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mTTVVOCH,27.JULI 1949 ÜBERPARTEILICHE ZEITUNG FÜR WÜRTTEMBERG UND HOHENZOLLERN 5 .Jahrgang/nummek88

Vierersitzung in Berlin

BERLIN. Die vier stellvertretenden Militär- jouvemeure sind am Dienstag um 14.30 Uhr im Gebäude des alliierten Kontrollrats zu ei- - ner Sitzung zusammengetreten, um deutsche Handels- und Transportfragen und die dies­bezüglichen Pläne der Wirtschaftsberater zu erörtern.

Am Montag hat der stellvertretende sowje­tische Militärgouverneur Generalleutnant Drat- win den britischen Behörden mitgeteilt, daß alle vor dem 20. Juli benutzten Uebergangs- steilen an der Zonengrenze wieder geöffnet würdet}. Diese Mitteilung stellt die Antwort auf den englischen Protest dar, der ergan­gen war, als die R-ussen plötzlich sämtliche Uebergangsposten mit Ausnahme von Helm­stedt sperrten.

Munitionslager explodiert

TOLEDO. Ein Munitionslager der spanischen Armee ist am Dienstag in Taranco, 80 Kilo­meter südöstlich von Madrid, in die Luft ge­flogen. 18 Personen wurden getötet und 27 verletzt. Viele Häuser des Städtchens wurden zerstört.

Verständigung statt Haß

Ein Abschiedsinterview General Koenigs über das deutsch-französische Verhältnis

BADEN-BADEN. General K o e n i g , der seinen Posten als Oberbefehlshaber der fran­zösischen Besatzungstruppen in Deutschland binnen kurzem verlassen wird, hat derAgence France Presse ein Interview gewährt, in dem er sich mit der Gestaltung des deutsch-fran­zösischen Verhältnisses beschäftigt.

Er führte u. a. aus:Der französisch-deutsche Gegensatz hat in weniger als einem Jahrhun­dert Katastrophen hervorgerufen wie nie zu­vor. Die Irrtümer und Verantwortlichkeiten beider Teile sind durch alle diejenigen einge­standen worden, die nicht von Interessen oder Haß verblendet sind. Aus dieser blutigen Ver­gangenheit müssen die heilsamen Lehren ge­zogen werden, wenn man den totalen Zusam­menbruch unserer alten europäischen Kultur verhindern will. Die Interessen Frankreichs und Deutschlands sind nicht voneinander ver­schieden und eine europäische Föderation und durch sie ein befriedetes Europa lassen sieb nicht anders denken, als durch ein Zusammen-

Sicherheit und Freiheit

Die amerikanische Begründung der Waffenhilfe für Europa

WASHINGTON. Wie bereits angekündigt, forderte Präsident Truman am Montag den Kongreß auf, 1,45 Milliarden Dollar zur Ver­wirklichung des Programms der Waffenhilfe für die befreundeten europäischen Nationen zu genehmigen. Der Friedenspolitik der Ver­einigten Staaten werde der Erfolg versagt bleiben, so führte er aus, wenn das Programm der militärischen Hilfe nicht rasch in die Tat umgesetzt werde.

Westeuropa soll eine Hilfe in Höhe von 938,45 Millionen Dollar erhalten. Weitere 155 Millionen sollen für die Steigerung der Rü­stungsproduktion verwandt werden. Für die Unterstützung der Türkei, Griechenlands und ärmerer befreundeter Nationen sind 300,58 Millionen Dollar vorgesehen, für einen Not­standsfonds 45 Millionen und 10,97 Millionen für Verwaltungskosten.

garien, Ungarn und Rumänien seien durch die mit sowjetischer Unterstützung errichtete Herrschaft von Minderheiten sowie durch die Unterdrückung der persönlichen Freiheit er­schüttert worden. Die Bedrohung sei durch die Beseitigung der demokratischen Regierungs­form in der Tschechoslowakei, durch den kom­munistischen Druck auf Iran, Griechenland und auf die Türkei, durch die Spaltungsabsich­ten in Korea sowie durch die sowjetische Un­duldsamkeit in Deutschland bewiesen worden. Den verängstigten Völkern dazu zu verhelfen, ein Gefühl der Sicherheit und Freiheit gegenüber der ständigen Furcht zu erlangen und ihnen ihre Entschlußfreiheit zu bewahren, sei das Ziel der amerikanischen Außenpolitik.

gehen der beiden Länder. Ihre gegenseitige Annäherung ist eine Notwendigkeit. Dies be­deutet nicht, daß der Weg hierzu leicht wäre. In Frankreich ist die Erinnerung an den letz­ten Krieg noch frisch, und gewisse Verbrechen lassen sich nicht leicht vergessen. Viele Fran­zosen haben noch keine Gelegenheit gehabt, andere Deutsche kennenzulemen als die, die ihre Unterdrücker waren. In Deutschland liegt das Haupthindernis in dem Weiterbestehen ge­wisser alter Ideologien, die sich unter Hitler voll entfalten konnten. Seit einiger Zeit be­obachten wir mit Beunruhigung, die bereitwil­lige Wiederaufnahme altbekannter Themen durch einige Politiker und Schriftsteller. General Koenig versicherte dann, er sei wäh­rend seiner vierjährigen Oberbefehlshaberzeit in Deutschland mit Vertretern verschiedenster sozialer Kreise zusammengekommen und habe bei vielen Deutschen gesunde, oft großzügige Ideen angetroffen, die geeignet seien, das Werk der Verständigung zu ermutigen.

Unsere Rolle, so fuhr er fort,hat darin zu bestehen, diesen Menschen guten Willens unsere Hilfe zu gewähren. Ohne unsere An­wesenheit würden sie sehr bald von der ge­dankenlosen Masse derjenigen aufgesogen werden, die sich mehr um ihre unmittelbaren Interessen kümmern als um die geduldige Vorbereitung einer besseren . Zukunft. Aus diesem Grunde ist eine zwar immer weniger fühlbar werdende, aber stets wachsame Be­setzung eine Notwendigkeit.

Des weiteren betonte er, daß Europa dasGe­fühl der Beunruhigung, um nicht zu sagen der Furcht vor Deutschland nur verliere, wenn dieses in der Form eines Bundes entstehe und wenn ein jeder Staat dieses Bundes in der Lage ist, selbst ein Mittelpunkt des Lebens der Gemeinschaft zu werden. Unter dieser Vorausestzung befürwortete er eine Aufnahme Deutschlands in die Union der Völker Euro­pas.

Keine Einbeziehung Deutschlands

Das Staatsdepartement unterbreitete dem Kongreß gleichzeitig eine ausführliche Begrün­dung des Waffenhilfeprogramms. Dieses sei, so heißt es darin, durch diepolitische Aggression und die expansionistischen Ziele der Sowjet­union notwendig geworden. Die Harmonie, auf die die Vereinigten Staaten nach dem zweiten Weltkrieg gehofft hätten, sei nicht zustande gekommen. Der zerstörerische inter­nationale Kommunismus habe neue Furfcht und Unsicherheit in die Welt gebracht. Polen, Bul-

Truman unterzeichnet Atlantikpakt WASHINGTON. Präsident Truman hat am Montag die Ratifikationsurkunde des At­lantikpakts unterzeichnet. Bei der feierlichen Zeremonie, die im Weißen Hause stattfand, erklärte er:Das amerikanische Volk bewertet den Frieden und die Freiheit höher als alle an­deren Dinge. Die Ratifizierung des Atlantik- Paktes durch uns mit der Zustimmung der überwältigenden Mehrheit des Senats und des Volkes zeigt unsere Entschlossenheit, diesen Frieden und diese Freiheit zu bewahren. Die Vereinigten Staaten, so schloß er, müßten sich moralisch und materiell stark erhalten und geduldig und unermüdlich arbeiten, um alle Gleichgesinnten mit Gottes Hilfe für die Erfül­lung ihrer großen Aufgabe leistungsfähiger zu machen.

Demontage-Begleiterscheinungen

MÖRS Als am Montag eine Demontage- kolonne auf einem britischen Lastkraftwagen m Begleitung von britischen Demontageoffi- ßren und deutscher Polizei bei den chemi- *®en WerkenRheinpreußen in Rheinhau- ®en bei Mors erschien, um mit der Demontage der Fischer-Tropsch-Anlage zu beginnen, wei­gerte sich der Pförtner, der Kolonne Werks- Paplerscheine auszustellen. Daraufhin betra- wn die britischen Offiziere unter Protestrufen der Belegschaft die Fabrik.

Die Werksangehörigen hatten Transparente mit Aufschriften wieBevin, sichere den Frie- j®! undArbeiter, die sich am Abbruch ®edlicher Industrien beteiligen, machen sich Verbrechens gegen die Menschlichkeit schuldig aufgestellt, verhielten sich jedoch *uf Anraten des Betriebsrates sonst ruhig.

Am ersten Tage wurden nur zerstörte An­lägen demontiert.

Sowjetunion will repratriieren

LONDON. Die sowjetische Delegation hat ® Montag versucht, in den Friedensvertrag Oesterreich eine Vorschrift über zwangs- |f f se Repatriierung einzufügen. Der sowjeti- jS® Delegierte machte den Vorschlag, allen dt! o in ^ en und verschleppten Personen, die l,y, Feinden der alliierten Nationen Hilfe ge- tet ^er mit den Streitkräften Hitlers zu- "®jmengearbeitet hätten, sollte die Unter- nuit Ung ver "weigert werden, sofern sie sich k repatriieren ließen.

britische und der amerikanische Dele- schiede ^b 611 ^ en sow i e tl sc h en Vorschlag ent-

Eine Erklärung des französischen Außenministers Schuman zum Atlantikpakt

PARIS. In der Nationalversammlung hat Außenminister Robert Schuman die Ratifi­zierung des Atlantikpaktes gefordert, weil er für Frankreich die beste Sicherheitsgarantie darstelle. Der Pakt sei nicht gegen Rußland, sondern grundsätzlich gegen alle Angreifer gerichtet. Schuman lehnte die Forderung der Gaullisten nach Garantie des bewaffneten Bei­standes ab, da es im Augenblick nicht möglich sei, von den Vereinigten Staaten zu­sätzlich eine solche zu erhalten. Es bestehe auch keine Aussicht, so erklärte der Außen­minister, daß Deutschland in den Pakt aufge­nommen wird. Es habe keine Armee und werde auch keine haben, dazu seien seine Rü­stungswerke demontiert. Schuman wandte sich gegen die kommunistische Beschuldigung, Frankreich sei bereit, sich im Rahmen des At­

lantikpaktes mit seinem alten Feinde zu ver­bünden.

Das französische Kabinett ist in Gefahr ge­raten, zurücktreten zu müssen. Als der soziali­stische Arbeitsminister Daniel Mayer an die Angestellten der Sozialfürsorge Ferienbeihil­fen gewähren wollte, hatten mehrere Minister der Rechten mit ihrem Rücktritt gedroht, weil die Annahme dieses Vorschlages eine weitere Belastung des Budgets darstelle.

Ein Sprecher des Quai dOrsay hat zu den Meldungen über Eingliederung der Saar in Frankreich Stellung genommen. Er erklärte: Die französische Regierung hat von allen Sig­natarstaaten die Zulassung des Saarlandes als Mitglied des Europarates gefordert, um die po­litische Unabhängigkeit des Saarlandes zu fe­stigen.

Stahldebatte im Unterhaus

Abänderungsvorschläge der Lords ab gelehnt / Hafenarbeiterstreik beendet

LONDON. Im Unterhaus begann am Mon­tag erneut die Aussprache über die Verstaat­lichung der britischen Eisen- und Stahlindu­strie, nachdem das Oberhaus den vor längerer Zeit vom Unterhaus angenommenen Gesetz­entwurf mit nicht weniger als 60 Abänderungs­anträgen an dfcses zurückverwiesen hat. Der wichtigste Aenderungsvorscblag betrifft die Verschiebung des Termins für die Uebemahme der Industrien durch den Staat vom 1. Mai 1950 auf ein um mehrere Monate später lie­gendes Datum, das heißt also wahrscheinlich auf einen Termin nach den Parlamentswahlen.

Versorgungsminister Strauß erklärte, die Regierung werde keinem der Vorschläge des Oberhauses ihre Zustimmung geben, der eine wesentliche Aenderung des ursprünglichen Entwurfes bedeute. Die ersten beiden An­träge, die den Wunsch ausdrückten, daß schon jetzt genau die Zusammensetzung der Körper­

schaft, welche die verstaatlichten Industrien leiten würde, angegeben werde, wurden mit 322:160 und 229:153 Stimmen abgelehnt. Inder Sitzung, die bis Dienstag morgen 6 Uhr deut­scher Sommerzeit ausgedehnt wurde, erlitten 13 weitere Abänderungsanträge das gleiche Schicksal.

Der Londoner Hafenarbeiterstreik, der Schät­zungen zufolge Großbritannien 5,5 Millionen Pfund Sterling gekostet hat, wurde am Mon­tag beendet. 16 000 Hafenarbeiter haben die Arbeit wieder aufgenommen. Der vom König proklamierte nationale Notstand bleibt weiter­hin in Kraft. Arbeitsminister I s a a c s erklärte dazu, man wolle abwarten, wie sich die Dinge entwickeln würden.

450 000 Eisenbahner haben gedroht, eine Ar­beitsverlangsamung durchzuführen, falls ihren Lohnforderungen nicht stattgegeben werden sollte.

Kabinettsumbildung in Aegypten

KAIRO. Am Montag trat der ägyptische Pre­mierminister Abdel Hadl Pascha mit dem ge­samten Kabinett zurück. König Faruk nahm das Rücktrittsgesuch an und beauftragte Hus­sein Sirry Pascha, der zu Beginn des zweiten Weltkrieges Ministerpräsident war, mit der Bildung eines neuen Kabinetts. Das neue Koa­litionskabinett dürfte sich aus je vier Mit­gliedern der führenden Parteien Aegyptens, der WAFD-Partei, der SAAD-Partei und der Liberalen Verfassungspartei zusammensetzen. Die übrigen Minister sollen wie Sirry Pascha selbst unabhängig sein.

Schwarz-Rot-Gold in Dornbirn verboten

BREGENZ. Auf Anweisung des Alliierten Kontrollrats in Wien mußte die neue deutsche Bundesfahne mit den Farben Schwarz-Rot- Gold, die zur Begrüßung der deutschen Gäste auf dem Flaggenturm des Ausstellungsgelän­des in Dornbirn gehißt worden war, wieder eingezogen werden, t

Mit dem Flugzeug auf den Friedhof

STOCKTON (Kalifornien). Nachdem er durch Tieffliegen über der Stadt die Bevölkerung beunruhigt hatte, stürzte sich der Flieger Rüs­sel Gilman Highby mit seiner Maschine auf den Friedhof. Der Aufprall erfolgte in der Nähe des Grabes seiner jungen Frau, die vor vier Monaten gestorben war

Salazar spricht für Spanien

LISSABON. Am Montag erklärte der portu­giesische Ministerpräsident Dr. Antonio de Oli- veira Salazar in der Nationalversammlung, es sei ein Fehler gewesen, daß die West­mächte den russischen Armeen erlaubt hätten, in das Herz des Kontinents vorzustoßen. Die Sowjetunion könne nun, wenn sie wolle, ihre Truppen bis an die Pyrenäen vormarschieren lassen. Er begrüßte den Atlantikpakt, bezeich- nete es jedoch als einen schwachen Punkt, daß Spanien nicht als Partner zugelassen worden sei. Der portugiesisch-spanische Nichtangriffs­pakt könne jedoch zu einer Ueberprüfung der Stellung Spaniens führen.

Ein Bekenntnis

o. h. Als vor einigen Wochen bekannt ge­worden war, daß dem Dichter Thomas Mann der Preis verliehen werde, der mit dem Namen des größten Deutschen verbunden ist und der zweifellos durch den besonderen Anlaß des 200. Geburtsjahres in diesem Augenblick den re­präsentativsten Preis überhaupt darstellt, ist um die Problematik der Person und das Werk des Auszuzeichnenden erneut die heftigste Dis­kussion entbrannt.

Wer die Dankrede des Dichters am Montag­abend in Frankfurt am Rundfunk gehört hat, weiß aber, daß der Preis zweifellos dem wür­digsten unter allen lebenden deutschen Schrift­stellern verliehen worden ist. Vor dieser Do­kumentation eines Menschen, in dem Goethes Humanitas seit langem wieder in der rein­sten Form sich verkörpert, müssen alle Zwei­fel, ob es berechtigt war, gerade Thomas Mann diesen Preis zu verleihen, verstummen. Wir gestehen offen, daß auch wir ursprünglich die Entscheidung des Gremiums, das die Aus­zeichnung zu verleihen hatte, nicht für glück­lich hielten, weil sie uns als zu politisch be­dingt und angesichts mancher Aeußerungen des Dichters gegenüber dem deutschen Volke seit 1945 als nicht ganz angebracht erscheinen woll­te. Des Dichters Huldigung an den Genius Goethes und an seine Gedankenwelt und sein sittliches Streben, und sein Bekenntnis zu dem Deutschland, das durch Frankfurts großen Sohn, durch sein Leben und sein Werk zur Welt spricht, hat wohl auch manchen bisheri­gen Gegner überzeugt und eines Besseren be­lehrt. Einen dichterisch Berufeneren und Würdigeren hätte Deutschland vor der Welt zweifellos nicht auf den Schild literarischen Königtums erheben können. In ihrem Beken­nermut, ihrer Bildkraft und in ihrer sprach­lichen Gestaltung ist die Rede ein Meisterwerk und ein überzeugendes menschliches Dokument gewesen.

Der politische Flüchtling, der im Februar 1933 aus Deutschland zu einer, wie er damals meinte, nur kurzen Auslandsreise, aufgebro­chen war, und den dann die politische Ent­wicklung in seiner Heimat 16 Jahre ferngehal­ten hat, ist zwar auch jetzt nicht für immer zurückgekehrt, aber er hat gezeigt, daß er sich seinem Volke weiterhin als einer seiner treue­sten Söhne zugehörig fühlt und daß er sich ihm in der deutschen Sprache als der gemein­samen Heimat so verbunden weiß, wie nur je irgend ein Deutscher. Noch nie ist das Emi­grantenschicksal, das Leben dessen, dem selbst in der Fremde die Heimat stets, wenn auch manchmal wie ein Alpdruck, im Blute lag und noch liegt, mit so wenigen und ergreifenden. Worten und in ihrer letzten Tragik aufgezeigt worden.

Und noch etwas anderes ist uns am Montag­abend durch die Worte Manns bewußt gewor­den: dieser Mensch konnte gar nicht anders handeln, wie er es getan hat. Er, in dem Goe­thes Menschenbild lebt und wirkt, wie es, das sei ohne eine Ueberheblichkeit gesagt, nur in einer deutschen Seele möglich ist, mußte diese politische Bewegung, die in dem Handeln und Wollen ihrerFührer so gar nichts von dem Geist des guten und wahren Deutschland in sich hatte, zutiefst hassen. Zwischen ihm und einem Mann wie Goebbels konnte es keine Versöhnung geben. Der Abgrund, der sich zwi­schen ihm und diesen Deutschen aufgetan hat­te, läßt es sogar verständlich erscheinen, daß Thomas Mann nicht nur leidenschaftlich mit dem Wort gegen die stritt, die den Anspruch proklamierten, ein neues, das wahre Deutsch­land zu sein, sondern auch daß er einverstan­den gewesen ist, wenn sein eigen Fleisch gegen die Verführer, wiewohl sie Deutsche waren, die Waffen erhob. Wenn ein solcher Entschluß auch heute noch für viele eine Angelegenheit ist, mit der sie sich nicht, auch nicht beim besten Willen, abfinden können. Thomas Mann war eben davon überzeugt und ist es auch noch heute, daß das wirkliche, das europäisch ge­richtete Deutschtum anders aussieht, als das in den 12 Jahren Hitlerscher Herrschaft als Vorbild hingestellte und von vielen Deutschen gläubig anerkannte. Denn der Dichter trug und trägt in sich selbst die Synthese des Deutsch­volkhaften mit dem mediterran Europäischen, die er als Charakteristikum Goethes ansprach, die aber mit dem Nationalsozialismus, ja sogar mit jedem engen Nationalismus unvereinbar ist

Thomas Mann ist sich wohl bewußt, daß seine Entscheidung von 1933 auch heute noch erbittert angefochten und verurteilt wird, und ds-ß inm manche sogar das Recht verweigern wollen, mitzusprechen bei der Gestaltung des neuen Deutschland. Man wirft ihm vor, er habe ja nur vom sicheren Port aus die Dinge mit angesehen, sie aber nicht wie wir hier durchlebt und durchlitten. Mit Leidenschaft 'hat jetzt der Dichter für sich in Anspruch ge­nommen, auchdabei gewesen zu sein. Aus seinen Worten hat man gespürt, wie sehr das bei einem Menschen wie ihm zutrifft, dem nach dem Beispiel Goethes alles Schauen Teil­nahme und Bekenntnis ist. Wie muß er gelit­ten haben unter den Schlimmen und Verbre­cherischen, unter dem was zu Goethes Geist und seiner gesitteten Größe sich wie die Nacht zum Tag verhielt 1 Aus dem räumlichen und