HEIMATAUSGABE FÜR
STADT UND LAND
SAMSTAG, 21. APRIL 1951
ÜBERPARTEILICHE TAGESZEITUNG
7. JAHRGANG / NR. 61
Francois-Poncet: Bundesrepublik beinah^ zu föderalistisch
Staatsbesuch in Stuttgart / Nichts gegen Südweststaat einzuwenden
Drahtbericht unseres Stuttgarter th-Korrespondenten
STUTTGART. Der französische Hohe Kommissar Fransois-Poncet hat bei seinem offiziellen Besuch in Stuttgart auch die Presse empfangen. Dabei nahm er ausführlich zu der Frage der militärgerichtlichen Urteile gegen deutsche Kriegsgefangene in Frankreich Stellung. Der Hohe Kommissar sagte, eine Revision dieser Urteile könne von der Regierung nicht beschlossen werden. Man sollte nicht nur die Reaktion der deutschen Öffentlichkeit in Betracht ziehen, sondern auch auf die französische Öffentlichkeit Rücksicht nehmen.
Von 300 000 Franzosen, die unter deutscher Besetzung deportiert wurden, seien nur 100 000 in die Heimat zurückgekehrt. Weitere 100 000 der Franzosen seien durch deutsche Hand umgekommen. Demgegenüber habe man nach dem Kriege von 3034 Deutschen, gegen die Anklage wegen Kriegsverbrechen erhoben wurde, nur 735 Angeklagten den Prozeß gemacht. 212 Angeklagte seien freigesprochen und 50 Todesurteile gefällt worden. 400 Angeklagte, zum größten Teil Gestapo- und SS- Angehörige, sähen ihrer Aburteilung noch entgegen. Er gab zu, daß die französische Justiz es nicht eilig habe. Viele Angeklagte seien aber selbst gegen eine rasche Prozeßführung, weil sie in ihrem Interesse Zeit gewinnen wollten.
Über den deutschen Föderalismus sagte Francois-Poncet, er habe den Eindruck gewonnen, auf die Bundesinteressen werde zu wenig Rücksicht genommen und das Gewicht der Länder habe im Spiel des förderalisti- schen Gleichgewichts überhandgenommen.
Zur staatlichen Neugliederung im südwestdeutschen Raum äußerte der Hobe Kommissar: „Alles, was verfassungsmäßig und legal ist, kann geschehen. Wir sind für das korrekte Spiel der demokratischen Institutionen." Die Alliierte Hohe Kommission habe sich allerdings noch niemals mit diesem Thema befaßt und er könne daher auch nicht sagen, wie sie sich dazu stelle. Er persönlich würde allerding „eine Träne für Altbaden und Altwürttemberg verlieren“
Frangois-Poncet erwiderte auf eine entsprechende Frage, die Franzosen beobachteten seit einiger Zeit das Wiederaufleben nationalistischer Tendenzen in Deutschland. Diese Beobachtung erstreckten sich vor allem auf Ma nifestationen größerer Parteiführer. „Was uns wundert, ist, daß man gerne zur alten Sprache zurückkehrt, daß man niemals Wünsche äußert oder Bitten vorbringt, sondern immer fordert und verlangt. Als ob es nicht männlich sei, liebenswürdig und höflich zu sein. Dies ist eine falsche Auffassung von Kraft. Was würde Deutschland alles erreichen, wenn es Gefallen bei seinen Partnern fände?“
Zum Schumanplan äußerte Frangois-Poncet, das Verschwinden der Ruhrbehörde nach Inkrafttreten des Planes sei von vornherein klar gewesen, da beide Einrichtungen nicht nebeneina nder bestehen könnten. Die Opposition der SPD sei „ungerecht, leidenschaftlich und nicht wohlbegründet“. Der Plan binde Deutschland nicht auf 50 Jahre, da eine Revisionsklausel erngearbeitet sei.
So wurde General MacArthur bisher überall in den USA empfangen
Foto: Ap
Wenn der Purpur fällt ...
Von Karl Weidenbach
Sucht MacArthur den Kampf?
USA-Verteidigungsministerium weist Behauptung in der Kongreßrede zurück
WASHINGTON. Das amerikanische Vertei- digungsminislerium erklärte zu den Feststellungen MacArthiirs vor dem amerikanischen Kongreß, seine Vorschläge zur Kriegführung in Korea seien praktisch von allen militärischen Führern der USA einschließlich den Stabschefs gutgeheißen worden. Präsident T r u m a n habe den General „auf einstimmige Empfehlung seiner hauptsächlichen zivilen und militärischen Ratgeber, den Ausschuß der amerikanischen Stabchefs eingeschlossen“, aller seiner Posten enthoben.
Die entsprechende Behauptung MacArthurs vor dem Kongreß hatte in Washington allgemein Erstaunen hervorgerufen Der Vorsitzende des Militärausschüsse! des Senats teilte mit, der Ausschuß werde die Stabschefs über diese Äußerung MacArthurs befragen.
MacArthur erklärte am Donnerstagabend nach seiner Rede vor dem Kongreß vor der amerikanischen Frauenvereinigung „Töchter der Revolution“, die USA würden zurzeit von Innerer Korruption und Wühlarbeit unterminiert. Gleichzeitig forderte er die Amerikanerinnen auf, gegen die immer weiter um sich greifende Kontrolle durch die Behörden
Warum kein Engländer?
Churchill gegen US-Admiral
LONDON. Der konservative Oppositionsführer Winston Churchill entfachte am Donnerstag in der Unterhausdebatte von neuem den Sturm, den er schon vor einigen Wochen einmal über die Wahl eines Amerikaners zum atlantischen Seebefehlshaber ausgelöst hatte. Er erklärte rund heraus, er sehe überhaupt keine Notwendigkeit für einen atlantischen Seebefehishaber. Wenn aber ein solcher schon ernannt würde, dann sollte er — gleichgültig, welcher Nationalität er sei — sein Hauptquartier in Großbritannien haben. Nachdem man mit der Ernennung des amerikanischen Admirals William Fechteier rechnet, bemerkte Churchill, ein Amerikaner, der aus Nord-Virginia stamme, könne wohl kaum wissen, was in den Gewässern rund um Großbritannien vorgehe. Er beschuldigte Premierminister Attlee, die Verbundenheit des britischen Volkes mit seiner Kriegsmarine falsch einzuschätzen. Das Unterhaus wies Churchills Kritik an der Ernennung des amerikanischen Admirals mit elf Stimmen Mehrheit zurück.
10-Mimiten-Sifjuno
PARIS. Die 33 Sitzung der Pariser Vorkonferenz zur Festlegung einer Tagesordnung für ein Außenministertreffen dauerte nur etwa 10 Minuten. Sie war die kürzeste von allen, die bisher stattgefunden haben.
Ein Sprecher der Westmächte erklärte, nach der Sitzung, der sowjetische Delegierte habe noch keine neuen Instruktionen aus Moskau erhalten. Er fügte hinzu: „Es herrschte etwa acht Minuten Schweigen, weil Gromyko noch keine Instruktionen hatte und die anderen Del’gisr','n ■ •c'i nichts zu sagen wußten"
anzukämpfen und um einen sauberen Staat zu ringen. Aus diesen Äußerungen wird in den USA geschlossen, daß MacArthur den Kampf mit der Regierung sucht und diesen auch auf das Gebiet der Innenpolitik ausdehnen will
Vor dem amerikanischen Kongreß wandte sich MacArthur am Donnerstagabend gegen jede Beschwichtigungspolitik gegenüber den Kommunisten in Asien.
Seine Politik im Femen Osten sei von allen Militärbehörden unterstützt worden, da der Pazifik ein „Schild für den gesamten ameri- kanichen Kontinent“ darstelle. Durch eine Kette von Inselstützpunkten übten die USA und seine Alliierten die Kontrolle über Asien aus und könnten mit ihren See- und Luftstreitkräften jeden feindlichen Vorstoß in den Pazifik verhindern.
Danach gab MacArthur noch einmal in vier Punkten einen Überblick über seine strategische Konzeption der Asienpolitik: Wirtschaftsblockade gegen China, Blockierung der chinesischen Küste von See her, unbehinderte Luftaufklärung über chinesischem Hoheitsgebiet, Freiheit der Bewegung für die nationalchinesische Truppen und Unterstützung derselben.
Es sei bei weitem nicht gewiß, daß die Sowjetunion sich an die Seite Rotchinas stellen und Waffenhilfe leisten werden, wenn die Truppen der UN „den Krieg weitertragen“. Jeder neue Feind werde nur dann zuschlagen, wenn das Übergewicht sich ihm zuneige.
Als im Jahre 1935 das britische Parlament die neue Verfassung für Indien annahm, die der früheren Kronkolonie praktisch den Weg zur Unabhängigkeit öffnete, sagte Churchill in einer denkwürdigen Rede, sie sei „ein Strauß verwelkter Blumen des viktorianischen Liberalismus, mit dem die Totenglocken des Empire eingeläutet würden". Wenn auch die Absetzung General MacArthurs nicht mit dem Rückzug der Westmächte aus ihren ostasiatischen Stellungen verknüpft ist, so kann man eich doch des Eindruckes nicht erwehren, daß dieser Schritt vielleicht eine ähnliche Bedeutung im Hinblick auf die Stellung der Westmächte in Ostasien zur Folge haben kann wie vor 17 Jahren die Anpassungs- Politik Englands an die Entwicklung in Indien. Die ganze Welt hat zwar die Absetzung des Generals als große Erleichterung aufgenommen, und das ist insofern verständlich, als die Politik der starken Hand, wie sie MacArthur vertritt, gegebenenfalls den dritten Weltkrieg hätte auslösen können. Aber der Freude ist rasch die Ernüchterung gefolgt, da damit offensichtlich noch nicht sichtbar geworden ist, auf welche Weise nun der Konflikt in Korea friedlich gelöst werden könnte.
Niemand, der hinter dem äußeren Geschehen die eigentlichen Triebkräfte der weltpolitischen Auseinandersetzung, die in Ostasien im Gange ist, zu sehen vermag, wird sich darüber wundem. Denn es geht ja nicht nur um Korea, sondern einmal um die Stellung der Westmächte in Ostasien schlechthin, zum andern um die grundsätzliche Frage der Mittel und Möglichkeiten, diese Stellung aufrecht zu erhalten und zum dritten um den Kampf der freien Welt gegen den Bolschewismus. Korea ist nur ein neuralgischer Punkt; es gibt deren viele, und vielleicht ist Korea nicht einmal der wichtigste. Seit Jahrzehnten ist im ostasiatischen Raum der Prozeß der nationalen Selbständigkeitsbewegungen im Gange, die alle die Befreiung vom Einfluß des westlichen Imperialismus zum Ziele haben, und es wäre töricht, wollten wir neben der Erkenntnis, daß sich in Korea der Kampf der nichtbolschewistischen gegen die bolschewistische Welt entzündete, die Tatsache übersehen, daß auf
Für eine Revision des Rnhrstatuts
Frankreich schlägt sofortige Anpassung an Schumanplan vor
PARIS. Die französische Regierung hat den westlichen Besatzungsmächten in Deutschland und den Beneluxstaaten eine Konferenz zur Revision des Ruhrstatuts vorgeschlagen, um die Verwaltung der Ruhrindustrie den Gegebenheiten des am Mittwoch in Paris Unterzeichneten Schumanplans anzupassen. Mt und Ort der Konferenz sind noch nicht festgelegt, doch drängt die französische Regierung auf eine baldige Einberufung.
Der französische Außenminister Robert Sch um an hat in Noten an die beteiligten Regierungen darauf hingewiesen, daß das Dekartellisierungsprogramm der Ruhrbehörde berichtigt werden müsse, nachdem Deutschland Ja nun der Montanunion beigetreten sei. Die Ruhrbehörde besaß bisher praktisch uneingeschränkte Kontrollrechte über die deutsche Schwerindustrie.
Bundeskanzler Adenauer bestätigte am Donnerstagabend, daß er einen Brief vom französischen Außenministerium erhalten hat, in dem Frankreich die Auflösung der internationalen Ruhrbehörde in dem Augenblick befürwortete, in dem der Schumanplan in Kraft tritt Er, Adenauer, werde sobald als möglich mit dem britischen Hohen Kommissar Yvonne Kirkpatrick eine Aussprache herbeiführen, jedoch erwarte er von englischer Seite keine Schwierigkeiten.
Zu dieser Frage erklärte ein Sprecher des britischen Außenministeriums, Großbritannien wünsche, daß auf Besprechungen zwischen den beteiligten westlichen Mächten ein Weg gefunden werde, um den Schumanplan mit den bestehenden Kontrollen für die Kohle- und Stahlindustrie an der Ruhr in Einklang zu bringen. Gleichzeitig verlautete aus London, daß die britische Regierung Frankreich mitgeteilt habe, „es wäre bedauerlich", wenn „der Bundesregierung im voraus irgendwelche Andeutungen“ über die französische Haltung in den vorgeschlagenen Besprechungen gemacht würden. Der britische Sprecher formulierte die Haltung Englands vorsichtig dahin, daß „die Zukunft der Kontrollen selbstverständlich ein Gegenstand von Verhandlungen in erster Linie der Besatzungsmächte sein müßte“.
der anderen Seite dieser Kampf seine Impulse auch aus den Unabbängigkeitsbestrebun- gen dem westlichen Imperialismus gegenüber erhält.
Vor einem halben Jahrhundert war die Stellung der Westmächte im Fernen Osten noch absolut gefestigt. Der koloniale Imperialismus auf dem Höhepunkt seiner Macht vermochte die Probleme noch einfach zu lösen. Gab es Verwicklungen, so wurden einige Kanonenboote oder ein Expeditionskorps entsandt. Aber dieser koloniale Imperialismus befindet sich längst im Stadium der Agonie, er bat im 2. Weltkrieg seinen Todesstoß erlitten, nicht zuletzt dadurch, daß die Sieger dieses Krieges auch in diesem Raum, durch die Vernichtung der japanischen Machtstellung und die ■ dadurch bewirkte Stärkung des Bolschewismus, der heute geschickt die nationalen Bestrebungen ausnützt, jenes Gleichgewicht zerstörten, das im Zeitalter des Imperialismus eine größtmögliche Friedensgarantie darstellte. Nicht nur die ostasiatische Welt im pazifischen Raum befindet sieh heute im Stadium eines latenten Aufruhrs; der asiatische Nationalismus hat in den letzten Jahrzehnten Stein um Stein aus dem System der westlichen Vormachtstellungen im ganzen Raum von Nordafrika, dem Nahen Osten bis hinüber nach Hongkong herausgebrochen. Indien erreichte seine Unabhängigkeit in Form des Dominionstatus, England verlor Burma und Pakistan, Holland in jüngster Zeit Indonesien, die Franzosen kämpfen um ihre Positionen in Indochina, die Engländer fürchten um Hongkong, die Amerikaner um Formosa. Nicht zuletzt stebt der Kampf ums öl in Persien im Zeichen dieser Auseinandersetzung.
In diesem großen Zusammenhang gewinnt der Sturz General MacArthurs seine eigentliche Bedeutung. Sein Programm war klar und eindeutig. Er scheute die Lösung im Sinne der imperialen Machtpolitik nicht, weil er der Meinung ist, daß die Politik der Nachgiebigkeit doch zum Verlust der Stellung der Westmächte führen müsse, wenn man nicht den Mut aufbringe, den Schlag gegen den Bolschewismus, der hinter allen Bewegungen steht, hier zu führen. Das hat er soeben in seiner Rede vor dem Kongreß noch einmal unzweideutig zum Ausdruck gebracht, indem er jede Beschwichtigungspolitik Rotchina gegenüber als blind bezeichnet© und sich er- erneut zu einer aktiven Strategie im pazifischen Raum bekannte. Insofern können seine Auffassungen mit denen Churchills von 1935 verglichen werden. Aber Churchill bat sich, was die Politik des Ausgleichs und des Nachgebens innerhalb der Empirepolitik betrifft, seitdem gewandelt. So sind auch Washington und die anderen Mächte MacArthur nicht gefolgt. Wahrscheinlich nicht nur, weil sie sich nicht stark genug fühlen, eine solche Entscheidung herbeizuführen, sondern auch deshalb, weil sie selbst nicht mehr an die Zukunft einer Ordnung im Sinne des kolonialen Imperialismus glauben.
In der Entwicklung Indiens, das heute als Schiedsrichter im koreanischen Konflikt auf- tritt, erlebte die Welt mit am sichtbarsten die Dämmerung des liberalen Imperialismus. Die jetzigen Auseinandersetzungen im Fernen Osten tragen ähnliche Züge. Welche Folge
Auf einer Pressekonferenz erklärte der Bun- rungen sich daraus ergeben, das ist die große deskanzler gestern, daß durch die gemeinsame Frage, vor deren Lösung die Politik der West-
Erklärung der sechs Paktstaaten die deutsche Gleichberechtigung anerkannt werde. Schon damit sei die Pariser Konferenz für die Bundesrepublik ein großer außenpolitischer Erfolg, weil Deutschland mit ihr erstmalig in den Kreis der europäischen Völker zurückgekehrt sei. Nach Ansicht des Kanzlers sind bei den deutschen Gewerkschaften die letzten Bedenken gegen den Plan gefallen, womit sich die Annahme durch den Bundestag erhoffen lasse.
machte sich nun gestellt sicht, nachdem MacArthur gefallen ist. In Schillers „Fiesko“ ruft der Verschworene Verinna aus: „Nun, wenn der Purpur fällt, muß auch der Herzog nach!“ Der Herzog ist gefallen, fallen muß nun wohl auch der Purpur seiner Politik des imperialen Prestiges. Wer könnte heute schon sagen, ob der Politik der Beschwichtigung in diesem weltweiten Konflikt mehr Erfolg beschießen sein wird?