16. März 1949
UMSCHAU IM LANDE
B
Nr. 32 / Seit t
Ausschüsse
m. Es gibt viele Ausschüsse, mehr als notwendig sind. Verständlich, daß Name und Funktion des einen oder anderen Auschusses dem Gedächtnis selbst jener entschwinden, die ihn konstituierten
In einer Stadt in Nordwürttemberg besteht ein Gaswerksausschuß. Durch einen Zufall stieß das Stadtväterkollegium auf die Tatsache seiner Existenz: Genannter Ausschuß hat bis heute seipe Tätigkeit noch nicht aufgenommen Ist ein schlagenderer Beweis für die Ueberflüs- sigkeit dieses Ausschusses denkbar? —
Das Oberhaupt der Stadt: „Ich kann mir das Aufgabengebiet des Gaswerksausschusses nicht vorstellen, da die Fragen der Stadtwerke durch die Verwaltungsahteilung der Stadt bearbeitet werden.“
Mit dem Umstand vertraut gemacht, daß er ja selbst den Vorsitz des Ausschusses führe, entschied er: „Der Ausschuß wird demnächst zusammentreten.“
Ob der Auschuß inzwischen zur Neukonstituierung oder zur Arbeitsaufnahme, oder am Ende gar zusammentrat, um sein Auflösung nach einjähriger Untätigkeit zu beschließen, entzieht sich unserer Kenntnis.
Sorge um die Gefangenen in Rußland Tübingen. Zu dieser m der vergangenen Montagausgabe erschienenen Nachricht ist uns ein Schreiben eines Rußlandheimkehrers zugegangen, dessen Inhalt so interessant ist, daß wir ihn unseren Lesern nicht vorenthalten wollen. Es heißt darin: „Nachdem bei uns im Lager bekannt geworden war, daß Frankreich deutsche Kriegsgefangene in das Zivilarbeitsverhältnis übernimmt wufde durch die deutsche Lagerverwaltung im Aufträge der sowjetischen Stellen bekanntgegeben, daß in unserem Bezirk (7271 Witebsk) ebenfalls ein solches Gesuch eingegangen sei Es ist aber so, daß die Sowjetunion keine deutschen Kriegsgefangenen in das Zivilarbeiterverhältnis übernimmt, bevor sie nicht die Entlassungsstelle in Frankfurt/O. passiert haben. Danach ist es jedem freigestellt, ob er wieder in die Sowjetunion zurückkehren will, oder nicht.“
Ueberbrückungsbeihilfe für Angestellte Schwenningen. Zwischen der Landesgemeinschaft der Industrie in Württemberg-Hohen- zollern und der Landesberufsgewerkschaft Angestellte in Industrie, Handel und Handwerk wurde auf Grund einer zwischen den Vertretern beider Vertragspartner erfolgten Besprechung folgendes Abkommen getroffen: Für die unter den Geltungsbereich - der Tarifordnung für die technischen und kaufmännischen Angestellten vom 7. Oktober 1938 fallenden Betriebe und Gehaltsempfänger wird der Inhalt der Vereinbarung der Me allindustrie betreffend eine Ueberbrük- kungsbeihilfe für die Zeit vom 1. Januar bis 30. April 1949 übernommen. Hienach wird eine einmalige Zulage bezahlt mit 45 DM für Haushaltsvorstände, 35 DM für Haushaltspartner und Ledige über-18 Jahre, 25 DM für Jugendliche unter 18 Jahren. Die Zahlung dieser Beihilfe erfolgt möglichst in gleichen Raten bis zum 30. April 1949. Sofern die Bezahlung der Beihilfe den Bestand eines Unternehmens nachweisbar gefährdet, bleibt es diesem Vorbehalten, mit dem Betriebsrat eine besondere Regelung zu treffen.
Doppel-Beinamputierter steuert Kleinauto
Ein Fahrzeug für Versehrte und Körperbehinderte / „Hurst 250“ ohne Fußbedienung
Zahllose Versuche sind unternommen worden, Versehrten und Körperbehinderten durch geeignete Fahrzeuge die Möglichkeit zu schaffen, sich in das Berufsleben einzuschalten und sich vom Rollstuhl unabhängig zu machen. Dem Ingenieur Arthur F. Hurst in Stuttgart gelang es, mit seinem Versehrtenfahrzeug „Hurst 250“ einen wesentlichen Beitrag zu diesen Bestrebungen zu leisten Das von ihm konstruierte Kleinauto bietet dem Beinamputierten und Gelähmten die Möglichkeit, das Fahrzeug selber zu steuern, da dieses auf Handbedienung abgestimmt ist. Durch Anbringung sämtlicher Bedienungshebel an einem Motorradlenker ist die Fußbedienung des Kleinwagens überflüssig geworden Das Fahrzeug hat sich bereits in der Hand von Versehrten bewährt und wird seit Monaten sogar von einem Doppelbeinamputierten mit einem Arm gefahren
Hurst beschäftigt sich seit 1945 mit dem Bau eines Versehrtenfahrzeuges. Anstoß gab ihm die Bitte eines körperbehinderten Freundes, ihm das Mtorrad seiner Versehrung gemäß umzubauen. Da dieses Fahrzeug jedoch keine ausreichende Sicherheit bot, ging Hurst zur Konstruktion eines vierrädrigen Versehrtenautos über. Eine wesentliche Ueberlegung bei allen Unternehmungen blieb von den Anfängen an die preisliche Gestaltung, denn nur mit einem preislich unter den üblichen Motorfahrzeugen gelegenen Kleinauto konnte weiten Kreisen von Körperbehinderten wirklich geholfen werden. Dieses Ziel ist heute erreicht, das Fahrzeug wird jetzt in Serie hergestellt.
Das Kleinauto erreicht mit dem Ilo-'Motor 250 ccm r Zweitakter, 6 PS eine Höchstgeschwindigkeit von 55 km in der Stunde. Das Fahrzeug ist auf Sicherheit und gute Straßenlage, sowie weiche Federung abgestimmt und bietet als Zweisitzer dem Versehrten die Möglichkeit, eine
Begleitperson mitzunehmen. Der vorhandene Gepäckraum kann mit etwa 30 kg belegt werden, weiterhin kann ein Anhänger mit etwa 50 kg Ladegewicht mitgeführt werden. Unter Verzicht auf Ausstattung und technische Neuheiten konnte der Verkaufspreis des Fahrzeuges trotz wirtschaftlicher Schwierigkeiten auf 2800 DM gehal-
Die neuartige Lenkung und Montage der Bedienungshebel (sämtliche am Lenkungsgrijf) ermöglichen vor allen Dingen dem Beinamputierten die Selbstlenkung des Fahrzeuges
Foto: Eugen Dod
ten werden. So wurde auf eine gepreßte Karosserie verzichtet und diese durch nach Schablonen bearbeitetes Feinblech ersetzt, das jedoch nicht unschön wirkt.
Das Fahrzeug wird zahllosen Versehrten, die bisher auf fremde Hilfe, namentlich im Straßenverkehr angewiesen waren, ihre Selbständigkeit und damit ein Gefühl der Sicherheit und neuer Lebensfreude geben.
Acht Millionen D-Mark Zoll hinterzogen
400 000 kg Kaffee und 70 000 kg Schokolade über die Schweizer Grenze geschmuggelt
Zur Bekämpfung des Schmuggels wurden in der französischen Zone die Zollfahndungsstellen Grenzach für Baden, Friedrichshafen für Würt- temberg-Hohenzollern und Neustadt für die Pfalz geschaffen. Der Umfang des Schmuggels an der deutsch-schweizerischen Grenze kennzeichnet am trefflichsten ein Tätigkeitsbericht der Zollfahndungsstelle Friedrichshafen. In einer einzigen Woche wurden hier 6500 kg Kaffee, der als Liebesgabensendung getarnt dem Schwarzen Markt zugeführt werden sollte, beschlagnahmt. In der gleichen Zeit wurden 11 Tonnen Schokolade und zwei Tonnen Kakao sichergestellt, die als Liebesgaben mit gefälschter Bescheinigung für München bestimmt waren Ein Ermittlungsverfahren über den Schmuggel von 15 Millionen Zigaretten ist noch im Gange. Allein bei der für Württemberg-Hohenzollern zuständigen Zollfahndungsstelle Friedrichshafen beläuft sich der Wert der Waren, die im letzten Vierteljahr Gegenstand von Strafverfahren waren, auf über eine Million DM.
Die für Baden zustehende Zollfahndungsstelle
Neuorganisation des Landesverkehrsverbandes
Bildung von Gebietsausschüssen in Württemberg-Hohenzollern
Seit 1947 sind die Vorbereitungen zur Gründung eines neuen Verkehrsverbandes in Württemberg aufgenommen worden, nachdem, der Landesfremdenverkehrsverband nach der Kapitulation von der Militärregierung verboten worden war. Heute gibt es in Westdeutschland wieder 18 Landesverbände, die im „Bund deutscher Verkehrsverbände“ zusammengefaßt sind. Die Badeorte sind im „Deutschen Bäderverband“ besonders organisiert. An seiner Spitze steht Bürgermeister Klepser von Bad Liebenzell. Seit 1947 steigt der Fremdenverkehr in Westdeutschland langsam an. Für 1949 wurden allein in den USA 208 000 Visa für Reisen nach Deutschland erteilt. Für das Jahr 1950 werden 300 000 Ausländer erwartet. Nachdem bereits ein Gebietsausschuß Oberschwaben innerhalb des Verkehrsverbandes Württemberg gebildet worden ist, soll im April ein Gebietsausschuß Schwarzwald, später noch Gebietsausschüsse „Alb“, und „Schwäbischer Wald“ gebildet werden. Die nord- und südwürttembergischen Stellen bilden vorläufig
— bis zur staatlichen Neuregelung in Südwesten
— eine enge Arbeitsgemeinschaft.
So wird die Organisation des Fremdenverkehrs in Württemberg, die 1908 mit der Gründung der • „Württemberglsch-hohenzollerischen
Verkehrsvereinigung“ begonnen und später die Umbenennung in „Verkehrsverband Württemberg“ bzw. Landesfremderiverkehrsverband erfahren hatte, auf neuer Basis weitergeführt. Aus dem Bericht einer kürzlich in Stuttgart stattgefundenen Mitgliederversammlung des Landesverkehrsverbandes Württemberg geht hervor, daß Württemberg im Jahre 1938 5,5 Millionen Uebernachtungen hatte. In Stuttgart allein belief sich die Zahl der Uebernachtungen bereits 1947 wieder auf 567 000 und 1948 auf 581 000. Der für das Jahr 1949 auf gestellte Haushaltplan schließt in den Einnahmen und Ausgaben mit 40 000 DM ab. Hiervon sollen 25 000 DM durch Beiträge der Mitglieder aufgebracht werden In den Vorstand des Landesverkehrsverbandes Württemberg sind gewählt worden: Dr. Seeliger, Stuttgart, Bürgermeister Klepser, Bad Liebenzell und Direktor Paule, Leiter des Hotel- und Gaststättenverbandes.
Am Montag tagte in Ravensburg der Gebietsausschuß Oberschwaben. Auf dieser Tagung wurde Stadtrat Günthör zum Vorsitzenden gewählt. Die Tagung protestierte in einem Telegramm an die Reichsbahndirektion Karlsruhe gegen die Benachteiligung Oberschwabens bei der Einsparung des Zugverkehrs.
Grenzach hat im Sommer 1948 unter anderem die illegale Einfuhr von rund 130 Millionen amerikanischer Zigaretten und seit Beginn des Jahres 1949 den Einfuhrschmuggel von 400 000 Kilogramm Kaffee, 15 000 000 Zigaretten und 70 000 kg Schokolade festgestellt, für die rund acht Millionen DM Zoll hinterzogen und die Kaufpreise in Form von Geld oder Waren eingeschmuggelt worden sind. Die Schwarzgeldumsätze der ersten Hand der seit Januar 1949 nachgewiesenen Schiebungen betragen rund 12,5 Millionen DM." Der Staat wurde um die Umsatz- und Einkommensteuern für diesen Betrag hintergangen. Trotz großer Schwierigkeiten bei der Ausübung ihrer Tätigkeit, insbesondere gegenüber Ausländern, gelang es der badischen Zollfahndung, im letzten Vierteljahr 1948 an der Schweizer Grenze eingeschmuggelte Waren im Wert von über vier Millionen DM zu beschlagnahmen.
Um den Schmuggel zollpflichtiger Waren und vor allem Schiebungen größerer Devisen und DM-Beträge zu verhindern, werden zurzeit an allen Grenzübergängen entlang der deutsch- schweizerischen Grenze zwischen, Basel und Konstanz verschärfte Zollkontrollen durchgeführt, die teilweise schon gute Erfolge zeitigten. In Basel wurde festgestellt, daß seit der verschärften Kontrolle nur noch selten größere Beträge bei Basler Banken einbezahlt werden. Der deutsche Zollfahndungsdienst verhaftete kürzlich in Weila a. Rh. und Haltingen 11 Personen, darunter mehrere Eisenbahner, die im Verdacht stehen, umfangreichen Schmuggel an der Dreiländerecke begangen zu haben
Quer durch die Zonen
Stuttgart. Die neugegründete Stuttgarter Ausstellungsgesellschaft führt vom 23. April bis 3. Mai die Stuttgarter Frühjahrsmesse als reine Verkaufsmesse durch. Die Austeilungsfläche aut dem Cannstatter Wasen umfaßt 3000 qm an Zelten und 12 000 qm Freigelände.
Tübingen. Der südwürttembergische Verwaltungsgerichtshof in Bebenhausen hat den Antrag der Landeskommunalverwaltung Hohenzol- lern auf Uebernahme der früheren Dotationspflicht des Staates Preußen abgelehnt. Infolgedessen werden die von Preußen früher in beträchtlicher Höhe gewährten Dotationen und Zuschüsse zum Haushaltsausgleich nicht in der früheren Form weitergezahlt. Die Ansprüche der Landeskommunalverwaltung Hohenzollem müssen in Zukunft im Rahmen des Finanzausgleiches zwischen dem Lande Südwürttemberg und den Gemeinden geregelt werden.
Tübingen. Vom Reisebüro Reder wird uns mitgeteilt: In Zusammenarbeit mit dem Reisebüro Kuoni, Zürich, wird voraussichtlich am 26. und 27. März ein Schweizer Sonderzug nach Tübingen durchgeführt. Der Sonderzug wird etwa 500 bis 900 Schweizer Gäste in die Universitätsstadt bringen.
Tübingen. Nach Abschluß der umfangreichen Untersuchung im Euthanasie-Prozeß Grafeneck hat die Staatsanwaltschaft Tübingen gegen 4 Aerzte und 4 weitere Beteiligte Anklage wegen Verbrechens gegen die Menschlichkeit erhoben. Die Hauptverhandlung vor dem Schwurgericht des Landgerichts Tübingen wird Ende Mal 1949 stattfinden.
Schwenningen. Der im Dezember vergangenen Jahres mit großer Mehrheit zum neuen Oberbürgermeister von Schwenningen gewählte Dr. Wolfgang Schlenker ist vom Verwaltungsgerichtshof nicht bestätigt worden, da er die im Kommunalwahlgesetz festgelegten Bedingungen nicht erfüllte.
Überlingen. Die Stadtverwaltung veranstaltet vom 4. bis 11. September eine Trachtenfestwoche, verbunden mit einer Kunst-, Gewerbe- und Handwerks-Aussstellung. An dem Treffen werden voraussichtlich alle Trachtengruppen des Bodenseegebietes, des bayerischen Allgäus, Württembergs und des Schwarzwaldes teilnehmen. Eine besondere Note erfährt die Veranstaltung durch die Teilnahme schweizerischer und österreichischer Trachten, sowie durch das erstmalige Wiederauftreten der Ueberlinger Schwertletänzer.
Die Baugenossenschaft der Stadt Wangen hat beschlossen, in diesem Frühjahr mit dem Bau von 10 Wohnhäusern zu beginnen. — Der süd- württembergische Gewerkschaftsbund und der Verband „Industrie und Metall“ von Nordwürttemberg beabsichtigen in Friedrichshofen die Errichtung eines Schulungs- und Erholungsheimes für Gewerkschaftler. — Der bekannte Kurort Wildbad hat Vorsorge getroffen, um in diesem Jahr 8000 Kurgäste aufnehmen zu können. — In Rohrdorf, Kreis Calw fuhr ein Schüler mit dem Fahrrad auf einen Personenkraftwagen auf, wobei er sich so schwere Verletzungen zuzog, daß er bald nach dem Unfall gestorben ist — An der Staatlichen Lehrschmiede für Huf- und Klauenpflege in Reutlingen beginnt am 25. April ein vier Monate dauernder Lehrgang. — Im Bahnhof Münsingen stieß beim Rangieren eine Lokomotive mit einem Lastkraftwagen zusammen. Personen wurden glücklicherweise nicht verletzt. — Die Landespolizei verhaftete in Neu- Ulm einen Mann, der fingierte Versicherungen abschloß und für diese gleich die Prämie kassierte. — Ab 1. April soll im Stahlbad Brandenburg, Kreis Ulm der Kurbetrieb für Herz- und Rheumakranke wieder aufgenommen werden. — Die Stadt Eßlingen beabsichtigt den Bau von 2000 Wohnungen.
Wir hören im Rundfunk
Vom Radio Stuttgart
Donnerstag, 17. März: 15.00 Meister ihres Instrumentes. 16.00 Nachmittagskonzert. 17.05 Kleines Konzert. 18.00 Mensch und Arbeit. 18.15 Klänge der Heimat. 20.00 Familie Staudenmaier, eine heitere Hörfolge. 20.45 Von Aerzten und Forschern. Erfindern und Entdeckern. 22.00 Für jeden etwas. 23.00 Dar groß6 Kardinal: 23.30 Jazz.
Freitag 18. März: 16.00 Nachmittagskonzert. 17.15 Kleines Konzert. 18.30 Das Heinz-Lukas-Quin- tett spielt. 20.00 „Abu Hassan“, von Carl Maria von Weber. 22.00 Johann Strauß spielt auf. 22.50 Aus Oper und Konzertsaal. 23.00 Das Tanzensemble von Radio Stuttgart.
Samstag, 19. März: 14.00 Der Sport am Wochenende. 14.15 Unsere Volksmusik. 15.00 Eine Erdbebenwarte bei der Arbeit. 15.30 Stunde der Haus
musik. 16.00 Frohes Wochenende. 18.15 Mensch und Arbeit. 18.30 Bekannte Solisten. 20.00 Zwanzig durch drei. 22.00 Die schöne Stimme. 22.30 Tanz in den Sonntag.
Vom Süd westfunk
Freitag, 18. März: 14.15 Unterhaltungsmusik. 16.00 Musikalische Teestunde. 17.30 Klaviermusik. 18.00 Sportvorschau. 19.00 Die Welt der Frau. 19.15 Volksmusik. 20.00 Goethes italienische Reise. 20.45 Kammermusik. 23.15 Kleine Intimitäten.
Samstag, 19. März: 14.15 Wir jungen Menschen. 14.45 Frohe Melodien am Samstagnachmittag. 16.00 Unser Samstagnachmittag. 19.15 Kleine Abendmusik auf der Harmonika. 20.00. Wir erfüllen Hörerwünsche mit Horst Uhse. 22.30 Der SWF bittet zum Tanz.
An den Grenzen des Lebendigen
Von Dr. W. Weidel , Tübingen
Vor 30 Jahren bemerkte D’Herelle, ein französischer Bakteriologe, daß von zahllosen, wachsenden Bakterien getrübte Bouillonkulturen gelegentlich ganz plötzlich klar durchsichtig wurden. Unter dem Mikroskop konnte man in der Flüssigkeit keine Bakterien mehr entdecken. Sie hatten sich aufgelöst wie Zucker in Wasser.
D’Herelle untersuchte diese merkwürdige Erscheinung weiter und fand, daß schon ein Tropfen Jener klaren Flüssigkeit, in eine frische Bakterienkultur gebracht, diese ebenfalls in kurzer Zeit zur Auflösung bringt. Ein Tropfen der Zweitauflösung leistet dasselbe bei einer dritten Kultur und so fort. Es mußte sich demnach in dieser Flüssigkeit ein Agens (Wirkkraft) befinden, das nicht nur imstande ist, Bakterien zu zerstören, sondern das sich auch dabei ständig vermehrt. Sonst hätte die auflösende Wirkung von Kultur zu Kultui infolge wachsender Verdünnung ja ständig abnehmen und schließlich verschwinden müssen. -
Es gelang nicht, diese Agens mikroskopisch sichtbar zu machen, denn es erwies sich als so klein, daß selbst die dichtesten Bakterienfilter es nicht zurückzuhalten vermögen. D’Herelle nannte das Agens „Bakteriophage“ (Bakterienfresser), und man hoffte lange Zeit, darin ein hervorragendes Mittel zur Seuchenbekämpfung gefunden zu haben. Leider trog diese Hoffnung, denn Bakterien werden, ohne ihre krankheitserzeugenden Eigenschaften einzubüßen, sehr bald für den Phagen unangreifbar. Wenn nämlich die Bakteriophagen, die man sich, ohne sie gesehen zu haben, — mit Recht, wie sich später zeigte —, als winzig kleine Teilchen oder Körperchen vorstellte, in eine Bakterienkultur gebracht werden, dann befallen und vernichten sie zwar den allergrößten Teil der vorhandenen Bakterien. Aber vielleicht eines von 100 Millionen Bakterien ist durch eine spontan auftretende Aenderung seiner Struktur für die Bakteriopha- unzerstörbar geworden. Diese spontane ui ,u. r ^ n ,^ er .V n ®’ we ' c h 0 man Mutation nennt, bleibt bei allen Nachkommen des Bakteriums,
x S . . , zu , m er stenmal zeigte, erhalten, und so wächst in kurzer Zeit ein Bakteriensystem heran, dessen Individuen die Phagen nichts mehr an- haben können.
Andererseits kann aber auch ein einzelnes Phagenteilchen mutieren und dadurch fähig werden, solche für seine ungeänderten Brüder unangreifbar gewordenen Bakterien doch wieder zu vernichten. Seine Nachkommen behalten diese neuentstandene Eigenschaft ebenfalls bei.
Solche Erscheinungen spontaner Struktur- und damit Eigenschaftsveränderungen — Mutationen — sind für die Biologie von höchstem Interesse, denn sie kommen bei allen Lebewesen einschließlich des Menschen vor. Die Bakteriophagen sind geeignete Objekt zum Studium sowohl der erwähnten Mutationen, als auch des Vorganges der „identischen Reproduktion“. Darunter versteht man das stete Wiederhervorbringen und damit Erhaltenbleiben bestimmter Strukturen in den Organismen von Generation zu Generation. Während nun bei den höheren Lebewesen diese unverändert weitergegebenen Strukturen als „Gene“ (Träger der Erbmasse) tief im Innern der Zelle, im Zellkern bzw dessen Chromosomen, verborgen und so der Beobachtung nur schwer zugänglich sind, liegen die Verhältnisse bei den Bakteriophagen viel‘günstiger. Ein Phagenteilchen ist noch keine Zelle mit ihren komplizierten Sonderfunktionen, es hat für sich allein keinen Stoffwechsel und „lebt“ infolgedessen nicht, solange es sich selbst überlassen bleibt, sondern es stellt in erster Näherung die in seinen Nachkommen unverändert wiederauftretende, gewissermaßen starre Struktur selbst dar.
Es ist nichts anderes als ein großes Molekül, das unter bestimmten Bedingungen — im Inneren des Bakterienleibes — weitere gleichartige Moleküle aus angebotenem Baumaterial zusammenzusetzen vermag. Diese erstaunliche Eigenschaft teilt das Phagenteilchen mit den Virusmolekülen, die u. a. am Tübinger KWI seit langem studiert werden. Es ist selbst ein Viru 3 . Es teilt sie ferner mit den' Genen, die als Erbsubstanz gleichfalls Molekülcharakter zu haben scheinen.
Inzwischen ist die Phagenforschung in Amerika vor allem durch Max Delbrück auf eine ganz neue Basis gestellt worden. Das Elektronenmikroskop gestattete es, die äußeren Umstände des Vermehrungsvorganges und die Phagen selbst sichtbar zu machen. Sie haben je nach dem Stamm, um den es sich handelt, ganz verschiedenartige Gestalt. Manche sehen aus wie Kaulquappen, manche sind schwanzlose, runde
Gebilde usw. Bei vieltausendfacher Vergrößerung erkennt man ferner, wie sich solche Teilchen an den im Vergleich zu ihnen riesengroß erscheinenden Bakterienleib anheften und in ihn eindringen oder wie ein Bakterium aus seiner geplatzten Hülle iHunderte von gleichartigen Phagenteilchen ausschüttet. Von dem Bakterium selbst bleibt dabei kaum etwas übrig.
Vieles ist inzwischen durch genial erdachte, meist recht einfache Reagenzglasversuche über chemische und andere Bedingungen der Infektion von Bakterien durch Phagen herausgefun- den worden. Nur zwei wichtigste Ergebnisse mögen hier Erwägung finden.
Wie schon angedeutet, unterscheiden sich verschiedene Phagenstämme voneinander durch charakteristische Merkmale, die ihre Klassifizierung gestatten. Sorgt man nun durch einen technischen Kunstgriff dafür, daß zwei Phagenteilchen verschiedenen Stammes, von denen das eine die Merkmale A und B, das andere die Merkmale A’ und B’ hat, zugleich in dasselbe Bakterium eindringen, dann geschieht folgendes: nach einer bestimmten Zeit platzt das Bakterium und entläßt, wie zu erwarten, Phagenteilchen mit den Merkmalen A und B sowie A’ und B’. Außerdem aber treten noch zwei neue Teilchenarten mit den Merkmalen A und B’ sowie A’ und B auf! Dieser Effekt entspricht vollkommen dem bekannten Erbfaktorenausgleich, wie ihn uns Gregor Mendel entdeckt hat.
Also läßt sich auch das dritte biologische Grundphänomen, die Sexualität, bei den Phagen unter besonders übersichtlichen Verhältnissen studieren. Ein Phagenteilchen besteht offenbar aus einer Anzahl von verschiedenartigen Untereinheiten, die während des Vermehrungsprozesses im Bakterium zu neuen Phagentypen umkombiniert werden können. Diese Annahme wird durch ein besonders verblüffendes Experiment bestätigt: Man kann Phagen durch Ultraviolettbestrahlung vermehrungsfähig machen. Ein einzelnes so „getötetes“ Phagenteilchen vermag im Bakterium keine Nachkommen hervorzubringen. Läßt man aber zwei (oder mehr) „getötete“ Phagenteilchen gleichzeitig auf ein Bakterium einwirken, dann und nur dann entstehen wieder Hunderte vermehrungsfähiger Nachkommen! Offenbar wird durch das Ultraviolettlicht, das wie eine Maschinengewehrgarbe wirkt, in jedem Phagen eine kleine Anzahl der
etwa 20 vorhandenen Untereinheiten durch Treffer zerstört. Da es unwahrscheinlich ist, daß nach der Bestrahlung in je zwei herausgegriffenen Phagenteilchen genau die gleichen Untereinheiten zerstört sind, muß man annehmen, daß die unversehrt gebliebenen Untereinheiten der beiden Phagenteilchen sich im Bakterium zu einem neuen, wieder voll funktionstüchtigen Phagenteilchen zusammenfügen. So erklärt sich die erste, authentische „Wiedererweckung von Toten“.
Süddeutschlands größtes Filmtheater
Stuttgart gehörte bis jetzt zu den Städten mit der geringsten Kinodichte in Württemberg-Baden: 14,2 Sitzplätze auf 1000 Einwohner gegenüber 39,4 in Ulm, 30,7 in Heilbronn, 23,6 in Karlsruhe und 27,9 in Pforzheim. Alle großen repräsentativen Theater waren hier durch den Luftkrieg in Asche gelegt worden. Aber eines hat sich jetzt aus dieser Asche wieder erhoben. Vorige Woche konnten die P a 1 a s t - Lichtspiele in der Königstraße, nahe dem Bahnhof, neu eröffnet werden: an derselben Stelle und In gleicher Größe wie früher und auch von den* selben Gesellschaft, der Palast-Lichtspiele AG. Stuttgart, die auch an Theatern in Reutlingen und in Freiburg i. Br. beteiligt Ist. Die Architekten Eitel und Schmidt, Stuttgart-Degerloch, haben einen stilvollen hochgewölbten Hallenbau geschaffen, der mit seinen amphitheatralisch ansteigenden 1300 Sitzen nunmehr das größte Filmtheater Süddeutschlands darstellt. Die technische Ausrüstung stellte die Firma Eugen Bauer GmbH., Untertürkheim, nach neuesten Gesichtspunkten. Es wurde eine Mustervorführkabine geschaffen, die iri Zukunft als Besichtigungsobjekt für ausländische Gäste dienen soll.
Das Theater ist vor allem vorbildlich für die Farbfilmprojektion eingerichtet. Eröffnet wurde es allerdings mit einem Schwarz-Weiß-Film, mit dem in Wien gedrehten neuen Marika-Rökk- Film „Fregola“. Im Buch ein wenig töricht und im musikalischen Einfall nicht sehr erfindungsreich, gewinnt der Film sein Publikum mehr . durch das tänzerische Können Marika Rökks und durch die hervorragende Fotografie von Günther Anders. „Ninotschka“, Lubitschs antibolschewistische Komödie mit Greta Garbo als Kommissarin, und der englische Märchenfarbfilm „Die roten Schuhe“ werden folgen: repäsentative Filme für ein repräsentatives Theater. -’-w.