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MONTAG, 25. JULI 1949

ÜBERPARTEILICHE ZEITUNG FÜR WÜRTTEMBERG UND HOHENZOLLERN

5. JAHRGANG / NUMMER 87

England fürchtet US A-Vorsprung

WASHINGTON. Der parlamentarische Mit­arbeiter desTimes Herald in Washington will wissen, daß der kürzlich erfolgte britische Schritt in der Atomfrage auf gewisse Besorg­nisse britischer Industriekreise zurückgehe. In London fürchte man, daß die amerikanische Industrie auf dem Gebiet der Verwendung der Atomenergie geradezu ein Weltmonopol erhalte. Möglicherweise werde England die Erneuerung des am 31. Dezember 1949 ablau­fenden Vertrages zur Lieferung von Uranium aus Belgisch-Kongo an die Vereinigten Staa­ten von der Bedingung abhängig machen, Nachrichten über die industrielle Verwendung der Atomenergie mit Großbritannien auszu­tauschen. In Belgisch-Kongo befinden sich zahlreiche Uranium fördernde Gesellschaften in britischer Hand.

Snyder wieder in Washington

ATHEN. Der amerikanische Finanzminister Snyder ist am Sonntag von Athen nach Washington zurückgeflogen. Er hatte am Samstag Besprechungen mit dem griechischen Ministerpräsidenten, dem Finanz- und Wirt­schaftsminister sowie mit den Direktoren der Bank von Griechenland.

Konservative eröffnen den W ahlkam pf Otto Abetz - eine Lehre

Churchill fordert größtmögliche Freiheit des Einzelnen

LONDON. Am Samstagnachmittag hat Win- ston Churchill, der Führer der Opposition im britischen Parlament, auf dem bekannten Fußballplatz in Wolverhampton vor 40 000 Zu­hörern den Kampf der britischen Konservativen um die Macht und die Beendigung der sozia­listischen Herrschaft in Großbritannien eröff­net. Am Abend sprach Anthony Eden überden Rundfunk.

Den Reden vorausgegangen war die Veröf­fentlichung des konservativen Wahlprogramms, das 68 Seiten umfaßt und in dem als Wichtig­stes erklärt wird, daß die Konservativen, ab­gesehen von der Verstaatlichung der Stahl­industrie und der Transportunternehmen, die sozialen Reformen der Arbeiterregierung nicht angreifen oder abändem würden. Sie würden sie höchstenshumaner gestalten und ver­nünftiger durchführen. Die Partei fordert fer­ner eine Verminderung der Staatsausgaben, eine Reorganisation der britischen Wehrmacht sowie engere Beziehungen zwischen den Natio­nen des Commonwealth. Auf außenpolitischem Gebiet wollen sich die Konservativen für eine

Wandlung der britischen Demontagestimmung

Bevins Haltung findet wachsenden Widerspruch

LONDON. Die außenpolitische Aussprache Im Unterhaus vom Donnerstag hat eine au­ßerordentlich starke Wirkung gehabt. In der englischen Oeffentlichkeit hat sie zu einer neuen leidenschaftlichen Erörterung der De­montagefrage geführt. Obwohl sich Bevin in seiner Rede entschieden geweigert hat, einer neuerlichen Revision des Demontageplanes zuzustimmen, gewinnt auch in Londoner Re- gierungskreisen die Ueberzeugung Raum, daß es wichtiger sei, die deutsche öffentliche Mei­nung für eine politische Zusammenarbeit mit dem Westen zu gewinnen, als durch nutzlose Demontagen vor den Kopf zu stoßen.

Die beiden großen Londoner Sonntagsblät- terObserver undSunday Times nehmen in ihren Ausgaben vom 24. Juli entschieden Stellung gegen die Demontage. Sie kritisie­ren die Unterhauserklärung Bevins über die Weiterführung des industriellen Abbaues schärfstens.Wir vernichten, so heißt es im Observer,den guten Willen der Deutschen durch Maßnahmen, die das Land zwar nicht ohnmächtig machen, aber ausreichen, um den Revanchegeist zu erwecken.

Der Inhaber der Dortmunder Demontage- flrma Erwin Müller, der am Donnerstag von Arbeitern der Paraffinwerke Dortmund, wo seine Arbeiter bei der Demontage tätig sind, verprügelt worden war, mußte sich einem

Entnazifizierüngsverfahren unterziehen. Er wurde in die Gruppe der Mitläufer eingestuft, darf aber in Zukunft nicht mehr als zehn Arbeiter beschäftigen. Allein bei den Dort­munder Paraffinwerken sind aber über hun­dert Demontagearbeiter Müllers tätig. Die der Mißhandlung an Müller beschuldigten Arbeiter werden sich Anfang August vor ei­nem britischen Militärgericht in Dortmund zu verantworten haben.

Einbeziehung Deutschlands in die Westunion und für eine wachsende Zusammenarbeit zwi­schen den USA und Großbritannien einsetzen.

Churchills Rede war zu dem Wahlprogramm seiner Partei eine wirksame Ergänzung. Er er­klärte, die Labour-Regierung habe Großbri­tannien dem Kommunismus und dem natio­nalen Bankrott nahegebracht. Es bahne sich ein wirtschaftlicher Zusammenbruch an, der viele andere Nationen mit Großbritannien zu­sammen ins Chaos führen würde. Churchill machte der Labour-Regierung den Vorwurf, die britischen Reserven und Vorräte ver­schwendet zu haben. Er verurteilte das Ver­staatlichungsprogramm auf das schärfste und befürwortete die größtmöglichste Freiheit des Einzelnen. Besonders kritisierte der Führer der Opposition die Ausgabe von 3,6 Milliarden Dol­lar zur Unterstützung .des Aufbaues anderer Länder in einem Augenblick, da England selbst auf die amerikanische Hilfe angewiesen sei. Unser Land steht, schloß Churchill,vor der dramatischsten Wahl seiner Geschichte, der Wahl zwischen der Freiheit des Einzelnen oder der Herrschaft des Staates. Die wichtigste Rolle in der Verteidigung der Welt gegen den Kom­munismus ist uns zugefallen.

Bereits am Samstag setzte sich A111 e e mit dem konservativen Wahlprogramm auseinan­der, das er als eines der unaufrichtigsten Do­kumente bezeichnete, das er jemals gesehen habe. Von der Labourpartei sei immer wieder betont worden, daß der in Jahrzehnten ange­richtete Schaden nicht in vier Jahren wieder gutgemacht werden könnte.

Der Vorsitzende der konservativen Partei, Lord Woolton, kündigte an, daß man sich schon von. diesem Herbst an für die allgemeinen Wahlen bereithalten müsse.

Waffenhilfe für Atlantikpakt-Staaten

Kongreßbotschaft Trumans / ERP-Debatte im Senat

WASHINGTON. Präsident Truman wird heute den Kongreß in einer Botschaft um die Zustimmung zu dem Programm der militäri­schen Hilfe für die Unterzeichnerstaaten des Atlantikpaktes ersuchen, das Ausgaben von

sen des Staatsdepartements erklärt man, die USA-Regierung ziehe es vor, zunächst die Waf­fenhilfe für die westlichen Staaten durchzu­führen, bevor sie zu den Plänen Tschiangkai- scheks und den philippinischen Präsidenten

insgesamt 1,45 Milliarden Dollar vorsieht. Wie Quirino Stellung nehme, die sich bekanntlich

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aus gutunterrichteten Kreisen verlautet, wird er darauf hinweisen, daß das Hilfsprogramm nicht im Widerspruch zur amerikanischen Ge­setzgebung über die Atomenergie steht, d. h. daß es nicht die Lieferung von Atomwaffen an ausländische Nationen in sich schließt. Er wird jedoch den Standpunkt vertreten, daß es un­bedingt notwendig ist, um dem Atlantikpakt einen praktischen Wert zu verleihen. In Krei-

Jeder zehnte Werktätige ein Zwangsarbeiter

London veröffentlicht russische Dokumente über die Arbeitslager in der UdSSR

LONDON. Das Foreign Office hat am Frei­tagabend ein sowjetamtliches Dokument ver­öffentlicht, dessen Fotokopie sich in Händen der englischen Regierung befindet und das den Titel trägt:Revidierter Arbeitskodex der UdSSR. In seinen 147 Artikeln sind Gesetze und Anordnungen des Präsidiums des Ober­sten Sowjets sowie Erlasse der Regierungen der russischen Sowjetrepubliken bis zum Jahre 1940 zusammengefaßt. Der Kodex beweist, daß das sowjetische Innenministerium (NWD) die Kontrolle über die Zwangsarbeit ausübt und daß jeder Sowjetbürger, der sich eine Insubor­dination oder eine Verletzung der Arbeits­disziplin zuschulden kommen läßt, auf Grund eines Gerichtsurteils oder einer Anordnung

der Insassen dieser Arbeitslager auf etwa zehn Millionen Menschen oder über zehn Prozent der werktätigen Bevölkerung der Sowjetunion.

Sie sind weiterhin der Ansicht, der Haupt­zweck dieser Zwangsarbeitslager sei nicht Be­strafung oder Umerziehung, die sowjetische Regierung wolle sich vielmehr auf diese Weise billige Arbeitskräfte für die Durchführung Besprechung über finanzielle und wirtschaft­

bemühen, eine antikommunistische Union der Pazifik-Mächte zustande zu bringen.

Nach der Annahme des Atlantikpaktes eröff- nete der Senat am Freitag die Aussprache über die Finanzierung des europäischen Wiederauf­bauprogramms in dessen zweitem Jahr, das am 1. Juli begonnen hat. Die Finanzkommis­sion hat eine Kürzung der beantragten Summe von 4,198 Milliarden Dollar um zehn Prozent vorgeschlagen. Auch der Vorsitzende des außen­politischen Ausschusses, Senator C o n a 11 y , hat sich für eine solche Einschränkung ausge­sprochen. Er hat jedoch erklärt, er möchte Ad­ministrator Hoffman nicht hemmen, denn er sei der Ansicht, daß dieser ausgezeichnete Ar­beit geleistet habe.

Bevins Pariser Aufenthalt

PARIS. Außenminister Bevin, der am Samstag in Paris eingetroffen war, hatte mit seinem französischen Kollegen Schuman eine

ihrer riesigen technischen Bauprojekte in ent­legenen Gegenden verschaffen.

liehe Fragen. Noch am Abend hat Bevin die Fahrt nach Evian am Genfer See fortgesetzt.

Russische Note an Jugoslawien

Tito der Geheimverhandlungen mit Großbritannien beschuldigt

. .. - LONDON. Die Sowjetunion hat an Jugo- leumdung der UdSSR dar. Es wird dann rus-

mer Verwaltungskörperschaft zurUmerzie- slawien eine Note gerichtet, in der sie auf sischerseits der Gegenvorwurf erhoben, daß kan g ^ 6 ' n Ar k e * tsIa § er eingewiesen werden ^ie jugoslawischen Behauptungen antwortet, Marschall Tito hinter dem Rücken der sowje- ann ' der Außenministerrat habe ohne Berechtigung tischen Regierung mit Großbritannien über

Britische Sachverständige schätzen die Zahl

Paris ratifiziert heute

PARIS. Am Freitag begann in der franzö­sischen Nationalversammlung die Debatte über °en Atlantikpakt. Der Sprecher des außen­politischen Ausschusses trat energisch für die Ratifizierung ein. Mit der Ratifizierung werde *j le Nationalversammlung ihren Willen bekun- e n, die Verteidigung Frankreichs sicherzu- tellen. Am Samstag lehnte die Versammlung fflit 407 gegen 186 Stimmen einen kommunisti-

und ohne Rücksprache mit Vertretern der jugoslawischen Regierung Entscheidungen über den Oesterreichvertrag getroffen, die recht­mäßige jugoslawische Ansprüche unberück­sichtigt ließen.

In der russischen Note heißt es, die jugo­slawischen Behauptungen entsprächen nicht den Tatsachen und stellten eine grobe Ver-

Fragen des Oesterreichvertrages verhandelt habe. Bereits im Jahre 1947 habe Jugoslawien versucht, ohne Wissen Rußlands mit den West­mächten zu einer Einigung über Fragen der territorialen und wirtschaftlichen Ansprüche Jugoslawiens gegenüber Oesterreich zu gelan­gen. Die damaligen Verhandlungen seien in Belgrad und in London geführt worden.

Sowjetische Instruktionen

BERLIN. Die sowjetischen Kontrolloffiziere * en Antrag ab, die Debatte über den Pakt der Ostberliner Zeitungen und der Rundfunk- u f unbestimmte Zeit zu vertagen. Man rech- sender der Ostzone haben in den letzten Ta- damit, daß die Ratifizierung noch heute gen neue Instruktionen erhalten. Sie wurden m !" großer Mehrheit erfolgen wird. angewiesen, dafür zu sorgen, daß dieSpal-

her Rat der Republik billigte mit allen ge- tungsabsichten Westdeutschlands sinnfällig il- ^ ve ' kommunistische Stimmen den Bei- lustriert werden. Besonders soll die Ostpresse

a F ran kreichs zum Europa-Rat. h Aa e ntninister Schuman erklärte, daß es Ton ? v° r a ^ em darauf ankomme, einen eu- ttmiu '* en Geist und ein europäisches Be- bfc zu schaffen. Das Deutschland-Pro-

bilde nach wie vor den Prüfstein der sanzen Europafrage.

Reisesperre für Diplomaten

BUKAREST. Auf Grund einer neuen Regie- sung gehe auf ein Diktat der westlichen Be- benri SVeror d un S dürfen die in Bukarest le- Satzungsmächte zurück, während die sowjeti- stadt isländischen Diplomaten die Haupt- sehen Besatzungsbehörden über die Volksrats- des n Ankunft nur noch mit Genehmigung Verfassung erst durch die Presse unterrichtet Außenministeriums verlassen. worden seien.

dieSchwierigkeiten der westdeutschen und der Westberliner Wirtschaft hervorheben und betonen,daß ausländisches Kapital daran in­teressiert ist, der westdeutschen Industrie die Märkte des Ostens und Südostens zu verbie­ten.

Auf einer Pressekonferenz desVolksrats behauptete der Vorsitzende der Ostzonen-CDU, Otto N u s c h k e, die westdeutsche Verfas-

Finanzminister Eyskens beauftragt BRÜSSEL. Nachdem Senator Cauwelaert mit seinen Bemühungen gescheitert ist, hat der Prinzregent Finanzminister Eyskens, der ebenfalls der christlich-sozialen Partei ange­hört, mit der Regierungsbildung beauftragt.

Antwort von der Saar

SAARBRÜCKEN. Der Leiter des Informa­tionsamtes der Regierung des Saarlandes, Dör­scheid, gab am Freitag eine Erklärung ab, die als eine Antwort der saarländischen Regierung auf die Aeußerungen Schumachers und Prof. Heuß' zu den französischen Plänen einer be­sonderen saarländischen Delegation zum Eu­roparat anzusehen ist. In der Erklärung wird betont, daß die Aufnahme des Saarlandes in den Europarat kein Anlaß zu einer derarti­gen Stellungnahme zu sein brauche. Die Ver­fassung des Saarlandes sehe in ihrer Präam­bel die politische Unabhängigkeit des Landes vom deutschen Reich vor.

cz. Nach den Berichten über die Urteilsver­kündigung im Prozeß gegen den deutschen Bot­schafter in Frankreich Otto Abetz er wurde am Freitagabend in Paris zu 20 Jahren Zwangs­arbeit verurteilt löstedie unerwartete Härte des Urteils starke Ueberraschung aus. Man hörte halblaute. Aeußerungen des Unwil­lens. Diese Reaktion beeindruckt wohl aber nur denjenigen, der dem Ablauf der Verhand­lung, die manche Merkwürdigkeit aufwies, wei­ter keine Aufmerksamkeit schenkte.

Lassen wir zuerst einmal die Person von Abetz, soweit das möglich ist, noch aus dem Spiele, so nimmt sich seltsam aus, daß man nahezu vier Jahre benötigte, um den Ange­klagten vor ein Militärgericht stellen zu kön­nen. Vor und während dem Prozeß wurde aber trotzdem immer wieder über unzureichende Vorbereitung geklagt. Nicht weniger auffallend ist, daß die Mehrzahl der prominenten Be­lastungszeugen nicht antrat, darunter die ehe­maligen Ministerpräsidenten Daladier und Flandin. Diese Zurückhaltung zu deuten, kön­nen wir uns ersparen. Sicher ist, daß man sich nicht femgehalten hätte, wenn der Fall ganz einfach gelegen hätte, zumal Abetz als typi­scher Vertreter der NS-Gewaltherrschaft in Frankreich während der Besatzungszeit galt. Schließlich wäre noch hervorzuheben, daß eine ganze Reihe von Entlastungszeugen für Abetz bemerkenswert Gewichtiges auszusagen wußte, eigentlich nur der ehemalige französische Mi­nisterpräsident Reynaud Belastendes vortrug, und zum guten Ende der Angeklagte sogar von der Mitschuld am Tode des französischen Mi­nisters Mandel freigesprochen werden mußte. Es war also offensichtlich gar nicht so einfach, zu dem Urteilsspruch zu kommen, der dem Fall

angemessen erschien.Le Monde bezwei-

zweifelte dazu auch mit einem gewissen Recht die Kompetenz des Tribunals.

Das Gericht wird wissen, warum es trotz­dem, entgegen allen Erwartungen, zu einem Strafmaß kam, das genau dem Antrag der An­klage entsprach. Inwieweit dabei die vom Ge­richt wie von der Anklage ausdrücklich er­wähnten mildernden Umstände berücksichtigt wurden, ist noch schwerer festzustellen, da nach dem Prozeßverlauf ein Todesurteil außer Diskussion stand.

Das wäre die eine Seite. Schwieriger wird der Fall, wenn man nun noch die Person von Abetz und seine Tätigkeit als Botschafter mit- einbezieht. Unser Pariser Dr.E.G.P.-Korrespon- dent schrieb dazu: DerFall Abetz ist psycho­logisch gesehen nicht so einfach, wie vielleicht manche dachten, als sie lasen, daß eine 173 Schreibmaschinenseiten lange Anklageschrift den Angeklagten der Mittäterschaft bei Raub, Mord und Plünderung bezichtigt und nun mein­ten, ein Gauleiter der Besatzungsueit wie Frank in Polen, Heydrich in der Tschechoslowakei und Seyß-Inquart in Holland, sei abzuurteilen. Der Fall Abetz ist ein besonderes Kapitel in der Krankheitsgeschichte der deutsch-französischen Beziehun­gen. Schon mit 24 Jahren, als junger Zeichen­lehrer in Baden, hatte er es sich in den Kopf gesetzt, daß er eine deutsch-französische Ver­ständigung erreichen müsse. Daß er dieses Ziel unentwegt verfolgte, wird von niemand be­stritten.

Dann kam Hitler an die Macht und damit war dem Unheil freie Bahn geschaffen. Viel­leicht war Abetz sich anfangs der vollen Kon­sequenzen des NS-Regimes nicht bewußt und sah nur die Chance, nunmehr auf der Basis der Gleichberechtigung die gute Sache voran­zutreiben. Mit dem Krieg kam die Besetzung Frankreichs, der Botschafterposten, der Sieges­rausch und damit menschlich noch ver­ständlich ein Stück Anmaßung. Sicher aber auch die Ernüchterung. Daher wohl die Be­mühungen, allzu krasse Exzesse zu bremsen, soweit nicht die anvertraute Stellung mit ihrer glanzvollen Macht das Gewissen überstimmte. Geht es doch leicht über die Kraft eines nicht mit außerordentlichen charakterlichen Eigenschaften aussgestatteten Menschen, dieser Versuchung zu widerstehen. Schließlich wird der objektive Beobachter zu­gestehen, daß Besatzungszeiten beinahe auto­matisch Aktionen auslösen, die man ganz gerne vergessen weiß, ohne sich deshalb unmittelbar Vorwürfe machen zu müssen, nimmt man noch hinzu, daß Anweisungen der Regierung von ihren Beauftragten nicht ohne weiteres außer acht gelassen werden können. Darüber sind sich wohl inzwischen die Mächte, die heute Deutschland besetzt halten, aus der Praxis heraus ebenfalls klar geworden, wiewohl sie es nach Beendigung des Krieges, ohne sich mit einerresistance irgendeiner Art herumschla­gen zu müssen, weit leichter haben. Als wei­teres kommt noch hinzu, daß das NS-Regime mit SS, SD und Gestapo Machtmittel einsetzte, denen die Terrorisierung einer Bevölkerung aus langer Uebung zur Gewohnheit geworden war. Sie bedurften des Botschafters gar nicht.

Mag Abetz in seiner Zwiespältigkeit viel ge­sündigt haben, die Zeugenaussagen bewiesen jedenfalls, daß er auch manches Unheil zu ver­hindern gewußt hat.

Gehen wir nun noch einen Schritt weiter und versuchen wir, den Fall Abetz als eine unglückliche Erscheinung in dem Bemühen um eine deutsch-französische Verständigung zu sehen, so ergibt sich für die Gegenwart, daß

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