Sette 2 Nr. 2«L

Gedenktag der Gefallenen in Nürnberg

Nürnberg, 29. August. Zum erstenmal seil der Beendi­gung des Kriegs wird hier ein Gedenlüao zu Ehren der Ge­fallenen abgehalken. Am Freitag nachmittag wurden 48 Regimenksfäbnen, die im Heeresmusenm in München unter- gebracht sind, nach Nürnberg überführt und von einer Ehrenkoinpagnie der Landespolizei um Bahnhof abgeholt und in Verwahrung genommen. Zu dem prächtigen Schauspiel hatte sich eine festlich gestimmte, nach Tausenden zählende Menschenmenge am Bahnhofplatz eingefunden. Kurz darauf traf Generalfeld­marschall von Mackenjen, stürmisch begrüßt, hier ein. Er wurde von 50 Radfahrern in sein Hotel geleitet- Am Freitag abend fand großer Zapfenstreich mit Fackelzug und Beleuchtung der alten Zollernburg statt. Die eigentliche Feier, zu der die bedeutendsten Heerführer des Weltkriegs elnttafe«, fand am Samstag und Sonntag statt.

Württemberg

Stuttgart, 29. August. Unnütze Beschuldigungen. In Zeitungsartikeln war gegen die württ. Regierung der Vorwurf erhoben worden, daß sie die Belange Württem­bergs bei der Aufstellung des Arbeitsbeschaffungs­programms des Reichs und der Reichspost nicht genügend vertreten habe. Diese Behauptung beruht, wie eine amtliche Mitteilung feststellt, mindestens auf einer völ­ligen Unkenntnis der Tatsachen. Vielmehr hat die Regie­rung die besonderen Belange Württembergs bei jeder Ge­legenheit nachdrücklich vertreten. Allerdings läßt sich noch nicht übersehen, welchen Erfolg diese Schritte haben werden, da die Verhandlungen zwischen dem württ. Arbeitsmini­sterium und dem Reichsarbeitsministerium noch nicht abge- sthlossen sind. Die weitere Behauptung, daß von dem nach­träglichen Bauprogramm der Reichspost im Betrag von 20 Millionen nichts aus Württemberg entfalle, ist ebenfalls fatsch: vielmehr kommen von diesem Betrag 800 000 Mark auf Württemberg. Daß von den 300 Millionen, die die Reichspost sonst für das Arbeitsbeschaffungsprogramm für 1926 vorgesehen hat, nur etwa 10,5 Millionen Mark auf Wütkemberg kommen, hat seinen Grund darin, daß diese 300 Millionen in der Hauptsache zur Beschaffung von Ka­beln, Fernsprechapparaten usw- vorgesehen sind, und daß es t» Württemberg keine Fabriken für diese Lieferungen gibt. Dagegen wird zurzeit das württembergische Bauge­werbe von der Reichspost weit stärker mit Aufträgen be­dacht als dasjenige im übrigen Reichspostgebiet.

Schädigung des freien Gewerbes. Bon dem Landtags­abgeordneten Th. Fischer (BB.) ist an die Staatsregie­rung folgende Kleine Anfrage gerichtet worden: .Bon der Forftbekleidungsverwaltung ging am 3. August d. 2. eia Schreiben an die Forstämker, in welchem den Beamten des Forstverwaltungsdienstes Tuche >md Trikot für Aeberröcke, Zappen, Hosen, Mäntel und llmhänge angeboten werden. Ich frage am Was gedenkt das Staatsministerium gegen ein solches, das freie Gewerbe außerordentlich schädigende Vor­gehen einer Staatsbehörde zu tun?'

Prinz Weimar. Am 31. August find es 25 3ahre, daß Prinz Hermann von Sachsen-Weimar in Berchtesgaden nach kurzem Krankenlager gestorben ist. Prinz Weimar, dessen Denkmal in der Neckarstrccke steht, war Ehrenpräsident des Württ. Kriegerbundes unä eine in ganz Württemberg hoch­geschätzte und sehr beliebte Persönlichkeit-

Eia Schwabe als Lnckners Begleiter. Wie man hört, wird Polizeihauptmann a. D. Franz Ehemann, der frühere Stabschef von Oberoolizeidirektor Hahn, den Grafen Luckner bei seiner Weltumsegelung als Privatsekretär be­gleiten.

Todesfall. Baurat Ulrich Pohlhammer, der Erbauer der kakh. St. Nikolaus Kirche in Stuttgart und vieler anderer IKrchen des Landes, ist hier hochbetagk gestorben.

Bom Tage. Beim Königsban geriet eine Frau beim Ab­springen von einem lahrenden Skraßenbahnwaoen unter den Dänen und wurde schwer, wenn auch nicht lebensgefährlich »erletzt.

Nagold« TagblattDer Gesellschafter"

Aus dem Lande

Heilbronn. 29. August. Winz erbesuch. Am Diens­tag mittag werden 20 österreichische Winzer, die auf einer Studienreise durch die deutschen Weinbaugebiete begriffen sind, von Weinsberg kommend lwo die Weinbauanstalt be­sichtigt wurde) hier eintreffen. Es ist hier eine Besichtigung der Rebveredelungsanstalt in der Kelter beabsichtigt, an­schließend eine Weinprobe. Für den Gegenbesuch deut­scher Winzer in Oesterreich wurde Weingartner Christian Schickste, 'er Verwalter der Nebschule der Win.'ergenossen- schaft, bestimmt.

Heilbronn. 29. August. Beanstandeter Voran­schlag. Der Voranschlag der Stadt Bückingen für 1926 mit einem Abmangel von 420 000 wurde durch die Min.- Abt. für Körperschaftsverwaltung beanstandet. Insgesamt wurden ca. 230 000 -4t Ausgnbenposten (Wohnungs- und Straßenbau usw.) beanstandet. Bei den Einnahmen wur­den die für die Gebäudeentfchuldungsstsuer eingesetzte Summe als zu nieder erachtet, dssgl. die für Hundesteuer und Gebäudesteuer. Auch wurde von Einstufungen einzel­ner Beamten der Nachweis der Genehmigung gefordert.

Großgartach OA. Heilbronn, 27. Aug. Bösartiger Farren. Der stellvertretende Farrenwärter P. Friedrich wurde von einem bösartig gewordenen Farren angegriffen und ziemlich erheblich an der Brust verletzt. Wären nicht gleich hilfsbereite Männer zur Stelle gewesen, so hätte der Vorfall einen schlimmen Ausgang genommen.

Lausten a. 29. August. Von der Oehmdernte. Die Oebmdernte ist hier beendet. Das Oehmdheu konnte bei bester Witterung eingeheimst werden. Der Ertrag befriedigt m jeder Hinsicht.

Wimpfen, 29. August. L e b e n s r e t t un g. In der Nähe des Neckar-Freibads waren einige Mr Zeit hier zur Erholung weilende Frauen beim Baden, als plötzlich zwei von ihnen in ein Loch gerieten und sanken. Dem Wilhelm Klenk von hier, einem guten Schwimmer, gelang es mit Hilfe eines anderen Herrn, die beiden Frauen wieder glück- kch ans Ufer zu bringen.

hast. 29. August. Vom Stadt. Theater. Der Ge­meinderat hat eine Eingabe des Theaterdirektors Braun um Aeberlasfung des städk. Theaters auf ein weiteres Jahr abgelehnt. ^

Estwangen, 27. Aug. Spende. In hochherziger Weise hat E. Leicht aus Zürich, ein alter Ellwanger, die Stadt mit 5000 NM. bedacht mit dem Ersuchen, davon den Betrag von 2000 RM. dem Geschichts- und Altertumsverein Cllwangen, dessen Mitglied er ist, zukommen zu lassen, die übrigen 3000 RM. zugunsten notleidender Armen zu ver­wenden.

Aldmaen, OA. Spaichinaen, 29. Auaust. Unglück­licher Schütze. Tödlicher Sturz. Der verhei- ratete Harmonikamacher Johannes Strohm machte nach Feierabend mit einer Luftflinte Schießübungen. Hiebei schoß er den 15 Jahre alten Sohn des Nachbars Johannes Hasser in ein Auge. Der Verletzte mußte sofort in die Augenklinik nach Äottweil verbracht werden, wo das Auge herausgenommen werden mußte. Der 79 Jahre alte Bauer'Christian Haller Peters fiel von dem oberen Stock der Scheuer herab. Er war sofort tot.

Schramberg. 29. August. An Blutvergiftung gestorben. In einer hiesigen Gastwirtschaft hatte das 19jährige Servierfrüulein Frieda Schuhmacher von Dun- ningen das Mißgeschick, beim Servieren zu stürzen und sich dabei Schnittwunden am Arm zuzuziehen. Die Verletzte mußte das städt. Krankenhaus aussuchen, wo der Arzt Blut­vergiftung seststellte, an deren Folgen das Fräulein starb.

Alm. 29. August. Elektrische Reichsbahn. Es ist anzunehmen, daß die Vorarbeiten für die Einführung des elektrischen Betriebes aus der Strecke UlmMünchen bereits im nächsten Jahr ausgenommen werden.

Saulgau. 29. August. Bestraftes Neujahrs- schießen. Ein früher hier bedienstet gewesener Stall­schweizer, der in der Neujahrsnacht in der oberen Kaiser- ltrake NN Zwei Stellen Svrengpatronen zur Entzündung

Montag, SV. August 1S2V

brachte und' dadurch infolge Beschädigung und Zertrümme­rung von Fensterscheiben einen größeren Sachschaden ver­ursachte, wurde vom hiesigen Amtsgericht zu der Gefängnis­strafe von drei Monaten verurteilt.

Jsny, 29. August. Kirchenchorgesangsfest. Am Sonntag, den 12. September, findet hier das oberschwäbische evangelische Kirchenchorgesangsfest statt. Bei diesem Anlaß werden etwa 500600 Sänger und Sängerinnen Mitwirken.

Eisenharz OA. Wangen, 29. August. Einbruch. Bei dem Landwirt Benedikt Schöneberger in Haitzen wurde eingebrochen und 60 -4t gestohlen. Die Familie war auf dem Felde bei der Heuarbeit. In der Wohnstube waren zwei Nähterincken mit Kleidermachen beschäftigt, ohne etwas zu bemerken.

Vom Bodensee, 29. August. Verhaftung eines Falschmünzers. 3m Wald bei Immenstaad ist eine Falschmünzerwerkstatt ausgehoben worden. Der Polizei ge­lang es, einen in den 50er Jahren stehenden Mann, einen geborenen Schweizer, in Immenstaad zu verhaften, der als einer der Falschmünzer in Frage kommen dürfte. Es wur­den bei ihm 10 000 -4t an Altsilber und Gold gefunden.

Seit einigen Jahren hat sich am Bodensee ein bis dahin unbekannter Fischräuber heimisch gemacht. Es ist der Säge­taucher, der zur Gattung der Entenvögel gehört, ein schöner, großer Schwimmvogel, der sonst in den nördlichen Meeren lebt.

Illertissen. 29. August. Großfeuer. Vorgestern nacht ist in der Holzriemenfabrik A.-G- Großfeuer ausgebroche«, das das Hauptgebäude (Verarbeitungswerk), sowie das Bureaugebäude vollständig in Asche legte. Zerstört sind 29 Maschinen, Motors und dergl., etwa 150 Kubikmeter Hotz «nd 1500 versandbereite Holzriemenscheiben. Gegen 6 Uhr früh konnte der Brand von der Feuerwehr lokalisiert wer­den. Das Feuer verursachte eine derartige Hitze, daß selbst die Telegraphenstangen und Bahnschwellen am nahen Bahn­hof m Brand gerieten. Der Schaden ist sehr groß. Aks Brandursache wird Selbstentzündung des Sägmehls a«° geWmmen. .

Aus Stadt und Land

Nagold, 30. August 1926.

Es ist ein großes Ding, immer zu Zweien fein!

Nietzsch e.

Dieustnachrichten.

Durch Entschließung des Herrn Kirchenpräsidenten vom 27. August ds. Js. ist die Pfarrei Gültlingen, Dekanats Nagold, dem Pfarrer Hesler in Illingen, Dekanats Knitt- lingen. übertragen worden. Der neuernannte Geistliche tritt sein Amt am 6. Oktober ds. Js. an. Seine Amtseinfühmng durch Dekan Otto findet am Sonntag, 10. Oktober ds. Js. im Vormittagsgottesdienst statt.

Die Reichsbahndirettion hat den Eisenbahninspektor Grimm in Stuttgart (Reichsbahndirektion) nach Wildbad als Vorsteher der Bahnstation mit der Dienstbezeichnung Bahnhossmspektor versetzt.

*

Der gestrige Sonntag

stand vom Morgen bis zum Abend im Zeichen des Sports. Schon um 8 Uhr sah man ein munteres Völkchen sportsfreu­diger junger Männer auf dem Sportplatz an der Calwersttaße sich tummeln, das an den Vereinskämpfen des Sportvereins von 1911, der gestern sein ISjähriges Bestehen feierte, teil- nahm. Der goldene Morgen mit seinen wärmenden Sonnen­strahlen ermunterte jeden, auf freiem Rasen seine Kräfte mit anderen zu messen und gab den Ansporn zu immer besseren Eigenleistungen. Auch der Sonne haben wir es zu verdanken, daß das vom Ortsausschuß für Leibesübungen und Jugend­pflege veranstaltete Werbeschwimmen so glänzend verlaufen ist. Man höre und staune: es waren als Zuschauer bei dem Sport, von dem man bisher hier noch nicht viel wußte und dem man vielleicht auch etwas ablehnend gegenüberstand, un-

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(13. Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.)

Die blauen Mützen in der Hand.

Der Vorsteher gab das Abfahrtszeichen. Langsam setzte .sich der Zug in Bewegung. Und auf einen Wink Hasemanns stieg dem abfahrenden Kommilitonen das alte, ewig-junge, echteste aller Studentenlieder als Abschiedsgesang nach: Gaudeamus igitur Iuvenes dum sumus

Es klang hell und brausend in die Morgenluft.

Hans von Schlieben stand am Fenster, weit herausgebückt, und winkte zurück. Und die blauen Mützen winkten ihm nach und der Gesang wurde leiser und leiser und bei einer Biegung war plötzlich alles bunter Farbengruß und schal­lendes Lied ihm entschwunden.

Da ließ er sich aufatmend in die Ecke der Polsterbank fal­len und lächelte vor sich hin.

Freiheit! Frauenliebe! Vaterland!

Was war dagegen Familientradition, Adelshochmut und Kastenselbstbewußtsein! Die Idee der Familie war ein nichts, wenn es galt, für Freiheit, Frauentum und Vater­land einzustehen!

Ich komme wieder ich komme wieder!" murmelte er. Renate wie hast du mich so anders gemacht als ich war, da ich herkam zu dir. Ich danke dir, Mädel!"

Die LandaleK aber zogen geschlossen vom Bahnhof in die Stadt zurück. Der frühe Morgen, die frohe Abschiedsfeier alles das hatte sie ganz munter gemacht.

Als sie durch die Gasse schritten, in der Hans von Schlie­ben gewohnt hatte, und sie sich dem Hause der Frau Rai­mund näherten, ging mancher Blick zu den Fenstern hinauf» und plötzlich ries Hasemann, einer Augenblickseingebung fol­gend, aus:

Wir singen das Heckenrosenlied! Ein Gruß für Renate Raimund, der Holden!"

Und aus jungen Kehlen brauste das Lied zu den Fenstern hoch, das Renates Lieblingslied war, weil schon ihr Vater es gesungen hatte und ihre Mutter es selbst noch oft summte, wenn sie allein war und in Erinnerungen versank.

Renate hörte es, sie hatte sich gerade angekleidet und ihre Gedanken waren bei dem Geliebten. Nun wußte sie. die Vandalen hatten ihn zur Bahn gebrach, sie kamen zurück- Hans war unterwegs.

Sie preßte die Hände gegen das Herz. Lugte hinter der Gardine vor.

Ein Reiter kam geflogen.

Weit flattert sein Mantel im Wind.

Sag', bist du mir noch gewogen.

Herzallerliebstes Kind?

Da lackten sie beid'

Zur Sommerszeit,

Wenn im Walde im Walde Die Heckenrosen blühn.

Mützenschwenken zu den Fenstern hinauf. Ren stand mit rotem Gesicht da.

Ob er wiederkam? Wie der Reiter im Liede, der sein herzallerliebstes Kind" wieder suchte?

Die Studenten zogen weiter.

Renate legte den Kopf in die Hände.

Nun war die Sommerzeit für sie vorbei- Sie war wieder allein.

Würde sie wiederkommen?

Einmal?

Würden noch einmal im Walde die Heckenrosen blähen für sie? Für sie?

Still saß sie am Kaffeetisch der Mutter gegenüber. Ihr Gesicht war blaß.

Frau Raimund beobachtete sie verstohlen.

Sollte sie sprechen? Trösten?

Nun stand Renate auf.

Ich muß gehen. Mama"

Ihre Augen trafen sich. Und da schluzte sie plötzlich heiß auf.

Mutter!"

Mein dummes, liebes Mädel"

Frau Raimund drückte sie mütterlich an sich.

Ich weiß alles Renate und ich weiß, daß dir dein Herz sehr wehtun wird. Aber der Schmerz wird vergehen. Das ist das erste Weh. das uns Frauen die Liebe schlägt. Wir haben es alle einmal ertragen müssen"

Mutter Mutter"

Sie beugte sich näher zu ihr herab.

Es gibt ein Mittel, den Schmerz zu lindern, Kind. Das ist der Glaube. Glaube an das Glück, und vielleicht wird es dich ebensowenig täuschen wie es mich einst getäuscht hat. Wir Frauen haben keine andere Waffen gegen den Schmerz Und nun geh' und wenn du wiederkommst, will ich deine Augen wieder leuchten sehen."

6. Kapitel.

Herr von Schlieben, Exzellenz, Inhaber hoher und höchster Auszeichnungen. Direktor der großen chirurgischen Universi­

tätsklinik zu Berlin, zog die Augenbrauen bedenklich in die Höhe, was bei ihm immer ein Zeichen großer Erregung war.

Seine Gattin, eine würdig« Dame mit tadellos frischem, grauen Haar, noch immer elegant in Erscheinung und Hal­tung, mit einer gewissen jugendlichen Note in der Kleidung, saß ihm gegenüber am Eßtisch des großen, mit vornehmer Kultur ausgestatteten Speisezimmers. Ihr Gesicht, leicht gepudert, blickte kühl, gelassen den Gatten an. Es war noch immer voll einer gewissen Anmut in der Linie, Spuren früherer Schönheit waren erhalten. Was der Physiognomie aber den besonderen Ausdruck gab, das war die Kühle, die

man konnte es nicht anders nennen aristokratisch steife Maske, die nie, oder doch nur höchst selten, rein menschliches Fühlen zum Durchbruch kommen ließ.

Adelsstolz bis zum Hochmut gesteigertes Selbstbewußt­sein das war die prägnante Note dieser Frau.

Clemens es wird dir nichts anderes übrig bleiben als daß du zu Hans hinfährst und mit ihm sprichst, bevor er noch schlimmeres verübt. Es steckt eben in ihm allzuviel hm Selbständigkeitstrieb und Hinneigung zum Volk. Ich habe das immer gesagt."

Exzellenz von Schlieben räusperte sich vernehmlich.

Dumme Sache dumme Sache," murmelte er,ich hätte dem Jungen doch solche Torheit nicht zugetraut. Wirklich

in seinen Jahren einfach verblüffend. Die Auskünfte sind ja niederschmetternd."

Ja das waren sie nach Meinung der Exzellenz und seiner Gattin.

Von dem Duell hatte ihnen Hans von Schlieben natürlich selbst geschrieben, und das hätten ihm Exzellenz auch nicht verübelt. So eine Ehrenstrafe nun, es war kein Makel

im Gegenteil, es gab ihm eine besonders interessante Note in den Augen der jungen Damen der Gesellschaft. Aber Herr von Schlieben und seine Gattin hatten es für nötig ge­halten, sich nach dem Anlaß des Duells näher zu erkundigen, über den Hans ziemlich obenhin geschrieben hatte, indem er einfach von einer Dam« erzählte, für die er eingetreten war.

Eine Dame? Frau von Schlieben hatte bereits intensiv über die zukünftige Lebensgefährtin ihres Sohnes noch­gedacht und war zu der Erkenntnis gekommen, daß Jutta von Lengefeld, die einzige Tochter eines Großindustriellen und guten Freundes der Familie, vortrefflich zu Hans passen würde. Er kannte sie bereits, sie war Ende der Zwanzig, von mondäner Lebensart, und, wen,, auch nicht häßlich, so doch von jener pikanten,gcinachlen" Schönkeil, wie st» in Sen Salons üblich ist. Obi ' Puder, Schminke und rassimert- eleganter Garderobe, ohne das Bügen de, Brillanten war ihre Anziehungskraft dahin. lFonietzuiig iolgt )