Sette 2 - Nr. 98

Rasorder TaqdlattDer Gesellschafter*

Donnerstag, 29 April 19L«

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men. aber 27.5 Millionen Wahlberechtigter haben Die,es Treiben abgelehnt. Die 12,5 Millionen Stimmen sind ge­wonnen worden durch eine Fülle von Ilnwahrhaftigketten. Unwahr ist. daß den Fürsten aus allgemeinen Mitteln Vermögen zugewendei werden sollen. Es handelt sich um Rückgaben widerrechtlich entzogenen Be­sitzes. Unwahr ist, daß dein Volk dadurch neue L u - sten auserlegt werden jollen. Gerade das Hohen- zollernha'us habe aus 83 o. H-, das seien mindestens 873 Millionen seines früheren Vermögens verzichtet. Lüge und Terrorismus sind von jeher Mittel der Revolution gewesen (Große Unruhe links). Eine neue Revolution sei'es, die jetzt eingeleitet werden solle. Es gehe um die Rechtsgrundlage des Staats, um die Eigentumsordnuug, deren Umsturz Bolschewismus bedeute. Dem Besitz der Für­sten solle dann das Vermögen der Kirchen und schließlich alles Eigentum solgen. Ziel und Ende sei das wirtschaftliche Chaos. Gepeitscht von ihrem schlechten Gewissen wegen des Revolutionsverbrechens wollen die Ur­heber der Agitation den monarchischen Gedanken totschlagen (Lebhafter Beifall rechts, Lärm links). Darum gießt man immer wieder gegen die Fürsten Kübel von Schmutz aus, keine Lüge ist in diesem Kamps zu plump, keine Verleum­dung zu dumm und gemein. Der derzeitige Innenminister habe dem Kais e r einen Vorwurf daraus gemacht, das; er sich nach Holland begeben habe. Wie kann man den Kai­ser beschimpfen, weil er den Bürgerkrieg vermei­den wollte (Großer Lärm links). Dieses ganze Treiben der Lsige und Verleumdung muß mit tiefster Verachtung und unsäglichem Ekel ersüllen (Erneuter großer Lärm links). Die Deutschnationale Partei werde den Kampf gegen Lüge und Verleumdung aufnehmen. Der Ruhm der 500jährigen Geschichte der Hohenzollern werde noch in vollem Mauz durch die Jahrhunderte strahlen, wenn das revolutionäre Treiben unserer Tage längst in seiner ganzen jammervollen Niedrig­keit erkannt sein werde. Der Redner schließt mit einem Ap­pell an Rechtsbewußtsein und Anstandsgesübl, an Dankbar­keit und Treue (Großer Beifall bei den Deutschnationalen, großer Lärm bei den Sozialdemokraten und Kommunisten).

Nbg. Dr. Wunderlich (D. Volksp.) lehnt den Gesetz­entwurf ab, weil er eine brutale Entrechtung einer Gruppe von Staatsbürgern bedeute. Dieser gesamte Entwurf wider­spreche sowohl dem Wortlaut, als auch dem Geist der Ver­fassung. ,

Abg. Neubauer (Komm.) wirft den bürgerlichen Par­teien Liebedienerei gegenüber den Fürsten vor.

Neuestes vom Tag»

Verfrühte Meldung '

Berlin. 28. April. Die Meldung, wonach an die Deut­sche Getreidehandelsgesellschaft bereits ein Reichskredit m 30 Millionen Reichsmark gegeben worden sei, entspricht, wie wir erfahren, nicht den Tatsachen, vielmehr sind d s Verhandlungen der Deutschen Getreidehandelsgesellschc. t mit den interessierten Kreisen noch nicht so weit gediehen, daß ein Beschluß über die Kreditgewährung gefaßt werden könntet

Verurteilung wegen Hochverrats Leipzig. 28. April. Der frühere kommunistische Reicks- tagsabgeordnete Peter M a l o w s k i - Berlin wurde wc .n Aufforderung zum Hochverrat vom Reichsgericht zu 0 Ato­nalen Gefängnis und 300 Geldstrafe verurteilt.

Die deutschen Zahlungen an England London, 28. April. In den letzten sechs Monaten sind von Deutschland an England 67 Millionen Goldmark be­zahlt worden.

Kundgebung der kankonregierung ^London, 28. April. Die nationalbolschewistifche Regierung in Kanton hat nach einer MeldungDaily Mail" die frem­den Regierungen aufgefordert, keine Militärregierung in Peking anzuerkennen, sondern zu warten, bis die chinesische Nationalversammlung eine neue Regierung gebildet habe.

Amerika lehnt die Beteiligung an der Paßkonfereaz ab Paris. 28. April. Auf die Einladung zur Paßkonferenz des Völkerbunds in Genf hat die Regierung in Wafhinchrn laut Havas geantwortet, das Paßwesen in den Vereinigten Staaten sei vom Parlament gesetzlich geregelt und unter­liege keiner Abänderung.

WLetLeruderß

Stuttgart, 28. April. Vom Landtag. 2m Finanzaus­schuß forderte bei der Beratung zum Kulthaushalt, Kapitel Universität, der Berichterstatter außerordentliche Professuren für die protestantische Theologie und das missionswissenschast- iiche Institut. Das Tropengenesungsheim wünscht einen Staatsbeitcag. Cm sozialdemokratischer Redner will ein Se­minar für Genossenschaftswesen und eine Professur für Ar­beitsrecht. Bom Zentrum werden Wünsche für die kath. Lehrerstudenten vorgebracht und Pflege der Mundart, der Volkskunde und der Kunde des Auslanddeukschkums verlangt. Staatspräsident Bazille erklärt, der Chirurg Prof. Per­thes solle mit allen Mitteln für Tübingen erhalten bleiben. Ministerialrat Bauer führt aus, das .Studentenhaus", d. h. die Zusammenlegung der drei Betriebe in Tübingen sei noch nicht spruchreif. Für die Errichtung einer eigenen Professur für Arbeitsrecht bestehe kein Bedürfnis,' die ein­schlägigen Wissenschaften werden jetzt schon ausgiebig ge­pflegt. Angenommen wurde ein Antrag des Berichterstatters Dr. B eißwänger (Bp.), das Staaksministerium möge er­wägen, ob dem deutschen Institut für ärztliche Mission in Tübingen für 1626 nicht ein Staatsbeitrag bewilligt werden könne. Der Erwägung wird auch der Antrag avf Errichtung eines Lehrstuhls für Arbeitsrecht anheimgegebrn. Beim Kapitel Technische Hochschule spricht Berichterstatter Dr. Wider das Bedauern aus, daß nicht alle Beschlüsse dcS Landtags vom vorigen Jahr in der gewünschten Weise aus- gefübrt worden seien. Er wendet sich gegen die Verlegung des Apokhekerstudinms von Stuttgart nach Tübingen. Dir einzelnen Institute der Technischen Hochschule liegen zu well auseinander: die Lage des neuen Botanischen Gartens sei verfehlt. Staatspräsident Bazille erklärt, aus finan­ziellen Gründen seien die vorgebrachten Wünsche unerfüll­bar: übrigens sei der einzige freie Platz im Stadtinncrn Stuttgarts für Zwecke der Techn. Hochschule freigehalten worden. Es wurde sodann ein Antrag Wider angenommen, für die endgültige Fertigstellung des Botanischen Gartens 5000 zu bewilligen und die persönlichen Ausgaben von 18 860 ttt im Haushaltplan 1627 um 2000 -1t zu erhöhen.

Direkte Wagen StuttgartPforzheimKarlsruhe. Vom 15. Mai ab werden folgenden Zügen nach und von SI t- gart direkte Wagen KarlsruheStuttgart und umg-kehrt beigestellt, so daß das Umsteigen in Mühlacker vermieden bleibt: Stuttgart ob 5.28 früh. Psorzheim an 7.39: Stutt­gart ab 7.25 früh, Pforzheim an 8.55. Psorzheim ab 10.15 früh, Stuttgart an 11.38; Pforzheim ab 6.02 abends, Stutt­gart an 7.32 abends.

Landesversammlung der Dostaewerksckast. Der Landes­verband Württemberg der Deutschen Poskaewerkschaft Gelt dieser Tage seine Landssversammlung in Stuttgart ab. Der Vorsihende Mohn hob im Geschäftsbericht hervor, von Er­folgen Hobe im abgelaufenen Jahr keine Rede sein können, es galt vielmehr, das Errungene zu erhalten. Verbandssekre- kär Groß wies daraus hin. daß die allgemeine schwierige Lage einer Besoldungsaufbesfernng im Wege stehe. Er trat für die Erhaltung des Bernfsbeamkentums ein. An Stelle des aus Gesundheitsrücksichten zurücktretenden Vorsitzenden Mohn wurde Lohrer gewählt.

Zum 1. Mai. Der Reichsverband vaterländischer Arbsitsr- und Werkvereine fordert die auf vaterländischem Boden stehende Arbeiterschaft auf, am 1- Mai zu arbeiten.

Arbeitswiederaufnahme. An dem Neubau der Ober­postdirektion an der Lautenschlagerstraße ist heute die Ar­beit wieder ausgenommen worden. Sie war vor einiger Zeit niedergelegt worden, weil sich die Zimmsrleute ge­weigert hatten, zu einem niedrigeren Lohn zu arbeiten.

Vorträge Le Seur. Vom 3. bis 9. Mai spricht Pastor v. Le Seur, Leiter des Jugendwerks Harnstein bei der Wartburg, je abends 8 Uhr in der Stiftskirche in Stuttgart.

Zum Reit- und Fohrturnier Stuttgart des Schwäbischen Reitervereins am 8. Mai sind über 250 Pferde mit insgesamt 350 Nennungen erfolgt, darunter hervorragende Reiter und Fahrer aus dem ganzen Reich. Das Jagdspringen mußte infolge der zahlreichen Anmeldungen in mehrere Abteilungen zerlegt werden. Vom Gestüt Weil wird eine Anzahl Ver­kaufspferde unter dem R-lter und vor dem Wagen vor­geführt.

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hsilbronn. 28. April. EineWaldensergemeinde. Nordhausen bei Brackenheim, das einzige Waldenserdorf in der Heilbronner Gegend, wurde an Snmmerjohanni 1700 von vertriebenen Waldensern aus dem Pirmont gegründet. 55 Familien mit etwa 200 Köpfen ließen sich nieder, hatten das Französische als Kultus- und Schulsprache, bis 1823 die deutsche Sprache in Kirche und Schule eingesührt wurde. Die Ratsprotokolle wurden viele Jahrzehnte deutsch und fran­zösisch geführt. Die alte Waldenserfahne mit dem Sinnfpruch: Kux fucet in tenebris", zu deutsch:das. Licht leuchtet in der Finsternis", wird als Eemeindezeichen heute noch hoch ge­halten.

Pfullingen. 28. April. Zusammenstoß zwilchen einem Uhu und einem Radfahrer. Vor einigen Tagen wurde hier bei einbrechender Dunkelheit ein un­gewöhnlich starker Raubvogel beobachtet. Offenbar hat er sich wahrscheinlich ein noch junges Tier zu nah an die Häuser herangewagt, sodaß er, durch Lampenschein geblen­det, so stark gegen ein Fahrrad anrannte, daß er momentan flugunfähig war; deswegen wurde er von dem betreffenden Radfahrer, der dabei erheblich verletzt wurde, ergriffen. Nach genauerem Hinsehen stellte sich heraus, daß der Vogel eine» .Fußring trug. Darnach stammt er aus einer norddeutschen Logelfarm. Es handelt sich um einen prächtigen deutschen Uhu. Ob er hier in der Gegend ausgesetzt wurde oder ob er entflogen ist, kann vorerst nicht festgestellt werden.

Riedersiohingen OA. Ulm, 28. April. Vom Stark­strom getötet. Gestern wurde im hiesigen Werk der Württ. Landeselektrizitätsgesellschaft der 24 Jahre alte le­dige Monteur David Unseld von hier tot aufgefunden. Er hatte Nachtschicht zu arbeiten und kam einer Leitung, die er vermutlich für nicht geladen hielt, zu nahe, was seinen so­fortigen Tod herbeiführte.

Mn. 28. April. DieMeistersinger in lltm". Am 1., 5. und 6- Juni begeht der L i e d e r k r a n z U I m sein lOOjähriges Bestehen (gegründet 1825). Er ist der Erbe der alten Meistersinger in Ulm, und in seinem Besitz befinden sich die Meistersingerzeichen, d'e Kette mit Gehäng und viele wertvolle Urkunden. Zu dem Fest wird die: ebner Bürger- sängerzunfi, der einige Verein, der noch die Gebräuche der Meisterfingerzuuft pflegt, mit einer 70 Mann stark-m Musik­kapelle eintrcsfen und am 5, Juni abends im Münster ein Konzert geben, sowie beim Festabend in der Friedrichsau, wo der Liederkr emen eigenen Garten besitzt, mit Ge- scnw.svorträaen und einem Hims-Sachs-Sviel Mitwirken. Außerdem haben andere Ge'angoereine ihre Mitwirkung zu- gesaal- So wird auch der Wiener Männergesangverein mit etwa 250 Sängern ein Mnnsi.erkonzert veranstalten.

Ogaelstzausen. OA. Riedlingen, 28. April. Diebische S ch u l k n a b e n erster Zeit wurden dem Seiler

Figalist während sein. l'-wSeuheit aus seiner Wohnstube nabezu 200 -1t gestohlen. D > G'rdackt lenkte sich alsba d auf drei schulpflichtige Knaben, die das Diebesgut unter noch anderen, gleichgesinnten Freunden verteilten und Ter- zerole >nd andere begehrenswerte Gegenstände und Schlek- kereien anschafften. Der Nest wurde an sicherem Platz hinter der Kirche in die Erde vergraben, um ihn nach Belieben abholen zu können. Der größere Teil des Geldes, ebenso die gekauften Waren, konnten beigebracht und dem B'stoh- lenen wieder ausgesolgt werden. Den jungen Missetätern wurde eine Tracht Prügel verabfolgt.

Waldsce, 28. April. S e l t e n e r F u n d- In der Nähe des Bahngleises Strecke AlttannWolfegg wurde von Weichenwärter Stützte eine nahezu 2 Pfund schwere Schild­kröte gesunden.

Tetinang, 28. April. Grobe Ungebühr vor Amt. Der Hausierer und Schirmflicker Theodor Scheck aus Bur- nau, Gde. Obereisenbach, der vor dem Oberamt zu erscheinen hatte, stellte sich dort betrunken ein und brachte auch seinen Gaul in das Kanzleizimmer herein. Als er durch die Poli­zei hinausgebracht wurde, benahm er sich widersetzlich und beleidigend. Er wurde sofort zwei Tage in Haft genommen, eine weitere Gerichtsstrafe wird folgen.

In der St. Loretto-Kapelle wurde der Opferkasten mit­samt dem Inhalt gestohlen.

Berg OA. Tettnang, 28. April. Milch auf der Straße. Als das Milchfuhrwerk der Milchzentrale in Friedrichshafen die Milch in Berg abholte, fingen die Pferde einstweilen an zu grafen Der Wagen -geriet dabei in den Straßengraben und, durch die kollernden Kannen erschreckt, nahmen die jungen Pferde Reißaus. Nun ging vollends alles drunter und drüber, der Wagen stürzte um 400 Liter Milck gingen verloren

Der Karnickewaron

Humoristischer Roman von Fritz Gantzer

In dem allgeminen iHn und Her der Begrüßung und Vorstellung und dem dabei aufschwirrenden Stimmengewirr s war es Gronau möglich, Lore zuzuraunen, daß er durchs Eberty von dem Vorhaben ihres Vaters unterrichtet sei undj sie auf seinen Beistand rechnen könne. j

Sie dankte ihm mit einem warmen Blick, aus dem er ihre Liebe mit unverkenbarer Deutlichkeit und Gewißheit las, und empfand seine Nähe als einen starken Schutz- Sie sah dem Kommenden nun beruhigt entgegen.

Feierlich, eigentümlich feierlich erwies sich dann auf jeden -Fall die Ausschmückung des großen, weiten Flurs. Allen sbort an den Wänden angebrachten ausgestopften Kaninchen twaren bunte Fähnchen zwischen !M Vorderfüße gesteckt, und von Paar zu Paar, von Gruppe zu Gruppe zogen sich Gir­landen aus Tannenreis» an denen mit Kaninchen bemalte Lampions hingen.

Voller Stolz wies der Krachtwitzer seinen Gasten die merkwürdige Dekoration. Und die wußten wieder einmal nicht: Ist das eine ganz groteske Komödie, die ein nicht ganz normal veranlagter Mensch inszeniert, oder haben wir es mit einem naiven Scherz eines harmlosen Sonderlings zu tun, der uns als Freund und aufmerksamer Gastgeber in seiner Art eine kleine Freude bereiten will?

Es schien das ledere der Fall zu sein. Als man die Aus- scknnückung des Flurs mit geteilten Gefühlen bewundert hatte, bat der Krachtwitzer die Herren in sein Zumner, reichte Zigarren herum und entwickelte folgendes Pro»

- «ramm für den Nachmittag des Friedensfestes: Ein paar Stunden Schlaf zu neuer Stärkung und ein kleines Gabel­frühstück gegen zwei. Dann neuer Aufbruch zur Jagd. Und «m sechs Uhr Las Diner mit diversen Ueberraschungen.

Man war einverstanden und plauderte eine Weile an­geregt. Plötzlich fragte der Bardekower, der besonders omi- miert war und mit sichtlichem Wohlbchagen den guten To­bak rauchte: .Sage mal. Lessenthin, was soll das eigentlich am Ende deines Brieses mit der eigentümlichen Abkürzung bedeuten? Wir habrn uns schon alle die Köpfe hin und her zerbrochen und sind einer Lösung um kein Haar näher ge­kommen"

Der Krachtwitzer hob den Finger und zeigte ein unge­mein fpiffiges Gesicht.Ja, das ist zunächst noch mein Ge­heimnis, lieber Krusewitz, du wirst dich schon noch gedulden müssen, es zu erfahren. Aber warte nur, bald!"

Nach einer Weile schlug Lessenthin vor, man solle sich zu einer kurzen Siesta zurückziehen, ein paar Zimmer seien da­zu bereitgehalten. Vorher möchte man aber noch einen klei­nen Schlaftrunk annehmen. Er habe da einen ganz vorzüg­lichen alten Burgunder.

Er trat an die Kredenz, die in einem Nebengemach stand, und machte sich merkwürdig lange mit den Gläsern zu schaf­fen. Der Assessor konnte ihn durch den Türspalt ganz deut­lich beobachten und sah nun, wie er in jedes Glas bis auf zwei, die er auf die linke Seite des Tabletts rückte, ein wei­ßes Pulver schüttete und dann rasch den Wein eingoß...

Er scheint uns tatsächlich einen Schlaftrunk im wahr­sten Sinne des Wortes reichen zu wollen," überlegte er so­fort.Ich werde dieser Hinterlist zu entgehen wissen."

Nun kam er. Wie grundehrlicher Biedermannsausdruck lag es auf seinen Zügen. Mit freundlichster Miene bat er, sich bedienen zu wollen, aber die beiden alleinstehenden Gläser für seinen Neffen und ihn übrig zu lassen» da sie einen leich­teren Wein enthielten. Mit Rücksicht auf die Bekömmlichkeit.

Gronau überlegte krampfhaft:Wie komme ich, ohne Aussehen zu erregen, um das Trinken herum?"

Als man schon die Gläser zum Anstoßen bereit hielt und -er Krachtwitzer pathetisch hervorhob:Auf Frieden und Freundschaft!" durchzuckte es ihn: .Ausgießen! Irgend wo­hin!

Während die Gläser aneinanderklangen, blickte sich der As­sessor verzweifelt um. Da fiel sein Auge auf ein« Blumen­oase, Schnell entschlossen näherte er sich dem Tisch, auf dem sie stand, und hatte die Genugtuung, daß ihm der Weinpant­scher, ein schlimmerer als Kreyenbühl es war den Rücken zuwandte. Di« anderen beobachteten ihn nicht, da sie dem Bardekower, der mit behaglichem Schmunzeln einen Witz erzählte, ihre Aufmerksamkeit schenkten. Mit einer schnellen Bewegung goß er den Wein in die Base, trat harmlos vor und hielt dem Krachtwitzer das Glas hin. .Ein superbes Weinchen, Herr von Lessenthin. Ganz famos!"

.Das will ich meinen. Und wenn sich die Herren nun zu­rückziehen wollen?"

Ja, ich bin schrecklich müde," erklärte der Assessor, hinter der vorgehaltensn Hand herzhaft gähnend und krampfhaft die Augenlider in die Höhe rückend.

Ich auch," behauptete Kattenbusch-Wie Anno 70, als wir an der Loire kämpften, wenn wir achtundoierzig Stun­den marschiert waren und uns zwölf Stunden wie die Lö­wen geschlagen hatten."

Sie sind ein..."Fürchterlicher Aufschneider", hatte der hagere Zinnowitzer den begonnenen Satz vollenden wol­len. Da er aber plötzlich unerwartet und nachhaltig gähnen mußte, war es ihm nicht möglich, die schwere Injurie über seine Lippen zu bringen...

Der Bardekower und der Dramburger kamen in einen Raum. Der tapfere Hauptman und der Zinnowitzer in einen nebenanliegenden. Und sie hatten sich kaum auf den einla­denden Ruhebetten ausgestreckt, als sie auch schon in einen tiefen Schlaf fielen. Der Assessor fand ein Kämmerlein zur alleinigen Benutzung für sich vorgerichtet.

Der Krachtwitzer, von seinem Neffen begleitet, stcmd in der Tür, als Gronau sich müde auf die Chaiselongue falle« ließ, um gleich ein gesundes Schnarchen zu markieren...

.So, Hans Karl," hörte er den Engel-des Schlafes höh­nisch sagen,nun haben wir alle zur Ruhe, wie eine Mutter ihre Kinder. Wie die Murmeltiere werden sie bis an den Abend schlafen. Und ein Karnickel schießt heute keiner mehr von ihnen. Der Sieg ist unser. Den anderen gewinnen wir auch. Wie sie buchstabiert und gekniffelt haben an meinem Rätselschluß, die schlauen Herren. Allesamt haben sie sich über die Löffel barbieren lasten. Nun ist's erfüllt:

Eu. B. w. i. sch. oder zu deutsch:

Euch Bande werde ich schon!"

Im Abgehen redete der Krachtwitzer dann auch von sei­nem Schläfchen, das er nun halten würde. Und Hans Karl riet er, Lore aufzusuchen, damit er um ihre Gunst werbe. - -

Ein Mertelstündchen blieb Gronau lang ausgestreckt auf dem Ruhebett liegen. Dann erhob er sich und trat an das Fenster. Es ging nach dem Park. Schon nach kurzer Zeit be­obachtete er, wie Lore allein auf einem von Hecken eingefaß­ten Wege dahinfchritt. Ohne langes Zaudern beschloß er, zu ihr zu gehen, um mit ihr ins reine zu kommen.

(Fortsetzung folgt.)

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