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Mil äen illustrierten Unterhaltungsbeilagen „Feierstunden" unä „Unsere Heimat"
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Nr. 182
Gegründet 1826
Samstag, den 3. Juli 1926
Fernsprecher Nr. 29
106. Jahrgang
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Berlin, 2. Juli. In der heutigen Reichstagssitzung gaben die Abg. Wels und Gras Westarp für die Sozialdemokraten und Deukschnakionalen die Erklärung ab, dach ihre Parteien den Gesetzentwurf über die Fürstenabfindung ablehnen würden. Darauf hat der Reichskanzler Dr. Marx im Namen der Reichsregierung die Vorlage zurückgezogen. Der Reichstag wandte sich dann der Beratung des Sperrgesehes zu. — Das Reichskabinett hatte in seiner heutigen Sitzung beschlossen» zurückzutreken, falls das Fürskenkompromiß ab- gelehnk werde. Der Reichspräsident aber, der von diesem Beschluß erfuhr, hak in einem Schreiben an den Reichskanzler das Kabinett im Hinblick aus die inner- und außenpolitischen Folgen gebeten, die Geschäfte weiterzuführen. Da in der heutigen Sitzung das Sperrgeseh bestimmt angenommen wird, wird das Kabinett dann bei gegebener Zeit von sich aus die Initiative zur Lösung der Fürstenfrage ergreifen.
Das Sperrgeseh wurde im Reichstag mit 333 gegen 17 Stimmen bei 97 Stimmenthaltungen der Deutschnationalen angenommen. _
Die S"ialdems'rrgst« forLer! Nr''' '-'aflösun-
Berlrn, 2. Iuli. Die sozialdemokratische Neichs- kagssraktion hat in ihrer gestern abend nach der Vollsitzung des Reichstags abgehalkenen Fraklionssitzung mit 73 gegen 38 Stimmen beschlossen» bei der dritten Beratung des Gesetzes über die Auseinandersetzung mit den vormals regierenden Fürstenhäusern mit Nein zu stimmen» also die Vorlage abzulehnen. Die preußische Landtagssraktion der Sozialdemokraten hatte in einem Schreiben die Reichstagssraktion um Annahme der Vorlage ersucht. Damit sind alle weiteren Verhandlungen mit den Regierungsparteien über die Frage erledigt. Der Fraktionsvorsitzcmde Wels wird bei der dritten Beratung des Gesetzes den ablehnenden Standpunkt der sozialdemokratischen Fraktion begründen und die Auflösung des Reichstags fordern.
Von der deutschnakionalen Reichskagsfrakkion, die heute vormittag eine Sitzung abhielt, erfahren wir: In der Haltung der Fraktion zum Fürstenabfindungsgeseh hat sich nichts geändert. Ob und welche Abänderungsanträge von der Fraktion etwa noch zu stellen sein werden, muß ao- gewartet werden. Im übrigen wird die Fraktion den ganzen Tag über im Reichstag anwesend gehalten. Wie wir erfahren, hat die deutschnationale Reichstagsfraktion in ihrer heutigen Vormittagssitzung beschlossen, den Regierungsparteien ^in Angebot zu machen, nach dem die verfassungsändernden Paragraphen des Regierungsentwurfes über die Fürstenabfindung weggelasfen werden sollen, um dadurch eine Annahme des Entwurfes mit einfacher Stimmenmehrheit im Reichstag zu ermöglichen. Wie ferner aus parla-
Kontrolle und kein Ende
Staatsoereinfachung in Bayer«.
Berlin. 2- Juli. Wir wir erfahren, sind über die bisherige Kontrolltätigkeit der Entwaffnungskommission von der Reichsregierung Nachprüfungen eingeleitet. Nach ihrem Abschluß wird sich die Reichsregierung von neuem mit der Frage der Aufhebung der Kontrollkommission befassen. Die offizielle Veröffentlichung der Wiederaufnahme der Tätigkeit der Interalliierten Kontrollkommission ist vom Botschafterrat verweigert worden. Der Pariser „Temps" meldete vorgestern, daß die Fortdauer der Militärkontrolle in Deutschland vorläufig bis 31. Dezember angeordnet worden ist.
Abbau der Paßkontrolle
Berlin, 2. Juli. Nachdem es der deutschen Regierung gelungen ist, mit Oesterreich, Holland, der Schweiz und Dänemark die Aufhebung des Sichtvermerkzwanges durchzusetzen, ist das Auswärtige Amt, wie die Morgenblätter einer Korrespondenz entnehmen, an weitere Staaten mit dem gleichen Ersuchen herangetreten. Derartige Vorschläge sind gemacht: Spanien, der südafrikanischen Union, der Tschechoslowakei. Schweden. Norwegen und Italien. — Das
mentarischen Kreisen verlautet, stehen das Zemrum, o»e Bayerische Volkspartei, die Deutsche Volkspartei und die Wirtschaftliche Vereinigung diesem Angebot im Gegensatz W den Demokraten nicht ablehnend gegenüber, da die Demokratische Partei noch immer auf ihrem Vorschlag, dSe Fürstenabfindung durch die Länder regeln zu lassen, beharrtz
Die Parteien zur Lage
Berlin, 2.. Juli. Der Beschluß der sozialdemokratische« Reichstagsfraction, die Fürstenvorlage abzulehnen, wird von den Blättern allgemein als ein Angstprodukt vor den Kommunisten bezeichnet. Er hat in den Kreisen der demokratischen Fraktion große Verstimmung heroorgerufen, insbesondere, Ladern Vorsitzenden der sozialdemokratischen FraH- tion von der Negierung schriftlich mitgeteilt worden war, daß die Reichsregierung auf Auflösung des Reichstags bestehen würde, wenn Las Zustandekommen der Kompromiße vorlage her Deutschnationalen scheitern sollte. Nachdem küe Sozialdemokraten dennoch zu ihrer Ablehnung gelangten, lehnte die demokratische Fraktion es ab, durch Betreibung der Reichstagsauflösung den Sozialdemokraten Len Gefallen zu tun.
lieber die Sitzung der Reichstagsfraktion der Deutschen Volkspartei erfahren wir, daß man einen Rücktritt des Kabinetts für nicht wahrscheinlich hält, obwohl die Zentrumsfraktion sich stark dafür eingesetzt hat. Man hofft, daß das Zentrum sich noch mit einer Vertagung der Fürstenabfindungsvorlage bis zum Herbst abfinden wird! Aus dem Wust von Kombinationen ist zu erwähnen, daß eine Auflösung des Reichstages ebenso wenig in Betracht kommen soll, wie ein Rücktritt des Kabinetts. Als viel wahrscheinlicher wird es in parlamentarischen Kreisen gehalten, daß die Regierung die Regelung der Fürstenfrage len Ländern uverlassen wird. Die Wirtschaftliche Vereinigung des Reichstages hielt heute ebenfalls ;ine Fraktionssitzung ab. In der Fürstenabfindungsvorlage wird sie sich den Vorschlägen der Regierungsparteien an- jchließen-
Das R e ich s k abin e tt ist heute vormittag 10.30 Uhr xusammengetreten, um über die durch den gestrigen Be- chluß der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion geschlafene Lage und die sich aus einer Ablehnung des Regierungs» mtwurfs ergebenden Möglichkeiten zu beraten. Der Reichskanzler wird sich nach Schluß der Kabinettsberatung xm Reichspräsidenten begeben, um ihm die Vorschläge des Ka- linetts zu unterbreiten. Heute mittag fanden Besprechungen 1er Reichsregierung mit den Regierungsparteien statt. Auf Nrund dieser Verhandlungen wird die Regierung dann chren endgültigen Beschluß über die Stellungnahme im Zolle einer Ablehnung des Fürstenabfindungsgesetzes sagen.
Abkommen zwischen Deutschland und Belgien über Paß- -rleichterungen für die beiderseitigen Grenzbezirke ist unter- seichnet worden. Die Verhandlungen über Erleichterungen im Zollgrenzverkehr sind so weit gefördert worden, daß voraussichtlich nach Ablauf der vorgesehenen kurzen Ver- wgung ebenfalls zur Unterzeichnung eines entsprechenden Abkommens geschritten werden kann.
Das Bayerische Ermächtigungsgesetz München. 2. Juli. Im Verfassungsausschuß des bayerischen Landtags wurde heute abend nach 2 Lesungen der grundlegende Paragraph des von der Regierung zur Durchführung der Staatsvereinfachung vorgeleaten Ermächtigungsgesetzes angenommen, nachdem der Ministerpräsident Dr. Held eindringlich auf die gebieterische Notwendigkeit der vtaatsvereinfachung hingewiesen und erklärt hatte, es müßten alle Bedenken zurückgestellt werden, damit dem in großer Notlage befindlichen Staat geholfen werden könne. Das Gesetz wurde mit Mehrheit als nicht verfassungsändernd erklärt.
Polnische Wochenschau.
Englands Politik schwankte immer zwischen der Türkei und Rußland. Gleichzeitig gut zu beiden — das gabs nie. Augenblicklich steht London wieder recht gut mit der Türkei. Das ist fast über Nacht gekommen. In rätselhafter Schnelligkeit ist der Mossul streit beigelegt worden- Die Türkei verzichtete auf Mossul, während sie voriges Jahr noch so tat, als ob sie lieber es auf einen KrieL. ankommen ließe. Mit dem Augenblick reichten sich die Heiden alten Gegner die Versöhnungshand, und England will dem „kranken Mann" nun auch wirtschaftlich aus die Beine helfen.
Gleichzeitig aber auch zeigte es dem Sowjetstaat die Zähne. Seit langer Zeit hat man in London keine so scharfe Sprache gegen Rußland geführt, als in den allerjüngsten Tagen. Besonders die Lords Churchill, Birken head und Hicks, die leidenschaftlichsten Vertreter des englischen Imperialismus, drohen Moskau geradezu mit dem Abbruch der diplomatischen Beziehungen. Sie wissen, daß die Sowjetrepublik überall in der Welt, besonders aber in China, Englands Gegenspieler ist. Ihre Haltung zum Eigentumsbegriff ruiniert den englischen Markt in Asien und ihre Propaganda für die Weltrevolution trägt sie mehr oder weniger offen in die englische Wirtschastswelt selbst hinein. Haben doch die Russen nicht weniger als 383 896 Pfund (Deutschland 5000, Holland 6000, Amerika 10 000) Unterützungen den streikenden englischen Bergarbeitern zugeschoben. Dadurch wird der englische Arbeiter für das Sowjetgift empfänglicher gemocht, und die Arbeiterpartei wagt es, die konservative Regierung wogen ihres Bolschewisten- und Russsnhasses mit zunehmender Heftigkeit zu bekämpfen. Es ist schon so weit gekommen, daß der Arbeiterführer Cook, der den sanften Mac Donald bereits in den Schatten stellt, in Arbeiterversammlungen sein Bild dicht neben dem Lenins den erbitterten Zuhörern vor die Augen hält. Das Unterhaus nahm mit 355 gegen 163 Stimmen das Acht st und engesetz für den Bergbau an- Die Bergarbeiterexekutive aber beschloß einstimmig, unter keinen Umständen in eine Verlängerung der Arbeitszeit einzuwilligen. Im Unterhaus selbst ging es sehr stürmisch zu. Man erzäblte von haarsträubenden Zuständen in den Bergwerken. Baldwin selbst war Len schärfsten persönlichen Angriffen ausgesetzt.
In Frankreich ist die M i ni st e r k r i s i s beendet. Briand hat nun sein Kabinett Nr. 10 beieinander, allerdings ohne Herriot und ohne Poincare, aber, wie wir es das letztem«! voraussagten, mit Cailleaur. Die neue Regierung hat sich der Kammer vorgestellt. Inhaltsschwer kann man die neue Regierungserklärung nicht gerade nennen. Die Regierung habe beschlossen, die Stabilisierung des Franken so schnell wie möglich in Angriff zu nehmen. Durch welche Mittel? Darüber schweigt der Weise- Die allgemeine Einkommensteuer und ebenso die Besteuerung der Mobilienwerte werden herabgesetzt, die Unabhängigkeit der Bank von Frankreich weiterhin aufrecht erhalten, die Regelung der interalliierten Schulden beschleunigt werden u. a. m. Und zum Schluß: „Das Leben der Nation steht aus dem Spiel. Die Zeit der doktrinären Gesetze ist vorüber. Es handelt sich nicht mehr darum zu diskutieren- Worauf es ainkommt, ill zu handeln." Wollen abwarten. Daß aber der Versailler Vertrag an dem finanziellen Niedergang Europas und damit auch Frankreichs die Hauptschuld trägt, das scheint mich ein Brian- noch nicht einzusehen. Cailleaur Pläne liegen noch im Dunkeln. Zuänchst hat er Robineau, den Präsidenten der Bank von Frankreich, abgesägt. Warum? Auch darüber herrschen Unklarbeiten.
Der 40jährige König Alfonfo macht zurzeit eine Studienreise in Westeuropa. Das ist umso höher anzuschlagen, als kurz vor seiner Abreise aus Madrid die Polizei auf nicht ungefährliche Verschwörungspläne stieß. Aber Alfonfo ist populär. Der Spanier hängt an seinen^ überlieferten Königtum und besonders an der liebenswürdigen Persönlichkeit des fetzigen Monarchen, der ungezwungene Leutseligkeit mit dem üblichen Pomp eines spanischen Königs vortesflich zu verbinden versteht.
In Paris hat König Alfonso u. a. auch über Locarno und Völkerbund sich ausfragen lassen. Ihm scheine, sagte er, es gefährlich, den Völkerbund einzig und allein aus ehemals kriegführenden und interalliierten Nationen zu- sammenzusetzsn. Wäre es nicht viel heilsamer, Neutrale hmzuzufügen, die unter gewissen Umständen ein kostbares Element für die Enstpannung und für die Unparteilichkeit bilden könnten? In der Gestaltung des Völkerbunds seien u>ohl gewisse Jrrtümer begangen worden; er glaube, daß fs besser gewesen wäre, Deutschland von Anfang an zuz ul as s e n. — Und das sagt der spanische König ausgerechnet in Paris, wo man sich gerade gegen ^tztere Forderung, welche Deutschland 1919 stellte, mit Hängen und Füßen gewehrt hat. Im übrigen verlangt Alfonso em«n ständigen Ratssitz für Spanien. Wenn aber die Auffassung über diesen Punkt sich nicht ändere, dann könte Spanien dazu gebracht werden, „dem Völkerbund nicht mehr das gleiche Jntersse entgegenzubringen", d. h. wohl nach dem Vorgänge Brasiliens ebenfalls auszutreten?
Erfreulich für beide Teile ist, daß fast nach 5jährigen Verhandlungen der Vertrag zwischen Deutschland und Lettland endlich zustandegekommen ist. Lettland
wollte Entschädigung für die Sachschäden, welche die deutschen Truppen seinerzeit auf lettländischem Territorium angerichtet hatten. Wir beriefen uns auf den Vertrag von Rapallo, der die russischen Ansprüche restlos annulliert. Lettland war aber damals noch russisch. Andererseits verlangten wir von Lettland Enstchädngung für die infolge der Agrarreform enteigneten reichsdeutschen Großgrundbesitzer. Der Streit ging hin und her und zog sich in die Länge. Jetzt sind wir beide glücklicherweise einig geworden. Das ist wichtig für den Handel mit Rußland, da das gesamte Eisenbahnnetz, das das innere Rußland mit der Ostsee verbindet, von Riga ausaeht.
InPeking, Cbinas Hauptstadt, hatChang Tsolin, der Herrscher der Mandschurei, mit 50 000 Mann seinen Einzug gehalten. Er will gegen die Kuomin-Truppen im
listen, gegen die- Kanton-Negierung mi «moeu «no gegen Rußland kämpfen. Fast zu viel aus einmal. Dabei soll sei» frühere Gegner Wu Peisu ihm beistehen. Ob aber dieser Lust hat, als zweiter neben Chang Tsolin Chinas Geschicke zu leiten? Besser wäre es, wenn die eifersüchtigen Generäle friedlich schiedlich sich mileinander verständigen wollten. Sonst nehmen die Chinawirren kein Ende.
Usberall im Deutschen Reiche Hochwassernot. Ganz besonders schlimm waren die Ueberschwemmungen im Elbe-, Oder-, Netze- und Wqrthegebiet, die größte Hochwasserkatastrophe feit 1771! Im Oder- und Warthegebiet der Mark standen^ am Sonntag 400 000 Morgen Aecker und Wiesen vollständig unter Wasser, bei Landsberg allein 120 000 Morgen! Als Ursache der Dammbruchkatastwphe im Warthe- und Netzegebiet wird angegeben, daß seit einem Jahrzehnt nichts mehr getan worden ist. Das Flußbett ist versandet. Nirgends wurde gebaggert. Das Hinterland, das