WISSENSCHAFT - LITERATUR KUNST

Neue und alte

Als ob sie nicht schon längst unüberseh­bar gewesen wäre, schwemmte bereits das Goethe-Jahr 1932 eine wahre Hochflut von Gedenkliteratur heran. Doch was blieb? Legt man den Maßstab neuer Deutungen und nicht abgegriffener Wiederholungen an, so nicht sehr viel. Etwa Ortega y Gassets EssayUm einen Goethe von innen bittend; und selbst dieser Essay unterstrich, daß es in der frag­würdigen Gegenwart nichts Fragwürdigeres gebe als gerade ihre Beziehung zur Vergan­genheit (und also auch zu Goethe). Es muß sich erst noch zeigen, ob unser jetziges Goethe- Jahr mit einer günstigeren Bilanz abschlie­ßen wird

Immerhin sind, das kann man bereits heute sagen, eine der schönsten Gaben dieses Jah­res Herman Grimms Erinnerungen und Be­trachtungen zur deutschen Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts die Reinhard Buchwald unter dem TitelDas Jahrhundert Goethes herausgegeben hat. In der gleichen Reihe, den bekannten blauen Taschenbänden des Stutt­garter Alfred Kröner-Verlages, erschien vor zehn Jahren, ebenfalls von Buchwald kundig und überlegt betreut, GrimmsLeben Goe­thes Und wie diese ehrfürchtig-edle Bio­graphie die klassische Atmosphäre des alten Weimar ungebrochen ausstrahlt, in der ihr Verfasser der zweite Sohn Wilhelm und Neffe Jacob Grimms noch aufgewachsen ist, so erfüllt das Erlebnis, und die Nachwir­kung Goethes auch die in dem neuen Bande zusammengestellten Porträts.Goethe aus nächster Nähe, 1898 geschrieben, setzt sich mit den Spiegelungen des Dichters in den ' Augen seiner Zeitgenossen, des jüngeren Voß, Eckermanns und des Kanzlers v. Müller auseinander. Ebenso unmittelbar und per­sönlich treten Gestalten wie die Bettina, Brentano und die Brüder Humboldt, Kleist, Rückert und Uhland in Grimms wissend­warmherziger Charakteristik vor uns und desgleichen Schleiermacher, Gervinus, Ranke, Liszt. Eine Geschichte der nationalen bil­denden Phantasie der europäischen Kultur­völker schwebte Grimm zeitlebens vor; daß darin die Kenntnis der Werke und Schick­sale Goethes einenTeil des Nationalreich- tums der Deutschen ausmache, war ihm selbstverständlich und bestätigen diese Es­says auf ihre Weise.

Man kann freilich meinen, daß unsere tech­nisiertem Zeit desAufstandes der Massen für eine Darstellung Goethes andere Akzente fordere. Der Dichter selbst bemerkt gelegent­lich, daß die Geschichte von Zeit zu Zeit um­geschrieben werden müsse, weil sie uns auf Standpunkte führe, von denen sich das Ver­gangene auf eine neue Weise überschauen und beurteilen läßt. Er war ja weltoffen genug, sich nicht zuletzt über die schon mit der Französischen Revolution anhebende soziale und politische Umwandlung mehr und mehr Gedanken zu machen. Sorgen außerdem, weil ih m die Massen reine Bildung und echtes Menschentum zu bedrohen schienen. Bis ins einzelne befaßt sich mit dieser Problematik Wilhelm Mommsens BuchDie politischen Anschauungen Goethes (Deutsche Verlags- Anstalt, Stuttgart). Es ist die Frucht langjäh­riger systematisch-quellenkritischer Forschung, eine wissenschaftlich trefflich fundierte Ar­beit; sie hat auch den Mut, festgefahrene Vor­stellungen zu revidieren, denn wenn z. B. immer wieder eine Linie von Goethe zu Bis­marck gezogen wurde, so war mit Momm­sens Worten, die an die Adresse von Erich Mareks und auch Meineckes gerichtet sind diese Linienziehung im wesentlichen falsch. Und das ist nicht die einzige Korrektur, die der Marburger Historiker selbst unter seinem besonderen Gesichtswinkel am überkomme­nen Goethe-Bild anzubringen hat.

Das Sinnbild deutscher Kultur möchte Ernst Barthel in seinemGoethe (Ver­lag Hans Bühler jr., Baden-Baden) zeichnen. Wie sie sein sollte, fügt das'Vorwort zur 1 Auflage dieser schon vor zwei Jahrzehn­ten erschienenen 64 Rundfunkvorträge jetzt allerdings hinzu. Als Einführung in die Welt- und Lebensanschauung des Dichters werden sie nach wie vor gute Dienste tun, halten sie doch durchgängig den Anschluß an sein Werk und seine Persönlichkeit; dengewiegtesten Kennern als wissenschaftlich neu empfiehlt Barthel aber die drei Kapitel über Goethes Farbenlehre. Uebrigens dieFarbenlehre: sie liegt wieder in GoethesSchriften über die Natur vor, die gleichfalls Kröner schon früher unter seine Taschenausgaben aufge­nommen. Von Günther Ipsen, einem der ver­trautesten Sachbearbeiter, geschickt ausge­wählt und geordnet, enthält der Band zu­gleich dieMetamorphose der Pflanzen und überhaupt alles, was Goethes schöpferisch­eigenwillige Naturanschauung einem breiteren Leserkreis nahebringen mag.

Goethe-Werk und Welt ist auch das Leit­motiv der Aufsätze, die Theodor Kappstein im Ulmer Aegis-Verlag veröffentlicht. Erwei­tert veröffentlicht, denn auch hier handelt es sich um eine Neuausgabe. Die Themen? Schil­ler über Goethe, Goethes Religion, Goethe und Spinoza, Goethe und Kant, Goethe und die Menschheit, Charlotte und Christiane usw. Nun, Kappstein verbindet eine flüssige Feder mit reicher Belesenheit, und so wird mancher mit Gewinn gerade zu seinen Aufsätzen grei­fen. Neigt man aber mehr zur abgeklärten Weisheit Albert Schweitzers, so darf mans dem Münchener Biederstein-Verlag danken, daß er dessen drei Goethe-Reden aus den Jahren 28 und 32 wiederauflegte. Sie sehen ihn vor allem aus ethisch-religiöser Sicht; seine Botschaft an uns als Appell, wir selbst zu werden als sich verinnerlichende, trotzdem der Tat verbundene Menschen. Frei­lich hoffte Schweitzer damals, daß am 200. Geburtstag von Frankfurts größtem Sohne da« Leben der Menschheit wieder in harmo­nischer und natürlich belebter Bewegung da- «mfließe wie Badische Musik ...

Goeth e-Literatur

Aus den verschollenenNeuen Deutschen Beiträgen Hofmannsthals grub der Freibur­ger Herder-Verlag Florens Christian R a n g s Goethes Selige Sehnsucht aus. Man hat diese tiefgründige Deutung des bekannten Divan-Gedichtes einmal als beispielloses Dokument von genial-gewissenhafter christli­cher Philologie gerühmt. Das gilt von ihr mehr denn je. Und es gilt auch, obwohl der Sohn Rangs (eines der großen Unbekannten unserer Literatur) den gedrängten, das Ge­gensätzliche hart nebeneinandersetzenden Satz- und Sprachstil der Abhandlung glättete und dämpfte, sie überhaupt dialogisierte.

Geist- und temperamentvoll ist Ka*l Wollfs BuchFausts Erlösung (Nest-Ver­lag, Nürnberg). Was als mächtige Grundströ­mung Goethes ganzes Leben und Schaffen durchdringe, nämlich derTriumph des Rein- Menschlichen, offenbare sich naturgemäß mit besonderer Deutlichkeit in seinemFaust. Dies unvoreingenommen, aber auch eindring­lich zur Anschauung zu bringen, hebt Wollfs Buch aus der langen Kette derFaust-Aus-

legungen nicht uagewicntig heraus. Kontra­punkt der Volkssage hierzuDie Geschichte des Dr Johannes Faustus, die Paul Wei­tershagen farbenkräftig nach alten Quel­len neugefaßt hat (Dr. Walter Barbier-Ver­lag, Frankfurt a. M.).

Eine Wiederbegegnung ist auch Toni SchwabesUlrike-Roman (Aussaat-Ver- lagsges., Lorch/Wttbg.). 1925 erstmals erschie­nen, liegt er jetzt im 89.93. Tausend vor dank seinem Vorwurf, Goethes letzter Liebe zur jungen v. Levetzow, die ihren so erschüt­ternden wie unvergänglichen dichterischen Niederschlag in derMarienbader Elegie ge­funden, oder dank der verhalten-feinsinnigen Kunst der Erzählung Toni Schwabes? Ver­mutlich dank beidem; immerhin wurde hier das Anekdotische poetisch verdichtet, poe­tisch erhöht. w.n.

An Neudrucken von Werken Goethes liegen außerdem vor: Vom Verlag C. Bertels­mann, GüterslohDichtung und Wahrheit" (2 Bände, DM 16.-).Die Wahlverwandtschaf­ten (DM 8.50) undHermann und Dorothea (DM 4.50); vom Verlag Moritz Schauen­burg, LahrMignon.

Fremde Menschen und Landschaften

August Hoppe, Nördliche Utopia. Men­schen, Landschaften, Hintergründe in Nor­wegen. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart.

Der gefällig aufgemachte kleine Band ist keine Reisebeschreibung, obwohl darin nach Angabe des Verfassers ein langer Reiseauf- enthadt in Nordnorwegen seinen Niederschlag gefunden hat. Er ist auch kein geopolitisches Buch, obwohl weltweite geopolitische Aspekte eröffnet werden. Hoppe hat die meerverhaf­tete Landschaft der nördlichen Eismeerküste, hat Polarlicht und Mittsommemacht, hat den eigenartigen Menschentypus, der zwischen Narvik und Kirkenes in unbekannten Fischer- nestem sein Dasein fristet, mit Phantasieau­gen gesehen und hat übergenug Farbe auf seiner Palette, um Eindrücke und Gesichte zu reproduzieren. DieNördliche Utopia ist nach Stil und Empfindungsreichtum eine Art

lyrische Prosa, inhaltlich weithin Tatsachen­bericht. Die Spannungen, die sich aus dieser Diskrepanz ergeben, wirken in der zweiten Hälfte des Buches kaum noch störend. rr.

H. E. R. Vater, 1001 Nacht, heute erlebt.

Verlagsdruckerei Boflnger, Tuttlingen. 87 S.

In überaus flüssigem, lockerem Erzählerton schildert hier ein Journalist seine Eindrücke, die er auf einer Reise durch Nordafrika ge­wann. Um heute die Schwierigkeiten zu über­winden, die einer solchen Reise im Wege stehen, muß man schon einen unentwegten Optimismus besitzen. Der Verfasser verfügt offenbar nicht nur hierüber, sondern dazu auch noch über eine ansehnliche Dosis Humor und daher kommt es, daß man seine für die Eigenart des Landes wie der Zeit bezeichnen­den Erlebnisse nicht ohne Schmunzeln liest, sh.

Religiöses Schrifttum

Paul Claudel, Das Buch Job. Bastion- Verlag, Düsseldorf.

In der ReiheDas geistige Frankreich ist Das Buch Job von Paul Claudel, Ins Deut­sche übertragen von Wilhelm Blechmann, er­schienen. Für Claudel wurde sein dichteri­sches Schaffen stets zum Ausdruck seiner christlich-katholischen Weltanschauung, und auch in diesem neuen Werk, das 1946 zum ersten Mal in Paris erschienen ist, geht es um tiefreligiöse Themen. Zur Debatte steht vor allem die Frage der Theodizee, die für die Mehrzahl der Menschen, die neben den Sorgen des Leibes die der Seele nicht ganz vergessen haben, zum theologischen, ja zum religiös-existentiellen Problem schlechthin ge­worden ist: Wie verträgt sich das. Leiden der Welt, das Dulden der Unschuldigen, die Nöte der Krankheit, des Hungers, des Krieges mit der Existenz eines allmächtigen, weisen, barm­herzigen Gottes? Diese Frage aus dem schwer verständlichen, mystischen Buch Job des Al­ten Testaments herauszuarbeiten, ihr Form und Farbe und eine zu Herzen gehende Sprache zu verleihen war das Ziel Claudels, das in seiner Schrift beredte Erfüllung gefunden hat.

sch.

Erich Dietrich: Gotterleben in schwerster Zeit. Brunnquell-Verlag Metzingen, 110 S., 3 DM.

Der dünne Band kündet von dem Leid der Millionen, die nach dem Zusammenbruch ih­rer Heimat beraubt wurden und bezeugt aus Briefausschnitten schlicht und ergreifend das Geheimnis wirklichen Gotterlebens. Beim Le­sen fühlt man sich beschämt und man wird zum Nachdenken darüber veranlaßt, warum man wohl auf die Landstraße getrieben wer­den muß, um zu erkennen, daß man in die­ser Welt immer unterwegs ist und zuerst zum Bettler werden muß, um den Reichtum richtig würdigen zu können, der in solch unbegrenz­tem Gottvertrauen verborgen liegt. So wirkt dieses Buch mit seinen vielen Zeugnissen ei­nes wahrhaft lebendigen Glaubens stärker und überzeugender als manche Sammlung von Predigten, die fern aller grausamen Prü­fungen im Gleichmaß wohlabgewogenen Ge­meindelebens gehalten werden. al.

Heinrich Fries, Ernst Wiechert eine theologische Besinnung. Pilger - Verlag, Speyer.

Angesichts der Unsicherheit und Gefähr­dung unseres gegenwärtigen Daseins ist auch der Gottesglaube in eine Krise geraten, eine Tatsache, die sich sehr stark auch in der Li­

teratur unserer Tage spiegelt. Universitätsdo­zent Dr. Heinrich Fries hat die hierbei sich darstellenden Probleme aufgegriffen, indem er in Form einer theologischen Besinnung die Haltung eines der meistgelesenen Dichter, Emst Wiecherts nämlich, untersucht. Der Au­tor bleibt sich durchaus bewußt, daß es ein Wagnis bedeutet, dichterisches Schaffen in ein System zu zergliedern und auf einzelne Sätze festzulegen, daß bei der Vielzahl der Gestal­ten sich nicht ohne weiteres erkennen läßt, was des Dichters eigene Meinung und Ab­sicht ist. Fries hat diese Bedenken berücksich­tigt, indem er behutsam solche Sätze Wiecherts herausgriff, die wirklich in der Mitte von dessen Denken stehen, und in denen die re­ligiös-theologische Substanz der Werke ver­körpert ist. Auf diese Weise entstand eine Schrift, die nicht nur dem Dichter Wiechert gerecht wird, selbst wo sie ihn kritisiert, son­dern die darüber hinaus einen Weg weist für die religiöse Besinnung, die der heutige Christ vorzunehmen hat innerhalb der Welt und in­nerhalb der Literatur seiner Zeit. sh.

D. T. Suzuki. Die Große Befreiung. Ein­führung in den Zen-Buddhismus. Curt

Weller Verlag, Konstanz.

Es kostet große Mühe, den ungewohnten Gedankengängen fernöstlicher Mystiker nä­herzukommen, und so wird uns die zentrale sartori (Erleuchtung) des Zen-Buddhismus, einer Richtung zurBefreiung des Indivi­duums, die die klassischen Erkenntniswege

Jugendbücher

Otto Heinrich Klingele, Die Straße nach Süden. Ein Pfadflnderbuch. Weka-Verlag, Trossingen.

Die Jugend ist leicht für Fahrtenromantik zu begeistern; farbige Ausmalung des Aben­teuerlichen und duftige Sprache gehören da­zu. Was sich aber hier mit dem Ordenskreuz der Pfadfinder auf dem Titelblatt präsentiert, hat mit Geist und Haltung dieser hochachtba­ren Weltorganisiation nichts zu tun, sondern verherrlicht in einem manchmal üblen Stra­ßenslang ein Zigeunertum, das uns in der Vergangenheit im Ausland wenig Ansehen gebracht hat und in Zukunft noch weniger Achtung erwerben wird. , gs.

Edgar Waisemann, Jonni, komm mit! Zeichnungen von O. Liebusch. Hera-Verlag Berlin. 172 S. DM 2.60

Recht viele Leser möchte man diesem Buche wünschen, das, im Rotationsverfahren herge­stellt, die Hera-Jugendbuch-Reihe in ge­schmackvoller Ausstattung einleitet Reichtum an frischem, echtem und naturverbundenem Leben zeichnet es aus.

Das Neuartige dieses Jugendromans ist seine Gegenwartsnähe. An die Stelle derWildnis des Gran Chaco sind die Ruinen unserer Städte getreten, derUrwaldstrom hat sich in die Mündung der Weser oder Elbe ver­wandelt, derMarterpfahl unserer alten In­dianerbücher in die Gewissenskämpfe eines Sechzehnjährigen von heute, und derSchutz­engel aus Großmamas Geschichten ist zu der prachtvollen MädchengestaltTula ge­worden, die mit sicherem, mütterlichem Ge­fühl den Knaben Jonni aus der Unterwelt der Verwahrlosten in die Gemeinschaft froher und unbeschwerter Jugend zurückführt.

Jedes Pathos, alle großen Worte oder gar moralischen Imperative sind vermieden, im- __ mer aber ist die Liebe zur Jugend spürbar, und ganz hinter den Zeilen fühlt man ein ho­hes Verantwortungsbewußtsein gleichsam als Spiritus rector agieren. . Hellmuth Reitz

Else Hassenbach, Im Zaubergarten. Zeichnungen von Hans Fick. Olympia-Ver­lag, Nürnberg. 140 S.

Im unbeschwerten Plauderton führt die Verfasserin die jüngsten Leser in das Reich der Blumen, Schmetterlinge, Vögel, der Wol­ken, Winde und Bäche, ja, der ganzen Natur und versteht es dabei sehr geschickt, die kind­liche Vorstellungswelt und Phantasie anzu­regen. Die kleinen Erzählungen, die sich durch ihre Kürze der kindlichen Aufnahmefähig­keit angenehm anpassen, zeichnen sich aus durch eine glückliche Verbindung von Beleh­rung und märchenhafter Ausmalung.

Lisi Brunner

verneint, um ein in sich ruhendes Gleichge­wicht zu schaffen, kaum auf den ersten An­hieb hin zuteil werden. Suzukis meisterhafte Interpretation hilft jedoch über manche Klippe dieses logikfreien (dem abendländischen Den­ken nach) Suehens und Lösens wie Bindens. Der Wunsch nach Einheit von Welt und Ich, eine weithin metaphysikfreie Therapie durch Selbsteinkehr, erwächst aus dem Erlebnis der Umwelt und dem Umgang mit dem eigenen Ich. Auch C. G. Jung, der zu dieser Deutung des Zen eine Einleitung schrieb, spürte das Fremdartige, dem Europäer Entrückte, das jedoch, soweit es zugänglich ist, eine, wenn auch nurkleine Befreiung, schenken kann.

Kurt Schmidt, Buddhistische Heilige. Curt Weller Verlag, Konstanz.

In der Edition Asoka, einer Reihe, die be­deutsame Werke über den Buddhismus brin­gen wird, gibt der als hervorragender Kenner des Buddhismus bekannte Autor aus den Quel­len unmittelbar zusammengestellte Charakter­bilder der Jünger Buddhas und zugleich ein wesentliches Stück lebendige Geschichte dieser Weitreligion.

Eine neue Erzählung Hermann Hesses

Zwei Möglichkeiten scheinen der späten Reife des Alters eigen zu sein: die Substanz der Lebenserfahrung zu abstrahieren und zu zeitloser Allgemeinbedeutsamkeit auszuwei­ten oder dankbar zurückzukehren zu den Ein­zelbegebnissen vergangener Jahre. Der eine Weg führt zur Kunstform gedankentiefer Symbolik, der andere zur minutiösen Darstel­lung des Konkreten, die freilich eine auf das Ganze und Gültige zielende Welthaltigkeit nicht ausschließt. Daß beide Richtungen in einer Person wohl nebeneinander bestehen können, beweisen die jüngsten Arbeiten Her­mann Hesses.

Der Dichter desGlasperlenspiels, der mit dem utopischen Entwurf der kastalischen Or­dens- und Ordnungswelt ein zusammenfassen­des Fazit gezogen hat, wendet sich nun wieder den Themen und bis zu einem gewissen Grad

Bucheingänge der Woche

Die Besprechung der einzelnen Werke bleibt Vorbehalten.

Verlag Kurt De sch, München:

Albrecht Schaeffer, Janna duloeur, Ro­man, 480 S., DM 10.80.

Burkard N a d o 1 n y , Thrake eine Reise an den Küsten des Balkans. Mit Illustrationen, 336 S., DM 8.50.

R. L. Stevenson, Die Schatzinsel, Roman, mit Illustrationen, 260 S., DM 8.50.

Francois Voltaire, Candide. Aus dem Fran­zösischen von Rudolf Schneider-Schelde, 188 S., DM 7.-.

Charles de Coster, Ulenspiegel, Roman. Aus dem Französischen von Anna Valeton. 5. Bd. der Romane und Erzählungen der Weltliteratur , 626 S., DM 9.-.

E. T. A. H o f f m a n n, Die Elixiere des Teu­fels Roman 6. Bd. derRomane und Erzählun­gen der Weltliteratur, 380 S., DM 7.-.

Artur Kutscher, Grundriß der Theaterwis­senschaft, 496 S., DM 12.50.

Josef Stürmann, Der Mensch in der Ge­

schichte. Versuch einer philosophisch-anthropo­logischen Geschichtsbetrachtung, 320 S., DM 9,-.

Claus L e u s s e r, Die Affäre Dreyfuß. 5. Bd. der ReiheProzesse der Weltgeschichte, 146 S., DM 7.-.

Hermann Schnitzler, Mittelalter und An­tike, 72 S. u. 32 Bildtafeln, DM 7.50.

Verlag C. Bertelsmann, Gütersloh:

Friedrich Rückert, Ein Reich des Friedens, Gedichte, 238 S., DM 8.

Thomas H a r d y, Die Heimkehr. Roman. Ueber- setzt von Jan de Vries, 485 S. DM 9.-.

Gösta S j ö b e r g, Die goldenen Pfennige. Ro­man. Aus dem Schwedischen von Günther Thaer, 403 S., DM 8.50

Hermann Kurz Der Sonnenwirt. Roman, 584 S.. DM 8.-.

Verlag Willi W e i s m a n n, München:

Konstantin Fedin, Städte und Jahre. Roman, 366 S., DM 4.80.

E. B. White, Der Heuschnupfen, Amerika und ich. Erlebnisse und Betrachtungen, 300 S., DM 5.80.

auch dem Stfl seiner Frühzeit zu. Die Zeit­schriftDie Pforte Port-VerlagUrach) veröffentlicht in ihrem zehnten Heft eine Unterbrochene Schulstunde betitelte Erzäh­lung, deren Handlung die Stimmung des vor Jahrzehnten erschienenen Seminarromans Unterm Rad wachruft, während das Milieu, die Calwer KleinstadtatmoSphäre, an ein Mei­sterwerk wieIn der alten Sonne erinnert. Mit welch sicherem psychologischem Griff wird das Verhältnis zwischen Landexaminan­den, Klasse und Lehrer oder das Mitschuldge­fühl des Schülers geschildert, der die ge­fälschte Unterschrift im Zeugnisheft eines Ka­meraden nachprüfen lassen muß. Mit welch realistischer Schärfe wird die Gestalt des zwiespältigen Professors umrissen, dersein Bestes an Wissen, an Ueberwachung und Sorg­falt, an Ehrgeiz und Liebe, aber auch an Laune, Mißtrauen und Empfindlichkeit gibt. Mit welch knappen, aber eindringlichen Mit­teln wird schließlich die Langweiligkeit einer Schulmorgenstunde gezeichnet, in die nur von fernedie heiteren Töne der Außenwelt, das Flügelknattern eines Taubenflugs, das Krä­hen eines Hahnes oder der Peitschenknall ei­nes Fuhrmanns hineindringen, oder die wol­kenhelle Freiheit des Marktplatzes, um den Obstbude und Spielzeugladen, Waffenhand­lung und Kupferschmiedwerkstatt mit hundert verführerischen Dingen locken!

Im Unterschied zu tatsächlichen Jugendar­beiten besteht nun freilich ein gewisses Fra­gezeichen gegenüber der Wirklichkeit des Ausgesagten, ein Bewußtsein der Inadäquat­heit der sprachlichen Mittel zu dem Eigent­lichen des Erlebten, das sich nur andeutend im real nachgezeichneten Bild ergreifen läßt. Aber man darf in diesem Falle gewiß nicht sagen, daß die Erzählkunstfragwürdig und zweifelhaft geworden sei. Mit der einleiten­den Betrachtung, in der diese Bemerkung steht, gibt uns Hermann Hesse einen auf­schlußreichen Rückblick auf die Entwicklung seines eigenen Stils. W. G.