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SCHWÄBISCHES TAGBLATT

18 . Juni 194J

Mützen ich will zu Belgien

Nordrhein-Westfalen droht mitstarker

Regierung von

DÜSSELDORF. Ein Sprecher der Regierung von Nordrhein-Westi'aien bezeichnete die Be­völkerung des kleinen Städtchens Mützenich bei Aachen alsVerräter, weil sie den Ver­such unternommen hatte, belgisch zu werden. Der Sprecher erklärte weiter: ,.In normalen Zeiten hat Le man sie wegen Hochverrats unter Anklage gfest6llt 4k .

Mützen'ch. eine Stadt von 1300 Einwohnern, gehört zu den deutschen Grenzstädten, die Belgien zugesprochSn worden waren, auf die Belgien indessen vorübergehend verzichtete. Vor einiger Zeit ersuchte jedoch die Stadt­verwaltung von MüLZertich Belgien um die Uebernahme der Stadt i

Der Ministerpräsident von Nordrhem-West- falen, Karl Arnold, enthob bereits vor drei Wochen den Bürgermeister und die Stadtver­ordneten ihrer Aemter und ernannte eine Frau zum kommissarischen Bürgermeister, die jedoch, von der Bevölkerung bedroht, wenige Stunden nach ihrem Amtsantritt die Stadt wie­der verlassen mußte.

Der Sprecher der Regierung erklärte, man werde solche Vorkommnisse nicht dulden und halte nunmehr Ausschau nach einerstarken Hand. Er bezweifelte, daß Belgien Wert lege auf eine Bevölkerung, dieaus ihrem Heimat­land zu dessertieren wünsche, gab jedoch gleichzeitig zu, daß der größte Teil der den Einwohnern von Mützenich gehörenden Aek- ker auf der belgischen Seite liegen.

Nachrichten aus aller Welt

TÜBINGEN. Die auf Grund der Brüningschen Notverordnung erfolgte 6%ige Kürzung der Be­amtengehälter soll bis Ende 1949 aufgehoben werden.

MÜNCHEN Einige CSU Abgeordnete, unter Ihnen August Haußl fiter, forderten den Frak­tionsvorsitzenden, Dr. Alois Hundhammer zum Rücktritt auf, damit nach der Wahl Dr. Ehards zum Landesvorsitzenden nunmehr auch die Landtagsfraktion eineFührung der Mitte er­halte.

NÜRNBERG. Der stellvertretende Hauptan­kläger Robert M. W. Kempner erklärte am Mittwoch, daß der Prozeß gegen Baron Ernst von Weizsäcker und seine Mitangeklagten nicht wieder aufgenommen werde.

HEIDELBERG. Das amerikanische Heeresmini­sterium gibt die Schaffung eines eigenen Kom­mandos für die 9000 in Oesterreich stationierten amerikanischen Beratzungstruppen bekannt, die bisher dem USA-Oberkommando in Deutschland unterstanden. Sie werden dem Hochkommissar in Oesterreich, General Keys, unterstellt.

FRANKFURT. 170 westdeutsche Freimaurer­logen werden sich am kommenden Sonntag zu einerVereinigten Großloge der Freimaurer Deutschlands zusammenschließen.

WIESBADEN. Sechs Angestellte der STEG- Zweigstelle Essen, unter ihnen der Geschäfts­führer Dr. Georg Aletan, sind verhaftet wor­den, weil sie in mehreren Eällen die Waren nicht an die Bevölkerung verteilt haben sollen.

BIELEFELD Der nord wes'deutsche Zeitungs­verlegerverein beschloß am Dienstag, daß alle Zeitungen der britischen Zone erst vom 1. Sep­tember ab täglich erscheinen sollen.

HANNOVER Hermann Nielebock, der unter dem Namen Herms Niel bekannteMarsch­komponist des Dritten Reiches, wurde als Mit-

Hand / Uebertriebene Reaktion

Die Bevölkerung des Städtchens hat es ab­gelehnt, die von Ministerpräsident Arnold ver­fügte Amtsenthebung ihres Bürgermeisters, der nach wie vor seine Amtsgeschäfte aus­übt, anzuerkennen.

«

Wir können es uns" nicht versagen, dieser Meldung noch einige Worte hinzuzufügen, in der Hoffnung, deshalb nicht gleich zu Sepa­ratisten gestempelt, zu werden: Jedenfalls er­scheint uns die Reaktion der Regierung von Nordrhein-Westfalen, die den Mützenlchern immerhin zugestehen muß, daß einiges für ihren Beschluß spricht, als etwas zu laut, um nicht zu sagen nationalistisch im unguten S'n- ne des Worts. Warum sollen denn die Bewoh­ner der Stadt Mützerr'ch nicht in Belgien selig Werden, wenn sie sich das erhoffen? Schaden dürfte dabei kaum Jemand erleiden. (Die Red.)

Nächste Landtagssitzung

BEBENHAUSEN. Die nächste Sitzung des Landtags für Württemberg-Hohenzollern fin­det am Donnerstagvormittag um 9.30 Uhr statt. In ihr kommen u. a. der Entwurf eines zwei­ten Steuerreform-Gesetzes, der eines Ersten Gesetzes über finanzielle Maßnahmen zur Förderung des Wiederaufbaus und der Wohn- raumbeschaffung sowie der eines Gesetzes zur Erhebung einer Abgabe für den sozialen Wohnungsbau zur Beratung.

läufer eingestuft und zum Tragen der Kosten des Entnazifizierungsverfahrens in Höhe von 1000 DM verurteilt.

HELSINKI. Die sozialdemokratische Regie­rung Fagerholm erhielt am Dienstag zum zwei­tenmal mit einer knappen Mehrheit von nur zwei Stimmen das Vertrauensvotum.

KOPENHAGEN. Auf Schloß Kronford in Hel­singoer wurde am Donnerstag eine Konferenz der Organisation der Vereinten Nationen für Er­ziehung, Wissenschaft und Kultur (UNESCO) er­öffnet, auf der Fragen der Erwaehsenenerziehung behandelt werden. An ihr nahmen 100 Delegierte aus 27 Ländern teil

DEN. HAAG. In 23 Städten mit über 20 000 Einwohnern fanden.am Mittwoch Gemeindewah­len statt. Die Kommunisten verloren 33 Sitze. DieFreiheitspartei, die in der Mitte steht, erzielte einen klaren Erfolg, während die bei­den großen Regierungsparteien, die, Sozialisten und die Katholiken, ihre Stellungen halten konnten.

ROM. Ueber eine Million Landarbeiter haben am Mittwoch, kommunistischen Parolen fol­gend, einen Streik durchgeführt.

LAKE SUCCESS. Der argentinische Delegierte Arce legte am Donnerstag dem Sicherheitsrat er­neut die Vorschläge zur Aufnahme Portugals, Transjordamens, Italiens, Finnlands, Irlands, Oesterreichs und Ceylons in die UN vor.

NEW YORK. Das Ansuchen der Gattin des Kommunistenführers Eisler, sie gegen Kaution von Ellis Island zu entlassen, wurde von Buri- desrichter W Bondy abgelehnt. *

KALKUTTA. S Chandra Bose, der Kandidat der extremen Linken, hat bei den Ersatzwah­len zur gesetzgebenden Nationalversammlung über 19 090 Stimmen erhalten, während sein Gegner von der indischen Kongreßpartei nur 5780 verbuchen konnte

größten Teil der Anregungen der Minister­präsidenten entsprochen und sie ermächtigt, das Wahlgesetz zu verkünden.

3. Es ist unrichtig, daß die Ministerpräsi­denten der französischen Zone auf der Kon­ferenz am 1 Juni 1949 sich für das Mchr- heitswahlrecht eingesetzt -hätten. S e haben vielmehr bewußt darauf ver2ichtet. das ihrer Aufassung nach bessere und dem M e hrheits- willen des Volks entsprechende Mehrheits­wahlrecht zu fordern, um das rasche Inkraft­treten des Wahlgesetzes hicht zu gefährden,

4. Es ist unrichtig, daß die Ministerpräsi­denten der französischen Zone die Vorbe­halte der Militärgouverneure dazu benutzt hätteh, um ihren Standpunkt durchzusetzen, Sämtliche Ministerpräsidenten haben viel­mehr einstimmig den Militärgouverneuren Abänderungsvorschläge gemacht, die eine Ausmerzung der schlimmsten Fehler und Schwächen des vom Parlamentarischen Rat beschlossenen, allgemein als verfehlt ange­sehenen Gesetzes bezwecken sollten, ohne das vom Parlamentarischen Rat beschlossene Verhältmswahlsystem in seinem Wesen zu ändern. Ich bin der Auffassung, daß diese Halttfhg des Mifiisterpcäsidehten nicht nur ihr Recht, sondern auch ihre Pflicht war. Wenh neuerdings einige Teilnehmer der Ml- nistefpräsidentenkonferenz ihr Bedauern aus­gesprochen haben, daß die Militärgouver­neure das vom Parlamentarischen Rat be­schlossene Wahlgesetz abgeändert haben, so vergessen s : e, daß die Aenderungen dem ein­stimmigen Vorschlag der Ministerpräsidenten entsprochen haben '

5. Es ist Unrichtig, daß die der CDU ange­hörenden Ministerpräsidenten sich bei der französischen Regierung eine Rückendeckung für ihren Standpunkt verschafft haben. Aus der zeitlichen Darstellung der Entwicklung geht e'ndeutig hervor, daß bei den Bespre­chungen in Offenburg, bei denen das Wahl­gesetz ettgehend erörtert Wurde, die Note der Mllitärgouverneure vom 28. Mai 1949, welche die Grundlage für die Beschlüsse der M:n : sterpräsidenten vom 1. Juni 1949 bildete, bereits vorlag. Es ist ein offenes Geheimnis, daß auch diese Note der'tärgouverrieure einstimmig beschlossen wurde, so daß schon aus diesem Grunde die Behauptung einer Be­einflussung durch die Ministerpräsidenten der französischen Zone völlig abwegig ist.

6. Es steht außer Zweifel, daß trotz, der im Grundgesetz festgelegten Zuständigkeit des Parlamentarischen Rats zum Erlaß des Wahl­gesetzes die Mllitärgouverneure das Recht hatten, dieses Gesetz zu ändern, oder seine Genehmigung von Aenderungen abhäng : g zu machen. Erst nach Inkrafttreten des Besat­zungsstatuts ist die Aenderung von Gesetzen dieser Art die im vorliegenden Fall aus­drücklich Vorbehalten war, unzulässig. Die Verkündung des Gesetzes durch die Mini­sterpräsidenten war notwendig und für sein Inkrafttreten unerläßlich, nachdem d ! e Mili­tärgouverneure d ; e nach meiner Auffassung zutreffende Ansicht vertreten, daß der Par­lamentarische Rat mit der Verkündung des Grundgesetzes aufgehört hat zu bestehen.

7. Ich habe es nicht notwendig, meine na­tionale Haltung durch Leute verdächtigen zu lassen welche den Sachverhalt nicht kennen oder nicht kennen wollen. Tatsache ist, daß ich bei meinen Besprechungen mit Außen­minister Schuman mir alle erdenkliche Mühe gegeben habe, die Notwendigkeit einer bal­digen Verabschiedung des Grundgesetzes dar­zulegen. Ich habe mich außerdem bemüht, die französischen Regierungsstellen entsprechend dem Beschluß der Konferenz der Mmister- präsidenten vom 24. März 1949 von der Un- erläßlichkeit eines einheitlichen Wahlgeset­zes für das ganze Bundesgebiet zu überzeu­gen.

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Zu den Ausführungen des Staatspräsiden­ten stellt die Redaktion folgendes fest:

1. Punkt 1 widerspricht nicht unserer Be­richterstattung.

2. Punkt 2 und 3 weichen von der Meldung unseres Frankfurter A. M.-Berichterstatters

ab, in der es über die Schlangenbader Kon­ferenz vom 1. Juni hieß, die Länderchefs der französischen Zone hätten für das Mehrheits­wahlrecht plädiert, sich nicht durchsetzen können, aber erreicht, daß ihre Wünsche den Mlitärgouvemeuren übermittelt worden seien.

Dies und nichts anderes meinten wir, wenn wir schrieben, sie hätten den bestehenden Vorbehalt der Militärgouverneure zum Wahl­gesetz benutzt, um an sie zu appellieren.

3. Der Staatspräsident selbst hat in ehern früheren Gespräch geäußert, daß er in Schlan­genbad mit aller Energie in der Wahlrechts- frage gekämpft habe.

4. Die Vermutung, daß bei den Pariser Besuchen der Länderchefs der französischen

Zone für das Mehrheitswahlsystem gespro­chen wurde, ist u. a. auch von einem süd- württembergischen Kabinettsmitglied geteilt worden.

5. Zu Punkt 6: Wir haben die Rechtmäßig­keit des Vorgehens des Ministerpräsidenten nie bezweifelt, sondern ausdrücklich betont.

6. DasSchwäbische Tagblatt, das s ! ch schon in einem Leitartikel vom 16. Mai ein­deutig für das Mehrheitswahlsystem einge­setzt hat hat keinen CDU-Politikerver­dächtigen, sondern seiner publizistischen Aufgabe entsprechend zur Klärung einer Frage beitragen wollen, die nun durch die Stellungnahme des Staatspräsidenten in dan­kenswerter Weise herbeigeführt worden ist.

Auftakt zum Wahlkampf

RAVENSBURG. Staatspräsident Dr. Geb­hard 11 e r erklärte als Landesvorsitzen­der der CDU von Württemberg-Hohenzollern in einem Aufruf, daß der Landesparteitag, der an diesem Wochenende in Ravensburg statt­findet, in eine Zeit politischer Hochspannung falle und den Auftakt zum Wahlkampf für den ersten Bundestag der Bundesrepublik Deutschland bilde.Die Zusammensetzung des

ersten Bundestages wird das Gesicht des neuen Bundes prägen, Fundamente legen, die sich nur schwer ändern lassen und Fragen zur Entscheidung bringen, die an das Wesensge­füge unseres staatlichen, sozialen und wirt­schaftlichen Lebens führen.

General Hays über Bonn

FRANKFURT. Auf der turnusmäßigen Kon­ferenz der Militärgouverneure der Bizone mit Vertretern des Wirtschafts-, des Verwaltungs- ünd des Länderrates erläuterten Sprecher des Verwaltungsrats den neuen deutschen Vor­schlag zur Investitionspolitik. Danach sollen im ersten Viertel des Marshallplan-Jahres 1949/50 1875 Millionen DM aus deutschen Quel­len und 820 Millionen DM aus Cöunterpart- Funds bereitgestellt werden.

Der stellvertretende amerikanische Militär­gouverneur, Generalmajor Hays, erklärte am Dienstag in einer Pressekonferenz, die Mili­tärgouverneure hätten den Parlamentarischen Rat aufgelöst. Sie hätten jedoch die elf Mini­sterpräsidenten ermächtigt, bei den vorberei­tenden Arbeiten für die Bildung der neuen Regierung die Dienste einzelner ehemaliger Mitglieder des Rates in Anspruch zu nehmen. Hays wies darauf hin, daß der Parlamentari­sche Rat nur für die Bestimmung des Ortes der konstituierenden Sitzung des Bundestages zuständig sei, daß die endgültige Festlegung des Sitzes der Bundesregierung hingegen vom Bundestag selbst vorgenommen werden müsse

Französische Zone nicht einbezogen

FRANKFURT. Der bizonale Länderrat lehnte in einer nichtöffentlichen Sitzung in König­stein das Ersuchen der Länder der französi­schen Zone, in den Finanzausgleich der Länder der Bizone mit einbezogen zu werden, mit dem Hinweis ab, daß dafür die staatsrecht­liche Grundlage fehle, solange nur eine Bi- und keine Trizone bestehe. Zustimmung fand der B'zonenhaushalt für 1949'50 vorbehaltlich der Kürzung einzelner Posten, wodurch der Haushalt um insgesamt 52 Millionen DM auf 839 Millionen DM verringert würde.

Deutsche als rote Landsknechte

ERFURT. Ein Leutnant der griechischen Aufständischen sprach am Dienstag in einet Versammlung von Funktionären des FDGB der deutschen werktätigen Bevölkerung und der deutschen Jugend den Dank für ihre Unterstützung der griechischen Aufständischen aus. Dieser Leutnant bereist mit einer grie­chischen Jugendabordnung gegenwärtig die Sowjetzone.

Menschenschinder vor Gericht

WUPPERTAL. Vor dem Schwurgericht be­ginnt demnächst ein Prozeß gegen den 49 Jahre alten Kraftfahrer Otto Schmitz aus München-Gladbach, der in ehern sowjetischen Kriegsgefangenenlager 39 Mitgefangene kör­perlich mißhandelt haben soll. Heimkehrer erstatteten den deutschen Behörden Anzeige gegen Schmitz, der im Jahre 1945 wegen sei­ner antifaschistischen Haltung von den So­wjets als deutscher Lagerleiter eingesetzt worden war. Er wurde nach seiner Rückkehr aus Sowjetrußland in Wuppertal verhaftet Die Anklageschrift zählt auf 14 Seiten brutal­ste Quälereien auf, die den Tod mehrerer Kriegsgefangener zur Folge hatte. Es ist der erste Prozeß dieser Art, der vor einem deut­schen Gericht stattfindet.

Herausgeber: Will Hanns Hebsacker, Dr. Emst Müller und Karl Kirn

Mitglieder der Redaktion Gudrun Boden Oi Wil­helm Gail Dr Otto Haendie, Dr Helmut Kleeza. Joseph Klingelhftfer und Franz Josef Mayer Verlag und Schriftleitung:

Der Baum wart

John Meier , dem Nestor der deutschen Volk künde zum 85. Geburtstag

Der Obstbaum, soll er gute Frucht tragen, b darf jahraus, jahrein sorgsamer und liebevoll Pflege. Es genügt nicht, daß ihn einst der Vat- oder Großvater gesetzt hat, ihr Werk war ni der Beginn. Ueberließe man den Baum gai sich selbst, so würde er wahllos seine Spross« in jedem Frühjahr treiben, bald hier, bald 1 neue Triebe ansetzen, die sich, mit den Jahn zu Zweigen und dichtbelaubten Aesten entwii kelt, gegenseitig Licht und Luft nehmen; Wa serschosse würden in schnellem wucherndi Wachstum kerzengerade in den Himmel strebe und Blüte und Frucht würden verkomme: weil allzuviel Saft und Kraft in überflüssig!

- Trieben ausströmte.

Alljährlich wenn der Baum seine Frucht g tragen und abgeworfen hat, die Blätter zu B den gesunken sind und im ewigen Kreislauf d Natur der Saft aus Aesten und Zweigen z rückgegangen Ist geht der Baum wart an sei Arbeit. Er sieht vorausschauend aus dem wi terstarren. kahlen Gezweig die Blätter, Knosp und Blüten entstehen, er weiß mit sichere Blick zu erkennen, wo ein kommender Tri zu einer die Ganzheit störenden Entwicklu führen könnte er schneidet kraftlos und dar überflüssig gewordenes Hob heraus, dämmt Frühjahr die üppige Wucherung der Wassc schosse ein und schützt den Baum vor den z< störenden Schädlingen

Wie der Baumwart unermüdlich seinen Ob bäum hegt und pflegt, so betreut seit viel Jahrzehnten Universitätsprofessor Dr. Jo Meier, der am 14 Juni d J in Freiburg i. 1 sein 85. Lebensjahr in ungebrochener Schaffei kraft vollendet den stattlichen und reich b benden Baum der deutschen Volkskunde.

In einem der Wissenschaft und Forschung { weihten Leben hat John Meier die Volkskun gehegt und gepflegt daß sie reine und gi Frucht trug und trägt, hat er mit feinem u verständnisvollem Einfühlen die Wissensch; die einst die Brüder Grimm und Wilhelm He J rieh Riehl begründeten und pflanzten, gefi dert, so daß heute jedermann sich an ihr leuchtenden Blüten und köstlichen Früchten 1 reuen und erlaben kann. Die leeren Wassi

schosse romantisch-verstiegener Wucherungen verstand er mit sicherer Hand zurückzuschnei­den, damit sie nicht die guten, fruchtsl arken Triebe überschatteten und verkümmern ließen. Er hat den Baum in Sturm- und Wetternöten gestützt und Schädlinge und Ungeziefer von ihm abgewehrt.

Schon im Jahre 1911 wurde John Meier die Leitung des damals erst wenige Jahre alten, aber bereits in kraftvoller Entfaltung stehenden Verbandes deutscher Vereine für Volkskunde übertragen. Unter John Meiers Leitung hat diese umfassende Organisation der wissenschaft­lichen Volkskunde Werke von überragender Be­deutung und' unvergänglichem Wert geschaffen. Die vielbändigeVolkskundliche Bibliographie, das große und umfangreicheHandwörterbuch zur deutschen Volkskunde und derAtlas der deutschen Volkskunde sind heute das unerläß­liche Rüstzeug für jeden gewissenhaften und verantwortungsbewußten Forscher auf dem wei­ten Feld der Volkskunde. Diese großen Werke sind von dem klaren und lauteren Geist des Mannes erfüllt, dem die deutsche Volkskunde Ihre heute unumstrittene akademische Geltung als Wissenschaft verdankt.

Wie ein rechter Baumwart unter seinen Pfleglingen einen besonderen Lieblingsbaum hat, so hat sich John Meier mit vorzüglicher Liebe und Treue eines Zweiges der Volkskunde ange­nommen, der vor allem geeignet ist, der im Stillen wirkenden wissenschaftlichen For­schungsarbeit den Widerhall Im Volke zu er­wecken, dem diese Wissenschaft ja durch die Erforschung seines Wesens dient. Schon bei der Gründung desVerbandes deutscher Vereine für Volkskunde hatte John Meier die Sammlung und Erfassung des goldenen Schazes der deut­schen Volkslieder veranlaßt Als sich die dro­henden Unwetter einer unerhörten kriegeri­schen Auseinandersetzung am Welthtmmel zu­sammenbrauten, ging John Meier an die Schaf­fung eines der schönsten Werke des völkerver­bindenden Friedens. Im Jahre 1914 wurde ihm die Errichtung und Leitung desDeutschen Volksliedarchivs in Freiburg i. Br. übertra­gen.

John Meier hat durch seine Volksliedstudien, insbesondere durch sein WerkKunstlieder im Volksmund, die tiefe Einsicht ln das Verhält­nis von Volksgut und Volk fundamentiert und

der Erkenntnis vom eigentlichen Wesen des deutschen Volksl.pdes bleibende Geltung ver­schafft. Das Volksliedarchiv erwuchs unter seiner Leitung, die er heute noch inne hat, zu dem in Deutschland einzig in seiner Art da­stehenden Zentralinstitut für die Sammlung und Erforschung der deutschsprachigen Volkslieder und ihrer fremdsprachigen Parallelen. Die ge­waltige Forschungsarbeit die in dieser Stätte deutscher Wissenschaft geleistet wurde und wird, fand ihren Niederschlag in einer Reihe groß­angelegter und durchgeführter Veröffentlichun­gen. An erster Stelle steht die wissenschaftliche GesamtausgabeDeutsche Volkslieder mit ,hren Melodien (Deutsches Volksliedwerk), das 1928 begonnen wurde und zur Zeit in fünf Halbbän­den vorliegt Dazu treten die bis jetzt sieben Bände desJahrbuchs füi Volksliedforschung und dieStudien zur Volksliedforschung Be­titelten Beihefte zum Jahrbuch. Der Pflege des echten Volksguts und seiner Verbreitung im Volk selbst dienen dieLandschaftlichen Volks­lieder mit ihren Melodien, von denen bisher 33 Hefte erschienen sind und die das Volkslied­gut der verschiedenen Landschaften im gesam­ten deutschen Sprachgebiet enthalten. Die e : n- undvierzig HefteDeutsche Volkstänze gelten dem gleichen Zweck Die nach dem letzten Kriege neubegründete im Aufträge des Ver­bandes deutscher Vereine für Volkskunde her- ausgegeb'ene ZeitschriftArchiv für Literatur und Volksdichtung betrachtet es als eine we­sentliche Aufgabe, die wechselseitigen Bezie­hungen zwischen Volks- und Kunstdichtung dar­zustellen.

John Meiers Schaffen und Wirken gewann über das Gesamtgebiet der Volkskunde hinaus befruchtenden Einfluß auf Germanistik und Lite­raturgeschichte. Viel internati anale Anerken­nung wurde ihm seit je zuteil und mit ehrender Hochachtung wird seiner in aller wissenschaft­lichen Welt gedacht.

Den 1884 ln Bremen geborenen Niederdeutschen dessen akademische Laufbahn ihn über die Uni­versitäten Halle und Basel nach Freiburg im Breisgau führte, betrachten seine Freunde und Schüler gern und mit Recht als die personifi­zierte Widerlegung des altenFrisia non can- tat.

Aus seinem reichen Schatz deutscher Volks­lieder hat John Meier gern zuweilen jene so

innigen Wunsch-Strophen derLiebesprobe 6^ nommen, wenn es ihm galt, einem Freunde Glückwünsche darzubringen. Er möge erlauben, daß wir ihm heute diese Strophen zu seinem 85. Geburtstag zusingen:

Wir wünschen ihm das Beste*

So viel der Baum hat Aeste.

Wir wünschen ihm so viel gute Zeit,

So viel als Stern am Himmel sein.

Wir wünschen .hm so viel Ehre,

So viel als Sand am Meere.

Wir wünschen ihm so viel Glück und Segen Als Tröpflein von dem Himmel regnen!

Dt. Schmidt-Ebhausen

Kulturelle Nachrichten

Der Württ. Kunstverein Stuttgart zeigt vot ! 18. Juni bis 17. Juli 1949 in der Scheltingstr. » in Stuttgart eine Ausstellung: ..Stuttgane Künstlerbund", die werktags von 1017 unrun sonntags von 1113 Uhr geöffnet ist.

Der Finanzausschuß des württemberg-badisches

Landtags hat 1,4 Millionen DM anstelle der sprünglich vorgesehenen 1,7 Millionen als e schuß für die Württemberg i s c badischen Staatstheoter bewilligt- Wie der württembergisch-badische Kult mint ster Dr. Bäuerle bekannt gibt, wird iffl t* 1 e 1949 in Nordwürttemberg eine beschrankte von Abiturienten zum Studium am Padag a sehen Institut Stuttgart zugelassen werden.

Mehr als 200 Mitglieder der Wiener S1 a ® und des Wiener Philharmonischen 9 rc e nac ti werden am 16 Juni eine Gastspielreise Belgien und Holland antreten. ,

Die Comedie des Chamns-Elysees in Parts ein neues Bühnenstück von Jean Anouuifi C o 1 o m b e, zur Uraufführung angenomm In diesen Tagen feiert in Witikon bei Züri der prominente deutsche Journalist Dr V/ a h 1, dessen Name mit dem der ehema » ._ Frankfurter Zeitung eng verbunden ist, nen 70. Geburtstag. e

In New York beging der bekannte, deut

Pädagoge und Philosoph Wlhelm F 0 > r s ein unentwegter Vorkämpfer der Frieden seinen 80. Geburtstag. .