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SCHWÄBISCHES

TAGBIATT

Mittwoch, 16. FEBRUAR 1949 ÜBERPARTEILICHE ZEITUNG FÜR WÜRTTEMBERG UND HOHENZOLLERN 5 . Jahrgang / nummer 20

Aufforderung zumGehorsam

Eine Warnung an die nichtkommunistischen Parteien der Ostzone

Carmona wiedergewählt

LISSABON. Das portugiesische Innenmini­sterium veröffentlichte am Montag früh vor­läufige Endergebnisse der Präsidentenwahlen. Danach haben in 13 Verwaltungsdistrikten von 730 887 Wählern sich 586 747 (80,3 Prozent) für Marschall Carmona entschieden.

In Lissabon stimmten von 213 975 Wählern 166 692 für Carmona. Die Wahlbeteiligung be­trug rund 80 Prozent.

Die Regierung hatte in den Provinzen, in denen die Opposition besonders stark vertre­ten ist, in Erwartung von Zwischenfällen Truppen bereitgestellt. Es kam jedoch nir­gends zu Unruhen. Innenminister De A b r e u erklärte, die von der Opposition begangenen taktischen Fehler seien einer der Haupt­gründe für den Wahlsieg des derzeitigen Regi­mes. Die führenden Männer der Opposition hätten sich niemals mit dem Kommunismus verbünden und Angriffe gegen die Kirche richten dürfen.

BERLIN. Die nichtkommunistischen Par­teien in der Ostzone müssen sich in Zukunft noch mehr als bisher den Wünschen der Kom­munisten fügen, wenn sie nicht Repressalien ge­wärtigen wollen. Das wurde diesen Parteien am Dienstag in einer sehr scharfen Warnung klargemacht.

Die Warnung geht wohl unmittelbar zurück auf Vorgänge im erweiterten Landes Vorstand der CDU Brandenburg. Dort war es vor kur­zem zu Demonstrationen gegen den General­sekretär der CDU der Ostzone, Dertinger, ge­kommen, der Jakob Kaisers Nachfolger ist und der die Zusammenarbeit mit der SED in einem Maße befürwortet, das den Mitglie­dern der CDU offenbar als zu weitgehend er­scheint. In einer Sitzung des Landesvorstan­des wurde der Rücktritt Dertingers gefordert und verschiedene Redner nahmen sehr ent­

schieden gegen den Terror der SED Stellung. Die russisch lizenzierteBerliner Zeitung befaßte sich jetzt mit diesen Geschehnissen und behauptete, rebellische Elemente in der Christlich-demokratischen und in der Liberal­demokratischen Partei der Ostzone behinder­ten dieBlockpolitik mit der SED. Die ge­nannten Parteien könnten aber nicht als Agenten des Imperialismus, sondern nur als loyale Blockpartner eine Zukunft haben.

Da in verschiedenen sächsischen Städten, wie gemeldet, ein von Mitgliedern der CDU und der LDP geleitetesvolksfeindliches Spio­nagenetz aufgedeckt worden ist, scheint man jetzt bei der SED und der Militärregierung entschlossen zu sein, Maßnahmen zu ergrei­fen, die CDU und LDP noch stärker als bis­her dem Willen der Kommunisten zu unter­werfen.

Jugoslawien wird gehört

LONDON. Entgegen der seit Beginn der Konferenz zur Ausarbeitung des Staatsver­trags für Oesterreich eingenommenen Haltung haben die Sonderbeauftragten der Westmächte nunmehr der sowjetischen Forderung, den stellvertretenden jugoslawischen Außenmini­ster Bebler anzuhören, zugestimmt. Man nimmt an, daß damit der Stillstand der Be­ratungen überwunden ist. Die USA sind zwar nach wie vor gegen die jugoslawischen Ge­bietsansprüche, hoffen jedoch, daß bei der nochmaligen Ueberprüfung die Jugoslawen ei­nen Kompromißvorschlag machen. Bebler wird voraussichtlich am Wochenende vor der Kon­ferenz erscheinen, vermutlich gleichzeitig mit dem österreichischen Außenminister Dr. Gru- ber.

In der Montagsitzung vertraten die Dele­gierten der Westmächte erneut den Stand­punkt, Oesterreich müsse von Reparationszah­lungen befreit werden. Bei dieser Gelegenheit betonte der Vertreter der Sowjetunion, er un­terstütze nach wie vor die Forderungen Jugo­slawiens.

Feierliche Verurteilung des Mindszenty-Prozesses

Die Ansprache des Papstes vor den Kardinalen

VATIKANSTADT. Papst Pius XII. ver­urteilte am Montag vor dem außerordent­lichen geheimen Konsistorium in feierlichster Form den Prozeß gegen den ungarischen Fürstprimas,' Kardinal Mindszenty.

16 Kardinäle waren in dem Saal, in dem das Konsistorium stattfand, versammelt, wo­bei sie in der Reihenfolge des Amtsalters auf den Bänken vor dem päpstlicher! Thron Platz genommen hatten. Der Papst, umgeben von den Prälaten seines Kabinetts, trug Trauer­gewänder in Rot, der Farbe der Trauer für den Pontifex. Nach den kurzen Eröffnungs­feierlichkeiten mußten alle Anwesenden mit Ausnahme der Kardinäle den Raum verlassen. Die Kardinäle hörten dann stehend und ent­blößten Hauptes die lateinische Ansprache des Papstes.

Unsere Seele ist von tiefstem Kummer er­füllt, heißt es zu Beginn. Das Ziel des Pro­zesses in Budapest sei gewesen, die katholische

Mehr Toleranz für europäische Soziaiistengefordert

Scharfe Kritik an der Außen- und Innenpolitik der USA

WASHINGTON. Die amerikanische Gesell­schaft für nationale Planung, der u. a. Indu­strielle, führende Gewerkschaftler und Uni­versitätsprofessoren angehören, veröffentlichte einen Bericht, in dem sie u. a. eine größere To­leranz der USA gegenüber den Parteien for­dert, die einendemokratischen Sozialismus vertreten. Herausgestellt wird die Bedeutung dieser Parteien für die Stabilität des politi­schen Lebens in Europa und darauf hingewie­sen, daß ihr Verschwinden zum Kommunis­mus oder zum Faschismus führen müsse.

Der Nationalrat gegen Militärdienst, dem u. a. Einstein und die Schriftsteller Louis Brom- fleld und Pearl Buck angehören, wandte sich in einer Broschüre gegen den Versuch der amerikanischen Militärs, auf alle Gebiete des nationalen Lebens der USA Einfluß zu gewin­nen. Noch niemals in der amerikanischen Ge­schichte hätten so viele Offiziere bedeutende Regierungsstellen bekleidet. Die Wirtschaft des Landes sei diesen Kreisen auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.

Der republikanische Senator Flanders äu­ßerte vor dem Parlament des Staates Ver­mont, die USA seien dabei, denkalten Krieg propagandistisch zu gewinnen, aber wirtschaftlich zu verlieren Stalin bestimme buchstäblich den Kurs der amerikanischen In­nenpolitik. So müßten verschiedene Verbesse­rungen der Sozialfürsorge in den USA un­ausgeführt bleiben, wenn die außenpolitisch bedingten Ausgaben weiterhin den bisherigen

Heftige Kämpfe in Griechenland

ATHEN. 4000 Partisanen griffen am Samstag die von Regierungstruppen hartnäckig vertei­digte Stadt Florina an. Florina liegt 15 km von der jugoslawischen Grenze entfernt. Unter­richtete Beobachter weisen darauf hin, daß möglicherweise Marschall Tito den griechischen Partisanen seine weitere Unterstützung zu ent­ziehen und ihnen sogar seine Grenze zu ver­schließen gedenke. Damit würde die Frage ei­nes Korridors für die von Bulgarien und in der Nähe des albanischen Raumes Operieren­den zu einer Lebensfrage für die Aufständi­schen. Die Stadt Florina wäre ein geeigneter Stützpunkt für die wirksame Kontrolle dieses Korridors.

Umfang behalten würden. Die USA steuerten einer uferlosen Inflation, der Wiedereinfüh­rung der Wirtschaftskontrolle und der Ver­wandlung in einenGamisonsstaat entgegen, in dem Freiheit und Besitz der Bevölkerung den Anforderungen der Streitkräfte aufgeop­fert würden. Flanders forderte, die Armee sollte mit der Vergeudung von Menschen und Material aufhören, damit die Staatsausgaben herabgesetzt würden.

General Eisenhower kritisierte das konstante Anwachsen der Regierungskontrollen, die zu einer Art Diktatur führen könnten. Die Ge­fahr liege in derschleichenden Lähmung des Denkens und der Gewöhnung anpatriar­chalische Maßnahmen der Regierung. Ein Schwarm von Bürokraten werde die Besitz­verhältnisse langsam zugunsten einer Zentrai- regierung verschieben, so daß schließlich nichts anderes mehr übrig bleibe, als zur Diktatur, dem einzigen Mittel, mit dem diese riesige Or­ganisation geleitet werden könne, zu greifen.

Kirche in Ungarn zu vernichten. Die ungari­schen Behauptungen, der Heilige Stuhl habe entsprechend einem Plan zur politischen Be­herrschung der Nationen Anweisungen zum Widerstand gegen die ungarische Republik und ihre führenden Männer erteilt, bezeich- nete der Papst als vollständig falsch.Wir tun das, was die geschändeten Rechte der Kir­che und die Würde der menschlichen Person verlangen. Die katholische Kirche lasse sich nicht von 'irdischen Beweggründen leiten und billige jede Regierungsform, sofern sie nicht im Widerspruch zu den göttlichen und mensch­lichen Rechten steht. Trotz der traurigen Um­stände sehe er, so erklärte der Papst, einen gewissen Trost in dem zähen Glauben der un­garischen Katholiken und der entschlossenen Haltung des Episkopats, die Freiheit der Kir­che zu verteidigen. Die Verurteilung Kardinal Mindszentys sei eine sehrernste Schandtat, die nicht nur die Kirche, sondern auch jeden Verfechter der Würde'und Freiheit des Men­schen tief verletze. Der Papst flehte den All­mächtigen an, alle, die die Zügel eines Staa­tes in Händen haben und die Freiheit der Kirche mit Füßen zu treten wagen, zu erleuch­ten, daß sie verstehen lernten, daß keine menschliche Gemeinschaft auf die Dauer be­stehen könne, wenn die Religion unterdrückt werde. Er schloß mit den Worten:Das, hoch­verehrte Brüder, wollten wir Euch in dieser würdigen Versammlung zur Kenntnis geben, Euch, die Ihr an der Führung unserer Kirche durch Einsatz Eurer erleuchtenden Weisheit und pflichtgetreuen Aktivität beteiligt seid.

Unmittelbar nach seiner Ansprache und nachdem er den Anwesenden den Apostoli­schen Segen erteilt hatte,' zog der Papst sich in seine Gemächer zurück.

Die katholische Aktion hat alle Katholiken Roms für nächsten Sonntag zu einer Kund­gebung auf dem Petersplatz aufgerufen, wo Papst Pius zu der Menge über den Mindszenty- Fall sprechen wird.

Am Mittwoch werden die Diplomaten von - 36 Nationen dem Papst ihre Entrüstung über die Behandlung des Kardinals Mindszenty zum Ausdruck bringen.

Lange und Sadak bei Bevin

Atlantikpakt im Vordergrund der Besprechungen

LONDON. Der britische Außenminister B e- vin empfing am Montagnachmittag den so­eben aus den USA zurückgekehrlen norwegi­schen Außenminister Dr. Lange und den Außenminister der Türkei, Sadak. Zur Un­terredung mit Lange gab das Foreign Office ein Kommunique heraus, wonach die Mini­sterallgemeine politische Fragen im Hin­blick auf die Sicherheit der Nordatlantik­staaten und die Möglichkeiten eines Verteidi­gungspaktes im Rahmen der Charta der UN erörterten.

Nach Mitteilung skandinavischer Diploma­ten hat Lange noch am Montagabend ge­äußert, er nehme an, daß Norwegen dem Nordatlantikpakt als Gründerstaat beitreten werde zumal die USA erneut betont hätten, daß eine bevorzugte Lieferung von Waffen an Staaten oder Staatengruppen außerhalb des geplanten Paktes nicht in Frage komme.

Lange wird heute nach Oslo zurückfliegen. Sobald er seiner Reg'erung berichtet hat, tre­ten die Ministerpräsidenten der skandinavi­

schen Staaten abermals in Oslo zusammen, um vielleicht zum letztenmal die Frage zu erörtern, ob doch noch eine skandinavische Allianz möglich sei. Die diplomatischen Ver­treter dieser Länder in London halten dies allerdings für unwahrscheinlich.

Die Unterredung Bevins mit dem türki­schen Außenmin ; ster galt gleichfalls in erster Linie dem Atlantikpakt, daneben dem Gedan­ken eines Sicherheitssystems im Mittelmeer. Türkische Kreise in London erklärten, die Türkei wünsche den baldigen erfolgreichen Abschluß der Verhandlungen in Washington und die Wiederherstellung des wirtschaftli­chen und politischen Gleichgewichts in Euro­pa. Die Verwirklichung des europäischen Rats, den die Türkei nicht nur auf die westeuro­päischen Staaten beschränkt wissen möchte, w ! rd gleichfalls für wesentlich angesehen.

Zuständige türkische Kre ? se Londons ver­wahrten sich gegen Gerüchte, wonach die Türkei zur Teilnahme am Atlantikpakt be­reit sein sollte.

Während der Sender ^Freies Griechenland in einem Frontbericht die Verluste der Regie­rungstruppen auf 1000 Gefallene und Verwun­dete beziffert, geht aus einem Kommunique des Generalstabs der Regierungstruppen her­vor, daß am Sonntag über 600 gefallene Auf­ständische gezählt und 325 Aufständische ge­fangengenommen worden seien, die Regie­rungstruppen aber nur 26 Gefallene hatten.

Die Kämjjfe um Florina wurden noch am Dienstag mit unverminderter Heftigkeit fort­gesetzt. Nach Presseberichten leiten den An­griff der Aufständischen der Führer der grie­chischen kommunistischen Partei, Zachariades, Und der an die Stelle von Markos getretene Joannides, persönlich.

Lecourt Nachfolger von Marie

PARIS. Zum Nachfolger des zurückgetrete­nen französischen Justizministers Andre M a- r i e wurde Robert Lecourt (MRP) ernannt. Lecourt hat diesen Posten bereits in dem vor­hergehenden Kabinett bekleidet. Er erklärte nach seinem Amtsantritt, daß er innerhalb von zwei bis drei Monaten die noch nicht ab­geurteilten Fälle der Kollaboration und die Säuberungsverfahren erledigen wolle.

Marie ist einerseits aus gesundheitlichen Gründen er ist lungenleidend anderer­seits wegen der Kritik der Nationalversamm­lung an seiner Amtsführung zurückgetreten.

Sowjetisch-iranische Spannung

TEHERAN. Der sowjetische Botschafter in Teheran hat am Samstag gegen die Behaup­tung eines iranischen Parlamentariers, Ruß­land sei bei dem Mordanschlag auf den Schah von Persien am 4. Februar mit im Spiel ge­wesen, Protest erhoben. Ein Vertreter der ira­nischen Regierungspartei hatte im Parlament aus einem Notizbuch des Attentäters Stellen vorgelesen, aus denen die Verdächtigungen der Sowjetunion abgeleitet wurden. Der so­wjetische Botschafter erklärte, die Veröffent- rlichung derartigen Materials stelle eine Pro­vozierung der Sowjetunion dar.

Wendung zum Westen?

Von John F. Reynolds, London

Wenn der Vorhang einmal aufgeht, werden auch die Kulissen nicht mehr über die Dürf­tigkeit der Ausstattung hinwegtäuschen kön­nen, sagte ein neutraler Diplomat kürzlich nach langjährigem Aufenthalt in den sowje­tischen Ländern Osteuropas. Der Vorhang, von dem er sprach, war der zum Sprichwort gewordeneeiserne, der an manchen Stellen schon ziemlich dünn geworden ist.

Im Januar hat sich der Vorhang zum ersten Male merklich gehoben, obwohl dies sicher­lich nicht in der Absicht derer lag, die hinter der Bühne die Drähte ziehen. Der Umfang des britisch-polnischen Handelsvertrages, der ei­nen beiderseitigen Warenaustausch im Werte von mehr als einer Milliarde Dollar vorsieht, hat selbst gut unterrichtete Kenner der po­litischen und wirtschaftlichen Verhältnisse im Nachkriegs-Europa überrascht. Im Rahmen dieses Vertrages erwartet Polen von England die Lieferung von Maschinen und Geräten, die es ursprünglich aus der Sowjetunion ein­zuführen beabsichtigte. Das war im polnisch­sowjetischen Handelsvertrag, der erst im vo-- rigen Jahr abgeschlossen worden ist, ausdrück­lich vorgesehen. Die Tatsache, daß Polen jetzt die gleichen Waren aus England zu importie­ren wünscht, ist ein deutlicher Beweis dafür, daß die Sowjetunion bisher noch nicht in der Lage war, die vertraglichen Lieferungen vor­zunehmen.

Diese Tatsache hat folgenschwere Bedeu­tung. Sie bestätigt die lange gehegte Vermu­tung, daß die Sowjetunion sich in Europa er­heblich übernommen hat: Der Kreml hat sei­nen osteuropäischen Vasallen Wechsel auf die Zukunft ausgestellt, und sieht sich außer­stande, diese einzulösen. Es ist bezeichnend, daß Polen bereits vor dem Abschluß seines Handelsvertrages mit England weitgehende Zusagen über die Zahlung von Entschädigun­gen für verstaatlichtes britisches Eigentum in Polen gegeben hat. Sie gehen erheblich über das hinaus, was die polnische Regierung an­deren Mächten angeboten hat, und die polni­schen Abzahlungsvorschläge haben in der Londoner City angenehme Ueberraschung her­vorgerufen. Fast unbekannt ist, daß die Tsche­choslowakei nicht nur den Zinsendienst für die amerikanische Anleihe, die ihr vor dem Krieg gewährt wurde, wieder aufgenommen, son­dern Kapitalrückzahlungen vorgenommen hat, die über ihre vertraglichen Verpflichtungen hinausgehen. Ebenso unbekannt ist, daß Bul­garien sich in diesem Monat freiwillig ver­pflichtet hat, von Oktober an den lange un­terbrochenen Zinsendienst an Auslandsgläubi- ger wieder aufzunehmen.

Was die maßgebenden Männer in Sofia und Prag, in Warschau und Bukarest mit diesen beinahe stillschweigenden Konzessionen an der Westen bezwecken, ist offensichtlich. Osteuropa ist im Begriff, die abgerissenen Wirtschafts­fäden zum Westen neu anzuknüpfen, aber diese Bemühungen des Ostens können nur dann er­folgreich sein, wenn es dem Osten gelingt, das verlorene Vertrauen des Westens wieder zu erlangen und sich neuen moralischen und wirtschaftlichen Kredit zu verschaffen.

In London und in Washington hat man diese wirtschaftlichen Annäherungsversuche des Ostens nicht nur zur Kenntnis genommen Man bemüht sich vielmehr, die Entwicklung zu fördern nicht nur, weil die wirtschaft­liche Gesundung Westeuropas die Wiederher­stellung normaler Wirtschaftbeziehungen zwi­schen West und Ost zur Voraussetzung hat, sondern weil diese Entwicklung geeignet sein könnte, zum Abbau der trennenden Mauern und zur Beendigung des kalten Krieges beizu­tragen.

Es kann kaum einen Zweifel geben, daß der Kreml diese Vorgänge mit stark gemischten Gefühlen beobachtet. Als Molotow die osteu­ropäischen Vasallen vor einem Jahre zwang, sich vom Marsball - Hilfsprogramm auszu­schließen, war eines seiner Hauptargumente, daß Osteuropa von der Sowjetunion die glei­che wirtschaftliche H'lfe erhalten könne wie von den Vereinigten Staaten, ohne sich darum in die wirtschaftliche und ideologische Ab­hängigkeit vom sogenannten Dollar-Imperia­lismus begeben zu müssen. Dieses Argument hat sich als falsch erwiesen was man übri­gens in Prag und Warschau stets befürchtet hatte.

Der Kreml hat im vergangenen Jahre in Europa schlechte Erfahrungen gemacht. Nicht nur ist die kommunistische Welle in VfOst­europa im Abflauen begriffen, sondern selbst Osteuropa beginnt jetzt trotz aller ideologi­schen Haßgesänge, sein Gesicht wieder teil­weise dem Westen zuzuwenden. Die Männer im Kreml sind nüchterne Rechner. Sie haben aus der Zwischenbilanz die logische Folge­rung gezogen und das Schwergewicht ihrer politischen Offensive in außereuropäische Ge­genden verlegt.

Allerdings wäre es voreilig, wenn man in Westeuropa nunmehr mit der baldigen Wie­derherstellung normaler Wirtschaftsbeziehun­gen zwischen Ost und West rechnen würde. Die kommunistische Landreform in allen so- wjetisierten osteuropäischen Ländern hat zu einem starken Niedergang der landwirtschaft­lichen Produktionskurve geführt, Die Folge ist jedenfalls, daß der exportfähige UeberschuB der osteuropäischen Landwirtschaft heute er-