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Dienstag den 20 . April 1926 s-rmpr«ch-r nr 29 100 . Jahrgang
Polen muß Großmacht werden
Paris, 19. April. Der im Auftrag der Regierung nach Warschau und Danzig abgesandte sozialistische Abgeordnete Paul Loucour, der in Polen die Aufreizung gegen Deutschland weiter betrieb, hat nach seiner Rückkehr nach Paris einem Vertreter des „Journal" seine Eindrücke der Reise geschildert. Die Frage der Stellung Polens im Völkerbund müsse im September geregelt werden. Das Schicksal Europas spiele sich in Zukunft nicht mehr am Rhein, sondern in Polen ab. An der russischen Grenze sei die Lage äußerst gespannt. Ein Funke genüge, um den Brand zu entfesseln. — Einem Vertreter des sozialistischen „Oeuvre" sagte Paul Boncour, Polen sei der vorgeschobene Posten Europas. Die drei in Polen lebenden Rassen müssen einheitlich gemacht werden. Das zaristische Rußland habe Ruinen in Polen gehäuft: es müsse nun in die Reihe der europäischen Großmächte eintreten. Auf seiner Rückreise habe er sich mit den deutschen Parteifreunden von der Sozialdemokratie besprochen.
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Die Reichssinncchmen aus Steuern und Zöllen
Berlin, 19- April. Das Aufkommen an Steuern, Zöllen und Abgaben im Monat März 1926 betrggt aus B"sitz- Mid Verkehrssteuern 270,6 Millionen Reichsmark, aus Zöllen ^und Verbrauchsabgaben 172,2 Millionen Reichsmark und abgerundet im ganzen 442,9 Millionen Reichsmark. Für die Zeit vom 1. April 1925 bis 31. März 1926, also für das ganze Finanzjahr, belaufen sich die entsprechenden E'nnoh- mren auf 4892,4 bezw. 1962,8 und im ganzen auf 6 856,1 Millionen Reichsmark, gegenüber dem Voranschlag von 6 770,5 Millionen Reichsmark.
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Regierungswahlen in der Schweiz
Zürich, 19. April. Bei der Regierungswahl im Kan. ton Zürich siegten die bürgerlichen Listen. Es murren sieben Bürgerliche und kein Sozialist gewählt. Bei der Regierungsneuwahl in Basel-Stadt wurden fünf Bürgerliche bestätigt, während zwei Sozialisten in die Stichwahl kommep.
Ueberwachung der AlkohakschmmAller bei den Bahama-Inseln
London. 19. April. Der „Morningpost" zufolge erklärte sich die britische Regierung damit einverstanden, daß ameri-
konische Jollschisfe von Florida die am nächsten liegenden englischen Bahama-Jnseln nach vorheriger Anmeldung aufzusuchen, um nach Alkoholschmugglern zu forschen. Sie dürfen aber in diesen Gewässern kein britisches Schiff mit Be- fchlag belegen. Gleichzeitig werde die Regierung der Ba. Hama-Jnseln eine schärfere Ueberwachung der auslaufenden Schiffe ausüben.
Neuer Zusammenstoß mit Eingeborenen auf Sumatra
kokaradja (Sumatra), 19. April. Im Atjeh-Gebiet wurde neuerdings eine Abteilung holländischer Polizeisoldaten von Eingeborenen überfallen. Die Angreifer mutzten unter Zurücklassung von S Toten flüchten. Auf holländischer Seite wurden 3 Soldaten schwer, ein Offizier und zwei Soldaten leicht verletzt-
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Die Zustände in Peking
Paris, 19. April. Die „Chicago Tribüne" meldet an» Peking: Die Stadt befindet sich seit gestern abend vollständig in der Macht Tschangtsolins. Der vorläufige Präsident Tuan» schijui hat die Exekutivgewalt übernommen und einen von seinem Kabinett gebilligten Erlaß veröffentlicht, in dem zu» Ausdruck gebracht wird, daß ihm und seinem Kabinett angesichts der Bolschewistengsfahr nicht die Möglichkeit gegeben sei. auf die Durchführung seiner Aufgabe zu verzichten, daß sie aber zurücktreten wollten, sobald die militärischen Befehlshaber eine Verordnung zwecks Aufrechterhaltung der Zentralregierung erlassen hättei. Weiter meldet das Blatt, der Einzug der Truppen Tschangtsolins in Peking und die Regierüngsübernahme durch Tuanschijui verstoße gegen die gestern dem Friedensausschuß gemachten Versprechen. Die Besetzung habe aber so gut wie gar keine Unordnung he» vorgerufen. Das einrückende Heer habe Aufruf« erlassen, i» denen betont werde, es ziehe nur deshalb in die Hauptstadt ein, um die Kommum'stengefahr zu beseitigen. Sie wolle jedoch die Einwohner Pekings nicht schädigen. „Die Tat- fache, daß die Armee Kuomintschungs Peking vollständig räumte." so schließen sowohl die Aufrufe des Heeres wie die Tuanschijuis, „beweist, daß Kuomintschungs Heer von eine» Friedensschluß nichts wissen will" — Das Heer Kuomin- ts-stungs zielst sich übrigens, so schließt die Melduna der „Cbieago Tribüne", durch den Hankau-Paß zurück, da Tschangtsolins Leiste ans-beinend ihre Absicht, dein Heer de» Rückzug durch diesen Paß abzuschneiden, aufgaden.
Nr, 90 Segrüncker
Tsge-fpleger
Reichskanzler Dr. Luther und Reichomiuister Dr. Strese- ««m find iu Berlin wieder eiugetrofseu.
Am Mittwoch wird im englische» Unterhaus die Entschließung eines Abgeordneten eingebrocht, wodurch die Regierung oufgefordert werden soll, strengste Maßnahmen zur Unterdrückung revolutionärer Umtriebe u» ganzen britischen Leich zu ergreifen.
Tschangtstüia and seine Generale fordern die sofortige Abberufung des Moskauer Gesandten Sarachsm. widrigenfalls sie ihn wegen seiner revolutionären Umtriebe verhaften lassen würden
Dr. Stresemann über die politische Lage
«ms dem Laadesparteitag der Deutschen Volkspartei
Stuttgart. 19. April.
Im Bürgermuseum hielt gestern die Deutsche Bolkspartei chren Landesparteitag ab, der vom Landesvorsitzenden. Reichstagsabg. Bickes, eröffnet wurde. Abg. Schultheiß Rath-Lustnau berichtete über Landespolitik. Eine ernstliche Gefahr einer Regierungskrise in' Württemberg liege nicht vor. Die Deutsche Bolkspartei würde keinen Vorteil haben, wenn die Deutschnationalen aus der Regierung austreten würden. In der Frage der Oberamtszusammenlegung habe sich die Volksmeinung gegen früher geändert, und dem müsse man Rechnung tragen. Reichstagsabg. Landgerichts- direktor Wunderlich-Leipzig verbreitete sich über das Aufwertungsgesetz, an dem festgehalten werden müsse, eine Volksabstimmung über die Aufwertung sei Unsinn.
Frhr. von Rheinbaben sprach sodann in öffent- ücher Versammlung über die Lage nach Genf und verteidigte die Politik Stresemanns. Der Grundsatz des freien deutschen Rheins könne in den Grundzügen als gelöst betrachtet werden. Es wäre falsch, alle Kräfte für die Abänderung des Dawesvertrags einzusetzen, selbst wenn sie erreichbar wäre. Im Osten gelte es, die starken gemeinsamen Interessen mit Rußland auszubauen.
Reichsmlnister Dr. Stresemann
sprach sodann über die gegenwärtige politische Lage. Seit von Mac Donald die Frage des Eintritts Deutschlands in den Völkerbund wieder angeschnitten worden sei, seien von deutscher Seite als Grundsätze für den Eintritt die Anerkennung Deutschlands als Großmacht und sein Recht zur „Verwaltung" von Kolonien aufgestellt und verlangt worden, daß der Eintritt keine Anerkennung der Schuld Deutschlands am Weltkrieg bedeute. Diese Grundsätze bestehen bis heute fort. Selbst wenn der Völkerbund ein Bund der Gegner Deutschlands wäre, müßte Deutschland in ibm vertreten sein, um seine Interessen zu vertreten. Die Frage der allgemeinen Abrüstung begegne starkem Widerstand; kein Generalstab sei dafür zu gewinnen.
Die Verhandlungen in Genf seien deshalb gescheitert, weil neben der Zulassung Deutschlands noch verschiedene andere Fragen in die Verhandlungen hereinge- worsen wurden. Auch Brasilien sei nicht grundsätzlich gegen den deutschen Ratssitz gewesen. Die Mitarbeit der Reichs- regierung in dem Völkerbundsausschuß für dis Frage der Ratserweiterung, die von der öffentlichen Meinung Deutschlands so stark angefochten werde, sei nur eine gradlinige Fortsetzung der Grundsätze, die die Reichsregierung in Locarno und in Eens verfochten habe. Für die am Rheinabkommen beteiligten Mächte sei die Lage so, als ob Deutschland bereits dem Völkerbund angehöre. Deutschland habejedochvergeblichaufdieversprochenen Be s a tzu n g s e rl e ich t e r u n g e n am Rhein gewartet. Auch in den Pariser Luftfahrtoerhand- lnngen hätte nach Vriands Worten die bereits vollzogene .znoralische Aufnahme" Deutschlands in den Völkerbund in die Erscheinug treten müssen. Man könne wirklich kaum mehr ernst nehmen, wenn man im Ausland Angst davor habe, daß ein Dutzend Reichswehrofsiziere als Flieger aus- gebildet werden sollen. Die Fortdauer der Rheinbesetzung sei mit dem Geist der Verhandlungen von Locarno unvereinbar.
Mit Rußland führe Deutschland Verhandlungen, die dahin zielen, daß die beiden Staaten sich an keinen A n- ^riffsverhandlungen beteiligen, die von anderer Seite gegen Deutschland oder Rußland unternommen werden. Mit Locarno habe sich Deutschland nicht einseitig auf die Seite der Westmächte geschlagen; ebensowenig werde es sich mit den gegenwärtigen Verhandlungen einseitig auf die Seite Rußlands stellen. Die Verhandlungen seien schon fünfviertel Jahre im Gang und nun habe man den Westmächten offen davon Mitteilung gemacht.
Der Vertrag von Versailles habe absichtlich die Reichsgrenzen Deutschlands so gezogen, daß Deutsch- landwomöglichnichtzur Ruhe kommen solle. Würde man von verantwortlicher Stelle den Finger gleichzeitig in alle diese Wunden legen, so würde man nur im Sinn der Urheber des Versailler Vertrags handeln. Den Verlust seines Heers und seiner Flott« könne das deutsche 60 Millionenvolk
nur dadurch ausgleichen, daß es in allen wichtigen Fragen geschlossen die Außenpolitik der Regierung unterstütze, ob es nun eine Links- oder Rechtsregierung sei. Eine gemeinsame Front aller bürgerlichen Par- leienseiunmöglichundauchnichtwünschens- wert. Keine große Partei dürste Versprechungen machen, die sie nicht halten könne. Eine solche Partei (die Deutschnationalen) könne solange nicht in die Regierung eintreten, als sie Verträge, die von der Reichsregierung gebilligt seien, für rechtsungültig erkläre. — Es werde auch in Zukunft für Deutschland nicht an Rückschlägen und Enttäuschungen seblen, aber man habe das befriedigende Bewußtsein, für die kommenden Geschlechter etwas Besseres als das Gegenwärtige geschaffen zu haben. *
In einer Entschließung der Versammlung wurde der Reichs- und Landtagsfraktion und der Parteileitung Vertrauen und Dank ausgesprochen und dem Führer Dr. Stresemann unwandelbare Treue zugesichert.
Reichskanzler Dr. Luther in München
Aufgaben und Grenzen der „Kulturpolitik-
München. 19. April. Bei dem großen Empfang am Samstag im Haus des Ministerpräsidenten Dr- Held zu Ehren des Reichskanzlers Dr. Luther, des Reichsinnenministers Dr. Külz und des Reichsfinanzministers Dr.
Reinhold führte Dr. Held in seiner Begrüßung aus: Wir legen das größte Gewicht darauf, so sehr wir uns als Deutsche fühlen und gemeinsam arbeiten wollen, alsBay - «rn im Reich anerkannt zu werden und uns auf einer Reihe von Gebieten im Staatsleben, besonders aber der Kultur, unsere Eigenart auch im großen deutschen Vateftand zu wahren. Ich habe die Ueberzeugung, daß der Reichskanzler anerkennen wird, daß die Träger unserer Kultur ein Recht haben,, sich im deutschen Vaterland zur Geltung zu bringen und ich bin weiter der Ueberzeugung, daß diese Aussprache zum Wohl der Gestaltung unserer inneren Politik beitragen wird.
Reichskanzler Dr. Luther
dankte für die Begrüßung. Tr setzt« auseinander, was er unter Kultur versteh«. Es bestehe di« Gefahr, daß man sich zu sehr allein dem „Kulturleben" hingebe. Es sollt« nicht wieder einmal in Deutschland gesagt werden, daß es im Gedanklichen, im Kulturellen, in -er Kunst viel geleistet dabe. im Politischen lei es weniger iru beachten. Da» kul
turelle Selbsterleben eines Volks "erfülle seinen Zweck nicht, wenn nicht durch die andere Seite des Lebens die Tate» und das Handeln darüber stehe. DaspolitischeZu» sammenfassen unseres gesamten Volks, lebens sei die eigentliche Aufgabe jeder deutschen Kultur. Das Volk kämpfe um das Gesamtbild seiner Anschauungen, seinen Glauben, feine Einstellung zu den Dingen der Welt, also in erster Linie um seine Kultur. So haben auch wir um unsere Kultur gerungen, wenn wir unser politisches Wollen darauf einrichten, einst in der West das zu bedeuten, was wir als deutsches Volk beanspruchen können. Wir alle wissen, daß gerade in der außenpolitischen Lage, in der wir uns befinden, alles darauf ankommt, daß alle inneren Kräfte, alle lebendigen und starken Kräfte genügend entfaltet würden- Di« Länder als Träger deutscher Volkskultur haben ganz besonders große Leistungen vollbracht. Insbesondere das Land Bayern trage einen großen Teil mit zur Gestaltung der deutschen C-esamtkultur bei. Auf dieser Bahn müssen wir weitsrschrei- ten, wenn der Organismus der Kultur aus seinen Voraussetzungen heraus wachsen soll. Er stehe nicht an. als deutscher Reichskanzler hier auszusprechen, daß das Schwergewicht der kulturellen Entwicklung da, wo es bisher war, bleiben müsse und bleiben solle: bei den Ländern, daß aber alles kulturelle Streben dem einen Ziel dienstbar gemacht werden müsse, daß alle Kräfte unter Ausnützung jeder lebendigen Möglichkeit zu- sammengefaßt werden müßten, um ein starkes in sich ge. sck^ass-nes deutsches Volk und Deutsches Reich darzustellen, das sich in der Welt behaupten könne.
Württemberg
Stuttgart. 19. April. Vom Landtag. Im Finanzausschuß teilte Minister Bolz mit, daß in Sachen der Donauoersickerung von Württemberg eine Klage gegen Baden anhängig gemacht worden sei. Bezüglich des Straßen- und Brückenbaus, die allerdings teilweise dem schweren Lastkrastwagenverkehr nicht gewachsen seien, müsse die Regierung erst das vom Reichstag zu verabschiedend« Gesetz der Krastfahrzeugsteuer abzuwarten. Die Aufnahme einer Anleihe für Straßenbau werde erwogen. (Im Staatshaushalt sind für Straßenbau 14Z7 Millionen, 3L Mil- lionen mehr als im Vorjahr, eingestellt.) Eine Untersuchung der Brücken sei angeordnet. Es wurde sodann ein Antrag angenommen, für den Straßenbau eine Anleihe aufzunehmen und aus dem Ertrag der Kraftfahrzeugsteuer zu verzinsen Aut bedränate Gemeinden soll hinsichtlich der Bei-