Sette 2 - Nr. 182

Nagolder TagblattDer Gesellschafter*

Samstag. 3. Juli 1928

ehemals Neulich war, zeigt heute so richtig die^Fokgepf'Dev

»polnischen Wirtschaft".

Wahrlich ein schlimmes Jahr: Zur Geschäftskrisis und Arbeitslosigkeit nun auch noch das gräßliche Unglück des Hochwassers, das in weiten Gebieten unseres Vaterlandes die Ernte dieses Jahres restlos vernichtet hat, ganz ab­gesehen von dem Sachschaden, den die unbarmherzigen Muten in solchen so schwer heimgesuchten Gegenden angerichtet haben. Reich und Länder, Gemeinden und Privaten werden alles aufbieten müssen, um der schlimmsten Not einigermaßen M steuern. Und auch dann werden die betroffenen Unglück­lichen noch viele Jahre an den Wehen des namenlosen Un­glücks zu tragen haben.

Arbeitslosigkeit! Am meisten leiden darunter unsere Kaufmannsgehilfen, namentlich die über 40 Jahre. Der Reichswirtschaftsrat und der Unterausschuß des Reichstags wollen ein Gesetz vorschlagen, das u. a. den Be­trieben die Einstellung eines Angestellten über 40 Jahre auf He 5 Angestellte zur Pflicht machen soll. Ist gewiß dankens­wert, aber ob im geschäftlichen Interesse ratsam, wenn Prin­zipale bei der Wahl ihres Personals mehr an das Alter als an die Eignung gebunden sind?

Die Arbeitslosigkeit um nochmals daraus zurückzukommen macht begreiflicherweise unserer Reichs- Regierung viel zu schaffen. Die Ziffer der in N o t st a n be­arbeiten beschäftigten Arbeitslosen stieg von 27 870 am 15. Dez. 16"5 auf 170105 am 15. Mai 1926. D - ist die höchste Ziffer von Notstandsarbeitern, die nach der Inflation in Deutschland und wohl auch überhaupt in der '"Zelt erreicht worden ist. Daneben sind aber immer noch 1,75 Millionen unterstützte Arbeitslose, die gewaltige Summen dem Reich, den Ländern und den Gemeinden kosten. Wie hier Abhilfe schaffen? Neichsarbeitsminister Brauns kündigte am letzten Montag im Reichstag allerlei a u ß e r o r d e n t l i ch e M a ß- nahmen an: neue Wasserstraßen bauten (Mittel­landkanal, Staubecken Ottmachau, Hansakanal, Küstenkanal, Kanalisierung des unteren Mains), Förderung der Land­wirtschaft, Kultivierung von Oedland, größere Arbeits­beschaffung bei der Reichsbahn, Förderung des Wohnungs­baus, Ersetzung der ausländischen (immer noch etwa 50 000) durch deutsche Arbeiter, weitere Straßenbauten u. a. m. Bei diesem Anlaß erfahren wir, daß wir Württemberger mit der Arbeitslosigkeit immer noch besser dran sind als andere Reichsteile (bei 1000 Einwohnern Reichsdurchschnitt 28, Württemberg 17).

Nicht minder Sorge bereitet der Regierung das Für­st e nk o m p r o m i ß. Tag für Tag streitet man sich darum Die Deutschnationalen stemmen sich gegen jede ver­fassungswidrige d. h. entschädigungslose Enteignung fürst­licher Pirvateinkünfte, die Sozialdemokraten dagegen wollen im Sinne des durchgefallenen Volksentscheids das Kompromiß möglichst nach links schieben, wofür die Re­gierung mehr entgegenkommen zu haben scheint. Bis jetzt kam bei den einzelnen Paragraphen knapp die verfassung's mäßige Zweidrittelmehrheit zusammen. Allerdings dadurch, ""ö die beiden großen Flügelparteien sich der Abstimmung enthielten, allerdings aus gegenteiligen Gründen. Die letzte Karte wird bei der dritten Lesung aufgelegt. Darauf dar> man wirklich gespannt sein und Reichsinnenminister Dr h"t erklärt, die Regierung werde, wenn der Entwurt AH/, angenommen würde, »ihre Konsequenzen ziehen" Welche? Reichstagsauflösung oder Zurückziehung d. h. Ver­tagung der Vorlage bis nach den Sommerferien? Beides wäre ein innenpolitisches Ilebek, doch das zweite ein kleineres als das erste.

. große Prozesse, die seit Jahr Md Tag das

VolE in Aufregung hielten, haben endlich ihren Abschluß gesunden. Der Angeklagte Iwan Kutisker, einer -er schlimmsten Schädlinge unseres Wirtschaftslebens wurde wegen fortgesetzten Betrugs, Urkundenfälschung und Anstiftung zur Abgabe falscher eidesstattlicher Erklärungen . afe von 5 Jahren Zuchthaus 4 Millionen Mark ond 10 Jahre Ehrverlust verurteilt. Im Spritschieber­prozeß wurde der Angeklagte Hermann Weber wegen fortgesetzter aktiver Bestechung und wegen Betrug- M einer Gesamtstrafe von IJahr 9 Monaten Gefängnis wwre zu einer Geldstrafe von insgesamt 20 000 verurteilt Hoffentlich findet -er Barmatprozeß endlich auch ein Ende. These Prozesse sind im Grunde nur Stichprofen aus Er Zeit tiefer moralischer Verkommenheit, aber auch ein ^EE/d. daß das deutsche Volk auch in seinem politischen und sittlichen Niedergang sich noch ein Gewissen bewahrt hat, das sich gegen seine schlimmsten Verderber zu wehren vermag.

Deutscher Reichstag.

Das Sperrgefetz

in erster und zweiter Lesung angenommen.

Berlin, 1. Juli.

Der Reichstag verrichtete in seiner gestrigen Sitzung Aufräumungsarbeit. Bei Eröffnung teilt Präsident Löbe u. a. mit, daß der Reichstag am Freitag eine zweite Sitzung (Abendsitzung) oder am Samstag eine Sitzung werde ab­hallen müssen. Es folgt die erste Beratung der Vorlage, durch die das Sperrgesetz für die Auseinandersetzungs­prozesse mit den Fürstenhäusern bis zum 31. 12. 1926 ver­längert werden soll. Reichskanzler Dr. Marx nimmt sofort das Wort zu einer Begründung des Entwurfs und betont u. a., wenn die Reichsregierung mit dem vorliegenden Gesetzentwurf eine Verlängerung der Sperrfrist vorschlage, so dürften aus der Einbringung dieses Entwurfs vor der Entscheidung in der Fürstenfrage keineswegs Schlüsse dahin gezogen werden, als sei in der Auffassung der Reichsregie­rung über die alsbaldige Erledigung dieser Frage eine Wandlung eingetreten. Sie sei vielmehr entschlossen, noch vor den Ferien die Vorlage über die Auseinandersetzung mit den Fürstenhäusern zur Entscheidung zu bringen und sie erwarte, daß der Reichstag sich mit der erforderlichen Mehrheit für die vorgeschlagene Lösung des Problems be­kennen werde. Wenn diese Erwartung sich nicht erfülle, so lege die Regierung auf die Verlängerung der Sperrfrist keinen Wert mehr. Das Sperrgesetz wird hierauf in erster und zweiter Lesung angenommen. Das Haus wendet sich dann der Beratung des Antrags des Haushalts­ausschusses betr. die Bewilligung von Wiederausbaudarlehen zu, der besagt, die Regierung möge Mittel bereitstellen, um den Geschädigten, die einen «ntschädigungsfähigen Liqui­dationsschaden mit einem Grundbetrage von mehr als 200 000 Mark erlitten haben und entwurzelt sind, über den Rahmen der Richtlinien für Wiederaufbaudarlehen hinaus Darlehen zum Zwecke des Wiederaufbaues zu gewähren, sofern dieser der deutschen Außenwirtschaft dient und ein besonders volkswirtschaftliches Interesse an ihm besteht. Nach längerer Aussprache wird der Ausschußantrag angenom­men, ebenso eine Zentrumsentschließung, in der die Regie­rung ersucht wird, baldigst Mittel bereitzustellen, aus denen auch denjenigen Wiederaufbaudarlehensberechtigten, deren Unternehmungen nicht der Außenwirtschaft dienen, ein er­

höhtes Wiederaufbaudarlehen gewahrt weroen rann, ,owen der Wiederaufbau im allgemeinen volkswirtschaftlichen In­teresse liegt. Zu den verschiedenen Anträgen auf För­derung des ländlichen Siedlungswesens fordert der Woh­nungsausschuß in einem Antrag die Regierung auf, bis zur Erschließung von Kreditmöglichkeiten in den nächsten fünf Jahren einen Betrag von je 50 Millionen bereitzustellen. Von allen Parteien ist dazu eine Entschließung eingegangen, die Fürsorgeeinrichtungen und zinslose Wirtschaftskredite für die Flüchtlingssiedler verlangt. Es entspinnt sich eine län­gere Debatte, nach der der Antrag des Ausschusses mit der Entschließung der großen Parteien angenommen wird. In zweiter und dritter Beratung wird hierauf ohne Debatte der Gesetzentwurf angenommen, durch den die privaten Versicherungsgesellschaften verpflichtet werden, die Kosten des Reichsausschußamts für Privatversicherungen durch Ge­bührenzahlung zu decken. Ohne Aussprache wird dann auch in zweiter und dritter Beratung das Süßstoffgesetz ange­nommen. Danach betrügt die Süßstoffsteuer bei Sacharin 2 Mark, bei Dulcin 5,50 Mark. Es folgt die 2. Beratung der vierten Novelle zum Reichsversorgungsgesetz. Die Vor­lage will wegen der gegenwärtigen Notlage der Kranken­kassen auch weiterhin in den die Kassen besonders belasten­den Fällen Ersatz leisten, nachdem die allgemeine Ersatz­pflicht des Reiches für die Heilbehandlung kriegsbeschädigter Kassenmitglieder am 1. 4. 1926 abgelaufen ist. Der Aus­schuß für Kriegsbeschädigtenfragen beantragt die Annahme der Novelle und eine Entschließung, die weitere Mittel für die Versorgung der Kriegsbeschädigten und -Hinterbliebenen, besonders aber eine erhöhte Pflegezulage für die Blinden verlangt. Nach unwesentlicher Debatte wird die Novelle in 2. und 3. Lesung in der Ausschußfassung angenommen, ebenso die von dem Ausschuß beantragte Entschließung. In 2. und 3. Beratung findet dann eine Novelle zu dem Ge­setz über die Beschäftigung Schwerbeschädigter Annahme, ebenso dss Gesetz über die Rückgabe der für Besatzungs­zwecke in Anspruch genommenen Grundstücke an die früheren Besitzer.

Neuestes vom Lage

Deutsche Rokhilfe für die hochwasserbekroffenen Berlin, 2. Juli. Der Reichsarbeiisausschuß der Deutschen Nothilfe trat am 1- Juli zu einer Sitzung zusammen. Die Vertreter der beteiligten Ministerien, der Lander, der Spitzenverbände der Wirtschaft und der freien Wohlfahrts­pflege waren zahlreich vertreten. Aus dem Erlös von Wohl­fahrtsbriefmarken wurden über 300 000 Mark ausgeschüttet, rund eine halbe Million Mark ist bereits den örtlichen Wohl- fahrtsorganifationen aus dem Ertrage der Wohlfahrtsbrier- marken zugeflossen. Der Reichsarbeitsausschuß empfahl den Landesausschüssen und den Wohlfahrtsverbänden, die aus sie entfallenden Beträge nach Möglichkeit zugunsten der durch Hochwasser Geschädigten zu verwenden. Ferner wurde beschlossen, die Wohlfahrtsbriefmarkenserien mit deutschen Länderwappen durch Neuausgabe zum Beginn des Winters fortzusetzen. Die grundsätzliche Zustimmung des Reichspost­ministeriums liegt hierfür bereits vor. Die Reichsgeschäfts­stelle der Deutschen Nothilfe, Berlin W. 8, Wilhelmstraße 62, wurde endlich beauftragt, Spenden für Hochwassergeschä­digte entgegenzunehmen. Einzahlungen werden erbeten auf das Postscheckkonto der Deutschen Nothilfs, Hochwasserschä­den, Berlin Nr. 160 000, ferner nehmen Geldbeträge ent­gegen -di« Reichsbank, die Deutsche Bank, die Direction der Discontogesellschaft, der Darmstädter und Nationalbank, die Dresdner Bank nebst Filialen, sonne die Deutsche Giro­zentrale mit den ihr angeschlossenen öffentlichen Kassen.

Der Reichssinanzminisier für Anleiheablösung Berlin, 2. Juli. Im Haushaltsausschuß des Reichstags wurde der Gesetzentwurf zur Aufhebung des Reichsgesetzes über die Schutzpolizei der Länder vorgenommen. Der Aus­schuß beschäftigte sich dann mit den Vorschlägen des Unter­ausschusses für die Frage der Anleiheablösung. Reichsfinanz­minister Dr. Reinhold verwies auf feine kürzlich abgegebenen Erläuterungen zum Etat, wo er betont habe, daß der Etat nur balanziert werde, wenn der Reichstag keine neuen An­forderungen stelle. Wenn hier aber die Ueberschüsse des Rechnungsjahres 1925 für ganz bestimmte Zwecke der An­leiheablösung in Anspruch genommen werden sollen, so kä­men seine Berechnungen ins Wanken- Der Minister schlug eine Kompromißsormel vor, die denselben Zwecken dienen solle wie die Beschlüsse des Unterausschusses. Selbstverständ- lichsei er auch der Auffassung, daß bei der Anleiheablösung den alten, kranken und bedürftigen Leuten besonders schnell und rasch geholfen werden müsse.

Das englische Achtstundentag-Geseh London, 2. Juli. Das Unterhaus hat das Gesetz betr. die Einführung des Achtstundentages im Kohlenbergbau in dritter Lesung mit 332 gegen 147 Stimmen angenommen. Dem parlamentarischen Korrespondenten derDaily Mail" zufolge wird angenommen, daß die Grubenbesitzer in der Lage sein werden, bei achtstündiger Arbeitszeit die Löhne in der Höhe wie in der Zeit vor dem Streik für 850 00« Bergleute von einer Gesamtzahl von 1 100 000 zu zahlen- Heute wird im Unterhaus ein Mißtrauensantrag gegen die Regierung wegen ihrer Kohlenpolitik von den Mitgliedern der Arbeiterpartei eingebracht. Der Sekretär des Berg­arbeiteroerbandes sagte gestern abend in einer Rede, die Bergleute seien noch nicht geschlagen, und selbst wenn sie durch Hunger zum Nachgeben gezwungen werden sollten, würden sie in 6 Monaten noch einmal den Kampf eröffnen. 8ie feien entschlossen, den Achtstundentag nicht anzuneh­men.

Die Lage itt Marokko -

London, 2. Juli. Westminster Gazette meldet aus Tan­ger: Mulay Ahmed Beger hat den Oberbefehl über sämt­liche Dscheballah-Stämme übernommen und bemüht sich, sinen entschiedenen Widerstand gegen die Franzosen und »panier zu organisieren. Man könne noch nicht sagen, ob er sich zu einem neuen Abd el Krim entwickeln wird, aber die Kämpfe nördlich Wassam werden von Tag zu Tag schärfer.

FernReibeu der Türkei vom Völkerbund London, 2. Juli. Nach Informationen aus Angora hat die türkische Regierung zu verstehen gegeben, sie beabsichtige nicht, um ihre Zulassung zum Völkerbund nachzusuchen. Der Grund zu dieser Haltung bestehe darin, daß der russisch­türkische Vertrag allgemein stärkere Bindungen enthalte, als j. B. der deutsch-russische Vertrag, und daß es deshalb den oeiden Vertragspartnern nicht mehr freistehe, politische oder wirtschaftliche Verpflichtungen irgendwelcher Art zu über­nehmen, die nicht mit den gemeinsamen Interessen beider Länder vereinbar seien.

Württemberg

Stuttgart, 2. Juli. Arbeitsmarktlagc und C r- werbslosenfürsorge. Die Arbeitsmarktlage hat sich gegenüber der Vorwoche nicht wesentlich geändert. Leb­haft war die Vermittlungstätigkeik wieder für die Land­wirtschaft. Auch bei Notstandsarbeiten konnte eine größere Anzahl Erwerbsloser untergebracht werden. Am 23. Juni bezogen 8407 Personen Erwerbslosenunterstützung, ausge­schieden sind 486 männliche und 112 weibliche Personen, bei den männlichen Erwerbslosen am 29. Juni 8521.

Erholungsurlaub des Staatspräsidenten. Wir wir hö­ren, hat der Herr Staatspräsident, der noch immer an Stirn­höhlenkatarrh infolge von Grippe leidet, sich in Erholungs­urlaub begeben.

Abg. Andre zum Regierungsrat ernannt. Der Staats­präsident hat dem Reichs- und Landtagsabgeordneten Jo­seph Ad re eine Regierungsraksstelle aus gehobener Stelle beim Landesgewerbeamt übertragen.

Akademische Ehrung. Die Theologische Fakultät der Universität Basel hat dem aus dem Missionsdienst schei­denden Missionsdirektor Dip per, der ein Stadtpfarramt in Stuttgart übernimmt, für seine hervorragenden Ver­dienste in der schwersten Zeit der Basler Mission die Würde eines Ehrendoktors der Theologie verliehen.

Vom Rathaus. Der Gemeinderat hat in seiner gestrigen Sitzung einen erfreulichen Beschluß gefaßt. Die Guthaben bei der Städtischen Sparkasse wurden auf 20 o. H. auf­gewertet und dieser Aufwertungssatz ist der höchste von allen deutschen Sparkassen- In Frage kommen etwa 150 000 Altsparer mit 50 Millionen Goldmarkforderungen. Die Rücklagen der Sparkasse betragen 13 Millionen. Abhebun­gen der Sparer nach dem 15. Juni 1922 sollen nach den Meßzahlen des Aufwertungsgesetzes umoerechnet werden, woraus sich für die Beteiligten erhebliche Vorteile ergeben. Ferner sollen die Depositeneinlagen, sowie Zeichnungen der Schüler zu Kriegsanleihen, ebenso Uebertragungen von Sparkassenguthaben auf Angehörige und nahe Verwandte gleich behandelt werden. Minderbemittelte Sparer, alle über 60 Jahre alte Sparer und Mündeln des Jugendamts er­halten sofort 10 v. H. ihres Guthabens, höchstens 160 Mark pro Person.

Die Nok der Bienenzucht. Der Abg. Dr. Schermann hat folgende Kleine Anfrage gestellt: Die heimische Bienenzucht leidet schwer unter der bisher höchst ungünstigen Witterung. In der Zeit, da sonst Honig geerntet wird, sind dis Bienen dem Hungertod preisgegeben. Infolge wirtschaftlicher Not sind viele Bienenzüchter nicht in der Lage, ihre Völker, aus Eigenem durchzuhalten. Ist das Staatsministerium bereit, bei der anerkannten Bedeutung der Bienenzucht im Volks­leben, für Ernährung und Heilkunde, für Feld-, Obst- und Samenbau einerseits zur Linderung der Not durch Bereit­stellung steuerfreien Zuckers für die Herbstfütterung beizu­tragen?

Aus dem Lande

Hoheneck OA. Ludwigsburg, 2. Juli. Der 1000 S Badegast. Nach Ablauf von kaum 6 Wochen wird ir Heilbad Hoheneck bereits der 10 000. Badegast gezählt- Die Heilkraft der Quelle äußert sich nicht nur in Erfolgen gegen Gicht, Rheuma und Ischias, sondern auch bei Verdauungs­beschwerden, Gallensteinleiden, Zuckerkrankheit.

Vaihingen a. E 2. Juli. Beim Baden bestohlen In der Badeanstalt wurde einem Mann, während er fick im Wasser befand, die Geldbörse mit 21 Mark Inhalt aus der Tasche gestohlen. Einem Landjäger gelang es, den Tä­ter in der Person eines 13jährigen Burschen ausfindig zu machen und ihm das Portemonnaie, in dem sich noch 15 K befanden, und eine inzwischen schon gekaufte Taschenuhr ab­zunehmen.

Sulz a. R., 2. Juli. Lebensrettung. Am Mitt­woch fiel der 3jährige Knabe des A. Schäffler in der Nähe seiner elterlichen Wohnung in den Mühlkanal und wurde von dem reißenden Wasser fortgetrieben. Beim Gänsegarten bemerkte ein vorübergehender Mann das Kind und rettete es.

Gmünd, 2. Juli. Aufwertung der städt. An­leihen. In der letzten Sitzung des Eemeinderats schlug Stadtpfleger Grieser vor, sämtliche Anleihen und Schulden der Stadt aufzuwerten, und zwar Altbesitz (bis 30. Juni 1922) mit 12,5 v. H. und Neubesitz mit 10 v. H. Bei Be­dürftigkeit wird die Stadtpflege ermächtigt, 15 v. H. auf­zuwerten. Diese Aufwertungsbeträge sollen bis 31. Oktober d. I. ausnahmslos bar abgefunden werden, was sine wesent- iche Vergünstigung der Gläubiger bilden würde.

Aus Stadt uud Lau-

Nagold, 3. Juli 1926.

Goldnes Frauenglück I Mit Lachen

schlummerloser Nacht sich fügen,

liebe Bettchen segnen, wachen

über lieben Atemzügen I Frida Schanz.

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ZUM Sonntag

Man hat es in der Schule gelernt, dasrichtet nicht!" Aber dabei Reibt es bei den meisten.. Im übrigen richten sie tapfer drauf los; namentlich die Jugend hat daran ihre Helle Freude. Die Einsicht, was für ein schlechtes und dummes Geschäft das Richten ist, kommt eben, wenn sie überhaupt kommt, meist erst mit einer gewissen Lebens­erfahrung, die man an sich und den anderen gemacht hat. An sich selber: der ehrliche Mensch, der etliche Jahrzehnte sein Inneres erforscht hat, sieht sich selber so oft als An­geklagter, daß er für andere Angeklagte wenig Zeit hat. An den andern: der gewissenhafte Mensch scheitert mit feine« Richten je länger je mehr an der einfachen Taffache, daß wir keinem Menschen ins Herz sehen können und niemals imstand sind, das unentwirrbare Ineinander von Anlage, Schicksal und Schuld, das jeder Mensch darstellt, richtig Z» beurteilen. Es ist mit dem andern doch immer wieder ganz anders als wir denken und behaupten. Führt solche Ein­sicht zu einer charakterlos verschwommenen Haltung, zum Allesgeltenlassen? Das muß durchaus nicht sein. Du kannst mit Entschiedenheit alles ablehnen, wogegen sich dein Ge­wissen oder dein Geschmack auslehnt. Du kannst aber dab« das allgemein wegwerfende Urteilen über den oder lene» vermeiden. Jenes fordert dein Charakter, dieses verbiet»! deine am Leben geschulte, vom Christussinn geleitete Einsicht.