WISSENSCHAFT - LITERATUR • KUNST
Neue und alte
Als ob sie nicht schon längst unübersehbar gewesen wäre, schwemmte bereits das Goethe-Jahr 1932 eine wahre Hochflut von Gedenkliteratur heran. Doch was blieb? Legt man den Maßstab neuer Deutungen und nicht abgegriffener Wiederholungen an, so nicht sehr viel. Etwa Ortega y Gassets Essay „Um einen Goethe von innen bittend“; und selbst dieser Essay unterstrich, daß es in der fragwürdigen Gegenwart nichts Fragwürdigeres gebe als gerade ihre Beziehung zur Vergangenheit (und also auch zu Goethe). Es muß sich erst noch zeigen, ob unser jetziges Goethe- Jahr mit einer günstigeren Bilanz abschließen wird
Immerhin sind, das kann man bereits heute sagen, eine der schönsten Gaben dieses Jahres Herman Grimms Erinnerungen und Betrachtungen zur deutschen Geistesgeschichte des 19. Jahrhunderts die Reinhard Buchwald unter dem Titel „Das Jahrhundert Goethes“ herausgegeben hat. In der gleichen Reihe, den bekannten blauen Taschenbänden des Stuttgarter Alfred Kröner-Verlages, erschien vor zehn Jahren, ebenfalls von Buchwald kundig und überlegt betreut, Grimms „Leben Goethes“ Und wie diese ehrfürchtig-edle Biographie die klassische Atmosphäre des alten Weimar ungebrochen ausstrahlt, in der ihr Verfasser — der zweite Sohn Wilhelm und Neffe Jacob Grimms — noch aufgewachsen ist, so erfüllt das Erlebnis, und die Nachwirkung Goethes auch die in dem neuen Bande zusammengestellten Porträts. „Goethe aus nächster Nähe“, 1898 geschrieben, setzt sich mit den Spiegelungen des Dichters in den ' Augen seiner Zeitgenossen, des jüngeren Voß, Eckermanns und des Kanzlers v. Müller auseinander. Ebenso unmittelbar und persönlich treten Gestalten wie die Bettina, Brentano und die Brüder Humboldt, Kleist, Rückert und Uhland in Grimms wissendwarmherziger Charakteristik vor uns — und desgleichen Schleiermacher, Gervinus, Ranke, Liszt. Eine Geschichte der nationalen bildenden Phantasie der europäischen Kulturvölker schwebte Grimm zeitlebens vor; daß darin die Kenntnis der Werke und Schicksale Goethes einen „Teil des Nationalreich- tums der Deutschen“ ausmache, war ihm selbstverständlich und bestätigen diese Essays auf ihre Weise.
Man kann freilich meinen, daß unsere technisiertem Zeit des „Aufstandes der Massen“ für eine Darstellung Goethes andere Akzente fordere. Der Dichter selbst bemerkt gelegentlich, daß die Geschichte von Zeit zu Zeit umgeschrieben werden müsse, weil sie uns auf Standpunkte führe, von denen sich das Vergangene auf eine neue Weise überschauen und beurteilen läßt. Er war ja weltoffen genug, sich nicht zuletzt über die schon mit der Französischen Revolution anhebende soziale und politische Umwandlung mehr und mehr Gedanken zu machen. Sorgen außerdem, weil ih m die Massen reine Bildung und echtes Menschentum zu bedrohen schienen. Bis ins einzelne befaßt sich mit dieser Problematik Wilhelm Mommsens Buch „Die politischen Anschauungen Goethes“ (Deutsche Verlags- Anstalt, Stuttgart). Es ist die Frucht langjähriger systematisch-quellenkritischer Forschung, eine wissenschaftlich trefflich fundierte Arbeit; sie hat auch den Mut, festgefahrene Vorstellungen zu revidieren, denn wenn z. B. immer wieder eine Linie von Goethe zu Bismarck gezogen wurde, so war — mit Mommsens Worten, die an die Adresse von Erich Mareks und auch Meineckes gerichtet sind — diese Linienziehung im wesentlichen falsch. Und das ist nicht die einzige Korrektur, die der Marburger Historiker selbst unter seinem besonderen Gesichtswinkel am überkommenen Goethe-Bild anzubringen hat.
„Das Sinnbild deutscher Kultur“ möchte Ernst Barthel in seinem „Goethe“ (Verlag Hans Bühler jr., Baden-Baden) zeichnen. „Wie sie sein sollte“, fügt das'Vorwort zur 1 Auflage dieser schon vor zwei Jahrzehnten erschienenen 64 Rundfunkvorträge jetzt allerdings hinzu. Als Einführung in die Welt- und Lebensanschauung des Dichters werden sie nach wie vor gute Dienste tun, halten sie doch durchgängig den Anschluß an sein Werk und seine Persönlichkeit; den „gewiegtesten Kennern“ als wissenschaftlich neu empfiehlt Barthel aber die drei Kapitel über Goethes Farbenlehre. Uebrigens die „Farbenlehre“: sie liegt wieder in Goethes „Schriften über die Natur“ vor, die gleichfalls Kröner schon früher unter seine Taschenausgaben aufgenommen. Von Günther Ipsen, einem der vertrautesten Sachbearbeiter, geschickt ausgewählt und geordnet, enthält der Band zugleich die „Metamorphose der Pflanzen“ und überhaupt alles, was ■ Goethes schöpferischeigenwillige Naturanschauung einem breiteren Leserkreis nahebringen mag.
„Goethe-Werk und Welt“ ist auch das Leitmotiv der Aufsätze, die Theodor Kappstein im Ulmer Aegis-Verlag veröffentlicht. Erweitert veröffentlicht, denn auch hier handelt es sich um eine Neuausgabe. Die Themen? Schiller über Goethe, Goethes Religion, Goethe und Spinoza, Goethe und Kant, Goethe und die Menschheit, Charlotte und Christiane usw. Nun, Kappstein verbindet eine flüssige Feder mit reicher Belesenheit, und so wird mancher mit Gewinn gerade zu seinen Aufsätzen greifen. Neigt man aber mehr zur abgeklärten Weisheit Albert Schweitzers, so darf man’s dem Münchener Biederstein-Verlag danken, daß er dessen drei Goethe-Reden aus den Jahren 28 und 32 wiederauflegte. Sie sehen ihn vor allem aus ethisch-religiöser Sicht; seine Botschaft an uns als Appell, wir selbst zu werden als sich verinnerlichende, trotzdem der Tat verbundene Menschen. Freilich hoffte Schweitzer damals, daß am 200. Geburtstag von Frankfurts größtem Sohne da« Leben der Menschheit wieder in harmonischer und natürlich belebter Bewegung da- «mfließe wie Badische Musik ...
Goeth e-Literatur
Aus den verschollenen „Neuen Deutschen Beiträgen“ Hofmannsthals grub der Freiburger Herder-Verlag Florens Christian R a n g s „Goethes Selige Sehnsucht“ aus. Man hat diese tiefgründige Deutung des bekannten „Divan“-Gedichtes einmal als beispielloses Dokument von genial-gewissenhafter christlicher Philologie gerühmt. Das gilt von ihr mehr denn je. Und es gilt auch, obwohl der Sohn Rangs (eines der großen Unbekannten unserer Literatur) den gedrängten, das Gegensätzliche hart nebeneinandersetzenden Satz- und Sprachstil der Abhandlung glättete und dämpfte, sie überhaupt dialogisierte.
Geist- und temperamentvoll ist Ka*l Wollfs Buch „Fausts Erlösung“ (Nest-Verlag, Nürnberg). Was als mächtige Grundströmung Goethes ganzes Leben und Schaffen durchdringe, nämlich der „Triumph des Rein- Menschlichen“, offenbare sich naturgemäß mit besonderer Deutlichkeit in seinem „Faust“. Dies unvoreingenommen, aber auch eindringlich zur Anschauung zu bringen, hebt Wollfs Buch aus der langen Kette der „Faust“-Aus-
legungen nicht uagewicntig heraus. Kontrapunkt der Volkssage hierzu „Die Geschichte des Dr Johannes Faustus“, die Paul Weitershagen farbenkräftig nach alten Quellen neugefaßt hat (Dr. Walter Barbier-Verlag, Frankfurt a. M.).
Eine Wiederbegegnung ist auch Toni Schwabes „Ulrike“-Roman (Aussaat-Ver- lagsges., Lorch/Wttbg.). 1925 erstmals erschienen, liegt er jetzt im 89.—93. Tausend vor — dank seinem Vorwurf, Goethes letzter Liebe zur jungen v. Levetzow, die ihren so erschütternden wie unvergänglichen dichterischen Niederschlag in der „Marienbader Elegie“ gefunden, oder dank der verhalten-feinsinnigen Kunst der Erzählung Toni Schwabes? Vermutlich dank beidem; immerhin wurde hier das Anekdotische poetisch verdichtet, poetisch erhöht. w.n.
An Neudrucken von Werken Goethes liegen außerdem vor: Vom Verlag C. Bertelsmann, Gütersloh „Dichtung und Wahrheit" (2 Bände, DM 16.-). „Die Wahlverwandtschaften“ (DM 8.50) und „Hermann und Dorothea“ (DM 4.50); vom Verlag Moritz Schauenburg, Lahr „Mignon“.
Fremde Menschen und Landschaften
August Hoppe, Nördliche Utopia. Menschen, Landschaften, Hintergründe in Norwegen. Deutsche Verlagsanstalt, Stuttgart.
Der gefällig aufgemachte kleine Band ist keine Reisebeschreibung, obwohl darin nach Angabe des Verfassers ein langer Reiseauf- enthadt in Nordnorwegen seinen Niederschlag gefunden hat. Er ist auch kein geopolitisches Buch, obwohl weltweite geopolitische Aspekte eröffnet werden. Hoppe hat die meerverhaftete Landschaft der nördlichen Eismeerküste, hat Polarlicht und Mittsommemacht, hat den eigenartigen Menschentypus, der zwischen Narvik und Kirkenes in unbekannten Fischer- nestem sein Dasein fristet, mit Phantasieaugen gesehen und hat übergenug Farbe auf seiner Palette, um Eindrücke und Gesichte zu reproduzieren. Die „Nördliche Utopia“ ist nach Stil und Empfindungsreichtum eine Art
lyrische Prosa, inhaltlich weithin Tatsachenbericht. Die Spannungen, die sich aus dieser Diskrepanz ergeben, wirken in der zweiten Hälfte des Buches kaum noch störend. rr.
H. E. R. Vater, 1001 Nacht, heute erlebt.
Verlagsdruckerei Boflnger, Tuttlingen. 87 S.
In überaus flüssigem, lockerem Erzählerton schildert hier ein Journalist seine Eindrücke, die er auf einer Reise durch Nordafrika gewann. Um heute die Schwierigkeiten zu überwinden, die einer solchen Reise im Wege stehen, muß man schon einen unentwegten Optimismus besitzen. Der Verfasser verfügt offenbar nicht nur hierüber, sondern dazu auch noch über eine ansehnliche Dosis Humor und daher kommt es, daß man seine für die Eigenart des Landes wie der Zeit bezeichnenden Erlebnisse nicht ohne Schmunzeln liest, sh.
Religiöses Schrifttum
Paul Claudel, Das Buch Job. Bastion- Verlag, Düsseldorf.
In der Reihe „Das geistige Frankreich“ ist „Das Buch Job“ von Paul Claudel, Ins Deutsche übertragen von Wilhelm Blechmann, erschienen. Für Claudel wurde sein dichterisches Schaffen stets zum Ausdruck seiner christlich-katholischen Weltanschauung, und auch in diesem neuen Werk, das 1946 zum ersten Mal in Paris erschienen ist, geht es um tiefreligiöse Themen. Zur Debatte steht vor allem die Frage der Theodizee, die für die Mehrzahl der Menschen, die neben den Sorgen des Leibes die der Seele nicht ganz vergessen haben, zum theologischen, ja zum religiös-existentiellen Problem schlechthin geworden ist: Wie verträgt sich das. Leiden der Welt, das Dulden der Unschuldigen, die Nöte der Krankheit, des Hungers, des Krieges mit der Existenz eines allmächtigen, weisen, barmherzigen Gottes? Diese Frage aus dem schwer verständlichen, mystischen Buch Job des Alten Testaments herauszuarbeiten, ihr Form und Farbe und eine zu Herzen gehende Sprache zu verleihen war das Ziel Claudels, das in seiner Schrift beredte Erfüllung gefunden hat.
sch.
Erich Dietrich: Gotterleben in schwerster Zeit. Brunnquell-Verlag Metzingen, 110 S., 3 DM.
Der dünne Band kündet von dem Leid der Millionen, die nach dem Zusammenbruch ihrer Heimat beraubt wurden und bezeugt aus Briefausschnitten schlicht und ergreifend das Geheimnis wirklichen Gotterlebens. Beim Lesen fühlt man sich beschämt und man wird zum Nachdenken darüber veranlaßt, warum man wohl auf die Landstraße getrieben werden muß, um zu erkennen, daß man in dieser Welt immer unterwegs ist und zuerst zum Bettler werden muß, um den Reichtum richtig würdigen zu können, der in solch unbegrenztem Gottvertrauen verborgen liegt. So wirkt dieses Buch mit seinen vielen Zeugnissen eines wahrhaft lebendigen Glaubens stärker und überzeugender als manche Sammlung von Predigten, die fern aller grausamen Prüfungen im Gleichmaß wohlabgewogenen Gemeindelebens gehalten werden. al.
Heinrich Fries, Ernst Wiechert — eine theologische Besinnung. Pilger - Verlag, Speyer.
Angesichts der Unsicherheit und Gefährdung unseres gegenwärtigen Daseins ist auch der Gottesglaube in eine Krise geraten, eine Tatsache, die sich sehr stark auch in der Li
teratur unserer Tage spiegelt. Universitätsdozent Dr. Heinrich Fries hat die hierbei sich darstellenden Probleme aufgegriffen, indem er in Form einer theologischen Besinnung die Haltung eines der meistgelesenen Dichter, Emst Wiecherts nämlich, untersucht. Der Autor bleibt sich durchaus bewußt, daß es ein Wagnis bedeutet, dichterisches Schaffen in ein System zu zergliedern und auf einzelne Sätze festzulegen, daß bei der Vielzahl der Gestalten sich nicht ohne weiteres erkennen läßt, was des Dichters eigene Meinung und Absicht ist. Fries hat diese Bedenken berücksichtigt, indem er behutsam solche Sätze Wiecherts herausgriff, die wirklich in der Mitte von dessen Denken stehen, und in denen die religiös-theologische Substanz der Werke verkörpert ist. Auf diese Weise entstand eine Schrift, die nicht nur dem Dichter Wiechert gerecht wird, selbst wo sie ihn kritisiert, sondern die darüber hinaus einen Weg weist für die religiöse Besinnung, die der heutige Christ vorzunehmen hat innerhalb der Welt und innerhalb der Literatur seiner Zeit. sh.
D. T. Suzuki. Die Große Befreiung. Einführung in den Zen-Buddhismus. Curt
Weller Verlag, Konstanz.
Es kostet große Mühe, den ungewohnten Gedankengängen fernöstlicher Mystiker näherzukommen, und so wird uns die zentrale „sartori“ (Erleuchtung) des Zen-Buddhismus, einer Richtung zur „Befreiung“ des Individuums, die die klassischen Erkenntniswege
Jugendbücher
Otto Heinrich Klingele, Die Straße nach Süden. Ein Pfadflnderbuch. Weka-Verlag, Trossingen.
Die Jugend ist leicht für Fahrtenromantik zu begeistern; farbige Ausmalung des Abenteuerlichen und duftige Sprache gehören dazu. Was sich aber hier mit dem Ordenskreuz der Pfadfinder auf dem Titelblatt präsentiert, hat mit Geist und Haltung dieser hochachtbaren Weltorganisiation nichts zu tun, sondern verherrlicht in einem manchmal üblen Straßenslang ein Zigeunertum, das uns in der Vergangenheit im Ausland wenig Ansehen gebracht hat und in Zukunft noch weniger Achtung erwerben wird. , gs.
Edgar Waisemann, Jonni, komm mit! Zeichnungen von O. Liebusch. Hera-Verlag Berlin. 172 S. DM 2.60
Recht viele Leser möchte man diesem Buche wünschen, das, im Rotationsverfahren hergestellt, die Hera-Jugendbuch-Reihe in geschmackvoller Ausstattung einleitet Reichtum an frischem, echtem und naturverbundenem Leben zeichnet es aus.
Das Neuartige dieses Jugendromans ist seine Gegenwartsnähe. An die Stelle der „Wildnis des Gran Chaco“ sind die Ruinen unserer Städte getreten, der „Urwaldstrom“ hat sich in die Mündung der Weser oder Elbe verwandelt, der „Marterpfahl“ unserer alten Indianerbücher in die Gewissenskämpfe eines Sechzehnjährigen von heute, und der „Schutzengel“ aus Großmamas Geschichten ist zu der prachtvollen Mädchengestalt „Tula“ geworden, die mit sicherem, mütterlichem Gefühl den Knaben Jonni aus der Unterwelt der Verwahrlosten in die Gemeinschaft froher und unbeschwerter Jugend zurückführt.
Jedes Pathos, alle großen Worte oder gar moralischen Imperative sind vermieden, im- __ mer aber ist die Liebe zur Jugend spürbar, und ganz hinter den Zeilen fühlt man ein hohes Verantwortungsbewußtsein gleichsam als Spiritus rector agieren. . Hellmuth Reitz
Else Hassenbach, Im Zaubergarten. Zeichnungen von Hans Fick. Olympia-Verlag, Nürnberg. 140 S.
Im unbeschwerten Plauderton führt die Verfasserin die jüngsten Leser in das Reich der Blumen, Schmetterlinge, Vögel, der Wolken, Winde und Bäche, ja, der ganzen Natur und versteht es dabei sehr geschickt, die kindliche Vorstellungswelt und Phantasie anzuregen. Die kleinen Erzählungen, die sich durch ihre Kürze der kindlichen Aufnahmefähigkeit angenehm anpassen, zeichnen sich aus durch eine glückliche Verbindung von Belehrung und märchenhafter Ausmalung.
Lisi Brunner
verneint, um ein in sich ruhendes Gleichgewicht zu schaffen, kaum auf den ersten Anhieb hin zuteil werden. Suzukis meisterhafte Interpretation hilft jedoch über manche Klippe dieses logikfreien (dem abendländischen Denken nach) Suehens und Lösens wie Bindens. Der Wunsch nach Einheit von Welt und Ich, eine weithin metaphysikfreie Therapie durch Selbsteinkehr, erwächst aus dem Erlebnis der Umwelt und dem Umgang mit dem eigenen Ich. Auch C. G. Jung, der zu dieser Deutung des Zen eine Einleitung schrieb, spürte das Fremdartige, dem Europäer Entrückte, das jedoch, soweit es zugänglich ist, eine, wenn auch nur „kleine Befreiung“, schenken kann.
Kurt Schmidt, Buddhistische Heilige. Curt Weller Verlag, Konstanz.
In der Edition Asoka, einer Reihe, die bedeutsame Werke über den Buddhismus bringen wird, gibt der als hervorragender Kenner des Buddhismus bekannte Autor aus den Quellen unmittelbar zusammengestellte Charakterbilder der Jünger Buddhas und zugleich ein wesentliches Stück lebendige Geschichte dieser Weitreligion.
Eine neue Erzählung Hermann Hesses
Zwei Möglichkeiten scheinen der späten Reife des Alters eigen zu sein: die Substanz der Lebenserfahrung zu abstrahieren und zu zeitloser Allgemeinbedeutsamkeit auszuweiten oder dankbar zurückzukehren zu den Einzelbegebnissen vergangener Jahre. Der eine Weg führt zur Kunstform gedankentiefer Symbolik, der andere zur minutiösen Darstellung des Konkreten, die freilich eine auf das Ganze und Gültige zielende Welthaltigkeit nicht ausschließt. Daß beide Richtungen in einer Person wohl nebeneinander bestehen können, beweisen die jüngsten Arbeiten Hermann Hesses.
Der Dichter des „Glasperlenspiels“, der mit dem utopischen Entwurf der kastalischen Ordens- und Ordnungswelt ein zusammenfassendes Fazit gezogen hat, wendet sich nun wieder den Themen und bis zu einem gewissen Grad
Bucheingänge der Woche
Die Besprechung der einzelnen Werke bleibt Vorbehalten.
Verlag Kurt De sch, München:
Albrecht Schaeffer, Janna duloeur, Roman, 480 S., DM 10.80.
Burkard N a d o 1 n y , Thrake — eine Reise an den Küsten des Balkans. Mit Illustrationen, 336 S., DM 8.50.
R. L. Stevenson, Die Schatzinsel, Roman, mit Illustrationen, 260 S., DM 8.50.
Francois Voltaire, Candide. Aus dem Französischen von Rudolf Schneider-Schelde, 188 S., DM 7.-.
Charles de Coster, Ulenspiegel, Roman. Aus dem Französischen von Anna Valeton. 5. Bd. der „Romane und Erzählungen der Weltliteratur , 626 S., DM 9.-.
E. T. A. H o f f m a n n, Die Elixiere des Teufels Roman 6. Bd. der „Romane und Erzählungen’ der Weltliteratur“, 380 S., DM 7.-.
Artur Kutscher, Grundriß der Theaterwissenschaft, 496 S., DM 12.50.
Josef Stürmann, Der Mensch in der Ge
schichte. Versuch einer philosophisch-anthropologischen Geschichtsbetrachtung, 320 S., DM 9,-.
Claus L e u s s e r, Die Affäre Dreyfuß. 5. Bd. der Reihe „Prozesse der Weltgeschichte“, 146 S., DM 7.-.
Hermann Schnitzler, Mittelalter und Antike, 72 S. u. 32 Bildtafeln, DM 7.50.
Verlag C. Bertelsmann, Gütersloh:
Friedrich Rückert, Ein Reich des Friedens, Gedichte, 238 S., DM 8—.
Thomas H a r d y, Die Heimkehr. Roman. Ueber- setzt von Jan de Vries, 485 S. DM 9.-.
Gösta S j ö b e r g, Die goldenen Pfennige. Roman. Aus dem Schwedischen von Günther Thaer, 403 S., DM 8.50
Hermann Kurz Der Sonnenwirt. Roman, 584 S.. DM 8.-.
Verlag Willi W e i s m a n n, München:
Konstantin Fedin, Städte und Jahre. Roman, 366 S., DM 4.80.
E. B. White, Der Heuschnupfen, Amerika und ich. Erlebnisse und Betrachtungen, 300 S., DM 5.80.
auch dem Stfl seiner Frühzeit zu. Die Zeitschrift „Die Pforte“ Port-VerlagUrach) veröffentlicht in ihrem zehnten Heft eine „Unterbrochene Schulstunde“ betitelte Erzählung, deren Handlung die Stimmung des vor Jahrzehnten erschienenen Seminarromans „Unterm Rad“ wachruft, während das Milieu, die Calwer KleinstadtatmoSphäre, an ein Meisterwerk wie „In der alten Sonne“ erinnert. Mit welch sicherem psychologischem Griff wird das Verhältnis zwischen Landexaminanden, Klasse und Lehrer oder das Mitschuldgefühl des Schülers geschildert, der die gefälschte Unterschrift im Zeugnisheft eines Kameraden nachprüfen lassen muß. Mit welch realistischer Schärfe wird die Gestalt des zwiespältigen Professors umrissen, der „sein Bestes an Wissen, an Ueberwachung und Sorgfalt, an Ehrgeiz und Liebe, aber auch an Laune, Mißtrauen und Empfindlichkeit“ gibt. Mit welch knappen, aber eindringlichen Mitteln wird schließlich die Langweiligkeit einer Schulmorgenstunde gezeichnet, in die nur von ferne „die heiteren Töne der Außenwelt, das Flügelknattern eines Taubenflugs, das Krähen eines Hahnes oder der Peitschenknall eines Fuhrmanns“ hineindringen, oder die wolkenhelle Freiheit des Marktplatzes, um den Obstbude und Spielzeugladen, Waffenhandlung und Kupferschmiedwerkstatt mit hundert verführerischen Dingen locken!
Im Unterschied zu tatsächlichen Jugendarbeiten besteht nun freilich ein gewisses Fragezeichen gegenüber der Wirklichkeit des Ausgesagten, ein Bewußtsein der Inadäquatheit der sprachlichen Mittel zu dem Eigentlichen des Erlebten, das sich nur andeutend im real nachgezeichneten Bild ergreifen läßt. Aber man darf in diesem Falle gewiß nicht sagen, daß die Erzählkunst „fragwürdig und zweifelhaft“ geworden sei. Mit der einleitenden Betrachtung, in der diese Bemerkung steht, gibt uns Hermann Hesse einen aufschlußreichen Rückblick auf die Entwicklung seines eigenen Stils. W. G.