FREITAG, ZI. APRIL 1951
NUMMER 64
De Gaulle hat gute Aussiditen
Wie wird die neue Nationalversammlung in Frankreich anssehen?
Cy. PARIS. Bei dem überragenden Interesse, das die in diesem Jahre fälligen Neuwahlen zur Nationalversammlung auf Kosten aller anderen Probleme, einschließlich der heiklen Finanzlage und der beunruhigenden Preisbewegung. finden, ist es nur natürlich, daß man sich heute schon in weiteren Kreisen Gedanken darüber macht, wie die neue Volksvertretung eigentlich aussehen wird. Dabei gilt als ausgemacht, daß sehr viele, die in den vergangenen Jahren die in Frankreich recht beträchtlichen Vorteile des Parlamentariers genießen durften, nicht mehr zurückkehren werden, was den langen und zähen Widerstand dieser Kammer gegen die Wahlreform nur zu erklärlich erscheinen läßt und selbstverständlich machen würde, wenn die Wahlen wirklich, wie dies von gewissen Seiten angestrebt wird, bis in den Oktober verschoben werden sollten.
Soweit Voraussagen möglich sind, herrscht weithin Übereinstimmung darüber, daß die Sammlungsbewegung de Gaulles der künftigen Nationalversammlung ein ganz neues Gesicht geben wird, schon deshalb, weil der Generäl ja bisher nur durch eine kleine Gruppe im Parlament vertreten war. Dieser Tage hat eine der markantesten Persönlichkeiten des hohen Besatzungspersonals in Deutschland, der Landeskommissar für Rheinland-Pfalz. Hettier de Boislambert, seinen Posten verlassen, um sich als Kandidat aufstellen zu lassen. Obwohl es nicht ausdrücklich gesagt wurde, kann dies jedoch nur für die Sammlungsbewegung, das R. P. F., geschehen, denn Hettier de Boislambert galt schon immer als treuer Anhänger des „Mannes vom 18. Juni“, wie man de Gaulle seit seinem Appell zum Widerstand im Jahre 1940 nennt. Eine zweite Persönlichkeit aus den obersten Rängen der französischen Zivilverwaltung in Deutschland wird, wie Eingeweihte versichern, den gleichen Schritt tun: Der Leiter der Abteilung Kulturelle Angelegenheiten im Höhen Kommissariat, General Schmittlein, der in den letzten Jahren nicht nur durch seine sehr aktive Kulturpolitik, sondern auch als Schriftsteller hervorgetreten ist, Will ebenfalls nach Frankreich zurückkehren und sich für de Gaulles Partei in Beifort aufstellen lassen.
In der Kandidatenliste der Bewegung, der man heute bereits ein Mandatszahl von 130 bis 150 Sitzen als sicher zuerkennen möchte, sind viele weithin bekannte Namen vertreten, die ihre Berühmtheit freilich nicht auf der parlamentarischen Bühne erwürben haben. In den Basses Pyrenöes dürfte General de Möht-
weiteren älteren und Jüngeren Generälen wird auch der berühmte Oberst Passy der Widerstandsbewegung, der eigentlich de Wavrln heißt, im Norddepartement zum Kampf an- treten. Neben den Militärs sind aber bei de Gaulle noch zahlreiche zivile Berühmtheiten vertreten, deren Namen eine große Anziehungskraft auf die Wählermassen ausüben dürften, wie der des Gelehrten Prof. Pasteur Vallöry-Radot, des bedeutenden Pariser Rechtsgelehrten Prölot, von Philippe Barräs, des Sohnes des bedeutenden Schriftstellers Maurice Barras, und, vaster den Mitarbeitern de Gaulles selbst, von Andre Malraux, dessen literarischer Ruf weit über die Reihen der gaullistischen Bewegung ausetrabft.
Bei den Sozialisten wird sich das Bild dagegen nicht wesentlich ändern, und in den Reihen der christlichen Volksrepublikaner, die
wohl ihre Anhänger in großer Zahl zu de Gaulle werden abwandem sehen, wird man froh sein, wenn die führenden Köpfe der Partei an sicherer Stelle untergebracht werden können. Auffallend wenig Wert legen die Radikalen auf neue Namen und jungen Nachwuchs. Offenbar will die „Alte Garde“ der Dritten Republik, die vorübergehend ausgeschaltet war, durch den als sicher erwarteten Wahlerfolg Ihren Triumph über die „Vierte“ voll machen.
Neue Gesichter, besser gesagt, neue alte Gesichter können aber auch im Palais Bourbon erscheinen, wenn die „Unwählbaren“, denen nach der Befreiung das passive Wahlrecht aberkannt worden war. weil sie im Juni 1940 Marschall Pötain die Staatsmacht anvertrauten, die Stimmen der Wähler zurückgewinnen können. Diese Männer sind vor allem ln den Reihen der Radikalen und der Unabhängigen, lies Rechten, zu suchen. Darunter befinden sich bekannte Namen wie der Pierre Etienne Flandins, der in der Vorkriegspolitik eine so bedeutende Rolle gespielt bat.
In den ärmsten Gebieten der Bundesrepublik
Der Bayerische Wald und die Rote Zone bei Pirmasens
F. M. Zu den Elendsgebieten in Westdeutschland gehören der Bayrische Wald und die Rote Zone in Rheinland-Pfalz. Diese beiden Gebiete liegen zwar sehr weit voneinander, aber sie tragen das gleiche Gesicht, den gleichen Stempel der Armut. Waren sie schon immer arm, so sind sie durch den zweiten Weltkrieg noch ärmer geworden, denn trotz vieler landschaftlicher Schönheiten kann die Natur den Menschen nicht das schenken, wonach sie in erster Linie verlangen: Arbeit und Geld. Seit Jahren ertönen die Notrufe der hungernden Menschen, seit Jahren werden Denkschriften an die zuständigen Behörden gerichtet. Wohl konnte da und dort die Not gelindert werden, aber es war nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Nur großzügigste Hilfe im wahrsten Sinne des Wortes kann grundlegende Besserung schaffen.
Der Bayrische Wald wurde durch die Austreibung der Sudetendeutschen und Schlesier das größte Hungerlager Westdeutschlands, die Rote Zone durch die Kampfhandlungen im zweiten Weltkrieg sinnlos verwüstet.
Im Bayrischen Wald ist der fruchtbare Boden knapp. In harter Arbeit müssen die Feldfrüchte der steinigen Erde abgerungen werden. Größtenteils leben die Menschen vom Holzschiag und von der Holzindustrie. Das Verkehrsproblem ist das A und O im östlichen Landstreifen der Bundesrepublik. Das gilt gleichermaßen für die Holzindustrie wie
sabert aufgestellt werden, der sich im letzten f(j r (jj e Grahitbetriebe und den Fremden-
Krieg hervorgetan und zeitweise die französischen Besatzungstruppen in Deutschland kommandiert hat. Im gesegneten Weinland der burgundischen Cöte d’Or wird General Billotte vor die Wähler treten, der vor Jahresfrist seinen hohen Generalstabsposten demonstrativ verlassen hat mit der Begründung, Frankreich sei unzureichend: verteidigt. Neben
Bundesrepublik billiger als Deutsches Reich
BONN. Die Bundesrepublik arbeitet in ihrer Verwaltungsorganisation billiger als vor dem' Kriege das Deutsche Reich, geht aus vom Bun- desfinanzmiilisterium zusammengestellten Unterlagen hervor. An Gehältern, Löhnen ünd Pensionen wurden ihi Jahre 1938 votn Reich, von den Ländern und Gemeinden 7,4 Milliarden Reichsmark aufgewendet. Das entspricht nach der heutigen Kaufkraft 11.2 Milliarden DM: Trotz der größeren Einwohnerzahl des Reiches schneidet der Bund günstiger ab. Er gab je Kopf rund 134 Mark, das Reich dagegen 161 Mark aus. In diesen Zahlen sind die Kosten für die Organisation der NSDAP nicht berücksichtigt. Dabei wird hervorgehoben, daß die Bundesverwaltung unter den verteuernden Umständen des Föderalismus arbeitet.
verkehr. Viele Dörfer liegen stundenweit von der nächsten Bahnstation entfernt. Autobus- verbindungen sind selten.
Hunger und Arbeitslosigkeit begleiten die Menschen. Seit den turbulenten Tagen in den Sommermonaten des Jahres 1945 ist das Elend durch die Zusammenpferchung der Menschen aus dem angrenzenden Böhmerwald und aus dem nördlichen Böhmen ins Bayrische noch bedeutend größer geworden. Da war der Treck deC Gejagten’, der Treck der Heimatlosen, denen die Tschechen alles geraubt hätten. Dann kamen noch die Schlesier, und heute drängen sich im Bayrischen Wald rund 350 000 hungernde Menschen zusammen, die so elend, vielleicht ölender leben als Irgendein kleines Volk in Europa.
Die Rote Zone, das Gebiet zwischen Pirmasens und Prüm mit den Kernpunkten Trier, Bitburg und Gerolstein, hat besonders schwer während der am 16, Dezember 1944 gestarteten „Ardennen-Offsive“ gelitten. Damals wurden selbst die kleinsten Orte und eine Unzahl von Einzelgehöften durch Luftangriffe zerstört oder zumindest stark beschädigt. Noch heute sieht es stark nach Krieg aus. Man findet an vielen Stellen ausgeschlachtete Fahrzeuge, Teile von verrosteten Maschinengewehren, Gewehrteile. Stahlhelme u- a. m., das an die Kämpfe erinnert. Mitten durch diese un
glückliche Landschaft zog sich der Westwall. Hunderte von Bunkern, die am Ende des Krieges von den Soldaten als Mausefallen bezeichn^ wurden Tausende von kleinen Hök- kern, die den anfahrenden Panzern Einhalt gebieten sollten, meilenweite Stacheldrahtverhaue und Unterstände wurden in den vergangenen Jahren gesprengt und die weiten Minenfelder unter Lebensgefahr geräumt. Nach und nach wurde das verwüstete Ackerland, von dem rund 30 000 Hektar der Bebauung entzogen waren, seiner Bestimmung wieder zugeführt, aber noch lange nicht ist der gesamte Nutzboden frei.
Im Jahre 1939 gab es in der Roten Zone 143 737 Wohnungen, in denen rund 700 000 Menschen lebten. Bei Kriegsende waren es nur noch 66 207 Wohnungen mit 550 000 Menschen. In den reinen Landkreisen wurden 20 bis 41 Prozent aller Gebäude zerstört. Die Landesregierung Rheinland-Pfalz hat alles versucht, um das furchtbare Elend zu lindem. Mehr als 700 Millionen DM sind Jedoch notwendig, um alles wieder in Schuß zu bringen. Eine Riesensumme für Westdeutschland.
„Seeteufel * 4 fliegt
Luekner: „Botschafter des gute» Willens“
FRANKFURT. „Der Seeteufel" Graf Felix Luekner, der jetzt 70jährige Kaperkapitän aus dem ersten Weltkrieg hat seine erste Luftreise hinter sich und ist vom Fliegen begeistert. Graf Luekner, der seit dem 15. November 1950 auf einer Vortragsreise in den Vereinigten Staaten weilte, traf von New York kommend in Frankfurt em. Über sein Flugerlebnis äußerte er: „Sonst habe ich 63 Tage mit dem Windjammer gebraucht und 280 Wachen geschoben, ehe ich den Atlantik überqueren konnte und Jetzt gings in 18 Stunden und mit drei Wachen — einfach unglaublich “ In seiner humorvollen Art schilderte Graf Luck- ner seine Eindrücke von Amerika und meinte, er habe als „Botschafter des guten Willens“ unter den Amerikanern nur noch „guten Willen für Deutschland“ vorgefunden.
Ehemalige SS-Leute aus Polen zuröde
HOF. Nach längerer Pause trafen im Durchgangslager Hof-Moschendorf 85 ehemalige Kriegsgefangene aus Polen — meist frühere SS-Angehörige ein. Sie waren 1945 von den Amerikanern gefangen und später, teilweise noch 1947, wegen angeblicher Kriegsverbrechen an Polen ausgeliefert worden. Die Heimkehrer waren von polnischen Gerichten zu durchschnittlich drei Jahren Gefängnis verurteilt worden. Sie wurden in den Arbeitslagern Stuhm. Danzig. Mokotoff und Krakau zu Aufbauarbeiten verwendet. Nach ihren Aussagen war die Behandlung anfangs sehr schlecht, später besser. Die Heimkehrer konnten keine genauen Zahlen über die in polnischen Lagern und Gefängnissen noch festgebaitenen deutschen Soldatm nennen. Überall in Polen gebe es solche Lager.
Neue 100-DM-Noten
FRANKFURT. Neue Banknoten über 100 D- Mark werden nach Mitteilung der Bank deutscher Länder Mitte Mai in Umlauf gebracht werden. Die Banknoten, die bereits gedruckt sind, sind etwas größer als die gegenwärtigen und werden ln vorwiegend violettem Farbton gehalten. Sie tragen auf der Vorderseite das Porträt des Nürnberger Ratsherrn Albert Muffel, das nach einem Dürergemälde frei gestaltet wurde. Auf der Rückseite ist das frühere Stadtbild von Nürnberg wiedergegeben.
London etwas resigniert: „Es ist eben Krieg“
Auch ln England alles teurer geworden / Auswirkungen der Rüstung
Von T. R. Flyvel
LONDON. Augenblicklich sehen die Dinge in Großbritannien nicht rosig aus. England hat den feuchtesten Februar seit langer Zeit hinter sich; kalte Ostwinde, die rheumatisches Zwicken verursachen, bliesen in den ersten Märzwochen, und die Tagespreise für die britische Durchschnittsfamilie sind in diesen Tagen ständig gestiegen. Tee, Kaffee, Schokolade, Gas. Fahrkarten, Kleidungsstücke, und was nicht alles, jeden Tag verkünden die Zeitungen einen neuen Sprung nach oben. Wenn das, wie die Fachleute es beurteilen, tatsächlich keine Inflation ist, so ist es doch eine recht gute Imitation. Dazu kommt noch der Mangel an Stahl und wichtigen Rohstoffen wie Schwefel, und hier und dort hat eine Fabrik bereits Kurzarbeit eingeführt.
Bisher ist diese Verwirrung weniger auf die Wiederbewaffnung selbst als auf die unkontrollierten, internationalen Hortungen zurückzuführen. die der schwarzen Korea-Woche im vergangenen Dezember folgten, wo die amerikanische Industrie mit ihrer größeren Finanzkraft so schnell zugriff, daß die britische Industrie teilweise einfach in der Luft hängen blieb..
Aber auch die Wiederbewaffnung zeigt ihre unausbleiblichen Auswirkungen. Die britischen Zeitungen schreiben einmal über Beschneidungen auf dem Verbrauchsgütermarkt und
ein andermal über das Stop beim Ausbau des Femsehwesens, jeden Tag gab es etwas Neues. Für die geplagten Briten ist diese Situation besonders schwierig, weil sie geh mehr als 11 Jahren unter mehr oder weniger harten Bedingungen leben müssen. Es ist verständlich, daß der normale Mann manchmal verlangend nach dem leichteren Leben Jenseits des Kanals blickt und sich beispielsweise Gedanken darüber, macht, daß die Belgier, die im letzten Kriege statt der sechs Jahre, die England teilnahm, nur sechs Tage kämpften, eigentlich recht gut weggekommen zu sein scheinen. Öder er überlegt sich, daß Westdeutschland heute — trotz all seiner Sorgen — doch glücklich ist: keine Soldaten in Korea, Malaja, Hongkong. Suez, bisher noch keine Wiederbewaffnung und reichlich ERP-Hilfe.
Man sagt wieder einmal, wie zwischen 1939 und 1945, ..es ist eben Krieg“ Die bri
tischen Truppen ln Korea, zu Lande, in der Luft und zur See, betragen etwa 23 000 Mann. Obwohl diese Zahl größer ist als die der Türken. Franzosen, Holländer, Siamesen und anderer Alliierter zusammen, ist sie doch noch verhältnismäßig viel niedriger als die der amerikanischen. Das gleiche gilt für die bisherigen britischen Verluste. Dennoch wird die Verlustliste ständig länger, und es ist angesichts dieser Tatsache überraschend, daß Korea beute so wenig politisches Interesse erweckt.
Wiedersehen im Sdiatten
Erinnerung an eine Universität
Da liegt die alte Berliner Universität als ein ausgebombter Trümmer-Torso vor mir Welch ein Unterschied zur „Universitas Utterarum“ von «inst, als das Helmholtz-Denkmal noch von jedem den Haupteingang Benutzenden passiert wurde. Wo sind die alten, im Frühjahr so herrlich blühenden Kastanienbäume im Universitätshof, wo ist das rege studentische Kommen und Gehen in den Gängen der Gebäude geblieben? Ein fast zu hartes Urteil scheint die Geschichte Ober diese Geistesstätte gesprochen zu haben, wo selbst das Gefallenendenkmal des ersten Weltkrieges mit dem Namen des „Wanderers zwischen beiden Welten" aus Walter Flex restlos zerborsten am Boden liegt!
Wie aus einem Trümmerfelde schaut das Hegeldenkmal — gleichsam eingemauert von Steinen zum Neubau — sinnend in weite Femen durch diese Trümmeruniversität hindurch. Hegels Wohnhaus am Kupfergraben — für ihn •inst Mittelpunkt des .Weltgeistes" — ist stark beschädigt, aber noch vorhanden. In der Universitätsbibliothek befindet sich alles noch am gleichen Platze wie einst. Ja, die alten hölzernen Zettelkästen, in die man damals seine Bücherbestellungen hineinsteckte, sind tatsächlich noch da; aber es herrscht eine tiefe Stille an diesem Tage in allen Räumen, durch die einmal reges Leben flutete. Von den nahe, gelegenen. Jedem alten Berliner Studenten bekannten, „Akademischen Bierhallen“ ist lediglich noch eine angedeutete Eingangshälfte übriggeblieben; alles übrige wurde zu einem wüsten Steinhaufen.
Welch ein Leben war nicht einmal im studentischen Wohnheim „Johanneum“, Artilleriestr 15, Wo namentlich Theologiestudenten wohnten. Wieviele „Budengespräche" sind hier gehalten worden von Studierenden aus allen deutschen Land- achaften. Viele von ihnen mögen in fremder Erde ruhen, während ihre Wohnstätten von ehedem ausgebrannt und stumm Tage und Nächte kommen und gehen sehen.
Der rote Backsteinbau des Domkandidatenstiftes in der Oranienburger Straße ist teilweise •chwarz von der Feuerlohe. Nichts mehr erinnert *n geregeltes Leben vieler Generationen von
Kandidaten, die hier gelebt und gearbeitet haben.
Doch wieder zurück zur Universität! Dort ln Jenem völlig auf gerissenen Seitenflügel hielt noch im Kriege Philosoph Nicolai Hartmann bei Kerzenschein seine letzten Berliner Vorlesungen. Er gehörte wie Professor Spranger zu den großen Erscheinungen dieser Hochschule. Wird hier nicht der typische Gang des greisen Hamack. des großen Theologen, unter den Linden sichtbar und will nicht dort das ausdrucksvolle Gesicht des berühmten Altphilologen v. Willamowitz- Möllendorf hervortreten? Von dem Historiker Meinecke, dem Denker und Organisator Liebert mit ihren übervollen Hörsälen sollte nur noch die Erinnerung leben?
Aber wirklich, nichts als Täuschung — nur Leere und Trümmer ringsum; dennoch steht über allem die unsichtbare Mahnung; „Was Du ererbt von Deinen Vätern hast, erwirb es. um es zu besitzen." — Das Leben geht weiter auch über Trümmer und Gräber. Uns diene auch die Geschichte zerschlagener Stätten schaffenden Geistes zum Mahnmal, echte und wertvolle Tradition nicht abbrechen zu lassen. W. K.
Hermann Hesse und das Morgenland
Schon früh kann man in der deutschen Literatur eine Anteilnahme am indischen Geistesleben feststellen Goethe. Herder, die beiden Schlegel und Wilhelm Humboldt begrüßten die ersten Übersetzungen indischer Literaturdenkmäler mit Begeisterung und wurden durch sie zu neuen Schöpfungen angeregt. Rückert, Richard Wagner, Karl Gjellerup, Thomas Mann, W. Somerset Maugham und andere nahmen indische Motive und Stoffe zu Vorbildern Ihres eigenen dichterischen Schaffens Besonders stark ist der indische Einfluß auf dem Gebiet der erzählenden Prosa, wo Indiens Kultur und Religion als Hintergrund der Dichtung erscheint Eines der bekanntesten Prosawerke ist in dieser Hinsicht Hermann H e s s e s 1923 erschienener „Siddhartha“, das inzwischen vom Suhrkamp-Verlag (Berlin 1950. 172 S) neu aufgelegt wurde.
Die Erzählung vom Leben und Wandel des Brahmanensohnes Siddhartha (zu deutsch: Einer, der sein Ziel erreicht hat) ist die Geschichte eines Menschen, der den Weg zu seinem wahren inne
ren Selbst zu finden suchte, die Erlösung aber weder durch die tiefen Sprüche der Brahmanischen Philosophie durch buddhistische Meditationspraktiken, noch durch ein der Welt zugewandtes Leben erlangte, sondern diese letzte, das Heil bedingende Weisheit von der ursächlichsten Identität des Ichs mit dem All vom Strom und einem schlichten alten Fährmann erlernte Seinem vergeblich strebenden Freunde aber gibt er tn dem tiefsinnigen Schlußgespräch die Belehrung, daß dem Menschen „Lehren nichts nützen können, denn die Weisheit ist nicht mitteilsam, jeder muß sie selbst finden". Die Schönheit der Sprache und die dichterische Behandlung eines philosophischen Stoffes morgenländischer Herkunft nehmen den Leser gefangen. Hugo Ball, dem der Dichter in seinen „Gedankenblättern“ (Suhrkamp-Verlag, Berlin 1950, 303 S.) einen Nachruf widmete, konnte daher mit Recht sagen, daß Hesse in seinem Siddhartha vor allem die Musik Indiens zu erfassen suchte, die Yogaübungen in seinen Stil aufnahm und die Sprache auf das Knochengerüst reduzierte. wn.
Für den Bücherfreund
Tagebuch eines Vaters
Wolfgang von Eichborn, Kleiner Bruder ln der Wiege, Wunderlich-Verlag, Tübingen 1950. 10 S.
Die Erwartung eines Kindes, seine Ankunft, ■eine ersten Lebensregungen bis zum ersten Lächeln: Wie auch der Vater daran vollen Herzensanteil nehmen kann, ist hier in schönen, fast überschwenglichen Worten gesagt.
Verlorene Heimat
Will Erich Peuckert, Schlesisch. B. Piper- Verlag, München. 1950 201 S.
Soll man überhaupt noch davon reden, vom Osten, von Schlesien, den Schlesiern und ihrem Schlesisch? Besteht nicht die Gefahr, daß jedes Bild und jeder Klang der Heimat die Vertriebenen an ihr leidvolles Schicksal erinnert und ihnen das Heimischwerden bei uns schwer macht? Manche Bücher, die von der alten Heimat reden, sind zn tränenreich, W E Peuckerts „Schlesisch" aber nicht. Da geht der Humor, der gute schlesische Humor um, da klingt die Sprache eines großen deutschen Stammes, da sieht man den
Schlesiern aufs Maul und aufs Herz. Ein herzhaftes und herzliches Buch — wie die Schlesier eben sind — für sie und für alle anderen, die sie näher kennenlemen möchten
Köln im Bild
Altkötntsches Bilderbuch, Verlag E. A. Seemann. Köln. 4« S., Hbl., 24 DM.
Die Stadt Köln selbst hat anläßlich ihres 1900- jährigen Bestehens dieses prachtvolle Werk herausgebracht. In bunter Mannigfaltigkeit sind hier Gesamtbilder und Pläne der Stadt in den verschiedenen Entwicklungsstufen, Einzelansichten der wesentlichsten Bauwerke, malerische Partien und auch Ausschnitte aus dem Kölner Volksleben zusammengetragen. In drucktechnischer Hinsicht wie überhaupt In der ganzen Aufmachung stellt das Werk eine Meisterleistung dar. Von besonderem dokumentarischem Wert ist der Band, nachdem durch den Krieg viele der hier gezeigten Kunstwerke zerstört oder stark beschädigt wurden In kurzen Bildtexten Ist das Schicksal der einzelnen Bauwerke vermerkt Das Werk will in erster Linie ein Altkölnisches „Bilderbuch" sein und kein Lehrbuch, es will den Leser bereichern, ohne ihm’ Mühe zu bereiten. sh.
Eine „Deutsche Musikmesse 1951" wird In der Zeit vom 31 August bis 5 September 1951 in Düsseldorf gezeigt Die Musiktnstru- mentenhersteller und Musikalienverleger werden ihre Erzeugnisse in den Ausstellungshallen zur Schau stellen.
Zur Förderung der Forschung ln der Bundesrepublik werden im laufenden Jahr rund 10 Millionen DM aus ERP-Gegenwertmitteln zur Verfügung gestellt Weitere Millionenbeträge sollen zusätzlich für die Förderung der Forschung in Westberlin ausgeworfen werden
Auf einer ersten großen gemeinsamen Tagung des gesamten Berufsstandes der Bibliothekare werden vom 15 Ms 21 Mat tn Münster etwa 1000 Vertreter deutscher Bibliotheken die wichtigsten Fragen ihres Berufes erörtern
Ein „Ost-Europa-lnstltut* wird mit Beginn des Sommersemesters 1951 an der Westberliner „Freien Universität" seine Tätigkeit aufnehmen