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SCHWÄBISCHES TAGBLATT
13. Juli 194 $
Anleihen bürokratisch verplant und finde nun nicht mehr zu eigene# Leistungsfähigkeit zurück.
Viele sehen darin auch den Grund fü# Englands Haltung in Deutschland und gegen Deutschland: nämlich die deutsche Wettbewerbsfähigkeit zu demontieren. Englands Verhalten gegenüber der deutschen Uhrenindustrie hat international Besch- tung gefunden, Englands Verdächtigung de# deutschen Exportindustrie mußte zurückgewie-» sen werden, englische Wissenschaftler wie Mac-» dougall scheuten sich nicht, die englische Chance im wesentlichen im Fortfall Deutschlands auf dem Weltmarkt zu sehen. In Deutschland wächst bis in die Kreise der Sozialdemokratie hinein das Mißtrauen gegen englische Wir! schafl.sex-perimente in Deutschland.
Die deutschen Erfahrungen könnten vielleicht den Engländern zu bedenken geben, daß eine entscheidende Abwendung von der bisherigen Devisenbewirtschaftung die Wiederherstellung eines Währungsgleichgewichtes erleichtern könnte. Damit würde aus einer nicht mehr , erforderlichen Isolierung heraus der Weg zu wirklicher europäischer Zusammenarbeit, damit könnte sich auch das Verhältnis zu Deutschland bessern, denn auch vom englischen Standpunkt aus würde eine aufblühende deutsche Wirtschaft gefahrloser erscheinen. wenn die englische Wirtschaft selbst erst wieder im lebendigen Aufstieg sich befindet. Damit aber auch könnte Großbritannien seine Stellung namentlich im Verhältnis zu den Ländern des äußeren Sterlingblocks kräftigen und dem Pfund unabhängige Weltgeltung neben dem Dollar verschaffen..
Parlamentarier der USA sind schlecht bezahlt
Ehefraaen als Sekretärinnen mitbesehäftigt > Gefährliche „Scbnltzelesaen“
Von G. H. Müller
Größer als der alte Reichstag
BONN. Gegenüber dem Parlamentsgebäude wird gegenwärtig ein Hauptquartier für die Iung als ein Balljunge auf einem Golfplatz".
WASHINGTON, im Juli
Die USA zählen 48 Staaten. Jedenfalls solange es den Vereinigten Fahnenfabrikanten nicht gelungen ist, Hawai zum 49. zu rfiachen, worum sie sich unter Einsatz von Zehntäu- senden von Dollars bemühen. 49 Staaten, das würde 49 Sterne in der Flagge bedeuten. Die ganze seitherige Anordnung müßte geändert, d.- h. Millionen neuer Fahnen müßten hergestellt werden (man hat viel Freude an Flaggen hierzulande).
Im Augenblick sind es also noch 48; und jeder dieser 48 Staaten hat ein Repräsentantenhaus und einen Senat. So will es die amerikanische Spielart der Demokratie. Demokratie ist nicht billig, wenn man sie richtig betreiben will. Damit sie nicht gar zu teuer werde, bezahlt Amerika seine Staatsparlamentarier schlecht, - — so schlecht, daß manche meinen, es sei ein Skandal.
Am Rande sei es vermerkt: gelingt dem kleinen Parlamentarier (aus einem Einzelstaat) der Sprung in das große Parlament, den Bundeskongreß in Washington, so stellt er sich finanziell immerhin besser als die höchsten Staatsbeamten, deren Spitzengehälter etwas über 10 000 Dollar liegen. Solange ihm das aber nicht gelungen ist, ist er in fast allen Staaten der USA ein Hungerleider — falls er nicht von Hause aus begütert ist.
Die Bezahlung der Parlamentarier in den 48 Staaten beträgt im Durchschnitt 900 Dollar jährlich, oder wie ein Senator es ausdrückte, „die Leute, die über Schulen, Straßen, Gerichtshöfe und Wohlfahrtseinrichtungen entscheiden, arbeiten für eine schlechtere Bezah-
Pressevertreter erbaut. Der vorläufige Plenarsaal des Parlamentes mit einem Fassungsvermögen von 1000 Personen ist größer als der ehemalige Reichstagssaal.
Der Föderalismus steht in den USA nicht bloß auf dem Papier, sondern ist eine streng überwachte Realität. Fast die gesamte Gesetzgebung auf dem Gebiet des bürgerlichen
Hauptquartier Frankfurt mit Nebenstellen
McCloy in Stuttgart und Baden-Baden
STUTTGART. Anläßlich seines Besuchs in Stuttgart traf am Montag der künftige Hohe Kommissar der USA, McCloy, mit Mitgliedern der Landesregierung von Württemberg-Baden zusammen. McCloy äußerte sein Erstaunen über die bereits erzielten Fortschritte im Wiederaufbau. Die deutschen Teilnehmer, u. a. Ministerpräsident Reinhold Maier und Justizminister Josef Beyerle, bezeichneten den Geldmangel als einen hemmenden Faktor und sprachen ihre Hoffnung aus, daß bald ausländische Investierungen in Deutschland zugelassen würden.
Auf die Frage, welches die Hauptprobleme Württemberg-Badens seien, wurde ihm geantwortet, daß die Wohnungsbaufrage und die Flüchtlingsfrage die größten Sorgen bereiteten. Ministerpräsident Dr. Maier hat für „große Geldmittel auf zwölf bis fünfzehn Jahre“ zur Finanzierung des deutschen Wohnungsbaus plädiert.
McCloy wurde bei dieser Gelegenheit eine Denkschrift des früheren Reichsflnanzministers Dr. Hermann Dietrich, die sich mit der Finanzierung eines deutschen Wohnbauprogramms durch die USA befaßt, übergeben. In der Denkschrift wird die Unterbringung von 10 bis 20 Millionen Vertriebener und Ausgebombter durch die Erstellung von zwei Millionen Klein-
Die Kandidaten der KPD
TÜBINGEN. Als Kandidaten für die Bundestagswahlen sind von der KPD für Würt- temberg-Hohenzollem aufgestellt worden: Im Wahlkreis Tübingen - Reutlingen Ferdinand Z e e b, MdL., ln Calw - Freudenstadt - Horb Georg Link, in Rottweil - Tuttlingen Paula A c k e r, in Balingen-Hechingen-Sigmaringen- Münsingen Fridolin Reiber, in Ehingen- Saulgau-Biberach Oskar Haas, in Ravens- burg-Wangen-Tettnang Georg B e n n e k. Die Kandidaten für die Landesliste werden erst am Wochenende bestimmt werden.
häusern hervörgehoben. Dafür seien etwa 20 Milliarden DM erforderlich, die am ehesten durch eine deutsch-amerikanische Dachorganisation aufgebracht werden könnten.
Der künftige Hohe Kommissar erklärte in einer Sitzung mit Ressortleitern der US-Militär- regierung, daß er Frankfurt zu seinem Hauptquartier wählen werde, in Berlin und Bonn jedoch Nebenstellen zu unterhalten beabsichtige.
Am Montagnaehmittag traf McCloy in Baden-Baden zu einem Besuch bei General Koe- nig ein, am Dienstag früh begab er sich nach Wiesbaden.
Rechtes und des Strafrechtes fällt in die Zuständigkeit der Einzelstaaten.
Die Leute, die diese wichtigen Entscheidungen zu fällen haben, werden in einigen Staaten noch wesentlich schlechter bezahlt, als es aus dem obigen Durchschnitt ersichtlich ist Die ärmsten Parlamentarier hat der Staat New Hampshire. Sie erhalten 200 Dollar für die zweijährige Wahlperiode, d. h. durchschnittlich knapp einen Dollar pro Sitzungstag.
Der benachbarte Staat New York ist der großzügigste. Er wirft ein Jahresgehalt von 5000 Dollar aus. In fast allen anderen Staaten, darunter so bedeutenden und finanzkräftigen wie Michigan oder Pennsylvania, bleiben die Parlamentarier unter 10 Dollar pro Sitzungstag, d. h. sie verdienen vielfach weniger als die ihnen zustehende Sekretärin.
Manche Parlamentarier helfen ihren Finanzen dadurch etwas auf, daß sie ihre vielfach ungeschulten Frauen als Sekretärinnen beschäftigen, was der Arbeit nicht immer förderlich ist. Viele verkaufen am Ende der Sitzungsperiode für 40 oder 50 Dollar ihr Freiexemplar der Gesetzestexte, das sie eigentlich dringend selbst benötigen. Die meisten sind unter diesen Umständen nicht in der Lage, sich ganz der Parlamentsarbeit zu widmen.
Vielfach wird schlampig gearbeitet, um die Sitzungen schnell zu Ende zu bringen, damit der Verdienstausfall nicht so hoch ist. Und kaum einer hat Zeit, sich auch außerhalb der Sitzungsperiode mit den wichtigsten Fragen so gründlich zu beschäftigen, wie er eigentlich sollte.
Es liegt nahe, daß bestimmte Interessengruppen sich diese Situation zunutze machen. Audi wenn es sich nicht um direkte Bestechung handelt, pflegen doch „Gefälligkeiten“, wie Esseneinladungen, Zurverfügungstellen eines Wagens, eines Zimmers, eine gewisse Wirkung nicht zu verfehlen. „Wir haben einen Punkt erreicht“, sagte ein Senator, „wo ein geschickter Mann gelegentlich mit einem Schnitzelessen den Ausgang, einer Abstimmung entscheiden kann.“
Die allgemein angestrebte Verbesserung dieser unhaltbaren Situation, in der ein Parlamentarier entweder persönlich wohlhabend sein muß oder finanzieller Abhängigkeit ausgeliefert ist, wird nicht leicht sein. Nicht nur das Trägheitsmoment steht ihr entgegen, sondern auch die Tatsache, daß die Bezahlung der Parlamentsmitglieder in der Hälfte aller Staaten durch die Verfassung geregelt ist und deren Abänderung ein sehr kompliziertes Verfahren voraussetzt.
Nachrichten aus aller Welt
MÜNCHEN. Die Münchener Berufungskammer hielt da 3 erstinstanzliche Urteil gegen den ehemaligen Reichsleiter Max Amann, der zu 10 Jahren Arbeitslager verurteilt worden war, aufrecht und stufte ihn erneut als Hauptschuldigen ein.
HAMBURG. Am Montag wurden von britischen Einheiten die größten Heilige (Stapellaufbahnen) Deutschlands (Blohm & Voß), auf denen u. a. große Schlachtschiffe wie die „Bismarck“ auf Stapel gelegt worden waren, gesprengt.
ROTTERDAM. Am Montag trafen 1444 amerikanische und 129 kanadische Studenten ln Rotterdam ein, die einen Sommer in Europa verbringen wollen.
PARIS. Der frühere Vorsitzende der amerikanischen Fabrikantenvereinigung, Coonley, erklärte, die Arbeitslosenziffer der USA werde ln den nächsten Monaten möglicherweise auf 6 Millionen ansteigen. Trotzdem sei er überzeugt, daß die USA nicht einer wirklichen Depression entgegengingen, jedoch -eine bedeutsame Umwälzung stattfinden werde.
BERN. Die Schweizer Nationalbank beschäftigt sich gegenwärtig mit der Frage, ob es zweckmäßig sein könnte, als Gegenmaßnahme gegen den ständig in die Schweiz fließenden Goldstrom, der zu einem Fallen der Zinssätze
und erhöhtem Notenumlauf geführt habe, Barrengold und Münzen in begrenztem Umfang zum Verkauf anzubieten.
ATHEN. In einem Bericht des griechischen Generalstabs über die Operationen des ersten Halbjahrs 1949 werden die Verluste der Aufständischen auf 19 140 Mann, darunter 7980 Tote, geschätzt. Die Regierungstruppen hätten demgegenüber nur 4977 Mann, darunter 1109 Gefallene, eingebüßt. Als Hauptnachschubbasis der Aufständischen wird Bulgarien bezeichnet.
WASHINGTON Nach Angaben von Flottensachverständigen der USA verfügt die Sowjetunion über 250 bis 300 supermoderne U-Boote.
NEW YORK. Um den sowjetischen Versuchen, die russich-sprachigen Sendungen zu stören, entgegenzuwirken, hat die „Stimme Amerikas“ einen Morse-Nachrichtendlenst für Rußland eingerichtet.
REGINA. Der Führer der sog. „schwarzen Front“, Otto Strasser, hat sich jetzt zum sech- stenmal bei der kanadischen Regierung um Paß und Ausreisegenehmigung beworben. Strasser will sich, falls er wieder einen abschlägigen Bescheid erhält, an die UN wenden. Nach wie vor hat er die Absicht, 'n Deutschland eine politische Bewegung mit dem Namen „Liga für Deutschlands Erneuerung“ zu gründen.
Ein Brief des Justizministeriums
TÜBINGEN. Im Aufträge des Justizministeriums hat sich Generalstaatsanwalt Nell- mann an den Intendanten von Radio Stuttgart gewandt, um Einspruch zu erheben gegen die bereits mehrfach erwähnte Sondersendung zum Grafeneck-Prozeß. In dem Schreibe? wird die Ansicht vertreten, daß die Scheu zum Gegenstand der Kritik der öffentliche» Meinung gemacht zu werden, in allen Bevölkerungsteilen überaus groß sei. Wenn dem Richter, Laienrichter oder Berufsrichter „in dieser Weise zu diesem Zeitpunkt gesagt wird, was man von ihm erwartet, dann wird ihm damit auch gesagt, was er an Kritik zu erwarten hat, wenn sein Urteil nicht dem entspricht, was der Sprecher oder Schreiber verlangt. Damit aber wird, bewußt oder unbewußt, ist hier unerheblich, die richterliche Unabhängigkeit, die Ihnen sicher ebenso am Herzen liegt, wie die Freiheit der Meinungsäußerung, ganz empfindlich angegriffen. . . Ich bitte, sich auch einmal zu vergegenwärtigen, was geschehen würde, wenn die Justizverwaltung unmittelbar oder, was wesentlich wirksamer wäre, auf dem lautverstärkenden Umweg über Presse und Rundfunk Einfluß auf die Richter in einem schwebenden Prozeß zu nehmen suchen würde. Ein Sturm der Entrüstung wäre mit Recht die Folge.“
ln dem Schreiben wird dann weiter darauf hingewiesen, daß Mostar an dem über Wodien sich hinziehenden Prozeß nur während einiger Sitzungen teilgenommen hat, daß es sich hier aber nicht um ein Schauspiel handelt, bei dem es mancher sich Zutrauen mag, im 5. Akt erst zu erscheinen und sich dort ein Urteil zu bilden.
Alliierte drängen auf Wohnungsbau
FRANKFURT. Die Alliierten haben kürzlich dem bizonalen Verwaltungsrat ein Memorandum über die Intensivierung des Wohnungs-, baus überreicht, welches die Errichtung von jährlich 100 000 Wohnungen mit einem Kostenaufwand von 858 Millionen DM vorschlägt, ein Betrag, an dem sich die Doppelzone aus ihrem laufenden Haushalt mit 500 000 DM beteiligen müßte.
Dazu hat nun der Hauptreferent für die Bauaktion der Bizone, Dr. Josef Franke, am Montag erklärt, eine Verwirklichung dieses Plans würde entweder die Einführung neuer oder die Abtretung alter Steuern von den Ländern auf die Bizone bzw. den Bund notwendig machen. Mit der empfohlenen Erhöhung der Neubaumieten um 25 Prozent seien die Gewerkschaften und die Mieterverbände wahrscheinlich nicht einverstanden. Doch man trage sich mit dem Gedanken, die Neubauwohnungen ganz oder teilweise von der Wohnungszwangsbewirtschaftung zu befreien. Im Investitionsprogramm des ERP für das Jahr 1949/50 seien 1,55 Milliarden DM für den Wohnungsbau vorgesehen.
„Anpassung an die Steuerkraft“
FRANKFURT. Der sogenannte „Ellwanger Kreis“, dem prominente westdeutsche CDU' CSU-Politiker angehören, kam über das Wochenende in Ellwangen zu einer Aussprache zusammen. U. a. waren zugegen: Staatspräsident Dr. Müller, Justizminister Dr, B e y e r 1 e, Ministerpräsident Dr. Hans Ehard (Bayern), Finanzminister Dr. Hilpert (Hessen) und der Schriftsteller Dr. Eugen Kogon. Diskutiert wurden das Arbeitslosenproblem und das Thema „Europaunion“.
In einer Verlautbarung wurde die Notwendigkeit unterstrichen, dem Europa-Einigungswerk volle Aufmerksamkeit zu widmen und mehr als bisher auch die christlichen Kräfte hierfür einzusetzen. Die Konsolidierung der deutschen Verhältnisse erscheint den Teilnehmern nur möglich bei einer Verteilung der Kriegsfolgelasten auf mehr als eine Generation und Anpassung der Besatzungskosten an die wirkliche deutsche Steuerkraft.
Herausgeber: Will Hanns Hebsacker, Dr. Ernst Müller und Karl Klm
Mitglieder der Redaktion; Gudrun Boden, Dr. WI J' beim Gail Dr. Otto Haendle, Dr. Helmut Rlecz»- Joseph Klingelhöfer und Franz Josef Mayer
Eine Legende / von wuheim von schoiz
Zum 75. Geburtstag des Dichters am 15. Juli
Man erzählt von einem der frühchristlichen Heiligen, daß er seinen Tod überlebt habe.
Sein Name ist mir entfallen — seine durchleuchtete ewige Wesenheit steht deutlich, geisterfüllte, gefühlte Gestalt, vor mir. Sie ist mehr als der Namensschall, in dem wir noch heut, wie die Magier des Mittelalters, irrend die hingeschwundenen Persönlichkeiten erhalten und eingefangen wähnen.
Der Heilige hatte einen göttlichen Auftrag in seinem Herzen empfangen — ohne ihm erkennbaren Sinn, wie alle göttlichen Aufträge sind; denn auch die göttlichen Geheiße, durch die wir nachträglich irgend einen uns erfreulichen irdischen Zweck erfüllt sehen, haben diesen Zweck nicht erstrebt und müssen in der Weite unseres Schauens sinnlos bleiben, wenn sie sollen göttlich gewesen sein.
Der Heilige erschaute plötzlich in seinem inneren Lichte eine Stelle mitten in dem wilden Walde, an dessen felsigem Rande seine Klaüs- nerhöhle lag: eine Schlange bannte dort mit ihrem Blick einen kleinen Vogel, der sich vor dem Auge der ein wenig über den Boden auf- gerichteteh Kriecherin auf seinem niedrigen Staudenzweiglein nicht mehr rühren konnte und angsterfüllt den züngelnden Rachen langsam auf sich zu größer werden sah.
Der Heilige, den lange schon Siechtum auf sein Lager von dürren Blättern geworfen hatte, erschrak, als sei der kleine Vogel sein Herz. Er wollte, dem wortlosen Geheiß folgend, sich erheben, als die Stimme der menschlichen Vernunft -- die von den Lastern und Leidenschaften noch bis zuletzt sich mit hineingedrängt in die Abtötung des Irdischen — ihn zu beruhigen begann und sprach: es sei s'nnlos. wenn er einmal den Vorgang, daß die Schlange einen kleinen Vogel bannt und frißt, was sich viele Hunderte von Malen täglich allein hier in diesem Felsenwald begeben möge, aufhalten wolle.
Damit hatte die Vernunft den halb aufge
richteten Oberleib des Heiligen in die raschelnden Blätter zurückgedrückt. Indessen kam der Auftrag aus der Tiefe der Seele stärker und hob den Leib von neuem empor und drängte die Füße vom Lager dem Boden zu. Jetzt meldeten sich Ermattung und Kraftlosigkeit des Leibes wie innenhängende, mit aus dem Liegen erhobene schwere Gewichte, schwankten in ihrer Aufhängung und ließen den Leib des Heiligen wieder zurückgezogen werden auf seine Ruhestatt.
Da riß der Befehl, den der Heilige, immer das Vögelchen und die Schlange vor sich sehend, an seinen Widersachern als göttlich erkannte und nicht mehr bezweifeln durfte, ihn zum dritten Male hoch und stellte ihn vor sein Lager auf die Füße.
Noch ein Gegner stand auf und wollte den Heiligen hindern zu tun, was ihm befohlen. Das war der Tod des Heiligen, der ihm als das Wissen in die Seele trat, daß in seinem langen Siechtum dieser Augenblick als sein letzter gewachsen und herangereift war. Begann ihn im Fieberfrost zu schütteln und ihm den Blick zu verdunkeln.
Schon aber war der Heilige aus dem sterblichen Menschen von Staub so sehr das unirdische Gefäß eines göttlichen Willens geworden, daß seine sterbende, gestorbene und herzschlaglose Hülle, mit den gebrochenen Augen, auszuschreiten begann. Sie ging frei, wie seit mondenlanger Zeit nicht, denn kein Schmerz und keine Schwäche war mehr in ihr; gijig mit sich streckenden Sehnen wie in der Jugendzeit, als der büßende Heilige ein Krieger und Verführer war. Der Fuß trat Gestrüpp und Domen nieder. Die wachsgelben Hände packten Zweige und dicke Aeste, bogen und brachen sie, daß der knackende Gang des Heiligen durch den Urwald war wie das Hindurchbrechen eines Löwen, der sich Bahn schafft, oder eines Sturms, der sich seinen Weg durch krachende Aeste und stürzende Stämme frei macht.
So kahl er an die Lichtung, wo die Schlange eben den Vogel verschlingen wollte, griff die
Schlange unter dem züngelnden Kopf, zerdrückte sie dort zur Dünne eines schlaffen Darmes und schleuderte sie tot ins Dickicht, indessen der kleine Vogel befreit fortflog.
Dann stürzte die eben noch aufgerichtete und schreitende Hülle des Heiligen, in ihrem Gewand, das sie wie ein graues Bahrtuch überdeckte, verwest, zu Staub geworden, in sich zusammen; der Totenschädel, in den ein Augenblick den Kopf des Heiligen verwandelt hatte, rollte in das Dickicht, in da 3 der Schlangenleib geflogen war Die kurze Zeitspanne, die der Heilige durch die Gewalt seines mit göttlichem Auftrag erfüllten Willens, wiewohl ohne Herzschlag, seinen Tod überlebt, hatte die Zerstörung, die sonst Monde oder Jahre braucht, in dem Leichnam vollendet. —
Diq Andächtigen, die seine Höhle aufzusuchen, in ihrer Nähe zu beten pflegten und die Wohnstatt ihres Verehrten für immer leer fanden, glaubten ihn zu Gott, zu Christus und zur Mutter Maria aufgestiegen und wurden noch inbrünstiger in ihrer Frömmigkeit.
War das der Sinn des göttlichen Auftrags, der den Heiligen den Anbetern entschwinden ließ, daß er nicht in der letzten Gebrechlichkeit des irdischen Leibes gesehen werden sollte?
Sollte ihm der Wunsch, den er nie vor sich selber auszusprechen gewagt und der doch in ihm war seit seiner Kriegerzeit, erfüllt werden; daß sein Leib, ohne die Menschen durch Verwesung und Zerstörung mit Grauen zu erfüllen, im Augenblick des Todes schon, reiner Staub und fleischlose Knochen, zurückfiel an die Erde und die Natur?
Wollte Gott mit solchem Hinüberleben eines Heiligen über den Tod sich selbst die Gewißheit geben und bezeugen, daß er d'e Gebundenheit, in der er seine Schöpfung hielt, freiwillig halte und nur die Hand auszustrecken brauche, sie aufzuheben und zu verwandeln?
Kann eines von diesen Sinn eines göttlichen Auftrags sein? Nicht einer! Nicht irgendeines, das ein Mensch sich ersinnen oder, wenn es ihm eingeflößt wurde, verstehen könnte.
Kulturelle Nachrichten
Ernst Walter M i t u 1 s k i, der früher a® Städtetheater Tübingen-Reutlingen mitwidde» wird bei der Aufführung des „Ur-Götz“ anlau- lieh der 200. Wiederkehr von Goethes Geburtstag in Frankfurt a. M. die Rolle des Götz von Berlichingen übernehmen.
Zum Rektor der Heidelberger Universität flk das Studienjahr 1949/50 ist Prof. Dr. Frendenberg, der Direktor des Chemischen Institutes der Universität Heidelberg, gewani worden.
Einer Anzahl Studierender, die an deutsche“ Universitäten immatrikuliert sind, werden pendien zum Besuch französischer Universität im Wintersemester 1949/50 gewährt. Die A wähl erfolgt nach Wertung der französisch Sprachkenntnisse. •.
Zum Rektor der Technischen Tlochsdvu Karlsruhe ist für das kommende Jahr rr Paul Günther wiedergewählt worden.
Die Richard-Wagner-Gedenkstätte in Bayreuth, die zurzeit wieder instandgesetzt w soll am 22. Juli der Oeffentlichkeit übergene
Das öffentliche Auftreten der Schauspielen® Kristina Söderbaum in Braunschweig Göttingen mußte abgesagt werden, da die lizei der Ansicht war, daß hierdurch o ' heit und Ordnung bedroht würden. Auße lagen zahlreiche Proteste aus allen Kreise Bevölkerung vor. j
Heinrich Mann, der Bruder von T f> 4 Mann, ist von dem Präsidenten der »D®? . Verwaltung für Volksbildung“ der t)' ^
aufgefordert worden, nach Berlin zuruexz
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Der österreichische Regisseur G. W. f will die Ereignisse, die sich in B er11 ,“., v^. April 1945 im „Führerbunker“ abgespien ben, verfilmen. ,. ö yt
Das Komitee der Biennale ln Venen ^ den neuen deutschen Film „Mädchen .g. Gittern“ für die diesjährigen Festspiele fordert. . eine m
Ein neuer Luther-Film, der nacn _j srg Manuskript des schwedischen Pastors Frostensen gedreht werden soll, ist 1 rika in Vorbereitung.