HEIMATAUSGABE FÜR

STADT UND LAND

MONTAG, 23. APRIL 1951

ÜBERPARTEILICHE TAGESZEITUNG

7. JAHRGANG / NR. 62

Trotj aller Aufbauerfolge von ausländischer Hilfe abhängig

Weißbuch der Bundesregierung über die Situation der westdeutschen Wirtschaft

Arbeitsminister Bevan zuruckgetreten

Spaltung der Labour Party für möglich gehalten

sten anderen europäischen Wirtschaften über­troffen habe.

Rund 50 Prozent seien dem Wiederaufbau und der strukturellen Anpassung der Industrie und der Energiewirtschaft gewidmet gewesen, nahezu 20 Prozent habe man dem Wohnungs­bau zugeführt, mehr als 10 Prozent dem Wie­deraufbau des Verkehrswesens und den Rest vor allem der Landwirtschaft.

Der entscheidende deutsche Beitrag für die Festigung der wirtschaftlichen und sozialen Grundlage der freien Welt müsse darin beste­hen, daß die zurzeit noch unbeschäftigten deut­schen Menschen in Arbeit gebracht werden, um durch ihre Arbeitsleistung zur Sicherung des Friedens beizutragen. Hierzu bedürfe es aber einer zusätzlichen Hilfe von außen.

Von der Bundesregierung wird vorgeschla­gen, daß Auslandsaufträge in angemessener Weise vorfinanziert werden sollten. In je grö­ßerem Umfange dies geschehe, um so geringer brauche die echte zusätzliche Auslandhilfe zu sein, die das Bundesgebiet benötige, um seine Sonderprobleme zu lösen. Eine vorzeitige Un­terbrechung der Auslandhilfe müsse zu einer Verlangsamung des Aufbauprozesses und da­mit zur Gefährdung der inneren Finanzstabi­lität und der Preisstruktur sozialer Beunruhi­gung, Rückgang des Beschäftigungsvolumens und Minderung der Exportfähigkeit führen.

Die übertriebene Krise

Von unserem Bonner A. R -Mitarbeiter

Das ThemaKoalitionskrise in Bonn ist in diesen Tagen wieder einmal aufgegriffen wor­den. Es ist ein immer wiederkehrendes Stichwort, sobald kritische Stimmen aus den Reihen der Koalition selbst ertönen. An sol­chen Stimmen hat es allerdings "in der letzten Zeit nicht gefehlt. Die Bemerkung eines Ab­geordneten der Freien Demokraten, des Köl­ner Bankiers v. Rechenberg, daß sich die Koalition einen anderen Kanzler suchen müsse, wenn sie weiterhin bestehen bleiben solle, ging durch die deutsche Presse, und der zweite Koalitionspartner, die Deutsche Partei, er­klärte sogar fraktionsoffiziell eine Klärung der Koalitionslage mit dem Kanzler für not­wendig. Nun ist aber die eine Bemerkung auf einer Wahlversammlung gefallen und wird auch die zweite Erklärung von der Wahl­kampfatmosphäre in Niedersachsen, dem Kemland der Deutschen Partei, nicht unbe­rührt sein. Man muß sich dabei in Erinnerung rufen, daß gerade in diesem Wahlkampf sich die CDU und die Deutsche Partei zu einer gemeinsamen Front zusammengeschlossen ha­ben, die von manchen Kreisen sogar als Vor­bote einer Fusion betrachtet wird, um diese Ereignisse in der richtigen Perspektive zu se­hen.

Unbestreitbar ist, daß die Taktik der CDU- Fraktion im Bundestag bei der Endentschei­dung über die Mitbestimmung bei Kohle und Eisen einige Verstimmung hervorgerufen hat, und seit einiger Zeit schon fühlen sich die Freien Demokraten in der Koalition benach­teiligt. Sie haben das Außenministerium so wenig wie die innenpolitische Koordinierung im Kabinett unter Vizekanzler Blücher, ihrem ersten Vorsitzenden, erhalten und auch ihr

Bierut in Ostberlin

»Freiinclschaftsbeteneningen*

BERLIN. Der polnische Staatspräsident Bo- leslaw Bierut traf am Sonntag zu einem Besuch des Sowjetstaatspräsidenten Wilhelm Pieck in Berlin ein. Er erwidert damit den Staatsbesuch, den Pieck Polen im vergange­nen Sommer abstattete. In einer Ansprache auf dem Vorplatz des früheren Schlesischen Bahnhofs, jetzt Ostbahnhof, bezeichnete Bie­rut die Oder-Neiße-Linieals ewige Grenze der Freundschaft und des Friedens. Ost­zonenministerpräsident Grotewohl führte aus, in Westdeutschland seiendie deutschen Monopolisten im Bunde mit den anglo-ameri- kanischen Imperialisten dabei, wegen der Oder-Neiße-Grenze unter der Flagge der Re­vanchepolitik einen neuen Kriegsbrand zu entfesseln Hinter derFreundschaftspolitik der Sowjetzonenregierung stünden jedoch Millionen deutsche Menschen, dieunbeirr­bar für dieFriedensgrenze eintreten wür­den.

Auf einer Festveranstaltung in der Ostber­liner Staatsoper beging die sozialistische Ein­heitspartei Deutschlands (SED) am Samstag den 5. Jahrestag ihrer Gründung.

Der Generalsekretär der SEID und stellver­tretende Sowjetzonenministerpräsident Ulbricht kündigte die Aufnahme von Verhandlungen mit nichtautorisiertenführenden Kräften Westdeutschlands über ein einheitliches Deutschland an.

Zustand Petains kritisch

ILE d YEU. Der Gesundheitszustand des französischen Marschalls Philippe P 61 a i n, der auf der Insel Yeu eine lebenslängliche Freiheitsstrafe verbüßt, zu der er begnadigt wurde, nachdem er wegen Zusammenarbeit mit der deutschen Besatzung im zweiten Welt­krieg in einem Hochverratsprozeß im August 1945 zunächst zum Tode verurteilt worden war, ist in den letzten Tagen sehr kritisch ge­worden. Petain, der am Dienstag 95 Jahre alt wird, wurde am Samstag bereits als verstor­ben gemeldet. Inzwischen scheint sich jedoch »ein Zustand wieder etwas gebessert zu ha­ben.

LUDWIGSHAFEN. Bundeskanzler Dr. Adenauer wandte sich am Sonntag auf einer CDU-Wahlkundgebung in Ludwigshafen erneut scharf gegen die sozialdemokratische Kritik am Schuman-Plan. Nur durch diesen sei es möglich gewesen, die Verbundwirtschaft der Ruhr zu wenigstens 75 Prozent zu retten. Auch für den zentralen Kohlenverkauf werde eine Regelung gefunden werden, die die In­teressen der deutschen Wirtschaft berücksich­tige.

Er habe den Eindruck gewonnen, daß es für einige Parteien keine andere Aufgabe gebe, als den deutschen Staat zu bekämpfen. Die SPD habe in der letzten Zeit eine Entwicklung genommen, die besorgniserregend sei und die politische Entwicklung Deutschlands bedrohe. Die Unterzeichnung des Schumanplans sei das wichtigste europäische Ereignis seit 1945. Mit Eisen und Stahl haben die Völker Euro­pas immer Kriege untereinander geführt. Jetzt werden sie durch Eisen und Stahl vereinigt.

In der kritischen Saarfrage sei durch offene Aussprache eine Klärung dahingehend er­reicht worden^ daß die Bundesregierung von ihrem Standpunkt, den jetzigen Status der Saar als rechtlich nicht einwandfrei anzusehen, nicht abzuweichen brauche.

Man habe den Eindruck, die SPD treibe Opposition um jeden Preis und arbeite damit

Genera! Mac Arthur vor dem Kongreß der USA

Photo: AP.

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BONN. Die Bundesregierung hat ein Weiß­buch über die Situation der westdeutschen Wirtschaft fertiggestellt, das die besonderen Schwierigkeiten aufzeigt, die der westdeut­schen Wirtschaft allen anderen europäischen Volkswirtschaften gegenüber eine Sonderstel­lung geben und die Bundesrepublik trotz aller Aufbauerfolge noch immer von ausländischer Hilfe abhängig machen.

Neben den Aufbauerfolgen, zu denen riesige Investitionen zum Wiederaufbau der Industrie und für den Wohnungsbau, sowie die Arbeits­beschaffung für Millionen Vertriebener gehö­ren, wird der indirekte Verteidigungsbeitrag der Bundesrepublik von rund 9,5 Milliarden DM erwähnt, der für die Vertriebenen, für Berlin und als Besatzungskosten aufgebracht worden ist.

DieSonderlage der westdeutschen Wirt­schaft wird mit vier Thesen gekennzeichnet: Die strukturelle Unvollkommenheit der west­deutschen Wirtschaft durch die Abtrennung Ostdeutschlands: der Zustrom der Vertriebe­nen und die daraus resultierende außerordent­lich hohe Soziallast der Bundesrepublik; die Notwendigkeit, Westberlin wirtschaftlich zu unterstützen und die außergewöhnliche Ver­schlechterung der Preisverhältnisse im Außen­handel durch die unverhältnismäßige Ver­teuerung der Rohstoff- und Nahrungsmittel­importe gegenüber den Fertigwarenexporten.

Die Gesamtinvestitionen in den drei Jahren seit der Währungsreform werden in dem Weiß­buch mit über 60 Milliarden angegeben.,Das bedeutet, daß diese ihrer Reserven entblößte- Wirtschaft jährlich zwischen 22 und 24 Prozent des Bruttosozialprodukts für Investitionen ver­wendete. Trotz des Nachholbedarfs der deut­schen Bevölkerung sei damit eine Investi­tionsquote erreicht worden, die bereits höher gewesen sei als 1936 und diejenigen der mei-

rechts- und linksradikalen Kreisen in die Hände. Der Vorwurf der SPD, der Schuman- Plan bedeute eine Verewigung der französi­schen Besatzungspolitik und eine Festigung der französischen Hegemonie in Deutschland, bezeichnet der Kanzler alsschreiendes Un­recht an der französischen Regierung.

Neuerüdie Repierunsskrise

Rat der Republik lehnt Wahlrechtsvorlage ab

PARIS. Nachdem der Rat der Republik die Wahlrechtsvorlage am Samstag mit 225 gegen 70 Stimmen abgelehnt hat. muß die franzö­sische Nationalversammlung nunmehr end­gültig entscheiden, ob die Regierungsvorlage Gesetz werden soll. Das vom Rat der Repu­blik befürwortete Wahlsystem aus der Vor­kriegszeit sieht eine Abstimmung in den Wahlkreisen nach dem' Mehrheitssystem mit zwei Wahlgängen vor, während der Regie­rungsentwurf für eine Verbindung von Mehr­heitssystem und Verhältniswahlrecht sich ein­setzt. Mit der Entscheidung des Rats der Re­publik sieht sich die französische Koalitions­regierung Queuille neuerdings einer ernsten Krise gegenüber.

LONDON. Der britische Arbeitsminister Aneurin Bevan ist am Sonntag zurückge­treten. Bevan ist der führende Kopf des ex­tremen linken Flügels der Labour Party.

In einem Schreiben an Ministerpräsident A 111 e e erklärte Bevan. er sei mit dem bri­tischen Haushaltsplan nicht einverstanden, da dieser keine gerechte Aufteilung der Lasten auf die verschiedenen sozialen Schichten vor­nehme. Außerdem seien militärische Ausga­ben vorgesehen, die unweigerlich zu großen Verschwendungen führen müßten.

Premierminister Attlee hat das Rücktritts­gesuch Bevans bereits angenommen. Das Ka­binett wird heute zusammentreten, um seinen Posten neu zu besetzen. Es wird angenommen, daß eine größere Kabinettsumbildung vermie­den werden soll.

Bevan will heute vor dem Unterhaus eine Erklärung über seinen Rücktritt abgeben Die politischen Auswirkungen von Bevans Rück­tritt sind vorläufig noch nicht abzusehen. Po­litische Kreise Londons halten es für möglich, daß es zu einer Spaltung der Labour Party und damit zum Sturz der Regierung Attlee, die zurzeit im Unterhaus nur über eine Mehrheit

von drei Stimmen verfügt, kommen kann. Es wird behauptet, Bevan habe in Handelsmini­ster Harold Wilson zumindest einen einfluß­reichen Parteigänger.

Ab bauender Oe?sfreik

Beruhigung in Persien

ABADAN. Trotz lebhafter antibritischer Agitation sind in der Ölstadt Abadan am Per­sischen Golf 6000 Arbeiter am Samstag an ihre Arbeitsplätze zurückgekehrt. Rund 22 000 Ölarbeiter jedoch haben der Aufforderung, den Streik abzubrechen, noch immer nicht Folge geleistet.

Vorübergehend wurden am vergangenen Wochenende drei britische Angestellte der Anglo-Iranian-Oil-Co. auf den Ölfeldern verhaftet. Sie hatten im Auftrag ihrer Gesell­schaft Flugblätter an streikende Arbeiter ver­teilt, auf denen Sonderprämien zugesagt wur­den.

In Teheran kam es am Sonntag zu mehreren Zusammenstößen zwischen demonstrierenden persischen Studenten und Anhängern der na­tionalen Front und der fanatischen Fedayan- Islam-Sekte, bei denen mehrere Personen ver­letzt wurden.

Spike lürih - Club

Nach dem vorletzten Spieltag in der Süd­deutschen Oberliga liegen die Spvgg Fürth und der 1. FC Nürnberg punktgleich an der Spitze. Durch eine überraschende Heimnie­derlage Mühlburgs gegen Schweinfurt und durch den einen Punkt Verlust vom FSV Frankfurt scheint das scharfe Rennen um die ersten beiden Plätze ln der Tabelle, die zur Teilnahme an den DFB-Endsprelen berechtigten, zugunsten der beiden ruhmrei­chen Nürnberg-Fürther Vereine entschie­den. In der Abstiegsfrage sind die Würfel gefallen: Darmstadt, BC Augsburg, Singen und Reutlingen.

Fünf Endspielteilnehmer stehen fest

Von den acht westdeutschen Oberliga- Mannschaften, die in zwei Gruppen an den Endspielen der Deutschen Fußball-Meister­schaft teilnehmen, stehen jetzt fünf Ver­eine fest: Im Norden der Hamburger SV und FC St. Pauli, im Westen Preußen Münster, Berlin Tennis Borussia, im Südwesten 1. FC Kaiserslautern.

Kiefer wieder Kunstturnmeister

Bei den Deutschen Kunstturnmeister­schaften in Bochum verteidigte Jakob K i e- f e r (Bad Kreuznach) erfolgreich seinen Titel als deutscher Kunstturnmeister. Bel den Einzelmeisterschaffen holten sich Theo Wied am Barren und Erich Wied :m Pferdsprung (beide Stuttgart) die Titel.

West-Süd-Toto:010122001111

Vorschlag, ein Mitglied ihrer Fraktion zum Bundespressechef zu berufen, hat keine große Gegenliebe beim Regierungschef gefunden. Solche Erfahrungen schaffen naturgemäß Spannungen und Ärgernisse, ohne daß diese zu Spaltungen führen müssen. Es ist aller­dings eindeutig, daß die Beteiligung an der Regierung für die FDP keine fraglose Selbst­verständlichkeit mehr ist, wie sie es bei der Bildung der Bundesregierung gewesen war. Aber ebenso klar kann gesagt werden, daß die Fraktion bis auf wenige Ausnahmen die Zurückziehung ihrer Minister aus dem Kabi­nett Adenauer nur beschließen würde, wenn die Zukunft sehr schwerwiegende grundsätz­liche Gegensätze aufzeigen sollte.

Ein gewisser Gefahrenpunkt in dieser Hin­sicht könnte die Entscheidung über das allge­meine Mitbestimmungsrecht werden falls s ! ch die CDU der Forderung der SPD anschließen sollte, auch hier die Parität anzuerkennen. Aber der von der CDU selbst eingebrachte Gesetzentwurf über die allgemeine Mitbestim­mung sieht diese Parität nicht vor und der Fraktionsvorsitzende v Brentano hat mit großem Nachdruck hervorgehoben, daß es sich bei Kohle und Eisen um einen Sonderfall handle. Er hat allerdings auch erklärt, daß die CDU sich ihre Mehrheiten für die Gesetze suchen werde, wo sie diese finden könne, und diese Feststellung des Leiters der stärksten Regierungspartei im Parlament hat bei den Koalitionspartnern eine große Beachtung ge­funden.

Seit einiger Zeit schon war nämlich die An­sicht aufgetaucht, daß Dr. v. Brentano eine Minderheitsregierung der CDU mit wechseln­den Links- und Rechtsmehrhelten für die Ge­setze für nicht unangebracht halten könne. Eine solche Minderheit wäre nach dem Grund­gesetz nach einem Ausscheiden der FDP aus der Regierung möglich, da sich fraglos die So­zialdemokraten und die Freien Demokraten nicht auf einen gemeinsamen Kanzler einigen würden und damit die Regierung auch ohne feste Mehrheit im Parlament regieren könnte. Die Frage aber bleibt, ob sie in dieser Lage auf die Dauer wirklich regieren könnte

Die sozialdemokratische Opposition hat von Anfang an erklärt, daß sie sich nicht als die Nothelferin der Regierung in wichtigen Ab­stimmungen betrachte, und eine Opposition der Freien Demokraten könnte eine ähnliche Haltung einnehmen. Es wird in den Kreisen dieser Parteien bestritten, daß die Rechnung aufgehen könnte, daß die Regierung ihre Ge­setze dann einmal mit den Stimmen der FDP gegen die SPD, das andere Mal mit den Stim­men der SPD gegen die FDP durdhbringen könne. So aber könnte sich der Zustand er­geben, daß einerseits das Parlament die Re­gierung nicht stürzen kann, andererseits die Regierung ihre Gesetze im Parlament nicht mehr durchbringen kann Die Auswirkungen einer solchen Lähmung des Staatslebens auf die Demokratie insgesamt lassen sich unschwer absehen und so wird sich die Vorstellung einer Minderheitsregierung in der Wirklichkeit als weniger verführerisch erweisen als sie man­chen Politikern in Bonn zurzeit erscheinen mag.

Scharfe Kritik Adenauers an SPD

Einwände gegen Unterzeichnung des Schuman-Plans zurückgewiesen