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Mil den illustrierten Unterhaltungsbeilagen „Feierstunden" und „Unsere Heimat"
Mit der landwirtschaftlichen Wochenbeilage „Haus-, Garten- und Landwirtschaft"
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Nr. 827
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Segrünäet 1826
Mittwoch, den 29. September 1926
Fernsprecher Nr. 29
190. Jahrgang
Tagesfpiege!
Dr. Stresemann ist zur Beteiligung an der Borde- sprechung des Parteitags der Deutschen Volkspartei nach Büdesheim am Rhein (im besetzten Gebiet) abgereist. Er wird auch an dem sich anschließenden Parteitag in Köln teilnehmen.
Der Berlreter -es deutschen Reichskommissars für die besetzten Gebiete, Ministerialdirektor Graf Adelmann, hat bei der Rheinlandkonnnission Beschwerde gegen die französischen Roheiten in Germersheim erhoben.
Der Auswärtige Ausschuß des Reichstags ist auf 7. Okt. vormittags 10 Uhr, zu einer Sitzung einbernfen worden.
Die Hamburger Hafenarbeiter haben mit Dreiviertelmehrheit den Ausstand beschlossen.
Wahlreform in Baden
Im kommenden Winter wird sich der badische Landtag mit der Umgestaltung des badischen Wahlgesetzes zu befassen haben. Von seilen der führenden Zentrumspartei wird darauf hingewiesen, daß das gegenwärtige Wahlsystem das Volk nicht befriedige, vielmehr das politische Interesse lähme. So schreibt der Sekretär der badischen Zentrumspartei, Isele, in einem Aufsatz, in der Partei sei eine Abnahme der Parteifreudigkeit sowohl beim Bauernstand (wegen der landwirtschaftschädlichen Wirtschaftspolitik) als auch im kaufmännischen und gewerblichen Mittelstand und in der Beamtenschaft (wegen der Verbindung mit der Sozialdemokratie) festzustellen. Politische Gleichgültigkeit und Verdrossenheit seien Zeichen der Gegenwart. —. - .
Eines der angesehensten Mitglieder der badischen Zcn- trumspartei, der frühere Abgeordnete W i t t e m a n n, Präsident des Rechnungshofs, hat nun die Forderung einer Wahlrcchtsänderung in Form eines Gesetzentwurfs niedergelegt. Ohne Zweifel wird dieser Entwurf, der sicher nicht ohne Fühlung mit der Partei aufgestellt ist, die Grundlage für den Entwurf der Regierung bilden.
Dis neue badische Verfassung schreibt für die Wahlen zum Landtag folgendes vor: Das Land muß in mindestens vier Wahlkreise eingeteilt sein, auf je 10 000 Stimmen entfällt ein Abgeordneter, die Reststimmen werden für die Landesliste verwertet, auf einen Rest von mehr als 7500 Stimmen entfällt noch ein Abgeordneter. Wahlkreisverbände gibt es in Baden nicht. Gelingt es einer Gruppe nicht, in einem Wahlkreis die nötige Stimmenzahl für einen Abgeordneten aufzubringen, so kommen ihr trotzdem die Stimmen in den Wahlkreisen für die Landesliste zugute. In diesem Punkt weicht das badische Wahlrecht vom Reichstagswahlrecht ab. Und hier liegt auch eine Ursache für die starke Zersplitterung. Hier will der Reformoorschlag des Zentrums zunächst eine Aenderung treffen; es soll bestimmt werden, daß eine Partei nur dann durch die Landesliste einen Abgeordneten gewinnen kann, wenn sie in mindestens einem Wahlkreis einen Abgeordneten durchgebracht hat. Den Grundsatz der Verhältniswahl will das Zentrum unberührt lassen. Das Mittel zur Wiederbelebung des Interesses der Wähler sieht das Zentrum in der Rückkehr zum Einerwahlkreis. Der Plan des Zentrums sieht folgendes vor: Das Land wird in 32 Wahlkreise eingekeilt (jetzt 7, nach der alten Verfassung 73). In jedem Wahlkreis können von jeder Wählergruppe oder Partei zwei Kandidaten aufgestellt werden, die gleichzeitig auch in andern Wahlkreisen kandidieren können. Der Wähler soll das Recht haben, den Kandidaten der ersten Stelle an die zweite zu setzen oder einen Namen zu streichen und ihn durch einen Bewerber der gleichen Gruppe aus einem andern Wahlkreis zu ersetzen. Kandidiert ein Bewerber in mehreren Wahlkreisen zugleich, so gilt er dort als gewählt, wo er die meisten Stimmen erhalten hat. Auf je 10 000 Stimmen entfällt, wie bisher, ein Abgeordneter, die Reststimmen in den Wahlkreisen werden für die Landesliste verwertet. Auf dieser Landesliste stehen die Namen aller Kandidaten in den einzelnen Wahlkreisen. Wer in einem Wahlkreis gewählt ist, wird aus der Landesliste gestrichen. Den Kandidaten der Landesliste werden die Sitze nach der Höhe ihrer Stimmenzahl zugeteilt. Kandidaten, die zu keinem Sitz kommen, gelten als Ersatzmänner. Sind bei einem Ipater freiwerdenden Sitz keine Ersatzmänner der betreffendst Partei vorhanden, dann findet Nachwahl statt, wobei als gewählt gilt, wer die verhältnismäßige Mehrheit und mehr als ein Drittel aller gültigen Stimmen erreicht.
Die Vorschläge des Zentrums sind so gehalten, daß eine Verfassungsänderung, wofür in Baden eine Volksabstimmung erforderlich wäre, nicht notwendig wird. Die Sozial- -Eie Hot sich grundsätzlich zur Mitarbeit an einer Wahlreform bereit erklärt, zeigt aber gegenüber der Wahl- kreisemteilung nach dem Zentrumsvorschlag offenes Mißtrauen. Von anderer Seite liegen noch keine Aeußerungen zu den Zentrumsplänen vor, jedoch ist die Auffassung über d»e Zweckmäßigkeit einer Wahlreform bei der Bolkspartei, bei den Demokraten und auch bei den Deutschnationalen nicht einheitlich.
Poincare in Bar le Duc
Die Meinung in Frankreich und England
Paris. 28. Sept. Gestern nachmittag hielt Poincare vor dem Generalrat seines Heimatbezirks Var le Duc in Lothringen die angekündigte politische Rede. Er führte u. a. aus, als er wiederum die Regierung übernommen habe, seien die Staatsfinanzen in übelster Lage gewesen. Schuld daran habe auch Deutschland, das mehrere Jahre seine kriegsentsHü-iEungszahlungen verzögert habe. Seit 10. August fei die Lage besser geworden, die Währung fange an, zu gesunden. Die Regierung werde im Parlament die Vertrauensfrage über die von ihr eingeleitete Verwaltungs- reform (deren finanzieller Erfolg noch gering ist) stellen. Nicht Frankreich treffe die Schuld, es sei vielmehr das Opfer einer Lage, die nur eine entschiedene patriotische Begeisterung und nationale Eintracht ändern könne. Von gewisser Seite (Amerika) habe man den Versuch gemacht, zudringliche Blicke auf die Ersparungen im französischen Haushalt und aus seine Ausgaben zu werfen- Frankreich werde aber nach einem Krieg, den es nicht verschuldet (!), und nach einem Sieg, den es teuer bezahlt habe, keine Verletzung seiner Würde und Selbstherrlichkeit dulden. Die Abtragung der französischen Schulden würde noch bedeutender gewesen sein (es hat noch nichts bezahlt, außer einigen Millionen an England! D. Schr.), wenn Frankreich nicht gezwungen gewesen wäre, die Last des Wiederaufbaus selbst zu übernehmen dadurch, daß Deutschland seinen Verpflichtungen lange nicht ncchgekommeu sei. Das habe die Finanzen Frankreichs ruiniert (!). Frankreich wurde überfallen. Keine Nation hänge mehr am Frieden als Frankreich und keine habe den Krieg weniger gesucht, und die sranzösische Regierung habe alles getan, um ihn zu verhindern (diese .Heuchelei!). Keine Ratio» hake .sich jeis.Unterzeichnung der Verträge geduldiger bemüku, den Bestimmungen von Versailles Folge zu leisten (Ruhrüberfall!). Frankreich ver- lanae nur die ständiae S'-^ernna seines endaültig wieder-
kisrgestellten Gebiets und die regelmäßige Zahlung der versprochenen Entschädigungen. Es habe sich niemals geweigert, sich mit Deutschland über Fragen zu besprechen, die beide Länder angehen, und es sei zu Annäherungsversuchen bereit, vorausgesetzt, daß sie sich mit Frankreichs Verträgen und Bündnissen vereinbaren lassen. Das dürfe aber nicht dazu führen, die Schuld der kaiserlichen Regierung am Krieg in Zweifel zu ziehen, die durch Beweise für die materielle und moralische Entwaffnung Deutschlands gelöhnt werde« müsse. Niemand werde es verwunderlich finden, wenn Frankreich bei der bestehenden Unsicherheit an seinen vertraglichen Rechten festhalte und auf seine Wachsamkeit nicht verzichte. *
Aus jedem Satz spricht die alte Verlogenheit und der alte Haß Poincares. der sich aber vergebens bemühen wird, seine Schuld am Krieg und an den zahllosen Vertrags* Verletzungen nach dem Krieg abzuleugnen.
Die Meinung in Frankreich und EnKand
Jn Paris hat die Rede Poincares sehr befriedigt. Auch die Presse lobt es, daß Poincare in der Kriegsschuldfrage eine „beruhigende Formel" gefunden habe, indem er die Schuld auf Stellen legte, die nicht mehr vorhanden sind. Damit könne sich auch Deutschland abfinden, so daß weitere Untersuchungen über die Schuldfrage überflüssig seien. (Die Schuldlüge soll also aufrechterhalten werden, nur soll sie dem neuen Deutschland weniger bitter gemacht werden.)
Die Londoner „Times" schreibt, Poincares Rede sei eine gerechte und wohl erwogene Antwort auf die unglückliche Behauptung Strelemanns, Deutschland lehne die Bezichtigung der alleinigen Schuld am Krieg ab. Die Stellung Frankreichs werde von der öffentlichen Meinung Englands und aller Verbündeten geteilt.
Neuestes vom Tage
Hindenbvrgs 7S. Geburtstag Berlin, 28. Sept. Der Reichspräsident hat, der B. Z. zufolge, gestern Berlin verlassen, um einige Tage auf dem Sande zu verbringen und seinen 79. Geburtstag am 2. Oktober in aller Stille zu feiern.
32 Millionen Reichsbeihilfe für die Ostgebiete
Berlin, 28. Sept. Um den dringlichsten Notständen in den östlichen Grenzgebieten Preußens möglichst schnell abzuhelfen, hat die Aeichsregierung beschlossen, oem Reichsrat und Reichstag einen Nachtrag zum Haushalt des Aeichsministeriums des Innern vorzulegen, in dem 32 Millionen Reichsmark für bestimmte kulturelle und wirtschaftliche Aufgaben in den Ostgebieten angefordert werden. Der Berwendungsplan ist im Einvernehmen mit der preußischen Staatsregierung aufgestellt worden. Die Mittel sollen noch >n diesem Rechnungsjahr zur Verwendung kommen.
Schritte gegen Friedensburg Berlin. 28- Sept. Der zweite Polizeipräsident von Berlin, F r i e d e n s b u r g, hat in einer Versammlung des republikanischen Reichsbundes schwere Verdächtigungen gegen die Kanzlei des Reichspräsidenten bezw. gegen Hinden- burg selbst geäußert. Das Büro des Reichspräsidenten sei die Stelle, durch die versucht werde, unter Ausnutzung einer gewissen Gegensätzlichkeit zwischen Preußen und dem Reich Anordnungen der preußischen Behörden zu durchkreuzen. (Es handelt sich u. a. um die Vorträge des Pariser Hetzers Basch in Deutschland). Der Staatssekretär im Büro des Reichspräsidenten, Dr. Meißner, hat den preußischen Innen, minister Severtng um Einsendung des genauen »ich beglaubigten Wortlauts der Rede Friedens-burgs ersucht.
Die Lohnbewegung im Berliner Baugewerbe Berlin. 28. Sept. Im Lohnstreit im Berliner Baugewerbe hat das Schiedsgericht sowohl die Forderung der Arbeitgeber auf Herabsetzung der Löhne wie die Forderung der Arbeitnehmer auf Lohnerhöhung adgelehnt.
Die Bluttat in Germersheim Germersheim. 28. Sept. Als Schuldige bei der Wuttat in Germersheim, wobei ein Deutscher getötet und zwei sckMer verletzt wurden, wurden zwei französische Leutnants er? mittest, die in Aivilkleidung gingen und mit den drei deutschen Arbeitern in Wortwechsel gerieten, wobei sie sofort von der Schußwaffe Gebrauch machten.
„Annäherungsversuche- in Main,
Mainz. 28. Sept. Am hiesigen Bahnhof belästigten französische Soldaten deutsche Vorübergehende in empörendster Weise und bedrohten sie mit Revolvern. Diese Brutalitäten dauerten zwei volle Stunden, bis eine Wache die Sowaten mitnahm.
Me Siedlungsmöglichkesten in Südamerika
Rom, 28. Sept. Auf dem hiesigen Kongreß der Amerika- Forscher hielt gestern nachmittag der deutsche Geograph, Universitätsprofessor Penck, einen Bortrag über die Möglichkeiten und die Entwicklung der Besiedlung Südamerikas. Penck glaubt, daß Südamerika 2'/l Milliarden Menschen ernähren könnte, wenn die Urwälder urbar gemacht würden. Selbstverständlich könne sich eine solche Entwicklung erst in Jahrhunderten vollziehen. Die südamerikanischen Ureinwohner, die Indianer, seien für eine derartige Entwicklung nicht geeignet, mehr seien dies die Europäer und die Nachkommen von aus Europa Eingewanderte». Allerdings könnte die Besiedlung nur dadurch geschehe»» baß sie langsam in die Tropengegenden vorrücke.
Verlängerung des Ermächtigungsgesetzes in England
London, 28. Sept. Das Unterhaus nahm mit 237 gegen 122 Stimmen den Antrag an, der der Regierung Handlungsfreiheit für ihr Borgehen im Bergarbeiterstreik währender Herbstkagung überläßt. Erstminister Baldwin erklärte: Die Bergarbeiter sind jetzt tatsächlich an dem Punkt angelangt, der gleich eine Lösung möglich gemacht hätte» wenn sie diesen Standpunkt von Anfang an eingenommen hätten. Der ganze Zwist ist ein neuer Beweis für die beklagenswerte Torheit, Streitigkeiten durch Streiks lösen Mt
«ollen. Diese Art kann niemand befriedigen als jene klein» Minderheit, die aus dem Unglück des Landes Ruhe« z»i ziehen hofft. Schahkanzler Churchill erklärte, die AP- gierung beabsichtige nicht, mit Rücksicht auf den gegenwtft- ttgen Streik dem Gedanken einer vorläufigen Verstaatlichung der Bergwerke näherzutreten.
In Südwales haben weitere 12 000 Arbeiter dt» ArdeA wieder ausgenommen.
Aenderung in der Fremdengerichtsbarkett in Schanghai zugunsten Chinas
London, 28. Sept. Aus Schanghai wird der Lbschtuk eine» Abkommens zwischen den Konsul arbebörden und de« chinesischen Provinzialbshörben über die Aushebung des gemischten Schiedsgerichtshofs berichtet. Die Klage eines Ausländers gegen einen Chinesen wird in Zukunft von v««» Gerichtshof abgeurteitt, dem ein ausländischer Assessor bed gegeben ist, der indessen nur die Eigenschaft als hat und keine juristischen Rechte besitzt. Interessant sich aus dem Abkommen für die Chinesen das Recht «e Durchsuchung der Gebäude von Auzlländsvn in TchonAhal ergibt.
Württemberg
StuttMtt. 28. Sepk. ZusammentrittdesLand- tags. Wie verlautet, wird der württ. L. .mg voraussichtlich am 20. Oktober für «in« etwa Ivtägige Tagung zusammentreten
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