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Nagolder Tagblatt »Der SeseMchaftee
Montag. 19 April Ivr«
Reichsgesundheitswoche.
Sausgau, 18- Vvrll. Kampf um das Storchen- n e st. Die Störche sind wieder zurückgek"krt. Nachts gab cs «inen erbitterten Kampf zwischen zwei Wettbewerbern um dos Nest auf dem Kirchdach.
Ravensburg. 18. April. Jugendlicher Brand- Pi fter. Der 13!4jährioe Dienstbubc Josef Knappik aus Allmannswciler bei Schussenried zündete am 7. März den massiven Stadel des Landwirts Robert Locher in Brocken- -ell bei Meckenbeuren, bei dem er bedienstet war. an. weil ihm der Dienst nicht mehr gefiel. Der Stadel brannte vollständig nieder. Das Landgericht verurteilte den Burschen zu Jahren Gefängnis mit öjähriger Bewährungsfrist. Er wurde auf freien Fuß gesetzt.
Weingarten, 18. April. Der Blutritt. Der alljährliche „Blutritt" zu Ehren des Tropfens vom Blut Christi, der als Reliquie in der hiesigen Klosterkirche anfbewahrt wird, findet ani 11 Mai in gewohnter Weise statt.
Daienfurt. OA. Ravensburg, 18. April. Streik. Bei der Firma Schlutter, hier, streiken seit letzter Woche die Bauarbeiter, da ihnen laut letztem Schiedsspruch 8 Pfg. I» der Stunde abgezogen werden sollen.
Mangen i. A„ 18- April. Eine alte Dachplatte. Bei Ausbesserungsarbeiten am Dach des Reinh. Wahlerichsn lksauses in der Herrenstronc fand man eine sehr gut erkalten« Dachplatte mit der Jnschrit: ,.1638 Johannes Reich". Die Blatte, die wohl noch einige weitere bunkert Jahre der NlH'terung standgehalten hätte, wird dem hiesigen Altertums- «uscum einverleibt.
f?riedrichshafen, 18. April. Gelandet- Die Leiche des We'sicherungsagenten Karl Steinhäuser aus Stuttgart, der »m 6. März von Bord des Dampfers „Bavaria" abends in Ai r Dunkelheit zwilchen Wasserburg und Lindau in den See Ueiprungen war, ist in der Nähe des Lindauer Hafens geborgen worden.
TMndersdorf (Hohenzollern), 18. April. Brand. In lFnenhausen ist dos Sägewerk Buck bis auf den Grund »iedergebraimt-
Esangelisch-foziale Woche in Eßlingen
ep Eßlingen, 18- April. Auf Veranlassung der Ortsgruppe Eßlingen des Evangelischen Volksbunds wurde hier «ine soziale Woche abgehalten, in der die brennenden sozialen Fragen von Rednern aus verschiedenartigen Berufen und Kreisen behandelt wurden. Am Donnerstag abend wrach Prälat l). Dr. Schöll, der auch auf der Stockholmer Kirchenkonferenz Hauptberichterstatter über diese Fragen war. Gibt es eine christliche Wirtschaftsordnung? Der Redner ging aus von dem fortschreitenden Auseinanderklaffen von Christentum und Wirtschaftsordnung. Die Kirche habe sich zu lange mit patriarchalischen Grundsätzen verbunden und ihr Interesse auf die Einzelseele -«schränkt. Die Geschäftswelt verbannte die christlichen Grundsätze aus dem wirtschaftlichen Leben und kam zur Unterscheidung zwischen persönlicher Sittlichkeit und Geschäftsmoral. Die christlichen Kirchen haben nun erkannt, daß die Wirtschaftsfragen auch sie angehen. Sie können sich zwar weder mit der kapitalistischen noch mit der sozialistischen Ordnung solidarisch erklären: es wird auch unmöglich sein, jemals das Wirtschaftsleben ganz und gar zu verchristlichen. Aber die Kirchen müssen sich bemühen, den christlichen Grundsätzen im Wirtschaftsleben möglichst weitgehende Geltung zu verschaffen. Auf den Einzelnen gesehen müssen sie zum Ausdruck bringen, daß der höchste Wert nicht der Sachwert, sondern die Seele ist. Aufs Ganze gesehen müssen sie den Gemeinschaftsgedanken und das Bewußtsein der Verantwortung steigern und vertiefen. Im einzelnen ergeben sich folgende Gesichtspunkte: Das Eigentum ist anvertrautes Gut. zum Heil der Seele und zur Förderung der Gemeinschaft zu nützen. Die Arbeit ist nicht Marktware, sondern Dienst. Die Wirtschaft andererseits soll nicht rein auf den persönlichen Vorteil gegründet, sondern allen dienende Volkswirtschaft sein. Die gegenseitige Verhetzung wäre nicht so stark, wenn jeder im andern den Menschen achtete. Dann könnte über den tatsächlichen Gegensätzen das Bewußtsein der Volks- und Arbeitsgemeinschaft entstehen.
Der letzte Bortrag am Freitag abend behandelte die
Großstadt, deren genaue Kenntnis zur Beurteilung der heutigen sozialen Verhältnisse unentbehrlich ist. Oberregierungsrat Dr. Aichele sprach über Stadt und Land in sozialer Beleuchtung. Der hervorstechendste Zug im Bild der modernen Großstadt ist die furchtbare Wohnungsnot mit allen ihren schlimmen Folgen für leibliche und seelische Gesundheit. Daraus ergibt sich die Aufgabe der Zukunft: Dezentralisierung. Die Großstädte müssen alles abstoßen, was nicht unbedingt in sie hineingehört. Auch die Industrie ist bei den heutigen Verkehrsmitteln und durch die Elektrizität nicht mehr an bestimmte Punkte gebunden. Dörfliche Siedelungen sind planmäßig auszubauen. Hinter allen diesen Reformen, soll nicht innere Barbarei in glänzendem Gewand entstehen, muß die innere Erneuerung des Menschen stehen.
St//»
Führer zur Gesundheit.
Das Wort Gesundheit ist in diesen Tagen in aller Munde, Gesundheit ist etwas Heiliges, hat ein Dichter gesagt, und der Gedanke, das ganze Volk einmal nachdrücklich aut die Pflege dieses begehrenswertesten aller Güter der Menschheit hinzuweisen, Anregungen zu geben, den Tiieb zum gesunden Leben zu stär ken und die Stumpfen aufzurütteln aus dem Schlendrian, ist gut und verdient aller Unterstützung. Eine Reihe von Veranstaltungen zieht an uns vorüber, wir sehen und hören, fassen Vorsätze und Entschlüsse — und wieviele von uns werden wieder säumig werden, wenn die Eindrücke verflogen sind! Die Gemndheiis w o ch e hat nur Sinn, wenn sie zu einem ganzen Gesundheits leben wird. Es gilt festzuhalten und sich zu eigen zu machen, was in diesen Tagen als Anregung auf uns ein- dringt. Das ist leicht gesagt und schwer getan. Wer aber jetzt einmal, wenn er durch die Straßen der Stadt wandelr, einen Augenblick vor dem Scharrstnster der Buchhandlung Zaiser verweilt, und den Schatz der Bücher betrachtet, die dort gestapelt sind, und die alle in Beziehung sieben zam Problem der Ge und heit, dem tritt es plötzl'ch ins Bewußtsein, daß in all diesen Büchern, Berater und Mahner stecken, die nur darauf warten, an den Menschen ihre Pflicht tun zu dürfen. Man staunt und freut sich über die unuaffende Literatur, die auf diewm Gebiete heroorgebracht ist, und es wäre im Interesse der Voltsgesundheit wirklich außerordendlich zu begrüßen, wenn die Reichs gesundheilswoche den Anlaß dazu gpbe, daß von diesen Büchern Nsöglichst viele von den Ladentischen in die Häuier wandein würden, um dort Segen zu stiften. Es w rd kaum ein besonderes Gebiet der Gesundheitslehre im weitesten Sinne geben, übcr das nicht eine Reihe vrauchbarer und interessanter Bücher erschienen ist. Nutzt die Erfahrung und die Arbeit, die in diesen Büchern steckt!
Aus Stadt und Laut
Nagold, 19. April 1926
Ein kaltes Wort fiel ins Gemüte —
Die Wiikung blieb,
Ein Wort verdirbt manch zarte Blüte Manch edlen Trieb.
Es wird manch hartes Wort gesprochen Und der es spricht.
Ahnt nicht, daß er ein Herz gebrochen Sieht nicht, wie's bricht. »
Liebig.
*
Dienstnachrichteü.
D»e Bauw'lkmeisterprüfung bestand: Haas, Martin vört Wittleusweiler OA Fieudenstadt.
Die Reichsbahndircktion hat den Eisenbahnobersekretär Geh ring in Neuenbürg (Enz) Bf. nach Ludwigsburg (Güt r- sülle) versetzt und dem Eisenbahnoberseki etar Sackmann Hb', die Stellung des Stationsvorstehers in Freudenstadt Stadt mit der Dienftbeteichnung „Oberbahnho^soorsteher" übertragen.
Nach Mitteilung der Ministerialabteilung für die Fachschulen sind die staatl. geprüften Handarbeitslehrerinnen Adelheid Binder aus Neuweiler und Julie Stahl aus Laichingen der Frauenarbeitsschule Calw zugeleilt worden.
Wie wir hören, wird anläßlich der Reichsgesundheitswoche Herr Medizinalrat Härle einen Abend über die Bekämpfung der Tuberkulose sprechen. Wegen der Seminarferien soll du Woche jedoch anscheinend um 8 Tage verschoben werden.
Gerverbevereiu Nagold.
In der am Samstag im Troubensaal stattgefundeneii Versammlung des Gewerbeoereins hielt Herr Redakteur Keller aus Pforzheim einen äußerst interessanten Vortrag über die Nagoldbahn, ihre Vergangenheit und ihre Zukunft. Dian muß sich fragen, wie es wohl kommt, daß die Nagolobahn heute noch eine solch gelinge Bedeutung hat, quasi von den maßgebenden Stellen als Stiefkind behandelt wurde und da muß nun darauf geantwortet werden, wie hiebei die gründliche Kennt nis der eigentlichen Verhältnisse fehlt. Die Nagoldbahn ist die kürzeste Verbindung zwischen Nord und Süd; sie ist l9 kürzer, hat geringere Steigungen und bedeutend weniger Kurven als die Schwaruvaldbah», obwohl von gegnerischer Seite behauptet wird, daß elftere „krumm, buckelig unk dunkel" wäre. Herr Keller entwickelte noch verschiedene andere Möglichkeiten der Verbindung zwischen Nord und Süd unter Bezug auf die Nagoldbahn, aus die wir jedoch des näheren nicht eingehen können. Wie die Verhältnisse heute auf der hiesigen Bahnlinie liegen, "s beweist z. B. wie vor — sage und schreibe — 70 Jahren mit 'j wesentlich schlechteren und primitiven Maschinen und sonstigen ) technischen unvollkommeneren Mutern heute, im Zeitalter des Verkehrs, die Verbindungen schlechter lind. Zum Beispiel kam man 1864 auf einer verhältnismäßig kurzen Strecke von zwei Stunden Fahrt um eine Viertelstunde früher ans Ziel als heute Welche Bedeutung der Nagoldbadn von ihren Erbauern zugemessen wurde, beweist der zum Teil von An'ang an bestehende zweigleisige Ausbau und die Opposition von manchen Sollen gegen die Nagoldbahn wird in Verbindung mit dem geflügelten Wort zu verstehen sein: „Alles älles goht Zluagert zua". Ae Verbesserung des Verkehrs auf der hiesigen Bahn ist nicht nur sür die Anlieger von größter Bedeutung, nein, sontern für unser ganzes Volk, da durch die Nagoldbahn die beste Ver bindung zwischen Nord und Süd geschaffen werden kann und die Zukunft eines Volkes von der Steigerung des Verkehrs ab hängig ist. Als Beispiel könnte man die Schweiz hinsteveu. deren Einfuhr 60°/» beträgt und die trotzdem eine vorzügliche aktive Bilanz aufweisen kann. In Schweizer Kreisen Hai leider zum Teil auch eine große Hetze gegen die Nagoldbahn eingesetzt, und Herr Keller verstand mit der Erklärung sei Hegau-, Biber- und Raudenbahnprojekie, diese Für und Widei zu erklären. Viel verspricht sich der Redner von der Elektrisierung der Bahnen und er hofft und wünscht, daß die Nagoldbahn mit eine der ersten ist, die bei der Verwirklichung diese Gedankens in F, age kommt. Schon allein das Befahren unsrer Strecke mit einem Triebwagen winde wesentliche Vorlei e bringeil, da mit dem Triebwagen die Stucke mit Leichiigieit mit 90 Km Geschwindigkeit ausgefavren werden könnte, wogegen der schnellst! Schnellzug bis hrute die Sirecke mit knapp 70 Km. befährt Es müßte von hiesigen Krciien eine intensivere Verkehrswer- bung einsetzen, die nicht allein die Beibringung eines Fremdenverkehrs im Auge habe, sondern auch an der Schaffung von Unte kunstsmöglichkeiten und den damit zus immeichänM den Fragen Anteil nehme., Vor allem aber müßten die maßgebenden Stellen einmal bekennen lernen, daß die Bahn die Bahn des Reichs lind nicht die einzelner Interessengruppen ist.
Nachdem Herr Redakteur Kelle: noch Ausführungen über Automrbindungen gemacht hatte, aus denen ebewo wie aus ffemen Worten über die Nagoldbahn ein reick es. Verständnis und eine ebenso reiche Erfahrung sprach dankte ihm Herr Eleklrizitätswerksbesitzer Wohlbold im Namen des Gewerbevereins.
Nach Verlesung des Jahresberichts seitens des Herrn Wohl- bold und des Kossenberichis durch Herrn Kapp wurde noch die Möglichkeit rines Ausflugs des Veieins in das Murgtal zum Schwarrenbachwrrk und von da aus nach Baden Baven besprochen; jedoch soll Näheres hierüber noch bekannt gegeben werden. Einige kleinere Angelegenheiten waren schnell eilevigt,
Niilkl klick M SKI' kMMW
Deutschlands Söhne seid nicht so ehr und pflichtvergessen, verstärkt nicht die Arbeits- und Heeresmacht unseres giim irrigsten Feindes und schwächt nicht die Arbeitskraft des eigenen Vaterlandes.
Der Karnickelbaron
Humoristischer Roman von Fritz Gantzer
Nun erschien auch Lore, um die für ein paar Tage verreist gewesene Freundin in Empfang zu nehmen und den Amtsrichter zu begrüßen. Er hatte bei ihrem Anblick das Empfinden: Sie ist nicht die Alte. Ihre sonnige Heiterkeit ist dahin. Elend bleich sieht sie aus, ganz vergrämt. Renate nickte Ebertq lächelnd ein „Auf Wiedersehen!" zu und ging dann am Arme Lorens vor den beiden Herren in das Haus.
Erst als Ebertq dem Frech errn in besten Zimmer gegen- Aderlaß, kam man auf den Grund zu sprechen, der den Krachtwitzer veranlaßt, das Kommen seines Besuchers zu erbitten.
„Haben Sie sich mein Madel etwas genauer angesehen?" erkundigte sich Herr von Lessenthin ohne weitere Einleitung sofort, als er seine lang« Pfeife, und Ebertq die ihm angebotene Zigarre in Brand gesteckt hatten. „Ja? Sie brauchen gar nicht so verwundert zu tun, daß ich danach frage. Denn dieses bockbeinigen Mädels wegen, habe ich Sie rufen lasten."
Ebertq fand sich in diesem krausen Zeug nicht zurecht und lächelte etwas verlegen.
„Na, Sie brauchen keine Angst zu haben, daß Sie meine Tochter heiraten sollen", polterte der andere, den hilflosen Gesichtsausdruck seines Gegenübers beobachtend, los. „Aber ein anderer will sie und sie diesen anderen. Aber ich will nicht. Denn dieser andere hat mich mit der Clique Baron von Krusewitz und Genoffen unter Aufgebot einer Horde halb Verrückter schikaniert. Dieser andere hat sich der ihm wohlverdienten Strafe zu entziehen gewußt, hat meiner Tochter eine Liebeserklärung gemacht und sie nachher eingesperrt. Schließlich ist dieser Frechdachs zu mir gekommen und hat mich gefragt, ob ich ihm meine Tochter zu Frau geben wolle, da er sie liebe."
Der Krachtwitzer flötete das letzte Wort förmlich und formt« die Lippen, als wolle er jemand küssen. Lächelte Sann höhnisch und fuhr wiederholend fort: „Ja. daß er sie ^ebe! Und dieser andere ist einer von ihrem Gewerk, Amtsrichter, und heißt Kurt von Gronau. Meine Fräulein Tochter liebt ihn wieder. Die Heiraterei könnte also losgehen, wenn es nicht auch einen Vater gäbe, der den beiden Liebenden einen Strich durch die Rechnung machen will. Einen
ecklig dicken. Einen, der alle Liebessehnsucht und alle Heiratsgelüste einfach überpinselt."
Ebertq verstand nicht, weshalb ihm das alles gesagt wurde. Was hatte er denn damit zu tun? Er sog an seiner Zigarre und lächelte abermals verlegen.
„Sie mögen nun lachen oder weinen. Das ist mir ganz egal. Meinen letzten Willen werden wir trotzdem ummodeln. Hier ist der Wisch."
Er nahm das Testament von seinem Schreibtisch und reichte es Ebertq hin.
Der blätterte darin, während der Krachtwitzer im Zimmer auf und ab stürmte, und sagte nach einer Weile: „Wie denken Sie sich das, Herr von Lessenthin?"
„Sehr einfach: Erstlich: Das mit den Karnickeln kann nun, nachdem ein Hohes Reichsgericht seine Weisheit leuchten ließ, einfach weg. Also durchgestrichen! Und die Stelle, die von meinem Neffen spricht, formulieren wir: „Mein Neffe Hans Karl von Vütow wird Besitzer von Krachtwitz, sobald sich meine Tochter Eleonore von Lessenthin weigert, ihn zu ehelichen. Sie ist für diesen Fall mit dem ihr zukommenden Pflichtteil abzickmden."
Unmöglich können Sie das im Ernst beabsichtigen," ereiferte sich Ebertq über den Vorsatz des ungerechten Vaters.
„Natürlich kann ich das. Und der kluge Mann baut vor. Uebermorgen kommt mein Neffe zur Jagd. Und am Abend werde ich seine Werlobung mit meiner Tochter einfach proklamieren. Vor versammeltem Kriegsoolk. Dann müssen beide."
„Hm. Ein etwas gewagtes Experiment", gab Ebertq zu bedenken.
„Nicht im geringsten. Hans Karl ist nicht der Schlauste in Preußen. Den übertümple ich, daß er ja jagt und mich nicht blamiert. Und mein Mädel? Na, das -st ia gerade nicht dumm und wird mir nicht parieren wollen. Aber es wird müssen. Und nun sagen Sie: Liegen Bedenken juristischer Art vor, wenn ich meinen letzten Willen aus diese Weise abändere?"
„Kaum. Trotzdem möchte ich nicht dazu raten. Sie werden die beiden jungen Menschenkinder doch nicht etwa wie ein Gespann zusammenkoppeln wollen?" !
„Warum nicht? Solche Kuppelungen halten am besten! . . . Und min schreiben Sie, bitte!"
Ebertq erhob sich hastig, eins unverhohlene Entrüstung auf seinem Gesicht zur Schau tragend, und sagte entschlossen: „Ich bedauere, unter den von Ihnen geschilderten Umstände» meine Mitwirkung bei der Abänderung der Testament» bestimmungen ablehnen zu müssen, Herr von Lessenthin Einem offenbaren Unrecht gegen die Komteß versage ich meinen Beistand. Uebrigens bedürfen Sie meiner Hiffe gm nicht. Wollen Sie durchaus, daß neue Bestimmungen in das Testament ausgenommen werden, so besitzen diese auch dann rechtliche Kraft, wenn Sie die Abänderungen eigenhändig treffen, schließlich auch durch einen Notar beglaubigen lassen."
Der Krachtwitzer war zuerst aufgesahren und hatte beabsichtigt, dem Amtsrichter in die Rede zu fallen. Aber dessen entschiedenes und sachliches Sprechen hatte ihn schweigen und bis zum Schluß seiner Ausführungen ruhig, wenn- gleich auch mit einem spöttischen Lächeln um den Mund u»d stark vibrierenden Nasenflügeln, zuhören lasten.
Nun erhob er sich gleichfalls und sckob den hochlehnige» Eichenstuhl hart zurück: „So? Also Sie wollen nicht! Denken Sie nicht, daß ich Sie lange bitten werde. Meine Testament bekomme ich so, wie ich es wünsche, auch ohne Sie Und wir beide batten wohl nun nichts mehr zu verhandeln.'
Das Türweisen ließ an deutlichkeit nichts zu wünschen übrig, und Ebertq vermied es, noch deutlicher aufgefordert zu werden, sich zu entfernen. Er verbeugte sich, ein paar höfliche Worte des Bedauerns sagend, und verließ das ZiM' mer.
Aus dem Flur begegnete ihm Lore. Einem plötzlichen Entschluß folgend, bat er sie, ihm für ein paar Minuten Gehör schenken zu wollen. Als sie Gewährung genickt hatte, unterrichtete er Sie mit wenigen Worten von dem Vorhaben ihres Vaters.
! Sie senkte traurig den Kopf und entgegnete: „Ich weiß bereits alles und bin von dem, was sich morgen abend ereignen soll, bis in die kleinsten Einzelheiten durch meinen Vater selbst unterrichtet."
„Und Sie wollen diese Vergewaltigung Ihres persönlichen Entscheidens ruhig und widerstandslos über sich ergehen lassen?"
: „Nein!" sagte sie, sich Hort aufrichtend. „Ich werde dieser j
! Vergewaltigung, wie Sie sehr treffend sagten, auf alle Fälle i zu entgehen suchen." (Fortsetzung folgt.» -