Sette 2 - Nr. 262

Nagolder TagblattDer Sefellfchaster"

Dienstag. S. November 1928

Traditionsübergabe. Im Hof der Moltkekaserne über­nahm gestern vormittag in feierlicher Weise die Württ. Schutzpolizei die Traditionen der Landespolizei der frü­heren deutschen Südseekolonien Neu-Guinea und Samoa. Minister des Innern Bolz schritt in Begleitung des frü­heren Gouverneurs von Samoa, Staatssekretär Dr. Sols und des Polizeipräsidenten Klaiber die Front der Be­reitschaft sowie der Abordnungen ab und hielt dann eine Ansprache. Staatssekretär Dr. Sols betonte die Not­wendigkeit der Pflege und Förderung des kolonialen Ge­dankens. Der letzte Inspekteur der Landespolizei Südsee, Major a. D. von Klewitz, übergab dann nach einem Ueberblick über die Geschichte der Landespolizei von Neu- Guinea und Samoa, wobei er das tapfere Verhalten dieser Truppen im Krieg gegen große Uebermacht hervorhob, die Tradition an die Landespolizei. Polizeipräsident Klaiber übernahm sie und legte die treue Pflege der Traditionen der Landespolizei ans Herz. Polizeibauptmann Werb ach als Führer der Traditionsbereitschaft erwiderte mit einem Hoch auf Deutschland und die Kolonien, die wir wieder haben müssen. Im großen Saal der Brauerei Dinkelacker hielt am Samstag abend anläßlich des 26jährigen Jubiläums des Kolonialkriegeroereins Major Dr. Detz n e r einen Vor­trag über Neu-Guinea.

ep Einweihung des neuen Iugendfürsorgeheims. Der Verein ..Stuttgarter Fürsoracheiin", der sich seit 1908 um die Fürsorge für hilfsbedürftige, gefährdete und entgleiste junge Männer annimmt, sah sich infolge der immer dringen­der aufkretendcn Bedürfnisse genötigt, das bekannte Stutt­garter Michernhaus durch einen Neubau in Cannstatt zu erweitern. Bis zum Schluß des Jahrs 1925 sind 3102 junge Leute aus den verschiedensten Berufen durch das Fürsorge- Heim gegangen. 835 davon konnten wieder ihren Ange­hörigen zugeführt werden, 1383 wurden wieder in ihrem Beruf oder in anderer Arbeit unkergebracht, 716 durch sonstige Unterstützung gefördert und nur 168 werden als erfolglos bezeichnet. Am Freitag wurde das von der Firma Klatte u. Weigle erbaute Haus in Anwesenbeit von Kirchenpräsident v. Dr. v. Merz. Staalsrat Nau, Polizei­präsident Klaiber, Neg.-Nat Loebich und Direktor Aldinger feierlich eingeweiht. Für den weiteren Ausbau der Arbeit ist vorgesehen: ein Asnl für jugendliche Wanderer, eine Zu­fluchtsstätte für gefährdete ninge Leute mit Werkstätten und eine Fürsorgeerziehunosanstolt in der Stadt.

lüüjähriges Jubiläum der Verwaltungsaktuare. Aus Anlaß der 100jährigen Wiederkehr des Tags der Einfüh­rung des Instituts der Verwaltungsaktuare in Württem­berg fand am Sonntag im Stadtgartensaal eine aus allen Teilen des Landes gut besuchte Jubiläumsfeier statt.

Stuppacher Madonna. Das Altarbild der Kirche in Stuppach, OA. Mergentheim, die Madonna von Grüne­wald. ist im Rathgebsaal des Museums der Bildenden Künste in Stuttgart, Neckarstraße, vom 7. bis 14. November öffentlich ausgestellt.

Gemeinsame Hebung der Feuerwehr, der Sanitäkskolon- nen und der Reichsbahn. Anläßlich der verschiedenen, in diesem Jahr vorgekommenen schweren Eisenbahnunfälle fand am Samstag abend nach Eintritt der Dunkelheit auf dem Cannstatter Güterbahnhof eine gemeinsame Uebung der Feuerwehr von Groß-Stuttgart, der Sanitätskolonnen von Stuttgart, Cannstatt, Berg und Untertürkheim unter Hinzuziehung eines Eisenbahnhilfsznges statt. Der Uebung log ein Eisenbahnanschlag zu Grunde, verschiedene Wagen waren entgleist, umgekippt oder ineinandergefahren. Wah­rend diese Uebung genau vorbereitet war, soll in nächster Zeit dieselbe Uebung unvorbereitet bei plötzlichem Alarm zur Nachtzeit wiederholt werden.

Ungetreuer Beamter. Ein 29jähriger Postsekretär eines Stuttgarter Postamts ließ sich Unterschlagungen von 847.50 Mark im Dienst zuschulden kommen. Das Schöffengricht erkannte auf eine Gefängnisstrafe von 10 Monaten.

Eßlingen, 8. Nov. Einweihung des Stadt- theaters. Gestern erfolgte die Einweihung des durch Architekt Lenz umgebauten Eßlinger Stadttheaters. Die innere Ausstattung des Theaters, das 384 Plätze faßt, wurde vollständig erneuert und ein Anbau für die Kleiderablage geschaffen. Die Aufführungen werden von der Württ. Volksbühne veranstaltet. Gestern abend fand die Eröff­nungsvorstellung vonKabale und Liebe" vor geladenen Gästen statt.

Heilbronn, 8. Nov. Triebwagen Probefahrt. Zum erstenmal passierte ein Triebwagen die Strecke Heil­bronnMöckmühl. Die Fahrt galt als Probefahrt und »st gut verlaufen. Der Wagen entwickelt eine Fahrgeschwindig­keit bis zu 60 Kilometer in der Stunde. Er wird auf der Eisenbahnstrecke HeilbronnOsterburken Verwendung sin- den.

Mehr Jäger als Hasen. Bei einer Waidjagd, die Jagdpüchter Privatier Schön aus Heilbronn in den Wäl­dern des Heuchelberges abhielt, wurden von über 40 Jägern nur 39 Hasen, ein Fuchs und eine Wildkatze geschossen.

Neuer Hochwasserbehälter. Die Stadt hat am Wart­berg einen zweiten Hochwasserbehälter erstellt, einen statt­lichen Bau, den man von weitem für eine Fesiungsaniage haltne könnte. Er soll einen Wasservorrat von 1516 000 Kubikmeter aufnehmcn und besitzt eine Druckhöhe von über 300 Meter. Mit Hilfe der alten und der neuen Ein­richtungen sind die Masserbedürfnisse der Stadt auf Jahr­zehnte gesichert. Erbauer ist die Firma Züblin AG. in Stuttgart.

Wimpfen, 8. Nov. Neue Neckarmühle Wim­pfen. Müller Verlach von Neckargartach baut nach einem UZertrag, den am Freitag die Stadtgemeinde Wimpfen mit Gerlach abgeschlossen hat, eine neue Neckarmühle auf dem Zimmerplatz in Wimpfen im Tal. Die Baukosten betragen einschließlich Müllereinrichtung ca. 70 000 NM. Der Ban muß bis 1. Oktober 1927 fertiggestellt sein.

Welzheim, 8. Nov. Köpenickiade. Am letzten Dienstag kam ein angeblicher Ingenieur Grimm vom Aeber- landwerk Jagstkreis, Ellwangen nach Breitenfürst zu dem dortigen Vertrauensmann des Aeberlandwerks, Olten- bacher, kontrollierte dessen Bücher und nahm 300 -R von dem eingezogenen Skromgeld mit. Am Donnerstag wollte er in Pfahlbronn bei den dortigen Vertrauensleuten des Werks ebenfalls das Stromgeld holen, doch wurde er dort von einem Welzheimer Landjäger festgenommen und ins Amtsgericht Welzheim eingelieferl. Der Gauner, Gott­lob Schädel von Oberurbach, ist schon öfters vorbestraft und wurde von drei Behörden steckbrieflich verfolgt.

Schnaitheim OA. Heidenheim, 8. Nov. Das Ent­wässerungsgebiet. Die erste Ernte des auf der ent­wässerten Moorfläche im Brenztal angebauten Hafers ist unter Dach und größtenteils gedroschen. Es wurde ein erst­klassiger. ost übermannsbober und kaum aelaaerter Hafer­

bestand mit schönem Korner- und Ströhertrag gegenüber der seither kärglichen Moorstreu geerntet. Solche Ernten dürften es ermöglichen, die entstandenen und durch tat­kräftige Staatsunterstützung wesentlich gemilderten Ge­stehungskosten im Lauf der Jahre abzuzahlen.

Reutlingen, 8. Nov. Technikum für Textil­industrie. Das hiesige Technikum wird im Winter­semester 1926/27 von insgesamt 389 Schülern besucht.

Tübingen, 8. Nov. Vergehen gegen das Sprengstoffgesetz. Der Landwirt Christian Münz in Holzelfingen, der Arbeiter Wilhelm Geckeler in Jmmen- hausen, der Kaufmann Theodor Straßer in Urach und der Messerschmied Heinrich Schwill« in Pfullingen hatten sich wegen Vergehens des Sprengstoffgesetzes u. a. zu verant­worten. Die Angeklagten Münz und Straßer wurden zu der Mindeststrafe von 3 Monaten Gefängnis, der An­geklagte Geckeler wurde wegen Beihilfe zu 22 Tagen Ge­fängnis verurteilt, dagegen wurde Schwille mangels Be­weises freigesprochen.

Feuerbach. 8. Nov. AkademischeAus z e i ch n u n g. Diplomvolkswirt Dr. Wilhelm Häckele, Sohn des Schreinermeisters Häckele hier, ist in Anerkennung einer hervorragenden Abhandlung auf dem Gebiet des Geld­wesens von der wirtschaftswissenschaftlichen Abteilung der rechts- und wirtschaftswissenschaftlichen Fakultät der Uni­versität Tübingen ein Staatspreis verliehen worden.

Balingen, 8. Nov. Lebensmüde. Am Donnerstag mittag erschoß sich der 1. Direktor der Zementwerk-AG. Dr. Hübner. Ein jahrelanges Magenleiden dürfte zu der Tat beigetragen haben.

Aotkweil, 8. Nov- Hokeldieb stahl. Samstag früh wurde in einem hiesigen Gasthof einer Dame ein Brillan­tenkollier im Merk von ca. 15001t gestohlen. Der Verdacht fällt auf einen Fremden mit wahrscheinlich gefälschtem Namen, der dort übernachtete und inzwischen abgereist ist.

Lpaichingen, 8. Nov. Opfer der Gutgläubig­keit. Einem Hochstapler ins Garn gegangen ist ein auf der Klosterdomäne des Dreifaltigkeitsbergs bedienstet ge­wesener 17jähriger Dienstknecht. Unter Vorspiegelung, ihm bei einem Großindustriellen in Schwenningen eine gut- bezahlte Stelle verschaffen zu können, entlockte dieser seinem Opfer die ganze hart verdiente Barschaft.

Saulgau, 8. Nov. Unfall mit tödlichem Aus­gang. Auf der Bahnstrecke SaulgauHerbertingen ist eine Eisenbahnbrücke ausgewechselt worden. Beim Ab­räumen des Montierungsgerüsts stürzte ein schwerer Bal­ken ob. Durch die Erschütterung wurde der 21 I. a. ledige Hilfsarbeiter Johann Heinzelmann aus Herbertingen vom Gerüst geschleudert. An den erlittenen Verletzungen verstarb hein-elmann kurz darauf.

Schussenried, 8. Nov. Freudiges Wiedersehen. Letzter Tage trieb ein Landwirt im nahen Holzreute sein Vieh auf die Weide. Beim Eintreiben vermißte er eine schwer trächtige Kuh, die sich verirrt hatte, und suchte nach ihr vergebens. Am andern Morgen stellte sich jedoch die Kuh mit einem munteren Kalb im Hof zur Freude ihres Besitzers wieder ein.

Schweinhausen OA. Waldsee, 8. Nov. Brand. Das stattliche Wohn- und Oekonomiegebäude des Franz Braun, mitten im Ort stehend, brannte vollständig nieder. Mit knapper Not konnte das Vieh gerettet werden.

Bavendorf OA. Ravensburg, 8. Nov. Kirchen - Ein- weihung. Gestern wurde die neue evangelische Kirche ein- geweiht. Dekan Fause r-Navensburg richtete herzliche Ab- schiedsworke an die grelle Schar der Gläubigen, die von nah und fern in endlosem Zug kommend sich in dem alten Bet­haus versammelt hatte. Vor der Pforte der neuen Kirche übergab der Erbauer, Architekt Kiderlen-Ravensburg den Schlüssel dem Orkspfarrer Traub. Pfarrer Traub hielt die Festpredigk. Der Kirchenpräsident v. Dr. v. Merz »nd der Vorstand des Gustav-Adolf-Vereins, Prälat Dr. Hoffmann- Heilbronn, hielten ebenfalls Ansorachen.

Leutkirch. 8. Nov. Vermißt. Seit 31. Oktober abends wird der 32jährige Landschaftsgärtner Karl Kolb vermißt.

Aus Stadt und Land

Nagold, 9. November 1926.

Einige leben vor ihrem Tode, andere nach ihrem Tode. Die meisten Menschen leben aber weder vor noch nach demselben; sie lassen sich gemächlich in die Welt herein und aus der Welt hinaus vegetieren.

I.G. Seume.

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. Vom Rathaus

Die nächste öffentliche Sitzung des Gemeinderats

findet am Mittwoch, den 10. November, nachm. 5 Uhr statt.

Vollversammlung der Trete« Schretuerimmng Nagold und Umgebung am 8. November 1926.

Obermeister Gabel begrüßt die Erschienenen und eröffnet die Versammlung. Hierauf verliest er den Bericht über den Schreinermeister-Verbandstag in Rottweil am II. Juli, an dem 8 Kollegen teilnahmen. Des weiteren gibt der Obermeister Kunde über die Obermeister-Versammlung am 3l. Oktober in Stuttgart, woraus zu entnehmen ist, daß die holzverarbeuende Industrie von Gefahrenklasse 14 in Klasse 9 versetzt wurde. Von Seiten der Holzberufsgenossenschäft wird angestrebt,' Dia schinenkurse abzuhalten und zwar unentgeltlich. Das Landes­gewerbeamt ist bereit, bei genügender Anmeldung einen Beiz- und Polierkurs anzusetzen. Die vom Verband fachmännisch errechnten und vorgeschlagenen Richtsätze für die Steuerein­schätzung und die dem Landesfinanzamt unterbreitet wurde», wurden von diesem übergangen, wogegen sich der Verband in Zukunft energisch verwahren wird. Bei der Aussprache über Steuereinschätzung wurde aufs dringendste empfohlen, Buch zu führen. Fabrikant Zimmermann gibt noch eine kurze Ueber- sicht über die Geschäftslage in unserem Handwerk. Zum Schluß gedachte der Obermeister noch dem verstorbenen Gründungs­

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Wer nicht wirbt, der verdirbt!

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mitglied Gottlieb Gutekunst, Haiterbach. Die Versammelten erhöben sich von ihren Sitzen. Nach einer regen Aussprache über Verschiedenes konnte der Obermeister die Versammlung schließen.

Wanderung des Schrvarzwald-Bereins Nagold.

Ein schöner Schluß ziert Alles. Der Kranz der Wander­ungen wäre nun für dieses Jahr geschlossen. Um das frische Grün des Lenzes und das Sonnengold des Sommers windet sich nun auch in wehmütigem Glanze das letzte Leuchten des herbstlichen Laubes. Noch einmal lassest du o Herbst dein prangendes Gewand in voller Schönheit erglühen. Wen hat da nicht ein begehrliches Verlangen hinaufgeführt zu den heimat­lichen Höhen. Und so beteiligten sich denn am Sonntag auch an der Wanderung des Schwarzwaldvereins über 100 Mitglieder. Der vom Verein durchs Härle markierte Weg nach Ebhausen ist unzweifelhaft einer der schönsten der Umgebung. Durch stämmigen Hochwald verliert er sich bald in die Traulichkeit niedriger Kulturen, die ihn eng umschließen. Beim Austritt aus dem Wald grüßen die Höhen bis hinüber zur Murgtal­gegend, abgestuft vom bläulichen Hauch der Ferne bis zu den dunkelgrünen Forsten in unmittelvarer Nähe. Da und dort erspäht man in dieser füllen Waldeinsamkeit versteckt ein Dörf- lein. Aber nun hinab in die Perle Süddeutschlands, denn schon wartet am Ortseingang die Ebhauser Musikkapelle zu fröhlichem Empfang. Kaum konnte der Walthornsaal alle fasten. Bei den wirklich flotten Klängen der Kapelle, der mit ihrem Dirigenten allscitiges Lob zuteil wurde, ging der Nachmittag und Abend im Verein von Ebhauser Vereinsmitgliedern rasch vahin. Selbst das Zügle konnte der Gemütlichkeit keinen Ein­halt gebieten, denn die meisten ließen sich durch ein Verkehrs­auto der Firma Benz L Koch der Heimat zuführen. Waldheil!

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Aus der Handwerkskammer Reutlingen. Wie wir

hören haben sich zur Meisterprüfun g, die anfangs Januar beginnt, 420 junge Handwerker angemeldet. Die Vorbereitunas- kurfe zur Meisterprüfung sind im Gange in den meisten Be­zirken. Die Herbstgesellenprüfungen sind in der Haupt­sache abgeschlossen. Etwa 1000 Lehrlinge haben sich der Prüfung unterzogen.

Der Gesundheitszustand der ßaufmannsjugend. Vom Deutschnationalen Handlunasgebilf.enverband angestellte Untersuchungen seiner Jugendmitglieder haben ergeben, daß durchschnittlich 65 v. H. der Untersuchten wesentliche Körpermüngel haben.

Rachmachen. Zu Onolzhsim im Oberamt Crailsheim hatte sich vor etlichen 70 Jahren ein Ortsverein gebildet, dessen Mitglieder sich verpflichteten, weder einen Dienstboten an­zunehmen noch zu behalten, der niäsi wenigstens einen Teil seines Jahreslohns in die württ. Landessparkasse ein­lege. Auch die ledigen Söhne und Töchter der Mitglieder waren gehalten, sich an der Sparkasse zu beteiligen. Alle Bürger, die Dienstboten hielten oder deren Söhne und Töchter etwas erübrigen können, sind ^em Verein beigetretvn. Dies wäre wohl auch heute zeitgemäß.

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Oberjettingen, 7. Nov. Elternabend. Einen seltenen Genuß hat uns Herr Schulrat Schmid-Böblingen bereitet, indem er in der völlgedrängten Oberklasse anschließend an die Hauptprüfung einen Vortrag hielt über:Die Erziehung des Kindes im frühen Kindesalter". Von Anfang bis zu Ende lauschten die Zuhörer gespannt dem Vortragenden, der etwa Folgendes ausführte: Die frühe Kindheit ist ein umfangreiches Gebiet, das erst in neuester Zeit gründlich erforscht wird. Von größter Wichtigkeit ist die Erziehung des Kindes, die aber nicht alles machen kann. Einheitlichkeit der Erziehung ist schon bei Eltern notwendig; es darf nicht .der Kopf gehoben werden" von Vater oder Mutter. Einheitlichkeit der Erziehung ist aber auch später notwendig bei Eltern und Lehrern. Es gilt einen sittlichen Höchststand im Menschen zu bilden. Die Einsicht in den Ernst der Erziehung darf nirgends mangeln. Das Verantwortungsgefühl muß aus beiden Seiten vorhanden sein. Heute stehen wir erst am Anfang, es gilt Aufmunterung zu geben, um nicht matt zu werden. Es gilt das Wohl des Kindes, die Kindesnatur darf nicht verstümmelt werden durch den Zwiespalt der Erzieher. Der Lehrer kann nur das Wahre zeigen, nicht aber die wirtschaftliche Lage verbessern. Ist schon durch die unheilvoll ins Werk gesetzte Inflation das Vermögen geraubt, so wollen die meisten Eltern ihren Kindern etwas mit­geben, was kerne Inflation rauben kann: eine bessere Ausbil­dung.Unsre Kinder sollen es besser haben", heißt es. Dies zeigt sich auch in dem Bestreben, die Schüler den höheren Schulen zuzuführen; dieser Drang zur höheren Schule hat zwar etwas nachgelassen in letzter Zeit. In der Schnurre von den berühmtenGanzlosern" ruft der Schultheiß:Manna, hebet ich, i mueß en d' Händ spucka!" So bilden auch die Eltern das wichtigste Glied in der Kette; die Kinder halten sich an ihnen. Lassen die Eltern los, so stürzt alles in die Tiefe

Der Mensch ist etwas Geformtes und zeigt einen höheren Grad der Entwicklung als alle Lebewesen. Es ist in jedem Kinde ein Erbgut vorhanden nicht nur von den Eltern, sondern von sämtlichen Vorfahren. Dieses wird biologisch übertragen in den unendlichen seinen Keimzellen. Die Wissenschaft weist heute überzeugend nach, wie der Alkohol schon den Keim­zellen schadet und damit dem werdenden Kinde dessen Nerven entartet. Also schädigt der Trinker schon vor der Geburt sein Kind!! Aber auch dem Kind selbst schadet der Alkohol (Dtost, Bier, Wein) den ihm unverständige Eltern reichen und er beein­trächtigt seine geistigen Leistungen. Alkohol ist ein langsam aber sicher wirkendes Gift wie Morphium und Cocain, ein schnelleres Blausäure. Es ist also das Leben, für das die Eltern allein verantwortlich sind. Der Lehrer kann nur mit dem vorhandenen weitermachen. Wie die Pflanzen Licht und Wärme brauchen, so auch die Kinder Liebe. Die sorglose Heiter­keit ihres Gemütes darf nicht von schweren Sorgen umschattet werden. Durch Affekte und Depression ihres Gemütes erleiden sie schweren seelischen Schaden, es entstehen nervöse Kinder. Also ihr Eltern, haltet den Kindern eure Sorgen fern, sie ver­stehen sie ja doch nicht.

Wir wollen eingehen in die Wunder des werden­den Menschengeistes, anders ist keine Einführung in das Wesen des Lebens möglich. Die Neugeborenen machen anfänglich nur Reflexbewegungen; sie sind noch blind und taub, bis sich die entsprechenden Nervenbahnen vollends gebildet.Der erste Schrei" ist kein Schmerzenslaut (zum Eintritt in die arge Welt) sondern natürlich bedingt: später schreit das Kind bei Hunger und Unreinlichkeit. Die Entwicklung des Sprachgefühls erfolgt verhältnismäßig spät, anfangs Lallen, Laute, dann der Einwortsatz (Tisch"). In keiner Zeit des Lebens lernt der Mensch mehr als in den ersten 6 Lebensjahren und auch noch im l. Schuljahr. Ueberwachung des Kindes ist notwendig, Eingehen auf seine Fragen, sonst zieht sich das Kind zurück, wie eine Schnecke in ihr Haus. Notlügen der Kinder muß die Grundlage genommen werden. Furcht vor Strafe etc., meist sind die Eltern selbst an den Notlügen schuld. Allmählich müssen die Kinder daran gewöhnt werden, daß sie nicht sorglose