21. April 1951

AUS DEM H EIMAT GE 81L T

Nr. 81

Was will, was kann unser Junge werden?

Neigung und Eignung sollen die Berufswahl bestimmen, daneben aber auch das Angebot an Lehrstellen

Nur noch ein starkes Vierteljahr, und wie­derum wird ein Schuljahr zu Ende sein, wiederum werden Hunderte und Tausende von Jugendlichen den ersten Schritt ins Le­ben tun müssen. Was wird dieser Schritt bringen?

Die Zeit ist also herangerückt, wo viele Eltern sich Gedanken machen: Wohin mit unserem Jungen, wohin mit unserem Mädel? Welchem Beruf sollen sie sich zuwenden, für welchen eignen sie sich dank ihrer Veranla­gung besonders? In welchen Gewerbezweigen stehen Lehrstellen offen? Welche Aussichten hat unsere Wirtschaft in den nächsten Jahren zu bieten?

Keine »Stehkragenproletarier"!

Wie oft hört man von Eltern, die in hartem Lebenskampf ihr ehrliches Brot verdienen, die Ansicht:Mein Junge, mein Mädel soll es einmal besser haben als ich! Wenn man dann weiterforscht, erfährt man, daß das Kind studieren soll, um Akademiker zu wer­den. Es wäre zweifellos falsch, wollte man verhindern, daß die intelligentesten unserer Kinder sich auch geistigen Berufen zuwen­den. Ebenso falsch aber ist es auch, wenn für eine solche Entscheidung der Eltern nichts anderes bestimmend ist als Standesehrgeiz. Dabei ist es gleichgültig, ob der Vater, selbst Akademiker, im Hinüb erwechseln seiner Kin­der zu handwerklichen Berufen einen un­standesgemäßen Rückfall oder ob der Hand­werksmeister oder der Kaufmann, der Bauer oder der Angestellte im Staatsexamen oder der Promotion seines einzigen Sohnes einen gesellschaftlichen Triumph sieht. Wer sich nüchtern in unserer Heimat und auch drau­ßen in der Welt umsieht, der muß gestehen, daß die akademischen Berufe stark überfüllt sind und daß da auch hier das Wechsel­spiel von Angebot und Nachfrage bestimmend für den Preis, d. h. das Einkommen ist der Lebensstandard erheblich gesunken ist und sich oft unter dem Niveau von Facharbeitern in gut beschäftigten Wirtschaftszweigen be­wegt. Ein intelligenter Kopf, hinter dem Tat­kraft und Können stehen, wird sich auch ohne Staatsexamen und Doktortitel eine sichere Lebensposition und dazu die Achtung seiner Mitbürger erwerben können.

denen, die hoch hinaus wollen, und von denen, die überhaupt keinen beruflichen Ehrgeiz be­sitzen. Es bleibt der gute Durchschnitt, die große Zahl der Jugendlichen, die eine hand­werkliche oder kaufmännische Lehre ergrei­fen.

Entscheidung fürs Leben

Hier taucht die Frage auf:Ist ein Kind von vierzehn Jahren denn überhaupt schon in der Lage, eine so schwerwiegende Wahl zu treffen beziehungsweise zu verhindern, daß die Entscheidung, die seine Eltern treffen, zu seinen Ungunsten ausfällt? Man muß zu­geben, daß die wenigsten Kinder hierzu in der Lage sind. Weder die körperliche noch die geistige Entwicklung ist in diesem Lebens­alter abgeschlossen, und oft genug tritt noch ein wesentlicher Umschwung in den Neigun­gen ein, zeigen sich neue Fähigkeiten, ver­kümmern andere wieder. Es ist daher sicher­lich ein großer Fehler, es als ein ehrenrühri­ges Versagen anzusehen, wenn sich im Ver­lauf der Lehrzeit herausstellt, daß der ge­wählte Beruf der Veranlagung des Kindes nicht entspricht. Ein Berufswechsel aber solte dann rechtzeitig vorgenommen werden und auf eine Weise, die dem Selbstvertrauen des Kindes nicht schadet.

Im ürunde genommen . . .

Im Uebrigen ist es auch nicht so, daß ein Kind nun ausgerechnet nur für den oder jenen eng begrenzten Spezialberuf in Frage käme, vielmehr ist es meist eine ganze An­zahl von Berufen, die gleiche oder doch ähn­liche geistige" Einstellung und körperliche Leistung beim Ausüben voraussetzen. Ange­nommen zum Beispiel, ein Junge ist körper­lich gut entwickelt, robust und vital, so wird ihn der Beruf eines Zimmermanns ebenso ausfüllen können wie der eines Maurers oder Schmieds. Kurz eben ein handwerklicher Be­ruf, in dem er seine Kräfte anbringen kann. Ein anderer ist vielleicht mehr einTüftler, geistig aufgeweckt, gewissenhaft, technisch interessiert und mit gutem Vorstellungsver­mögen begabt, so wird ihn etwa der Beruf

Korea ist an

eines Elektrotechnikers ebenso zu befriedigen vermögen wie der eines Feinmechanikers, eines Instrumentenmachers oder eines Dre­hers.

Die Suche nach dem Arbeitsplatz

Dies alles sind Erwägungen, die man sich einmal durch den Kopf gehen lassen sollte. Sie bewegen sich jedoch im luftleeren Raum, solange nicht ein solches Angebot an Lehr­stellen besteht, daß man seine Absichten auch realisieren kann. In den letzten Jahren hatte es damit gewisse Schwierigkeiten, wenngleich sie in unserem engeren Gebiet nicht so groß waren wie in anderen, wirtschaftlich einseiti­ger ausgerichteten Gegenden. Man rechnet damit, daß diese Schwierigkeiten bestehen bleiben, so lange die nachrückenden Gebur­tenjahrgänge außergewöhnlich groß sind.

Schafft Lehrstellen!

In den Arbeitsministerien und den Arbeits­ämtern wie auch in den Berufsschulen wird mit großer Aufmerksamkeit beobachtet, wo­hin die Wege des beruflichen Nachwuchses führen, denn eine Fehlentwicklung würde in früherer oder späterer Zukunft zu Rückschlä­gen im Wirtschaftsleben führen. Aus Jugend­lichen aber, die keine Lehrstellen finden kön­nen, vermag nicht nur dem Wirtschaftsleben, sondern auch dem gesellschaftlichen Zusam­menleben und dem Staat selbst eine Gefahr zu erwachsen.

Um über diese allgemeinen Betrachtungen hinaus praktische Winke zu geben, werden wir in den kommenden Wochen, jeweils in der Samstagausgabe, an dieser Stelle Ab­handlungen bringen, die in sachlicher Welse die Situation und Aussichten der hauptsäch­lich im Kreis Calw verbreiteten Berufszweige darstellen. Neben der wirtschaftlichen Lage und der Aufnahmefähigkeit soll auf die An­forderungen eingegangen werden, die eine Lehre mit sich bringt, auf die geistigen und körperlichen Voraussetzungen, die sie for­dert, sowie auf die Aussichten, die sich dem Lehrling in dem gewählten Beruf bieten, sh,

allem schuld

Vortrag von Gesdiäftsführer Dr. Mussler im Gewerbeverein Nagold

In erster Linie Geldverdienen

Im schroffsten Gegensatz zu der Gruppe von Eltern, die diese Erwägung pflegt, steht eine andere. Hier geht es nicht um Standes­ehrgeiz, hier bringt man nicht Opfer, um den Jungen etwa studieren zu lassen nein, hier Wird Geldverdienen großgeschrieben. Eine ordnungsgemäße Lehrzeit wird als Zeitverlust angesehen, und so entwickelt sich vielfach der Stamm der ungelernten Arbeiter, der Hilfsarbeiter. Es sei zugegeben, daß dieser Weg vielfach aus finanzieller Not heraus be­schriften werden muß, doch wo man ihn ver­meiden kann, sollte man es tun. Denn es Ist nur ein scheinbarer Gewinn, der hier mit dem sofortigen Verdienen erzielt wird. Eine Lehrzeit macht sich auf lange Sicht bezahlt, nicht nur durch den höheren Lohn, sondern auch durch die Sicherheit, seinen Arbeits­platz auch in Krisenzeiten zu behaupten. Denn jede Betriebsführung wird unter allen Um­ständen versuchen, ihren Facharbeiterstamm zu halten, während Hilfsarbeiter, da leicht zu finden, auch eher von Kündigung bedroht sind.

Der gute Durchschnitt

Doch nun wollen wir zunächst einmal von den beiden erwähnten Gruppen absehen, von

Nagold. Auf Einladung des im Januar 1951 wieder ins Leben gerufenen Gewerbe­vereins Nagold sprach am Mittwochabend Dr. Mußler von der Industrie- und Handels­kammer Rottweil über die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung. Er ging davon aus, daß die Wirtschaft gegenwärtig einen Ausweg aus der ernsten Situation suche. Ueber das Ziel seien sich alle einig, nicht aber über den Weg.

Die Preise laufen davon und wir laufen ihnen kopflos nach, stellte der Redner fest. In den wenigen Jahren seit der Geldreform habe unsere Wirtschaft Ungeheures geleistet, aber vieles sei überstürzt erfolgt und dadurch sei es zu Fehlinvestitionen gekommen. Die Grundstoffindustrien und der Wohnungsbau wurden zugunsten der Konsumgütererzeu­gung zurückgesetzt. Mit Korea erfolgte der große Umschwung: es habe zwar die unüber­brückbare Kluft ln der Welt gezeigt, aber un­heilvolle Störungen Im Internationalen Wirt­schaftsleben durch Preiserhöhungen und Kaufpsychose hervorgerufen.

Konsumeinschränkung und Aufrüstung sind die Forderungen des Tages; für Westdeutsch­land zeigt sich der Verteidigungsbeitrag zu­nächst in den erhöhten Besatzungskosten. Hinzu treten neue und höhere Steuern. Im

Augenblick kommt unsere Wirtschaft nicht ohne Lenkungs- und Planungsmaßnahmen aus, die Dr. Mußler alschirurgische Ein­griffe bezeichnete. Unter stärkster Bejahung der gegenwärtigen Wirtschaftspolitik lehnte er aber, auch mit dem Hinweis auf das eng­lische Beispiel, grundsätzlich die Planwirt­schaft ab. Sehr eindringlich betonte er mehr­fach die Notwendigkeit des Sparens, die För­derung des Exports und vorübergehende Ein­schränkung des Konsums.Wir haben über unsere Verhältnisse gelebt, nur durch Rück­kehr zur freien Wirtschaft in sozialer Ver­antwortung kann unser Wirtschaftsleben sa­niert werden.

In der Aussprache wurde die Frage ange­schnitten, ob heute überhaupt noch eine freie Wirtschaft möglich sei und ob nicht gerade sie die Fehlinvestitionen ermöglicht habe. Ferner wurde darauf aufmerksam gemacht, daß die niedrigen Habenzinsen jeden Spar­willen vereiteln. In seinem Schlußwort wies Fabrikant Kapp, der Vorstand des Gewerbe­vereins Nagold, darauf hin, daß man auch von Bonn selbst mehr Sparwillen erwarte. An der Versammlung nahm eine größere An­zahl von Geschäftsleuten aus dem Nagolder Bezirk teil.

Kunsthandweiker stellen aus

Altensteig. Um den heimischen Kunst­handwerkern und kunstgewerblich Schaffen­den einmal Gelegenheit zu geben, ihre Ar­beiten vor breitester Oeff entlichkeit zu zeigen, veranstaltet das Volksbildungswerk Alten- in der Zeit vom 12. bis 20. Mai in den Räu­men des Rathauses eine Ausstellung von Ge­genständen und Geräten des Kunsthandwerks. Eine Anmelde- bzw. Ausstellungsgebühr wird nicht erhoben.

Um einen Ueberblick über Art und Um­fang der Geräte und Gegenstände zu gewin­nen, von denen die Interessenten wünschen, daß sie ausgestellt werden, ist es erforderlich, der Leitung des Volksbildungswerkes bis zum 30. April, mittags 12 Uhr, schriftlich oder mündlich eine Mitteilung zukommen zu las­sen, aus der Art und Umfang der Gegenstände und Geräte ersichtlich ist.

Glockenweihe in Pfrondort

Pfrondorf. Ein großer Teil der Einwoh­nerschaft kam am letzten Sonntag in die Kirche, um der Glockenweihe beizuwohnen. Die 4 Zentner schwere neue Glocke aus der Gießerei Kurtz war am Mittwoch zuvor feierlich eingeholt worden. Pfarrer Romberg hielt den Festgottesdienst über die Inschrift der neuen Glocke, die den Gefallenen und Vermißten des letzten Krieges gewidmet ist. Der Posaunenchor trug zur Ausgestaltung der Feier bei. Pfarrer Romberg dankte nochmals allen Spendern, besonders auch den in Ame­rika lebenden Landsleuten, welche die An­schaffung der zweiten Glocke ermöglicht hat­ten. Sein Dank galt ferner den Handwerks­leuten, die bei der Montage mitgeholfen hatten.

Auch das äußere Bild unserer Kirche hat sich in der letzten Zeit verschönt. Die im letzten Herbst begonnenen Instandsetzungs­arbeiten wurden nunmehr beendet, 'so daß unsere Kirche wieder in würdiger Gestalt in der Dorfmitte steht.

Großer Erfolg für Prof. Max Lang

Altensteig. Wir machen unsere Leser darauf aufmerksam, daß das Werk für großes OrchesterSvalbard (Spitzbergen) von Prof. Max Lang (Altensteig) am Dienstag, 24. April, zwischen 16 und 17 Uhr vom Südd. Rundfunk wiederholt wird. Die Wiederholung der Aufführung im Rundfunk bedeutet für Prof. Lang einen großen Erfolg seines künst­lerischen Schaffens.

400 jähriges Recht in Krait

Neuweiler. Am 23. April, dem St. Ge- orgstag 1551, kamen die Neuweiler mit den 6 Hofstetter Lehensbauem überein, sich ge­genseitig durch Streu- bzw. Bau- und Brenn­holzgaben zu unterstützen. Diese Bauholz­gerechtigkeit ist teilweise heute noch in Gül­tigkeit und kann also auf ihr 400jähriges Be­stehen zurücksehen. Für die Teilnehmer an der Wanderung des Schwarzwaldvereins nach Neuweller Hofstett Rehmühle (für L V vorgesehen) dürfte es Interessant sein, daß dieses Recht in dreierlei Form als Ergebni» harter Auseinandersetzungen zwischen Staat und Lehnsbauern, an den Hausdächern ab­zulesen ist. Der Südd. Rundfunk bringt an­läßlich der 400jährigen Wiederkehr eine Sen­dungRecht muß Recht bleiben am 23. April, 17.45 Uhr, im Rahmen derSüdwestdeutschen Heimatpost.

Mötzingen. Die Maul- und Klauen­seuche, die in 2 Gehöften ausgebrochen war, ist verhältnismäßig glimpflich verlaufen und jetzt erloschen. Die angeordneten seuchen­politischen Maßnahmen werden demnächst aufgehoben.

Gibt es wirklidi Erdstrahlen?

Wir liefen mit einem Rutengänger das Gelände ab und entdecktenReizstreifen

Erdstrahlen? Hm, man hat vielleicht einiges darüber gelesen, manches darüber gehört und noch mehr in den Illustrierten gesehen. Daß dies in auffälliger Häufung gerade um die Zeit herum geschah, als der Gröning-Rum- mel auf Hochtouren lief, macht die Angele­genheit scheinbar verdächtig.

Und doch: Es gibt Erscheinungen, für deren Rätselhaftigkeit die Wissenschaft bis heute keine zufriedenstellende Erklärung gefunden hat Da zieht sich beispielsweise quer über ein Feld ein nicht sehr breiter Streifen hin, auf dem jegliche Art von Vegetation nur spärlich gedeiht. Nachweislich liegt das nicht am Boden, nicht an der Düngung, nicht an der Bewässerung und auch nicht an sonstigen äußeren Einflüssen. Ein paar Meter links und rechts davon ist der Wachstumsstand wesent­lich besser. Warum? Genau so ist es ein andermal bei einem Obstgarten, wo an ganz bestimmten Stellen die Bäume krankhafte Auswüchse (landläufigKrebs genannt) zei­gen und gegenüber ihren gleichaltrigen Nach­barn deutlich sichtbar zurückgeblieben sind. Weshalb? Die Erscheinung greift sogar ins menschliche Dasein hinüber: Hier und dort findet sich ein Wohngebäude, das Im Volks­mund alsKrebshaus gilt. Ein Teil seiner früheren Besitzer ist an Krebs gestorben, an­dere Bewohner klagten über Rheumatismus, Gicht oder nervöse Ueberreizung, gesundeten jedoch rasch nach dem Umzug in eine andere Wohnung. Aehnlich sieht es im einen oder anderen Viehstall aus, wo das Verkalben der Kühe fast selbstverständlich geworden ist. Man frägt sich wiederum: Weshalb?

Gewisse Leute wissen auf die eben gestellte Frage allerdings rasch eine Antwort: Erd­strahlen! Zu ihnen gehört auch die Mehrzahl der Rutengänger, für die das Vorhandensein von schädlichen Erdstrahlen nicht mehr eine unbewiesene und unbeweisbare Behauptung, Sondern eine feststehende Tatsache ist. Wir Wollten einmal mit eigenen Augen sehen, wie so ein Rutengänger arbeitet und begleiteten

darum den Rutengänger Albert Zehnder aus Möttlingen dieser Tage auf seinen forschen­den Gängen rund um einen Hof in der Nähe der Kreisstadt. SeinMeßgerät besteht aus einer stählernen Wünschelrute in der bekann­ten Zweigabelung, wie man. sie in ihrer pri­mitiveren Form von den seit alters zum Zweck der Wassersuche verwendeten Hasel- und Weidenzweigen kennt. Die Handhabung die­ses verbesserten Gerätes ist denkbar einfach: Die Hände halten, mit dem Handrücken nach unten, die beiden Enden so fest, daß die Ga­belung (also die Spitze derRute) noch oben zeigt. So läuft der Rutengänger, kaum merk­lich vornübergebeugt auch in diesem Falle das Gelände ab, den Boden vor sich betrach­tend und sichtlich auf seine Aufgabe kon­zentriert. Zunächst zeigt die Rute keine Re­aktion, sie bleibt rund 20 Schritte weit in un­veränderter Stellung. Dann mit einem Male zuckt sie etwas, sctüägt schließlich in jähem Halbkreis nach unten aus, wird wieder hoch­genommen und schlägt nochmals kräftig aus. Dei- Suchende geht den selben Weg zurück, läuft ihn nochmals ab. Das gleiche Ergebnis. Er zeichnet mit der Schuhspitze ein Kreuz in den Sand, legt die Rute weg und beginnt von vorn, diesmal ohne sein Gerät und mit ver­änderter Armhaltung, indem er beide Arme halbschräg nach unten ausstreckt und beide Daumen seitlich auswinkelt. Kurz vor der markierten Stelle geraten die gestreckten Arme in Bewegung, werden an den Unter­armen angehoben, kreisen schließlich wie Flügel und erschüttern die ganze Gestalt, die endlich wippend die ganze Bewegung mit­macht. Unsere Frage:Was haben Sie fest­gestellt? wird mit einem leichten Achsel­zucken beantwortet. Er hat etwas registriert, wozu er keine Deutung geben kann.

Ein paar Minuten später: Neuerlicher Gang mit der Wünschelrute, diesmal etwa 30 Meter ostwärts des früheren Platzes. Einen ersten Ausschlag weiß der Hofbesitzer allerdings selbst am besten zu deuten; hier läuft die

Wasserleitung durch. Etwas nördlich davon wieder Ausschläge der Rute, diesmal stärker und unvermittelter. Sie erfolgen auf einem verhältnismäßig schmalen Streifen (vom Ru­tengänger alsReizstreifen bezeichnet), der sich bei wiederholten Gängen kreuz und quer als eine ArtStrich in Verlängerung der Diagonale des nebenstehenden Hauses er­weist. Hier fällt nun, nach erneutem Gang ohne Rute, erstmals das ominöse WortErd­strahlen. Kräftige Ausschläge, diesmal nörd­lich der erstbeschriebenen Stelle, führt der Rutengänger jedoch nicht auf Erdstrahlen­wirkung zurück. Der Hofbesitzer erläutert an diesem Platz, daß ein anderer Rutengänger schon vor mehreren Jahren an der gleichen Stelle eine Wasserader festgestellt haben wollte. Wasser? Nein, mit Wasser habe die Reaktion nichts zu tun, entgegnete der Ru­tengänger, auch nicht mit anderen Vorkom­men, wie beispielsweise Erz. Eine andere Möglichkeit läßt der Hofbesitzer offen: Er weiß von Funden aus der römischen Besat­zungszeit, die man auf seinen Grundstücken früher schon gemacht hat. Unfern seines Hau­ses soll eine Römersiedlung gestanden haben. Es könnte also sein, daß sich hier ein alter Wassergraben, ein Bad oder sonst eine An­lage unter dem Boden durchzieht. Genaueres läßt sich nicht sagen.

-Machen wir hier eine kleine Zwi­schenpause, die Gelegenheit zu ein paar Be­merkungen geben soll: Unsere Leser irren sich, wenn sie annehmen, daß wir den Gängen des Wünschelrutengängers als Gläubige ge­folgt seien. Im Gegenteil, wir waren sehr skeptisch gewesen und hatten uns vorgenom­men, diesen Versuchen mit sehr kühlem Kopf zuzusehen. Das weiß auch der Wün­schelrutengänger. Und darum gibt er uns Zweifelsüchtigen die Rute selbst in die Hand und läßt uns über den sogenanntenReiz­streifen gehen. Nichts. Noch nicht einmal ein andeutungsweises Zucken, geschweige denn ein Ausschlag. Aber dann zeigt er uns, daß seine Kunst eben des besonders empfind­lichen Mediums bedarf, das die Schwingungen aus dem Erdreich aufnimmt und über die Rute sichtbar macht. Um diesen Beweis zu

führen, nimmt er sein Gerät mit dem einen Ende in die linke Hand, läßt uns das freie Ende mit der Rechten greifen, heißt uns dann seine freie Hand fassen und begeht so mit um das Gelände. Am vorerwähntenReizstreifen schlägt die Rute mit unwiderstehlicher Ge­walt nach unten aus, obwohl wir uns mit aller Kraft bemühen, sie in der ursprünglichen Stellung zu halten. Diese Bewegung kann nicht vom Rutengänger verursacht worden sein, denn sonst hätten wir sie das trauen wir uns zu aufzuhalten vermocht. Das etwas spüren also auch wir. Woher aber kommt es?

Bei den nachfolgenden Gängen durch alle Zimmer des Hauses, bei denen der Ruten­gänger feststellt, daß sich einErdstrahlen- Reizstreifen diagonal zum Gebäude durch­zieht, erhalten wir einige erläuternde Aus­künfte. Erdstrahlen, so wird uns gesagt, ent­stünden meist dort, wo sich im Boden Was­seradern oder geologische Verwerfungen befänden. Bereits 1936 sei es gelungen, sie fotographisch festzuhalten und ihre Strah­lung in eine gewisse Größenordnung einzu­passen. Ihre Wellenlänge liege (nach Angabe des Stuttgarter Physikers Dr. Dobler) zwi­schen 0,343 mm und 10 cm. Auch der Heidel­berger Professor Dr. K. H. Bauer habe sich 1948 in der ZeitschriftUniversitas dahin­gehend ausgesprochen, daß das Strahlenphä­nomen aus der Erde bejaht werden müsse und daß ihm unter gewissen Bedingungen und Umständen-ein nicht unbedeutender Ein­fluß auf alles organische Leben zugesprochen werden müsse. Als kurzwellige Strahlung könne sie auch krebserzeugend wirken. Das alles wußte uns Rutengänger Zehnder zu be­richten und auch, daß er imstande sei, ein Gebäude gegen die schädliche Strahlung ab­zuschirmen.

Lassen wir die Frage, ob eine solche Ab­schirmung möglich ist, zunächst unbeantwor­tet. Inzwischen hat sich nämlich der Ruten­gänger in dieHöhle des Löwen, d. h. zu den Wissenschaftlern selbst begeben und will ihnen beweisen, daß er recht hat. Dazu will man ihm Gelegenheit geben. Und dann wäre wieder über diese Angelegenheit zu sprechen.