Bundespräsidenten ist sogar stärker als die des Parlaments, da er nicht nur den Rücktritt jedes einzelnen Ministers erzwingen, sondern nötigenfalls das Parlament auf lösen kann. Bundespräsldent Dr. Renner war durch • die Bundesversammlung gewählt worden und
Geschenke waren üblich
FRANKFURT. In einem Bestechungsprozeß gegen zehn ehemalige Beamte der Frankfurter Kriminalpolizei, den Rechtsanwalt Willi Lafontaine, den Fuhrunternehmer Wilhelm Reiffenstein und gegen den Gastwirt Hans Otto ist von der Strafkammer des Landgerichts Frankfurt jetzt der Frankfurter Polizeipräsident Willi Klapproth als Zeuge vernommen worden. Der Polizeipräsident erklärte, es sei ihm bekannt, daß Beamte von amerikanischen Dienststellen „in kleineren Mengen Zigaretten und Schokolade“ erhalten haben, deren Annahme weder gemeldet noch genehmigt werden mußte. Auf Fragen des Verteidigers gab der Zeuge zu, daß die Mengen dieser Geschenke von der Vorgesetzten Behörde nicht begrenzt worden sei. Vor der Währung hätten einige Polizeibeamte von deutschen Firmen für die Aufklärung von Diebstählen Zuwendungen in Höhe von 50 bis 200 Reichsmark erhalten. Anfang 1949 sei dies jedoch vom Innenministerium grundsätzlich verboten worden. Der Polizeipräsident erklärte weiter, daß die zu amerikanischen Dienststellen abgestellten Polizeibeamten keiner deutschen Dienstvorschrift und keiner Weisungsbefugnis seitens des Präsidiums unterstanden hätten.
mochte sich daher diesbezüglich gebunden gefühlt haben. Der neue Bundespräsident, der in direkter Volkswahl gewählt wird, hat dem Parlament gegenüber eine viel stärkere Stellung. Dies mag auch der Grund gewesen sein, daß der aussichtsreichste Kandidat, Landeshauptmann Dr. Gleißner, von vorneherein eine Volkswahl zum Unterschied zu weiten Kreisen seiner eigenen Partei forderte. Gleißner ist sicherlich auch die Persönlichkeit, um sich nötigenfalls gegen die leider öfters übereilten Beschlüsse des Nationalrates energisch zur Wehr zu setzen. Er genießt allgemeine Anerkennung, nur geht in Kreisen der Volkspartei der Ausspruch um, daß Österreich bei einer Wahl Dr. Gleißners zum Bundespräsidenten keinen Bundeskanzler mehr hätte. Dies
soll zum Ausdruck bringen, daß ein Teil der eigenen Partei Bundeskanzler Ing. Figl nur solange an seinem Posten sehen möchte, als die Besatzungsmächte im Lande sind. Figl ist der einzige in der Regierung, der mit Erfolg mit den Russen verhandeln kann. Wenn man auch eine Wahl Dr. Gleißners erwartet, so wird dazu wohl ein zweiter Wahlgang notwendig sein, da der parteilose Kandidat Prof. Breitner wohl so viele Stimmen erhalten wird, um eine absolute Mehrheit für Gleißner zu verhindern. Dr. Körner (SPÖ) ist zwar in der Millionenstadt Wien sehr beliebt, dürfte aber in den Bundesländern stark hinter Gleißner Zurückbleiben. Die anderen drei Kandidaten kommen ernstlich kaum in Frage. Nachdem also der zweite Wahlgang der entscheidende sein dürfte, haben beide großen Regierungsparteien mit dem Verein der Unabhängigen Fühlung aufgenommen wegen einer Unterstützung im zweiten Wahlgang. Die Verhandlungen scheinen aber zu keinem Erfolg geführt zu haben.
lakedonische Reise
Kampf der Komiiatschi / Groß-Makedonien im kominfarmistischen Gewände Von unserem ln den Vorderen Orient entsandten Korrespondenten Walter W. Krause
. Im Zug von Saloniki nach dem an der türkischen Grenze gelegenen Alexandropolis wimmelt es von braungebrannten griechischen Soldaten und Kontrollbeamten der Polizei. Schon nach einer Stunde Fahrt beginnen regelmäßig Betonbunker am Abteilfenster vorbeizuhuschen. Drahtverhaue, zerstörte Dörfer, Sol- daten-Patrouillen, bewaffnete Zivilisten des Selbstschutzes T. E. A. und eine straffe Disziplin werden für die folgenden zehn Stunden ständige Begleiter.
Es ist offensichtlich: Griechenland hat im Angesicht der nahen bulgarischen Grenzen kriegsstarke und gutbewaffnete Divisionen zur Sicherung aufgestellt! Zwischen beiden Ländern gilt nach wie vor der 1944 geschlossene Waffenstillstand, diplomatische oder Handelsbeziehungen existieren nicht Die einzige Eisenbahnverbindung durch den Roupelpaß ist
gesprengt. Nur gelegentlich treffen sich unter der weißen Flagge im Niemandsland Emissäre beider Staaten, um über örtliche Grenzverletzungen, Schießereien und verlaufenes Vieh Noten auszutauschen. Dieser „Status quo“ mit einem kominformistisch-slawischen Nachbarn zerrt nach einem neunjährigen Krieg beständig an den Nerven der Bewohner, die nach Frieden und Wiederaufbau hungern.
In Griechisch-Makedonien reagiert man deshalb auch mit der Empfindlichkeit eines Seismographen auf jede Reaktion in Bulgarien, die irgendwie die griechische Integrität berührt. Der griechischen Abwehr in die Hände gefallene Dokumente offenbaren nur allzu deutlich, daß trotz der kominformistischea Niederlage im dreijährigen Bürgerkrieg Ambitionen in Richtung Ägäis keineswegs aufge- geben sind. Unter den vielen Schlagworten
Unser Bild zeigt „Tiger" Gene Jones (links) im Angriff gegen den deutschen Schwergewichtsmeister Hein ten Hoff. Ten Hoff wurde, wie bereits gemeldet, Sieger nach Punkten AP-Foto
AH Khan hüllt sich in Schweigen
CANNES. Prinz Ali Khan will sich zu den Berichten über die Scheidungsabsichten seiner Frau, der amerikanischen Filmschauspielerin Rita Hayworth, vorläufig nicht äußern. Im Augenblick ist er verschwunden. Am Samstagnachmittag war er — für Reporter aber nicht zu erreichen — in Nizza. Am Abend wußte aber selbst seine hübsche Sekretärin angeblich nicht, wo er sich aufhielt. Vor 6 Uhr morgens erwarte sie ihn zurück, versicherte sie nachdrücklich. Rita Hayworth hat durch ihren Anwalt in New York bekanntgeben lassen, daß sie eine „gesetzmäßige und ständige Trennung von ihrem Gatten“, Prinz Ali Khan, wünsche. Der Grund sei, daß die außerordentlichen gesellschaftlichen Verpflichtungen und vielseitigen Interessen des Ehemannes Ali ein ruhiges, häusliches Glück unmöglich machten.
der letzten Zeit — „Befreiung vom anglo- amerikanischen Joch“, „historisch-ethnische Berechtigungen“ usw. — ist wieder das gefährliche eines „Groß-Makedoniens“ aufgetaucht. „Da für Griechenland kein Problem Makedonien existiert“ — so ein bekannter Wissenschaftler in Saloniki—„kann diese künstliche Konstruktion eines historisch-ethnisch gefälschten Begriffes nur alt-slawischer Chauvinismus im neuen kominformistischen Gewände bedeuten.“
Für die groß-bulgarische Idee appelliert man an die nationalen Gefühle bulgarischer Extremisten, die die im Berliner Kongreß von 1878 verlorenen Ägäis-Provinzen wieder haben wollen. Revolutionäre Internationalisten wie der in Bulgarien lebende Kommunistenführer Zachariades arbeiten mit dem Argument des gegenwärtigen territorialen „Status quo“ — aber unter Moskaus Vormundschaft. Für die Schaffung eines „Groß-Makedoniens“, ein neu zu errichtender kominfor- mistischer Staat mit Teilen Südserbiens, grie- chisch-Makedoniens und Bulgariens um das Dreiländereck Jugoslawien-Griechenland-Bul- garien, sind die „Komitatschi“ wieder modernisiert worden.
Um die Berechtigung auf Nord-Griechenland auch historisch beweisen zu können, haben kominformistische Geschichtsfälscher Statistiken veröffentlicht. So gibt es nach dem bulgarischen Professor Kantchoff in der nord- griechischen Provinz 255 000 Griechen, 1200 000 Bulgaren und 700 Serben. Die unter Tito lebenden Makedonier mit dem Zentrum Skopl- Je, die zurzeit aus taktischen Gründen das makedonische Problem auf Eis gelegt haben, verkünden durch Dr. Goptchevic: 210 000 Griechen, 58 000 Bulgaren, 2 100 000 Serben. Griechenland weist dagegen auf einen Bericht des Völkerbundes vom Jahre 1926, nach dem die sogenannte „slawo-makedonische Frage kein reales Minoritätenproblem darstelle“.
Im sogenannten makedonischen Raum bekämpften sich im Verlaufe des letzten Jahrhunderts Christen und Muselmanen, Slawen und Griechen und Slawen gegen Slawen. Allein elf Völker herrschten hier, die ethnische Komposition ist so konfus, daß die französische Küche einen sehr beliebten Fruchtsalat „makedonischen Salat“ benennt. Für den neo- moskowitischen Imperialismus lassen sich also mehr als genug internationalistische Schlagworte finden, um diese makedonischen Zustände wiederum nach Tito-Jugoslawien oder Griechenland hineinzutragen. Schlagworte wie „Befreiung“ und „Schutz der Minoritäten“ haben schon immer Zugkraft gehabt.
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