FREITAG, 20. APRIL 1951
WIRTSCHAFT
NUMMER 60
Hohe Preise bewirken Zahlungsrückgang
Ein deutlicher Marktwandel / Elalastische Kreditpolitik notwendig?
Das „Volkswirtschaftliche und Statistische Büro“ der Industrie- und Handelskammern von Würt- temberg-Hohenzollern weist in seinem neuen Vierteljahresbericht auf die im I. Quartal sich mehr und mehr verbreiternde Kaufunlust und damit im Zusammenhang auf einen Marktwandel hin, der sich im Konsumgütersektor durchgesetzt, aber mit abgeschwächter Wirkung auch auf den Bereich der Produktionsmittel übergegriffen hat. Zeichen dieser Entwicklung seien die Verlangsamung des Auftragseingangs, ferner die seit einigen Wochen in größerem Maße zu beobachtende Warenverteuerung, Annullierungen und Reduzierungen bereits erteilter Aufträge. Die Verschlechterung des Zahlungseingangs habe im Zusammenhang mit dem sich verengenden Warenverkauf in zunehmendem Maße die Liquiditätslage der Betriebe beeinträchtigt.
„In einer solchen Entwicklungsphase“, so heißt es wörtlich, „wird die Wirtschaft von den Wirkungen der durch die Maßnahmen des Zentralbankrates in Gang gesetzten Kreditrestriktion in einer besonders harten und vermutlich auch nicht beabsichtigten Weise getroffen. Die Kreditrestriktion wurde unter anderen und heute bereits weithin als überholt anzusehenden Lagevoraussetzungen angeordnet mit dem Ziel, in der Wirtschaft auch bei einer abnehmenden und zugleich sich verteuernden Rohstoffzufuhr einen fortlaufenden Warenverkauf zu erzwingen und von der kreditpolitischen Seite her eine Bremse ln die Preisentwicklung einzubauen. Unter den ewandelten Marktverhältnissen kommen diese eabsichtigten Wirkungen der Kreditrestriktion
Landesprodubfenh^rse Stuttgart
17. April 1951
Weder ln ausländischem Brotgetreide noch in Futtergetreide finden Umsätze statt, da zu den amtlichen Erzeugerhöchstpreisen keine Angebote vorliegen. Ausländisches Futtergetreide, das auch nur in unzureichenden Mengen greifbar ist. stellt sich für unser Gebiet zu teuer. Es wurde eine kleine Menge Milokorn zu Futterzwecken freigegeben, wofür der Großhandelspreis ca. 35.50 DM je 100 kg ab Paritätspunkt Heilbronn beträgt.
Das Geschäft am Mehlmarkt hat sich weiter belebt. Die Konsumtypen werden etwas stärker ange- boten. Der Bedarf kann noch nicht voll gedeckt werden. Es werden notiert: Weizenmehl Type 550 84.20 DM: Weizenmehl Type 812 60.50 DM; Weizenmehl Type 1050 58.70 DM: Weizenmehl Type 1600 53 DM: Roggenmehl Type 1150 55.10 DM: Roggenmehl Type 1370 51.25 DM. Großhandelspreise je 1000 kg brutto für netto ohne Sack.
In Rauhfutter herrscht geringe Nachfrage, welche laufend befriedigt werden kann. Es werden notiert (die Preise sind Großhandelspreise je 100 kg und verstehen sich waggonfrei süddeutscher Verladestation): Roggen-, Weizen-, Gersten- und Haferstroh (bindfadengepreßt) 3.— bis 3.70 DM; Roggen-, Welzen-, Gersten- und Haferstroh (drahtgepreßte Ware) 4.40 bis 4.90 DM; Wiesenheu, gut, gesund, trocken, lose 9.— bis 9.60 DM; Luzerneheu, gut, gesund. trocken, lose 9.20 bis 9.60 DM.
LONDON. Kohlenpreiserhöhung in England. Das britische Brennstoffministerium hat eine Erhöhung der Kleinverkaufspreise für Kohle angeordnet, die gebietsweise bis zu 4 Shilling ((2.36 DM) pro Tonne beträgt. Es ist dies die zweite Preiserhöhung für Hausbrandkohle im Verlaufe von sechs Wochen.
. SINGAPUR. Kautschukkurs gefallen. An der Kautschukbörse in Singapur fiel der Mälkontrakt am Mittwoch unerwartet auf 1,66 Straits Dollar und kam damit auf den bisher tiefsten Kurs dieses Jahres.
kaum mehr zu einer praktischen Entfaltung. Diese im Interesse der Wirtschaft wohlgemeinte Wirkung wird gegenwärtig entkräftet und übertönt von den Störungen des Wirtschaftslebens, die unter anderem ihren Ausgang auch in der Kreditrestriktion haben. In der Tat scheint die Kreditrestriktion die Rückläufigkeit in der Konjunktur nicht aufzuhalten, sondern im Gegenteil zu verstärken. Die Frage ist daher nicht unberechtigt, ob es sinnvoll und angemessen ist, die Kreditrestriktion weiter durchzuführen, solange bei der derzeitigen Marktlage ihre beabsichtigte
Wirtschaftsspiegel Aktivsaldo der
FRANKFURT. Die westdeutsche Devisenbilanz schloß im März 1951 zum ersten Male seit der Entstehung der Zahluugsschwierigkeiten der letzten Monate mit einem alle wichtigen Bereiche^ umfassenden Uberschuß ab, nachdem noch im Februar im ganzen ein beträchtliches Defizit bestand. Nach Mitteilung der Bank deutscher Länder betrug der Überschuß im März 35,9 Millionen Dollar gegenüber einem Fehlbetrag von 47,9 Millionen Dollar im Februar. Gleichzeitig haben die Devisenbestände der Außenhandelsbanken wiederum etwas abgenommen.
Dieses Resultat war nur möglich, weil der bisherige Pas3ivsaldo im Zahlungsverkehr mit der EZU von einem Aktivsaldo abgelöst wurde. Nach Ansicht der BdL ist die Besserung in erster Linie auf einen ziemlich starken Rückgang der Inanspruchnahme von Devisen und auf ein fühlbares Ansteigen der Ausfuhrerlöse zurückzuführen.
BONN. Kreditpolitisehe Entspannung. Die günstige Entwicklung des deutschen Außenhandels im März und der Erfolg der Kreditrestriktionen haben zu einer allgemeinen Kreditentspannung in der Bundesrepublik geführt, erklärte der Präsident des Zentralbankrates vor dem Bundestagsausschuß für Geld und Kredit. Eine Folge davon sei eine gewisse Stabilisierungstendenz der Preise.
BONN. Revision der EZU gefordert. Im Interesse der Integration der europäischen Wirtschaft wird in zuständigen Stellen der Bundesregierung immer mehr eine grundsätzliche Überprüfung des Systems der europäischen Zahlungsunion gefordert. Das vordringlichste Problem sei die Revision der Kreditquoten innerhalb der EZU, die der verstärkten Ausfuhr der Bundesrepublik Rechnung tragen müßten. Gefordert werden u. a.: Eine gesamteuropäische Investitionspolitik, gegenseitige Abstimmung der Konjunkturpolitik und die Beseitigung aller Zölle und Devisenbeschränkungen.
BOCHUM. Westdeutschland erhält mehr Schwedenerz. Die Erzlieferungen Schwedens in das Bundesgebiet sollen ln diesem Jahr um etwa 1,25 Millionen Tonnen auf fast 5 Millionen Tonnen erhöht werden.
ESSEN. Über 409 000 t Steinkohlen täglich. Die tägliche Steinkohlenförderung ist im März auf 401 5001 gegenüber 394 0001 im Februar gestiegen. Nach Ansicht des Bundeswirtschaftsministeriums hätte die Förderung jedoch gegenüber dem Vormonat um mindestens 15 Prozent erhöht werden müssen, um jeden Bedarf zu decken.
BONN. OEEC überreicht Einfuhrprogramm für April, Der von der OEEC eingesetzte Vermittlungsausschuß hat die Vorschläge der Bun-
positive Wirkung ln der Praxis sich beinahe in das Gegenteil verkehrt.“
Die Politik des Zentralbankrates wird die Notwendigkeit einer Lockerung der Kreditbeschränkungen unter diesen Umständen nicht anzweifeln. Bisher war die Kreditpolitik in Westdeutschland immerhin so elastisch, daß bei veränderten Verhältnissen neue Wege beschritten wurden. Die Wirtschaft selbst hat ihre Elastizität bei den Produktionsschwierigkelten des Winterhalbjahrs bewiesen. Wie sonst wäre es möglich gewesen, trotz des Kohlen- und Rohstoffmangels im Februar bereits wieder den höchsten Produktionsstand des Vorjahres zu erreichen? Die gleiche Elastizität muß allerdings auch die • Wirtschafts- bzw. Kreditpolitik beweisen, wenn sie sich nicht festfahren will. Dr. Ho.
deutschen Devisenbilanz
desrepublik und ihrer EZU-Partner über die deutsche Einfuhr im April zu einem Importprogramm verarbeitet, das dem Bundeswirtschaftsministerium übergeben worden ist. Nach diesem Programm werden Westdeutschland 31 Millionen Dollar Importausschreibungen bewilligt.
TÜBINGEN. 18,6 Millionen Ländersteuerertrag Im März. Im Monat März gingen in Württem- berg-Hohenzollern nach Mitteilung des Finanzministerium 18 626 576 DM Steuern für das Land und 12 882 487 DM Steuern für den Bund ein.
TÜBINGEN. Arbeitslosigkeit wiederum zurückgegangen. In Württemberg-Hohenzollem ist die Arbeitslosigkeit wiederum stark zurückgegangen. Während am 31. März 9426 Arbeitslose gezählt wurden, waren es am 15. April nur noch 8349.
TROSSINGEN. Hohner will 1:1 umstellen. Wie wir erfahren, wird die Verwaltung der Harmonika-Werke Hohner AG in der Hauptversammlung am 16. Mai Vorschlägen, das Aktienkapital Im Verhältnis 1:1, also auf 9 Millionen DM, umzustellen.
Robert Bosch GmbH, stellt 1:1 um
In ihrem Bericht zurDM-Eröffnungsbilanz führt die Geschäftsführung der Bosch-GmbH, aus, daß die Umstellung 1:1 nicht die vollständige Erhaltung des früheren Kapitals bedeute. Das Unternehmen hat Kriegs- und Kriegsfolgeschäden erlitten, die die Höhe seines Nominalkapitals weit überschritten haben. Außerdem ist bei der Beurteilung des Umstellungsverhältnisses zu berücksichtigen, daß die D-Mark noch nicht den Wert der Vorkriegsmark erreicht hat, so daß ein gleich großes Nominalkapital keineswegs auf ein Vermögen gleicher Höhe schließen läßt.
Trotz dieser Schwierigkeiten und der durch das augenblickliche Steuersystem erschwerten Eigenfinanzierung hat sich in den l 1 /* Jahren de* Berichtzeitraums der Umfang des Geschäfts gegenüber der vorhergehenden Periode mehr als verdoppelt. Die Firma nahm teil an dem Aufschwung der Kraftfahrzeugindustrie, und auch der Umsatz an Erzeugnissen wie Kühlschränken, Elektrowerkzeugen, Schmierpumpen und Kompensatoren konnte erhöht werden. Der Export, der sich 1948 auf knapp 7 Prozent des Umsatzes belief, konnte 1949 auf 11 Prozent gesteigert werden. Auch die Entwicklungsarbeiten wurden mit Erfolg fortgesetzt; so wurden für kleine Zweitaktmotoren Schwunglichtmagnetzünder entworfen und für Lastwagen eine neue Druckluftbremse. Als Ersatz für Winker wurden Blinkanlagen entwickelt und für das Baugewerbe zwei neue Betonrüttlertypen auf den Markt gebracht.
Die Bosch-Hilfe e. V., die nach der Währungsreform fast aller Mittel entblößt war, konnte ab 1949 ihre Rentenzahlungen wieder in voller Höhe aufnehmen und das Unternehmen selbst unterstützte damit eine beträchtliche Anzahl von Baudarlehen die Belegschaft beim Wiederaufbau beschädigter Wohnungen und bei Neubauvorhaben. Außerdem wurden Arbeits- und Erfolgsprämien von zusammen 1 354 048 DM ausgeschüttet.
Die Erfolgsrechnung weist einen Reingewinn von 3 366 063.61 DM auf.
Kein Interesse an Zuckerhortung
Tagung des Fachverbandes des Kolonialwarengroßhandels
REUTLINGEN. Der Fachverband des Kolonial- warengroßhandels Württemberg - Hohenzollerns hatte am Mittwoch seine fünfte ordentliche Mitgliederversammlung, an der auch Vertreter des Wirtschafts- und Landwirtschaftsministeriums, der Industrie- und Handelskammer sowie der Fachgruppe Einzelhandel teilnahmen. Wie Vorsitzender Hans Ruhland in seiner Eröffnungsrede feststellte, ist der Verband mit 59 Betrieben die stärkste Großhandelssparte des Landes mit einem Umsatz von 73 Millionen DM. Ruhland wehrte sich scharf gegen die Angriffe auf den Handel und auf die Handelsspanne. Beide entbehrten jeder Grundlage. „Wir sind keine Hasardeure, sondern sind unserer Aufgabe voll bewußt, zum Besten der Verbraucher“, erklärte er wörtlich. Die unerfreuliche Zuckerversorgungslage stand im Mittelpunkt des ersten Referates, das von Assessor Borgers gehalten wurde. Angesichts des erhöhten Zuckerrübenpreises und der gestiegenen Unkosten bedeute es eine Vogel-Strauß-Politik, eine Erhöhung des Zuckerpreises nicht als Notwendigkeit zu erkennen. Bei Mehl sei die Lage nicht mehr so bedrohlich wie vor einigen Wochen, bei Margarine sei eine starke Erhöhung des Rohstoffpreises eingetreten und der Butterabsatz bewege sich zurzeit rückläufig. Nach der Lage im Lebensmittelgroßhandel ergebe sich die Forderung, die Importdrosselung zu been
den. Eine große Gefahr bedeute für den Lebensmittelhandel die Kreditrestriktion, da damit „das Versorgungspolster“ Wegfälle. Abschließend wandte sich der Referent der Sonderumsatzsteuer zu, die nicht einem Ermächtigungsgesetz überlassen bleiben dürfe, sondern vom Parlament entschieden werden müsse. Auch Prof. Dr. S c h ü 1 e, Hauptgeschäftsführer der Industrie- und Handelskammer Mannheim, wandt« sich gegen die geplante Erhöhung der Umsatzsteuer, die nur die Tendenz zur Konzentration fördern würde. Auch kritisierte der Redner dl* Art der Kreditgewährung, die zuungunsten de* Großhandels mehr nach der Erzeugerseite orientiert sei. Die Preiserhöhungen geben nach Ansicht Prof. Schüles kein richtiges Bild; mit einer rückläufigen Bewegung sei zu rechnen.
Ein recht düsteres Zukunftsbild entwarf Dr. Heck vom Landwirtschaftsministerium für di* Zuckerversorgung, da man für die nächsten sechs Monate nur mit einer 70prozentigen Lieferung des Normalsatzes rechnen könne. Auch er sah die Erhöhung der Zuckerpreise als notwendig an. In weiteren Referaten wurden noch Einzelprobleme des Großhandels, wie Rabattgewährung, der Direktverkauf von Großhändlern und die Frage der Einkaufsgenossenschaften behandelt. Ausdrücklich stellte Vorsitzender Ruhland fest, der Großhandel habe kein Interesse an einer Zuckerhortung.
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