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SCHWÄBISCHES TAGBLATT

27 . Juli 1949

geistigen Abstand draußen konnte das Mann noch viel deutlicher erkennen und spüren.

Aus diesem Bewußtsein heraus, dem deut­schen Volke auch in den Jahren der Abwesen­heit immer verbunden gewesen zu sein,' mit ihm alle seelische Not und alles innere Leid in schmerzlichster Anteilnahme getragen und gleich ihm darunter gelitten zu haben, und aus der Bereitschaft, mit ihm nun auch den Weg der Läuterung, der Klärung und der Ver- sittlichung zu gehen, stellt sich Mann der Schicksalsfrage, ob an seinem Werk symbol­haft der Streit um die zwei Ideen von Deutsch­land entbrennen soll. Er kann es mit ruhiger Zuversicht tun, weil es bei seinem Leben und bei seinem Schaffen auch ihm immer nur um das reine, das sittliche Deutschland ging, das er in seiner Brust getragen und für das er gekämpft hat nach dem Vorbild Goethes, dem man auch einst vorgeworfen hat, nicht natio­nal genug zu sein.

McCIoy wohnt in Bad Homburg

BERLIN. Etwa 200 Angestellte der ameri­kanischen Militärregierung werden im August von hier nach Frankfurt und Bonn übersie­deln. Der künftige Hochkommissar John Mc­CIoy wird seinen Wohnsitz in Bad Homburg nehmen und sowohl in Frankfurt wie in Bann Büros unterhalten.

Adenauer wehrt sich

BONN. Der CDU-Vorsitzende in der briti­schen Zone, Dr. Konrad Adenauer, der von dem ersten Vorsitzenden der SPD, Dr. Kurt Schumacher, wegen seiner Behauptung, die englische Militärregierung habe die SPD von dem seinerzeitigen zweiten Memorandum der Alliierten an den Parlamentarischen Rat vor­zeitig in Kenntnis gesetzt, der Unwahrhaftig­keit geziehen worden war, sandte am Montag dem SPD-Vorstandsmitglied Franz Heine ein Telegramm folgenden Inhalts:

Der Leiter des englischen Verbindungssta­bes zum Parlamentarischen Rat in Bonn hat meinem persönlichen Referenten, Herrn Blan- kenhom, zwecks Weitergabe an mich mitge­teilt, daß dem Vorsitzenden der SPD-Fraktion im Parlamentarischen Rat, Prof. S c h m i d, und Herrn Dr. Menzel der Inhalt der zwei­ten Note der Außenminister aus Washington am 14. April im Hause der IG-Farben im An­schluß an eine vorangegangene Verhandlung mit den Vertretern des Parlamentarischen Ra­tes in einer gesonderten Besprechung von einer hohen britischen Persönlichkeit mitgeteilt wor­den sei. Dies sei im Hinblick auf -die bevorste­hende Sitzung des Parteiausschusses der SPD, die zur Frage des Grundgesetzes Stellung neh­men sollte, erfolgt. Die M ; tteilung ist nach An­gabe des britischen Verbindungsstabes am 14. April erfolgt. Die Sitzung des Parteiausschus­ses hat am 20. April stattgefunden. Die Note ist dem Präsidenten des Parlamentarischen Rates von den Verbindungsstäben am 22. April mitgeteilt worden.

Scharfe Kritik Schumachers

MAINZ. In einer Wahlrede nahm der erste Vorsitzende der SPD, Dr. Kurt Schuma­cher, wiederum zur Demontagefrage Stel­lung. Unrecht von gestern, so führte er aus, könne nicht durch Unrecht von heute liqui­diert werden. Die Demokratie sei keine Erfin­dung der Militärbürokraten Außerordentlich scharf kritisierte er die CDU, die weder christ­lich noch demokratisch sei, sondern die größte Stellenvermittlungsorganisation der Welt dar­stelle. Die Frankfurter Wirtschaftspolitik ma­che die Reichen reicher, die Armen aber är­mer. In Wirklichkeit bestehe eine Wirtschafts­krise, gegen die Erhard machtlos sei. Die CDU und die Demokraten seienTrinkgeldempfän­ger des Großkapitals". S ! e hätten von dem Kölner Bankier Pferdemenges vier Millionen DM für den Wahlkampf erhalten.

Prof. Dr. Karl S c h m i d sagte in seiner ersten Wahlrede im Stadtkreis Mannheim, in dem er kandidiert, eine planmäßige Lenkung der Wirtschaft, wie sie die SPD befürworte, bedeute keineswegs eine Verewigung des Be­zugscheines. In der Außenpolitik habe sich bis­her die Linie der Partei bewährt. Zusammen­arbeit dürfe niemals Unterwerfung bedeuten.

Goethe-Feier in der Paulskirdie

Thomas MannsAnsprache im Goethe-Jahr

Am Montagabend fand in der Paulskirche in Frankfurt der große Festakt zum 200. Geburts­tag Goethes statt in dessen Mittelpunkt die Verleihung des Goethe-Preises an Thomas Mann und seineAnsprache im Goethe-Jahr standen. Nach der feierlichen Eröffnung mit dem Streichquartett op. 95 von Beethoven und dem Vortrag dreier Gedichte von Goethe be­grüßte Oberbürgermeister Dr. h. c. Walter Kolb den hohen Gast in einer Ansprache, die eine ausführliche Würdigung der Persönlich­keit und des Werkes des Dichters enthielt, der in diesem Jahre mit dem Goethe-Preis ausge­zeichnet wird.

yon lebhaftem Beifall der 2000 Festgäste be­grüßt, betrat dann Thomas Mann das Redner­pult Der heute 73jährige Dichter sprach mit tiefer, sonorer Stimme, in der vor allem an­fangs die Bewegung über die bedeutsame Stunde mitschwahg, dieseseltsame Lebens- atunde voller beklommener Traumhaftigkeit. in der er, wie er eingangs sagte, nun nicht ein­fach, als handle es sich um nichts anderes, einen der obligaten Goethe-Vorträge halten könne. Doch trotz der Erschütterung, die ihn bei der Wiederkehr nach 16jähriger Abwesen­heit erfülle, hoffe er im Gegensatz zu Fritz von Unruhauf den Beinen zu bleiben, denn meine viel berufene Nüchternheit wird mir da­zu verhelfen. Thomas Mann umriß dann seine Erlebnisse seit 1933, die Emigration und das Seßhaftwerden in den USA, die Gewöhnung an den neuen, riesigen Horizont, die Sprache, die Lebensluft des weiten Landes, dem Goethe während seiner letzten Erdenjahre soviel er­wartungsvolle Aufmerksamkeit geschenkt habe. Nie sei es ihm aber in den Sinn gekommen, auch als Schriftsteller zu emigrieren. Die ak­tive Treue zur deutschen Snrache, dieser wah­ren und unverlierbaren Heimat, die er mit ins Exil genommen habe und aus der ihn kein Machthaber vertreiben konnte, habe er be­wahrt. Es sei ihm nicht möglich gewesen, seine Werke in englischer SDrache abzufassen.

Thomas Mann wandte sich dann gegen die Vorwürfe die gegen ihn in Deutschland laut geworden sind und noch werden: er habe sein Vaterland preisgegeben und in bequemer Le­

Jetjt möchte es niemand gewesen sein

Churchill und der Morgenthau- Plan / Cripps und der Balkan

HS. Die Deutschland-Debatte im britischen Unterhaus hat aus dem Munde Churchills erst­malig die interessante Tatsache erbracht, daß es ausschließlich Roosevelt war, der die For­derung der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands aufstellte und London damit in Casablancaüberfuhr. Das englische Kabi­nett, das erst aus der Presse davon erfuhr, hätte sie nie gebilligt, aber Churchill sah sich im Hinblick auf die Weltlage genötigt auf ei­gene Faust zuzustimmen, obwohl, wie man heute weiß das sagte Bevin fast alle Schwierigkeiten der deutschen Frage auf diese Entscheidung zurückgehen.

Noch entschiedener rückte Churchill vom Morgenthau-Plan ab, für den ihm Bevin die Verantwortung zuschob. Er sei mit diesem Do­kument durchaus nicht einverstanden gewesen und bedauere heute sehr, in der damaligen Kampfstimmung seine Unterschrift darunter gesetzt zu haben. Hier spricht jedoch einiges gegen die Darstellung Churchills. Nach den Memoiren des damaligen USA-Außenministers Cordeil Hüll hat er nicht ( nur seine Unter­schrift darunter gesetzt, sondern das Doku­ment persönlich entworfen, ohne sich auch hierbei mit anderen Mitgliedern des Kabinetts verständigt zu haben.

Morgenthau, der ohne Wissen Hulls zu der Konferenz nach Quebec eingeladen worden war, berichtete, daß Churchill zunächst aller­dings gegen den Plan gewesen sei, weil er England nicht an einen Leichnam in Europa gekettet zu sehen wünschte. Er wurde dann aber von seinem persönlichen Berater Lord Cherwell umgestimmt, und zwar mit dem Hin­weis, daß England auf diese Weise Deutsch­lands Stahl- und Kohlenmärkte gewinnen und die deutsche Konkurrenz ausschalten könne. Churchill setzte daraufhin eigenhändig das Memorandum vom 15. September 1944 auf, in dem es heißt, daßDeutschland in ein vor­wiegend landwirtschaftliches Gebiet Pastora­len Charakters verwandelt werden soll, und Roosevelt zeichnete es ab.

Eden, der t zuständige britische Außenmini­ster, der vön Churchill ebenso übergangen worden war, wie Hüll von Morgenthau und Roosevelt, war bei seiner Ankunft entsetzt

und hatte eine heftige Auseinandersetzung. Hüll, ebenso entsetzt, berichtet weiter:Ich erklärte Roosevelt, daß der Plan völlig unver­nünftig sei, und daß ich überzeugt sei, daß die Engländer ihn nur angenommen hätten, um Morgenthaus (damals Finanzminister) Unter­stützung für einen Kredit von 6,5 Milliarden Dollar zu erhalten. Der Präsident sagte wonig und meinte nur, daß er sich nicht völlig fest­gelegt habe. Später setzte er mir seine Gründe für die Zustimmung dahin auseinander, daß es vor allem darauf ankomme, England vor dem Bankrott zu retten. Es müsse nach dem Kriege seinen Export zurückgewinnen, könne das aber nicht, wenn Deutschland als Konkurrent auf­trete. Er übersah jedoch, daß wenn Europa infolge der Pastoralisierung Deutschlands zu­sammenbricht, auch England der Leidtragende sein würde. Als Stimson ihm die Sätze noch­mals vorlas, war er offenkundig entsetzt und sagte, er könne sich nicht vorstellen, wie er das gegengezeichnet habe und es wohl ohne viel Nachdenken getan haben müsse.

Nicht wen'ger aufschlußreich war aber auch ein anderer Fehler, den nicht Churchill, son­dern sein Kollege Cripps beging, auf dessen Schultern nun vor allem die wirtschaftlichen Nöte, die sich als Folge des Krieges ergaben, ruhen. Nach einem Bericht des Botschafters v. Schulenburg vom 13. 7. 1940 hatte Cripps, da­mals zum britischen Botschafter in Moskau er­nannt, bei seinem Empfang durch Stalin u. a. erklärt, die englische Regierung sei der Auf­fassung daß die Zusammenfassung und Füh­rung der Balkanstaaten zur Aufrechterhaltung des Status quo von rechtswegen die Aufgabe der Sowjetunion sei. Und ferner, daß London wohl wisse, daß Moskau mit dem Regime an den Meerengen unzufrieden und der Ansicht sei, daß die sowjetischen Interessen auch dort sichergestellt werden müßten.

Es ehrt den Sieger, wenn er heute von be­gangenen Fehlern abrückt. Ihre Motive haben jedoch eine ganze Aera der Deutschlandpolitik seit dem Kriege bestimmt und wirken auch heute noch in den Demontagen nach. Und ihre für den ganzen Westen kostspieligen Folgen werden hier ebensowenig leicht zu überwin­den sein wie auf dem Balkan.

Nachrichten aus aller Welt

MÜNCHEN. Auf Befehl des Militärgouver- neurs für Bayern, van Wagoner, sollen die seit Anfang 1948 in Pas iau liegenden mit Reparations­lieferungen für Ungarn beladenen Schiffe wie­der entladen werden.

WÜRZBURG. Das oberste amerikanische Kriegsgericht in Europa verurteilte den 24jäh- rigen Gefreiten der ÜSA-Armee Shaffer, der im April in Aschalfenburg unter Einfluß von Alkohol seine Freundin mit einem Jagdmesser getötet hatte, zu 40 Jahren Gefängnis.

PRÜM. Aus zahlre.chen Städten und Kreisen des Rheinlandes sind Sachspenden für uie Op­fer der Explosionskatastrophe eingetroffen Auch der Vatikan hat eine große Sendung von Le­bensmitteln, Kleidern und Seife überwiesen.

LONDON. Generalmajor Viscount Clive Brid- geman und Lord William de LIsle hatten im Daily Telegraph zu einer Spende aufgerufen, die es dem früheren deutschen Generalfeld­marschall von Manstein ermöglichen soll, sich in dem kommenden Prozeß durch einen britischen Anwalt verteidigen zu lassen. Daraufhin sind nicht weniger als 831 Pfund Sterling eingegan­gen. Das Blatt erhielt aber auch zahlreiche Zu­schriften in denen erklärt wurde, man hätte das Geld den unglücklichen Opfern, die von eben diesem Feldmarschall zu Krüppeln geschla­gen und heimatlos gemacht worden seien, zur Verfügung stellen sollen.

LONDON Am Montag wurde im Transport- House, dem Hauptsitz der englischen Gewerk­schaften, eine vorbereitende Konferenz für die Gründung einer neuen niehtknmmunist'schon Gewerkschaftsinternationale eröffnet, an der als. Vertreter von 40 Millionen gewerkschaftlich or­ganisierten Arbeitern 16 Delegierte teilnehmen.

WIEN. Innenminister Helmer erklärte nach Abschluß einer Besichtiguugsreise entlang der österreichisch-ungarischen Grenze, die ungari­sche Volksdemokratie habe einen aus Minen­

feldern bestehendenTodeswal 1 errichtet, um zu verhindern, daß Flüchtlinge nach Oesterreich gelangten

DÖRNACH. Am Sonntag wurde anläßlich des 450. Jahrestages der Schlacht von Dörnach, in der die Eidgenossen die kaiserlichen Trupoen besiegten, in Anwesenheit des Bundespräsiden­ten Nobs ein Denkmal enthüllt. Oberstdivisio­när Bircher bezeichnete in seiner Festrede den Geist von Dörnach als wichtigstes, noch heute gültiges Element der schweizerischen Unabhän­gigkeit und Neutralität

ATHEN. Durch ein Erdbeben wurden auf der Insel Chios 2 Personen getötet und -50 verletz*.

MOMBASSA. (Kenia), infolge der Trocken­heit sind 5000 Elefanten aus dem innerafrika­nischen Dschungel ausgebrochen und versu hen, in Herden von je etwa 100 Stück im Nordosten Kenias zum Indischer, Ozean durchzubrechen. Sie haben bereits zahlreiche Eingeborenendör­fer und Plantagen vernichtet. Bisher wurden 70 Tiere erlegt.

SCHANGHAI. 25 Stunden lang wütete ein Taifun, der als der schwerste seit 1915 bezeich­net wird, in der Stadt. 14 Personen wurden beim Einsturz eines Wohnhauses getötet, wäh­rend fünf durch herabstürzende Hochspan­nungsleitungen ums Leben kamen.

WASHINGTON. Nach einer Mitteilung des Statistischen Amtes betrug die Einwohnerzahl der Vereinigten Staaten am 1. Juni 148 Mil­lionen Menschen, was gegenüber 1940 eine Er­höhung um 13,1 Prozent bedeutet.

New YORK. In einem Artikel des in den USA erscheinenden Kominformblattes .Freies Wort heißt es:Währendn gewissen kapita­listischen Ländern die Kurzsichtigen ohne Geld keine Brillen bekommen können, stellt man in Sowjetrußland sogar für die Kühe Brillen her, um ihre Augen gegen starke Kälte zu schützen. Die Sowjetunion ist das erste Land der Welt, wo die Viehzucht menschlich gehandhabt wird.

Sch wäbischeVei lags-GeseJlschatt mbH. gegiünoet

Im Zusammenwirken maßgeblicher Altver­leger Württembergs und Hohenzoilerns mit den Herausgebern desSchwäbischen Tag­blatte wurde Ende Juli dieses Jahres mit einem Stammkapital von 100 000 DM die Schwäbische Verlags-Gesellschaft mbH. ge­gründet, die sich zur Aufgabe gemacht hat, einerseits die erste in Württemberg und Ho- henzollern lizenzierte überparteiliche Tages­zeitung als großes unabhängiges Informations­organ zu erhalten und gleichzeitig den Altver- legem die Möglichkeit zu geben, ihren Hei­matteil noch persönlicher und umfassender als bisher auszugestalten.

Von bekannten Namen, die in derSchwä­bischen Verlags-Gesellschaft vertreten sind, nennen wir Paul A d o 1 f f in Calw, Fr. B i e- singer in Neuenbürg, Max Blind in Tutt­lingen, Paul Christian in Horb, Hermann Daniel in Balingen, G. Hauser in Metzin­gen, Oskar Kaupert in Freudenstadt, Fa. Kuhn, Kom.Ges. in Schwenningen, Dietei L a u k in Altensteig, August P r e t z 1 in He- chifigen, Kurf W e i d 1 e in Tailfingen, Druk- kerei und Verlags-GenossenschaftTübinger Chronik in Tübingen, vertreten durch Karl Kirn, ferner Dr. Ernst Müller und Will Hanns Hebsacker, der einstimmig zum Geschäftsführer der neuen Verlagsgesellschaft gewählt wurde.

Die Gründung derSchwäbischen Verlags- Gesellschaft mbH. durch die Altverleger und Lizenzverleger Württembergs und Hohenzoi­lerns ist ein Zeichen der Einsicht und 5er ver­legerischen Erfahrung aller beteiligten Kreise, die freiwillig darauf verzichten, sich gegen­seitig Konkurrenz zu ma-chen und die durch ihre enge Zusammenarbeit den Lesern künf­tig eine noch bessere und wertvollere Zeitung als bisher bieten wollen.

Eine gerechte Forderung

MÜNCHEN. Die Arbeitsgemeinschaft zur Wahrung sudetendeutscher Interessen hat in einer Eingabe an den Direktor der amerikani­schen Militärregierung van Wagoner und den bayerischen Justizminister Dr. Müller am Montag gefordert, daß Personen, die sich bei der Austreibung der Sudetendeutschen aus der Tschechoslowakei Verbrechen gegen die Menschlichkeit zuschulden kommen ließen, so­weit sie sich in den Westzonen aufhalten, durch ein deutsches, amerikanisches oder in­ternationales Gericht abgeurteilt werden sol­len. Dem früheren tschechischen Kommissar von Joachimsthal, K r o u p a , werden ver­schiedene Morde zur Last gelegt. Er lebt zur­zeit in einem DP-Lager in Murnau. E : n Ver­fahren, das von deutscher Seite gegen ihn er­öffnet wurde, war jedoch auf Intervention der Militärregierung niedergeschlagen worden.

Streit um Loritz

MÜNCHEN. Wegen eines Schreibens, das die Militärregierung im Zusammenhang mit dem auf Dienstag anberaumten Beleidigungs­prozeß gegen Alfred Loritz an Ministerprä­sident Dr. Hans E h a r d gerichtet hat, reichte der stellvertretende Ministerpräsident und Ju- stizminister Dr. Josef Müller sein Rück­trittsgesuch ein. Zwei Ministerialdirektoren haben um ihre Versetzung aus dem Justiz­ministerium ersucht. In dem betreffenden Schreiben hat der stellvertretende MUitärgou- vemeur die Verhandlungen gegen Loritz sc lange suspendiert, bis die Rechtsabteilung dei Militäregierung über dessen bei ihr eingegan­gene Beschwerde entschieden habe. Loritz, der sich wegen unwahrer Behauptungen über die Gefängnisverwaltung Stadelheim zu ver­antworten hat, behauptet, der Termin sei des­halb festgesetzt worden, um ihn an der freien Ausübung seiner Wahlpropaganda zu behin­dern

Herausgeber: Will Hanns Hebsacker, Dr. Ernst Mülle und Karl Kirn

Mitglieder der Redaktion. Gudrun Boden, Dr. Wil­helm Gail Dr. Otto Haendle. Dr. Helmut Kiecza Joseph Klingelhöfer und Franz Josef Mayer Verlag und Schriftleitung:

Tübingen Uhlandstraße 2, Fernsprecher 2141/42/41

benslage der Tragödie seines Volkes von wei­tem zugesehen.Ich habe, so sagte er,die ruchlosen Verderber Deutschlands und Europas gehaßt mit unbedingtem, mit tödlichem Haß ... und eben die Tiefe dieses Hasses mag den Gedanken verzeihlich erscheinen lassen, den ich heute nicht los werde, daß, wenn er vom deut­schen Bürgertum, vom deutschen Volk geteilt worden wäre es mit Deutschland nicht hätte zu kommen brauchen, wohin es gekommen Ist. Er sei zwar draußen gewesen, aber sein ,Dr. Faustus sei das Werk eines Emigranten, der mit allem, was an Erlebnisfähigkeit in ihm ist, die deutsche Not geteilt habe undtiefer und schmerzlicher dabei gewesen sei als mancher Deutsche. Sein Werk sei unverwechselbar, un­übersetzbar deutsch und es sei niedergelegt zu den Füßen des Volkes, in dessen Sprache es geschrieben ist Aus diesem Gefühl heraus sei ihm wohl auch die hohe Ehre der Zuerteilung des diesjährigen Goethe-Preises'erwiesen wor­den, für den er seinen tiefgefühlten Dank aus­spreche. Der materielle Teil der Ehrung solle dazu genutzt werden hier im Lande unver­diente Not zu lindern.

Aber nicht nu zum Danksagen sei er hier, fuhr der Redner »ort, sondern aus dem Gefühl, daß der Streit um sein Werk, dem er mit Er­staunen zugesehen habe, über die Literatur­kritik hinaus symbolisch für die Zukunft des Landes geworden sei. Deshalb stelle er sich nun seinen Freunden und Femden.Willkommen oder nicht ich hätte es als Flecken empfunden, wenn ich: dem Genius Goethe nur auswärts gehuldigt hätte

Auf die heutige Situation Deutschlands ein­gehend, gab Thomas Mann seiner Ueberzeu- gung Ausdruck, daß dieFremdherrschaft eines Tages enden müsse und werde. Er aber kenne keine Zonen, sein B°such gelte Deutsch­land als ganzem undwei sollte die Einheit Deutschlands gewährleisten und darstellen, wenn nicht ein unabhängiger Schriftsteller, des­sen wahre Heimat die freie deutsche Snrache ist?

Den zweiten Teil seiner Rede widmete Thomas Mann der Würdigung Goethes alsDichter, Wei­sen, Lebensfreund, Friedensheld, als Gesegne­ten der Natur und des Geistes und als Lieb­ling der Menschheit'Per wunderbare Mensch, der vor 200 Jahren geboren wurde, dessen leuch­

tender Lebensbogen nicht nur am deutschen Himmel steht, sondern überall auf Erden stau­nendes Schauen auf sich zieht, steht heute mehr denn je im Mitteiounkt zeitgeschichtlicher Be­trachtung. Den damaligen Mitmenschen bedeu­tete diese gewaltige Persönlichkeit bereits ein Licht und eine Beglückung Andere, und nicht immer die Schlechtesten, habe# an ihm gelit­ten, an dem Egoismus der sein von göttlicher Kühle umflossenes Leben zuweilen zu beherr­schen scheint. Denn alles Störende abzuweh­ren von seiner Individualität, verwendete er seine ganze Lebenskunst. Thomas Mann sagte, er bemühe sich, den Dichter .im Lichte der Wahrheit zu sehen und sich nicht dem Vor­wurf auszusetzen, er seiunwahr wie ein Fest­redner. Er anerkenne keine Unterscheidung zwischen Gut und Böse. Man höre in Deutschland Goethe oft als Repräsentanten des Guten im deutschen Menschen bezeichnet. Aber das eine sei immer im anderen enthal­ten und nicht vom anderen zu trennen.

Goethe, dieser jetzt ausgestorbene und nicht mehr vorkommende Familienname, dieses Sip­penschild, das zum Namen für ganze Welten der Kunst, Weisheit, Bildung, Kultur geworden ist, dieser merkwürdige Name ist selbst schon Symbol und siegelartige Bestätigung der Auf­fassung, die ich begünstige: das Nordisch-Goti­sche (denn vonGote kommt er doch wohl), .. das Barbarische also, ist darin durch den flöten­haften Umlaut ins Musische geläutert. Und Läuterung, Klärung, Formung ist in der Tat der Imperativ dieses Lebens, das man oft ein Kunstwerk genannt hat und besser noch ein Kunststück nennen sollte

Was wir von Vorstellungen von Harmonie, glücklicher Ausgewogenheit und Klassizität mit Goethes Namen verbinden, sei nichts leichthin Gegebenes, sondern eine gewaltige Leistung von Charakterkräften durch welche dämon ; sch gefährliche Anlagen überwunden und zum Gu­ten gewendet wurdenWas in der Philosophie die Dialektik, ist beim Dichter das Schauen. Alles reine Schauen ist tragisch, und darum ist Faust eine Tragödie, besonders dort, wo das reine Gedicht sich zur Utopie wendet. Aber die tragische Ironie des Schauens beim letzten Le­benswerk des Faust ist sie Verhöhnung, Ver­neinung dei Tat? Nur Geister, die nicht wol­len, daß etwas geschehe, könnten behaupten,

Faust sei es nicht ernst gewesen mit seinen: Sozialwerk der Menschenbeglückung

Dem Dichter, dessen ganzes Alterswerk voll ist, von sozialen Utopien, ihm sei es ernst mit Fausts letztem Abenteuer. Nie hätte er sidi dazu hergegeben gegen ein Neues überkom­mene, schon heuchlerisch gewordene Ideale aus­zuspielen. Seiner Weisheit letzter Schluß heiße: Es gilt im Grunde doch nur: Vorwärts.

Höchste Lebensbereitschaft und höchsten Hu­manismus sieht Thomas Mann in Goethe ver­körpert, und er schloß seine geistvollen, von tiefer Verbundenheit mit dem Werke Goetnei zeugenden Ausführungen mit den 'Worten.

.. In ihm ist eine Vereinigung des Urbanen und des Dämonischen vollendet, wie sie in 80 gewinnender Größe kein zweitesmal Vorkom­men ist in der Geschichte der Gesittung. D® Deutsch-Volkhafte und Mediterran-Europais®* finden wir bei ihm in vollkommener, zwang­loser und einleuchtender Synthese, in «w® Verbindung, die im Wesen dieselbe ist wie <jj des Geniehaften und des Vernunftvollen. ° konnte ein Deutscher musterhaft werden, *o - bild und Vollender seines Volkes nicht nui . sondern der Menschheit, zu deren Selbst er se Selbst erweiterte.

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Vor der Paulskirchenfeier hatte Thomas Ma bereits in einer Pressekonferenz zu den ges ihn erhobenen Vorwürfen Stellung genomm ' als deren bestes Gegenargument er, wie a in seiner Festansprache, seinen Roman Faustus bezeichnete. Er sagte ferner, da auch nach Weimar gehen werde, daß seP re . such jedoch jedes politischen Akzents entoe Die Verleihung des Goethe-Preises sowoni Westzonen als auch der Ostzone an thn trachte er als das erfreuliche Zeichen. nicht einen politischer Dichter ehre, soÖen einen deutschen Menschen. Zu seinen e R gr literarischen Plänen äußerte Thomas Man habe die Absicht, sein bisher nur als traHoch­erschienenes WeikDie Bekenntnisse de stanlers Felix Krull zu vollenden. Von 1 ' i

furt aus wird sich der Dichter, der auf zahlreicher Droh- und Schmähbriefe wan seines Frankfurter Aufenthalts ständig von Kriminalbeamten begleitet ist, zu einem tägigen Besuch nach München begeben.