MONTAG. 23. APRIL 1951

NUMMER 62

Wer bezahlt die Rüstungskonjunktur?

Der Hintergrund der sozialen Kämpfe in Frankreich

Von unserem Pariser G. F.-Korrespondenten

PARIS. Nach zehn Monaten Koreakrieg scheint nur eines sicher: Die westliche Welt Ist ärmer geworden. Die Rüstungskonjunktur und die sie wie ein Gespenst begleitende In­flation bringt ln unserem Zeitalter der Über­besteuerung, der Verstaatlichung und der ge­lenkten Wirtschaft nur noch wenigen Spe­kulanten Sondergewinne. Die Masse der Produzenten verliert.

Frankreich hat als erstes europäisches Land eine Welle der sozialen Agitation erlebt, die ausschließlich auf die Inflationistischen Be­gleiterscheinungen der Rüstungskonjunktur zurückzuführen ist. Obwohl schon Im ver­gangenen Herbst das französische Lohnniveau um durchschnittlich 10 Prozent heraufgesetzt worden ist, hat der Streik der Pariser Ver­kehrsarbeiter, der französischen Eisenbahner, zahlreicher Berg- und Hüttenarbeiter und einer Reihe von Metallarbeitergewerkschaf­ten die Pariser Regierung gezwungen, eine neue allgemeine Lohnerhöhung von zehn bis fünfzehn Prozent zu akzeptieren. Noch heute versucht das Kabinett Queuille, dessen Tage gezählt sind, wenigstens provisorisch das Gleichgewicht des Staatshaushaltes und das ökonomische Gleichgewicht zwischen Löhnen und Preisen wieder herzustellen.

Die oberste Kommission für die Lohnbil­dung in Frankreich hat im März festgestellt, daß die Lebenshaltungskosten der Arbeiter­schaft seit August um rund 12 Prozent gestie­gen sind. Die neue Lohnerhöhungswelle, die diesen Kaufkraftverlust ausgleichen sollte, ist aber noch nicht bis in alle französischen Pro­vinzen und Betriebe gedrungen und schon

stellten die Pariser Gewerkschaftszentralen fest, daß sie unzureichend ist, weil inzwischen, nämlich in den letzten drei Wochen, die fran­zösischen Preise erneut gestiegen sind. Die Regierung konnte in der Tat die Erhöhung der Bergarbeiterlöhne nicht durch Subven­tionen decken, sondern mußte Kohlen Preis­erhöhungen zulassen, die von 520 Prozent gehen. Die Stahlpreise werden eine noch kräftigere Verteuerung erfahren. Elektrizität für den Hausgebrauch wurde um 10, Gas um 5, die Gütertarife auf den staatlichen Eisen­bahnen um 10,5 und die Posttarife um 1215 Prozent erhöht. Die Beiträge, die jeder fran­zösische Arbeitnehmer zur Sozialversicherung zu leisten hat, steigen ebenfalls. Praktisch ist so, wenn man den Haushalt eines gelern­ten französischen Arbeiters zugrunde legt, das Leben in Frankreich seit Mitte März bereits wieder um rund 5 Prozent teurer geworden.

Die Regierung, die natürlich auch die Be­amtengehälter erhöhen mußte, den wachsenden Rüstungsausgaben in Indochina und in Frank­reich gerecht werden muß, die für den Wieder­aufbau der bombenzerstörten Städte und für die Modernisierung der verstaatlichten Indu­strien ständig steigende Preise anlegen muß, sieht sich einem Haushaltdefizit von mehre­ren hundert Milliarden Franken gegenüber und kann nicht hoffen, all diese Fehlbeträge durch Anleihen zu decken, zumal das Miß­trauen der französischen Sparer durch die in­flationistische Entwicklung der letzten Zeit wieder sehr wach geworden ist. Sie berät also über neue Steuern jeder möglichen Art. Die Aktiengesellschaften sollen statt bisher 34 in

Zukunft 36 Prozent ihrer Gewinne abführen, die Lohn- und Gehaltsempfänger, die mehr als 500 000 frs. jährlich verdienen (rd. 6000 DM) sollen zu einer 5prozentigen Sonder­steuer herangezogen werden. Zigaretten- und Tabakpreise der staatlichen Tabakregie sollen erhöht werden und auf neue Personenwagen will man eine 20prozentige Wertsteuer legen.

All dies kann nur wiederum dazu beitragen, die Lohn- und Preisspirale in Bewegung zu halten. Die Hoffnung der französischen Re­gierung richtet sich nun auf die Ernte. Frank­reich ist mit allen seinen wichtigen Lebens­mitteln autark und ein guter Emteausfall be­deutet Überfluß und niedrige Agrarpreise. Schon hat die Jahreszeit, obwohl sie heuer ungewöhnlich kalt ist, einige wichtige Preise herabgedrückt und damit einen kleinen Aus­gleich für den Arbeiterhaushalt geschaffen. Wird die Ernte gut, so kann der Finanz­minister recht behalten, der noch immer an keine galoppierende Inflation, sondern an die Möglichkeit glaubt, die Preise auf dem neuen Niveau festzuhalten. Er stützt seine Hoffnung aber auch auf die Wende der internatio­nalen Konjunktur, die sich damit ankündigt, daß die Vereinigten Staaten in ihren Roh­stoffeinkäufen behutsamer Vorgehen als bis-

Verbrannte Finger

LONDON. Vier englische Hausfrauen ver­suchten am Montag zum Protest gegen die Er­nährungspolitik der britischen Regierung ihre Rationsbücher vor dem Parlamentsgebäude bei strömendem Regen zu verbrennen. Nicht alle Bücher fingen Feuer. Dagegen verbrann­ten sich einige der Frauen die Finger. Die Polizei stellte die Namen und die Anschriften der Frauen fest, denn es gibt ein Gesetz, das denjenigen mit einer Geldstrafe bis zu 500 Pfund Sterling bedroht, der ein Rationsbüch­lein vernichtet.

her und daß die internationalen Rohstoff­kurse gegen einen Plafond zu stoßen scheinen. Fraglich bleibt nur, ob es der Regierung ge­lingen wird, die Gewerkschaften davon zu überzeugen, daß auch diese Rüstungskonjunk­tur mit einer Herabsetzung des Lebens­standards bezahlt werden muß, und daß davon die Massen der Lohn- und Gehaltsempfänger nicht ausgeschlossen sein können. Um so fraglicher, als Frankreich vor einem neuen Wahlkampf steht, der nicht geeignet ist, un­angenehme Wahrheiten populär zu machen.

Diktator Hodscha ausgebootet?

Turbulente Vorgänge in Albanien

dsi. ROM. Die Ereignisse in Albanien neh­men einen turbulenten Verlauf. Nach zuver­

lässigen Informationen des italienischen Nach- gewesen sind.

Hodschas und eine Untergrabung seines An­sehens in Albanien zwangsläufig die Folge

Berliner erleben die Schweiz

Land ohne Kampf, ohne Spannungen, ohne Angst KB. BRISSAGO, im ApriL

Wenn man vom Hotelbalkon in Brissago über den Lago Maggiore und die Alpenkette schaut, glaubt man, daß Frieden in der Welt wäre, daß es nie etwas anderes als Frieden gegeben hätte. Statt Trümmern und Ruinen sieht man idyllische Dörfer inmitten von Reb- geländen, gehoben durch das dunkle Grün der Edelkastanien und Nußbäume.

Das alles aber ist, wenn man will, nur die Kulisse, freilich die wundervolle Kulisse dieses Frühlingsparadieses. Viel eindringlicher, vor allem für die deutschen Gäste, ist dies: Hier ist ein Land ohne Spannungen, ohne Kampf, ohne Ängste vor gefährlichen Entwicklungen. Was kann schon sein? Uber zwei Katastrophen ist man hinweggekommen, warum sollte man nicht eine unwahrscheinliche dritte überleben? Nun, das ist vielleicht so südlich gedacht, wie man hier lebt, aber der Berliner Gast läßt sich gern davon anstecken. Hier ist ein Stück Erde, auf dem keine Russen zu sehen sind. Und wenn hinter Brissago gleich die schwei­zerisch-italienische Grenze verläuft, so ist das kein Problem nach Helmstedter Muster: Auf dem MuniCipiö in Brissago erhält man ohne weiteres den Grenzstempel für Italien. Und die Züge fahren auf dem anderen Seeufer ab­wechselnd durch schweizerisches und italieni­sches Gebiet, und sie fahren auf die Minute pünktlich.

Normal ist endlich auch, daß der deutsche Reisende für das Ausland keine britischen oder amerikanischen Sonderpapiere und kein Exit Permit mehr benötigt. Er besitzt als Deutscher wieder seinen deutschen Reisepaß mit dem Adler. Und er erhält das Schweizer Visum ohne Schwierigkeiten und ohne beson­dere Einladungen oder Nachweise. Und ebenso einfach ist die Paß- und Zollkontrolle an den Grenzen. Schwieriger freilich ist im Augen­blick die Frankenfrage. Hier muß man einst­weilen das geschäftlich Nützliche mit dem persönlich Angenehmen verbinden; sowohl auf deutscher als auf schweizerischer Seite ist

das Bestreben wirksam, auch das Devisen­problem zu lösen Man braucht nicht nur das Geld der Deutschen, man möchte auch die lang entbehrten deutschen Gäste wirklich wieder willkommen heißen. Man hat hier nicht vergessen, daß die Deutschen die schwei­zerische Hotelkultur mit ihren guten und so­liden Traditionen immer besonders geschätzt haben. Darüber hinaus möchte man auch die die Zustimmung Hodschas auf albanischem

richtendienstes ist Ministerpräsident General Hodscha praktisch bereits ausgebootet worden. Von seiten der Sowjets ist in der letzten Zeit wiederholt beanstandet worden, daß sich Hod­scha der Lage in Albanien offenbar nicht ganz gewachsen zeige. Der Kreml hat es dem alba­nischen Diktator sichtlich verübelt, daß er im­mer wieder versucht hat, sich gegenüber dem innen- und außenpolitischen Druck von Mos­kau elastisch zu verteidigen.

Die Ausbootung Hodschas hat sich den vor­liegenden Informationen zufolge auf kaltem Wege vollzogen. Auf Veranlassung der sowjet- russischen Mission in Tirana ist der gegen­wärtig von Moskau protegierte Vertrauens­mann Generalleutnant Schehju immer mehr mit der selbständigen Durchführung von Auf­trägen betraut worden, die eigentlich ohne

zahlreichen persönlichen Bande wieder neu knüpfen, denn jetzt seit» 1939 ist es dem nor­malen Deutschen wieder möglich, die Grenze, die einer Gefängnismauer glich, zu über- schre'ten wie jeder andere Europäer.

Territorium niemals hätten ausgeführt werden dürfen. Die sowjetische Mission in Albanien hat Schehju gegenüber General Hodscha so nachdrücklich gestützt und ihm den Rücken gedeckt, daß eine progressive Entmachtung

Über 10 000 qm bedeckt das Ausstellungsgelände der bisher größten Reutlinger Messe, der Südd. FachmesseSpeise und Trank", die am kommenden Freitag, 16 Uhr, mit einem Festakt im Olym­pia-Theater eröffnet wird. Staatspräsident Dr. Müller, der Wirtschaftsminister von Nord Württem­berg, Dr. Veit, der 1. Vorsitzende des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes, Willy Pauly, Stuttgart, Oberbürgermeister Kalbfell und der Landesvorsitzende des Hotel- und Gaststättenver­bandes Württemberg-Hohenzollem, Artur Spannagel, Reutlingen, werden bei dieser Eröffnungs­feier sprechen. Aufnahme: Dohm

Es ist bekannt, das Moskau sein Mißtrauen gegenüber Hodscha nie ganz überwinden konnte. Hodscha hat sich als Partisanenkämp­fer während des letzten Krieges mit jugosla­wisch-kommunistischer Unterstützung empor­gearbeitet und hat lange Zeit in engsten Be­ziehungen mit Tito gestanden. Als er nach dem Kriege in Tirana die Regierung in seine Hand brachte, wurde er von den Westmächten bedingt, von Sowjetrußland unbedingt aner­kannt. Seine Beziehungen zu Jugoslawien wa­ren bis zur Abkehr Titos von dem Komin- form äußerst eng. Zwischen den beiden Län­dern bestanden Verträge über eine Zollunion, industrielle Zusammenarbeit usw.

Als Tito dem Kominformblock den Rücker, kehrte, bestand eine Zeitlang die große Wahr­scheinlichkeit, daß sich Hodscha diesem Schritt anschließen werde. Es zeigte sich aber, daß die sowjetische Position in Tirana bereits zu stark geworden war. Hodscha mußte sich fü­gen und Albanien geriet immer mehr in die unbedingte Abhängigkeit von den UdSSR. Die früheren guten Beziehungen Hodschas zu Tito haben aber zwischen dem kommunistischen Diktator in Tirana und dem Kreml kein wirk­liches Vertrauensverhältnis aufkommen las­sen.

Das Interesse, das Sowjetrußland in der letz­ten Zeit wieder verstärkt der albanischen Po­sition entgegenbringt, die laufenden Zwischen­fälle an der albanisch-jugoslawischen Grenze und die von Albanien ausgehenden Reibereien gegenüber Griechenland und Italien sowie nicht zuletzt der militärische Ausbau des al­banischen Küstengebietes in der' Zone von Valona und der Insel Saseno deuten darauf hin. daß Moskau die Rolle Albaniens zu ak­tivieren gedenkt.

Nach den Informationen aus Tirana besteht sowjetischerseits ein besonderer Grund, die praktisch bereits vollzogene Entmachtung Hod­schas noch nicht formell bekannt werden zu lassen und zu bestätigen. Man hoffe noch, über die Regierung Hodscha eine Umschaltung der bedingten auf eine volle Anerkennung Al­baniens durch die Westmächte zu erreichen. Allerdings habe man hierfür offensichtlich keine allzulange Frist mehr angesetzt. In Ti­rana rechne man damit, daß Generalleutnant Schehju bei weiterer Bewährung gegenüber den Sowjets auch offiziell den Platz Hodschas in Albanien einnehmen wird. Es ist in diesem Zusammenhang interessant, daß die albanische Nachrichtenagentur in der letzten Zeit den Namen des Ministerpräsidenten kaum mehr erwähnt.

Wandernde Schafherden

Bald werden die Schäfer mit ihren Herden, die in unserem Bewußtsein untrennbar mit dem Frühlingseinzug verbunden sind, das Bild der Landschaft- wieder beleben und unwillkürlich er­hebt sich die Frage, wo denn die Schafherden seit dem Herbst geblieben sind. Wir wollen den Schäfer, der auf seinen Stab gestützt von einen etwas erhöhten Platz seine Herde überblickt, unsere Fragen vorlegen Wir erfahren, daß er mit seinen Schafen den Winter über im Boden­seegebiet war, wo er und der Eigentümer der Schafe beheimatet sind. Im Frühling zieht er dann mit der Herde los im gleichen Tempo, wie der Frühling auf die Berge steigt, durch das Oberland auf die Alb. Unser Schäfer ist Wan­derhirte und die Form der Wanderung wird Transhumance genannt. Er zeichnet sich gegen­über den Nomaden dadurch aus, daß er bereits eine feste Bleibe hat, von der seine Wanderun­gen ihren Ausgang nehmen.

Die Wanderhirten nutzen also zwei oder meh­rere Räume, die sich in der Zeit ihrer Beweid- barkeit ergänzen müssen. Früher waren diese Herdenwanderungen viel verbreiteter, so in den Vogesen, im schwäbischen Raum, in Nordwest­deutschland. in den Alpen und ihren Randgebie­ten von Frankreich bis an die Adria, in den Py­renäen und Karpaten, im Apennin und auf dem Balkan. Aber auch in Nordafrika und Asien fin­den wir die Transhumance verbreitet.

Leider ist diese Form des Wanderhirtentums erst wenig erforscht. Soweit dies geschehen ist. stammen die einschlägigen Arbeiten aus Frank­reich und beschäftigen sich naturgemäß mit den Verhältnissen im französischen Alpengebiet und dem Rhonedelta, die eine Einheit bilden, sowie der spanischen Transhumance und der der Po- ebene samt ihrer alpinen Randgebiete. So stammt euch das WortTranshumance aus dem Fran­zösischen. Seine Bedeutung konnte bisher nicht ermittelt werden.

In Spanien und Italien spielten diese Wander­hirten eine große Rolle, ihnen wurden weitge­hende Sonder- und Vorrechte eingeräumt, da sie für die Landesherrn eine gute Einnahmequelle "waren. Jede Herde hatte bei ihrem Durchzug

eine Steuer zu entrichten und so erhielten die Transhumants eine eigene Gerichtsbarkeit, vor der sich jeder zu verantworten hatte, der sich an der Herde vergriff

Wenn also im allgemeinen die Transhumance auch mit der Intensivierung der Landwirtschaft zurückgegangen ist, so ist sie doch nicht ohne Bedeutung. Auf der Alb grasen die Herden im Sommer auf Hängen, Straßenrändern und steini­gen Hügeln, die landwirtschaftlich nicht genutzt werden In der Nacht sind die Tiere im Pferch, wo sie den als Dung geschätzten Schafmist hin­terlassen, indem der Pferch immer etwas gerückt wird, schöpft das Feld neue Kraft auf Kosten der Weidegebiete. Der wandernde Schäfer hat neben seiner romantischen auch seine nüchtern wirtschaftliche Seite. Fr. Rz.

Eröffnung des Institut Fransais

In Stuttgart wurde in Anwesenheit des Hohen Kommissars Andrö Francois-Poncet ein Institut Francais von seinem Leiter, M. C h e- v a 1, eröffnet. Wie der Hohe Kommissar in einer Ansprache ausführte, ist das Institut bestimmt, den geistigen Austausch der beiden Nachbarlän­der Deutschland und Frankreich zu fördern. Eine ansehnliche Bücherei, Vorträge über das franzö­sische Kulturschaffen, Bilderausstellungen und Filmvorführungen sollen ein anschauliches Bild von dem französischen Kulturschaffen vermit­teln und damit einen Beitrag zu der Völkerver­ständigung leisten. Der Hohe Kommissar betonte besonders die Verflochtenheit des schwäbischen und französischen Geisteslebens und sprach die Hoffnung aus, daß sie mit Hilfe des Instituts noch enger gestaltet wird.

Chinesisches Panorama

Unter den Weltliteraturen ist dem Umfange nach die chinesische Literatur die bedeutendste. Doch hat die europäische Forschung bisher nur einen geringen Bruchteil von ihr erschlossen und sich zudem fast ausschließlich mit den Klassi­kern des Landes, mit Konfuzius und den großen Philosophen befaßt. Lyrik und unterhaltende Prosa sind bei uns so gut wie unbekannt. Aus diesem Grunde ist es immer zu begrüßen, wenn ein Kenner den Versuch unternimmt, uns mit

dem Charakteristischen fernöstlicher Belletristik bekannt zu machen. Aus dem reichen Schatz chi­nesischer Liedlyrik, mit ihrer Frische, Natürlich­keit und Ursprünglichkeit, aber auch mit ihrer nicht schwächlich wirkenden Sentimentalität, hat Alfred Hoffmann eine Auslese von 20 Liedern gegeben (Frühlingsblüten und Herbsfmond,-Gre­ven-Verlag, Köln). Sie gehören sämtlich dem II. bis 12 Jahrhundert an und schildern die mensch­lichen Freuden zur Zeit der Frühlingsblüten, singen von Wein und Tee und von den Vor­zügen beschaulicher Betrachtung Die beigefüg­ten chinesischen Holzschnitte veranschaulichen den Inhalt der Lieder und gewähren einen Ein­blick in die Darstellungswelt dieser fernen Kunst. Während die Poesie schon seit Jahrtausenden im Reich der Mitte hochgeschätzt war, galten Ro­man und Drama, die im Gegensatz zur Lyrik in der Umgangssprache geschrieben wurden, bis vor kurzem nicht als literaturfähig. Lin Y u t a n g , der heute in Paris lebende Präsident der UNES­CO und der schon mit mehreren Büchern über seine Heimat auch bei uns bekannt geworden ist, legt nun einen Roman vor, der die gesellschaftliche, völkerkundliche und politische Struktur Chinas uns deutlich machen kann (Peking, 2 Bde. S.- Fischer-Verlag, Frankfurt) Die Handlung spielt in einer Zeit, die den Boxeraufstand, die Grün­dung der Republik, den Bürgerkrieg und die ja­panische Invasion einbezieht. Ein großartiges Zeitgemälde entsteht vor den Augen des Lesers, zugleich ein Wegweiser für jeden, der sich ernst­haft um das Verständnis ostasiatischen Wesens bemüht. wn

Für fipn Bürhprtreund

Im Dienste der Menschlichkeit

Hellmuth U n g e r , Louis Pasteur, Bildnis eines Genies. Hoffmann und Campe, Hamburg 1950. 272 S.

Das Leben und Werk, die Probleme und die Menschen, mit denen der große französische Che­miker zu ringen hatte, sein Kampf gegen die kaum sichtbaren und gefährlichen Feinde des Menschen und der Tiere, die Mikroben, werden ln diesem Buche lebendig. Unger versteht es. auch dem Nichtfachmann wissenschaftliche Fra­gen verständlich zu machen und ein eindrucks­

volles Bild eines der großen Diener der Mensch­heit zu geben.

Odd Nansen. Von Tag zu Tag, Ein Tagebuch.

Hans Dulk Verlag, Hamburg, 272 S.

Ohne Erschütterung, Scham und Grauen kann dies Buch nicht gelesen werden. Es bringt den in Deutschland spielenden Teil der KZ-Tage- bticher Odd Nansens, des Sohnes des großen norwegischen Polarforschers. Und doch ist es zu­gleich ein menschliches und humanes Buch. nicht nur, weil sein Erlös deutschen Flüchtlingen zugute kommen soll, sondern noch vielmehr, weil hier ein dem Grauen Entronnener jenseits von Haß oder Resignation zur Neubesinnung ruft und die Hand zur Verständigung reicht.

Martin G u m p e r t. Dunant, Der Roman des

Roten Kreuzes Südverlag Konstanz, 304 S. mit

7 Tafeln.

Dies Buch ist mehr, als sein UntertitelRo­man des Roten Kreuzes ausdrückt, nämlich das Hohelied eines großen Triumphes echter Mensch­lichkeit inmitten des immer größer werdenden Abfalls des Abendlandes in die Unmenschlich­keit Das Werk Gumperts verrät eine ausge­zeichnete Kenntnis der historischen und weltan­schaulichen Problemlage des 19. Jahrhunderts und schildert Wesen und Werk des Genfer Kapi­talisten Henry Dunant, den das Erlebnis des Krieges zum Apostel und Propheten der Genfer Konvention und zum armen Mann werden ließ.

Die schnelle und wirksame Unterstützung der Bundesregierung für den schwer um seine Exi­stenz ringenden Deutschen Kultur - undDo- kumentarfilm wurde während derEvan­gelischen Kirchentage 1951 in Hamburg gefor­dert.

Eine AusstellungKriegsgefangene in vierKrlegen wird am 4 Mai im Stuttgarter Lindenmuseum eröffnet Die Ausstellung enthält künstlerische und handwerkliche Arbeiten die deutsche Soldaten der Freiheitskriege 1813/14. des Krieges 1870/71 und der beiden Weltkriege in der Kriegsgefangenschaft anfertigten. Sie soll später auch in anderen Städten der Bundesrepublik ge­zeigt werden.