Leite 2 — Nr. 67
Nagolder Tagbloll »Der Gesellschafter-
Sie Regierung ab, die Not der Landwirtschaft kämme in erster Linie von ihrer kurzfristigen Verschuldung her.
Von seiten der Deutschen Volkspartei wurde ungeordnet, das Ernährungsministerium auf das Reichswirt s ch a f t s m i n i st e r i u m zu übertragen. Der derzeitige Reichswirtschaftsminister Dr. Curtius, der der D. Vp. zugehört und der der I n d u st r i e nahesteht, würde also zugleich die Ministerien für Ernährung und Landwirtschaft zu verwalten haben. Gegen diesen Vorschlag traten Redner der Deutschnationalen und der Völkischen Partei sehr entschieden auf. Die Landwirtschaft dürfe nicht vollends auf die Seite geschoben werden.
Die Verhältnisse der Reichspost Berlin, 21. März. Nach der Mitteilung des Reichspost- ministers Stingl im Haushaltausschuß des Reichstags sind gegenwärtig im Reich über 1200 Postkraftwaaenli'nien im lleberlandverkehr mit über 2700 Kraftomnibussen und sonstigen Personenkraftwagen im Betrieb. Die Zahl der Postscheckkunden beträgt 857 000. Im Fernsnrechwesen gibt es über 2'/, Millionen Sprechstellen. Die Frage einer Tarifänderung wird geprüft. Die Telegraphie arbeitet mit Schaden. Dem Rundfunk sind über eine Million Teilnehmer angeschlossen: 19 Sender sind im Betrieb, ein weiterer wird in Baden aufgestellt. Am 31. Januar d. kV waren bei der Reichspost beschäftigt 251 307 Beamte >»i Hauptamt. 41 829 außerhalb des Beamtenverhältnisses. D>>- Einnahmen sind nach dem Stand vom 1. Januar um 10 Millionen hinter dem Voranschlag zurückgeblieben, die Ausgaben dagegen haben ihn um einige Millionen überschritten. Ob das Jahr 1925 ohne Fehlbetrag abzuschließen sein wird, läßt sich noch nicht sagen. Die Personalausgaben sind um 2,2 v. H. gestiegen, die Betriebs- und Sachausaaben um 37,6 v. H. Die persönlichen Ausgaben betragen 58,7 v. H der Betriebsausgaben. Die Besörderungsverhältnisse der höheren Beamten sind geradezu trostlos.
Die Reichsbahn im Februar Berlin, 21. März. Die Belebung des Güterverkehrs der Reichsbahnen auf einigen Gebieten Im Februar wurde durch den Rückgang des Versands von Kohlen und landwirtschaftlichen Erzeugnissen wieder ausgeglichen. Nur der Kartoffelversand bat wegen der Saatzeit zugenommen, im übrigen ist der Wagenbedarf der Landwirtschaft gering. Von Kali wurden seit Mitte Februar täglich 1—2 ganze Eisenbahnzüge — nach Frankreich geleitet. Die Ausfuhr von Kohlen nach Holland hat zugenommen, dagegen wurden für das Inland 97 000 Tonnen weniger befördert als im Jqnuar- Der Versand von Getreide. Mehl und Zucker ging zurück. Der Personenverkehr war dem im Januar gleich. Die Einnahmen im Februar betrugen 292 806 000 -lt (369 832 000 die Gesamtausgaben 333 290 000
Der Personalbestand der Reichsbahn betrug am 1. Ia- .autir 682 795 Kräfte, dazu 67 366 Hilfsarbeiter, zusammen 750 161.
Die Unterstützung des Gekreidehandels Berlin, 21. März. Der Volkswirtschaftliche Ausschuß des Reichstags nahm den Antrag auf Bewillia'wa von 30 Millionen Reichszuschüssen für die von den Verufsständen gegründete Getreidehandelsgesellschaft an. Der Antrag kommt noch vor den Haushaltausschuß. Der weitere Antrag, die Regierung solle einen Gesetzentwurf ausarbeiten, nach dem der Getreidehandel in die Hände des Staats übergeht, liegt noch dem Volkswirtschaftlichen Ausschuß vor.
Der bekommt die 30 Millionen der Landwirtschastshilfe?
Vertreter der Reichsregierung, der Kunstdüngerindustrie und der Getreidehandelsverbände sind zurzeit einberufen, um über die Hebung des Roggenpreises zu beraten. Die Vertreter des Handels behaupten, es gebe kein anderes Mittel als den Roggenbau stark einzuschränken und - dafür Weizen zu bauen, wobei unberücksichtigt gelassen zu sein scheint, daß im größten Teil des deutschen Anbaugebiets kein Weizen gebaut werden kann. Die für die Landwirt- schaftshilse vorgesehenen 30 Millionen Mk. sollten nach der Ansicht der Handelsvertreter der neu gegründeten Getreidehandelsgesellschaft zur Verfügung gestellt werden. Die Vertreter der K a l i i n d u st ri e schlugen vor, daß die 30 Millionen der Industrie für Lieferung von Stickstoff und Kali unmittelbar überwiesen werden, ein Vorschlag. der bei der Regierung nicht auf grundsätzliche Ablehnung stieß. Die Hauvtiraae. wie der diesjährige
Nor.gniüberschuß von 20 Millionen Zentner untergevrachl werden soll, blieb noch ungelöst.
Lärm im sächsischen Provinziallandlag
Merseburg, 21. März. In der letzten Provinziallandtagssitzung kam es zu wüsten Auftritten, als die Kommunisten einen deutschnationalen Redner tätlich bedrohten. Der Präsident konnte die Ruhe im Hause nicht aufrechterhalten und legte das Präsidium nieder. Bei der Beratung von Abänderungen der Geschäftsordnung wurden die nichtkommunistischen Redner von den Kommunisten andauernd unterbrochen. Schließlich verließen sämtliche Mitglieder des Hauses mit Ausnahme der Kommunisten den Saal, sodaß die Sitzung vertagt werden mußte.
Württemberg
Stuttgart, 21. März.
Befähigung für den würtkembergifchen Forslverwaltungs- dienst. Das Skaaisministerium hat am 19- März die Verordnung über die Befähigung für den württ. Forstverwaltungsdienst vom 1. Juli 1921 dahin geändert, daß für die Zulassung auch genügt das Reifezeugnis einer deutschen Oberrealschule, ergänzt durch ein Zeugnis über das Bestehen einer Ergänzungsprüfung im Lateinischen an einem deutschen humanistischen oder Realgymnasium spätestens im Lauf des dritten Studienhalbjahrs, während bisher die Er- günzungsprüfung im Lateinischen schon vor Beginn des Forststudiums abgelegt sein mußte.
, Todesfall. General der Infanterie von Freudenberg» der den größten Teil seiner militärischen Laufbahn bei würtkembergifchen Truppenteilen verbrachte und von 1902—1905 an der Spitze der 27. Division in Ulm stand, ist in Baden-Baden im Alter von 75 Jahren gestorben. Er war Kriegsteilnehmer 1870/71 und nahm auch noch am Weltkrieg als Divisions- und Korpskommandeur teil.
Das Messer. Das Schwurgericht hat den Bahnarbeiter Reinhold Süffel von Stsinbach OA. Backnang, der nach vorausgegangsnem Streit den Landwirt Knödler erstochen hat. zu 8 Monaten Gefängnis verurteilt.
Niis dem Lande
Hestbrvnn, 21. März- Dieneuen Glocken derSk. August inerkirche sind in Apolda aegosien worden und. wie berichtet wird, bestens gelungen. Die Weihe wird am 3. Sonntag nach Ostern (25. Aprils statlfinden.
Waldbrand. Eine Lärchcnkuitur in der Nähe des Schweinsbergturms geriet am Freitag nachmittag in Brand. Die Vrandfläche erstreckte sich auf einige Morgen. Ehe die Feuerwehr eintraf, hatten der Lehrer und Einwohner von Donnbronn das Feuer bereits eingedämmt. Die Ursache ist noch nicht aufgeklärt.
^ Efelshaldon OA. Welzheim. 21. März. Unfall beim Sprengen. Die beiden Brüder Christian und Albert Bader wollten im Steinbruch nach einem Sprengschuß seben, der nicht losging. Im gleichen Augenblick entlud sich das Sprengmittel und beide Brüder erlitten schwere Verletzungen an den Augen: sie wurden in eine Augenheilanstalt nach Stuttgart verbracht.
Heidenheim. 21. März. 60 Dienstjahre. Der Graveur Joh. Kicherer in der hiesigen Kattunmanusaktur > kann aus eine 60jährige Dienstzeit zurückblicken. Cr wurde von der Firma und seinen Mitarbeitern durch Geschenke geehrt.
Oberstetten OA. Münsingen, 21. März. Brand. Scheune und Stall des Landwirts Johann Georg Heinzelmann sind abgebrannt. Das Vieh konnte gerettet werden, ebenso das Wohnhaus und ein Nachbarhaus.
Roltenburg, 21. März. Gewerbebank. Infolge Krediterteilungen, die angesichts der wirtschaftlichen Lage nicht ohne Verlust für die Bank abgehen werden und für die der Aufsickstsrat die Verantwortung nicht übernahm, ist die Vorstandschaft der Gewerbebank zurückgetrelen. Als neuer Bankvorstand wurde Fialleiter Karl Maier bestellt. Der Aufstchksrat wurde wiedergewählt, was als Vertrauens- kunogebung der Mitglieder betrachtet werden darf. Die vorhandenen Rücklagen und sonstiae Aktivvosten gestatten jeden» j falls, wenn auch keine völlige Deckung.der uneinbringlichen >
Montag 22 MSrz IVL6
Posten, so doch'die Aussicht, daß die Bank die Lage ohne Gefahr überwindet.
Tuningen OA. Tuttlingen. 21. März. Masern. Dl» Masern sind hier so stark verbreitet, daß 83 Kinder das Bett hüten. Die Schulen sind noch geschlossen und die Konfirmation mußte auf 11. April verschoben werden.
Ulm, 20. März. Diamantene Hochzeit. Die Eheleute Andreas Häßler, Zimmermann, und Frau Paulin«, geb. Schwarzmann, in Neu-Ulm, beide im 85. Lebensjahr« stehend, feierten in voller Rüstigkeit im Kreise ihrer An- gehörigen die diamantene Hochzeit.
Diberach. 21. März. Wohnungsmiete. Da Meinungsverschiedenheiten darüber entstanden sind, ob Biberach im Sinne der BO. vom 26. 2. 1926 zu den Städten mul mehr als 10 000 Einwohnern zu zählen ist, hat sich auf Anfrage das Ministerium des Innern dahin geäußert: „Di» Fassung, Städte mit mehr a's 10 000 Einwohnern, ist absichtlich gewählt worden, um außer den mittleren Städte» i. S. des Art. 7 der Eemeindeordnung auch jenen Stadt» gemeinden die höhere Schützgrenze von 1000 -st für teur» Wohnungen zu gewähren, die erst bei der letzten allgemein«» Volkszählung mehr als 10 000 Einwohner hatten.
Ravensburg. 21. März. Handelskammer. Dl« Handelskammer Ravensburg trat auf Grund der um 28. Januar d. I. vollzogenen Neuwahlen am 17. März zu ihre« ersten konstituierenden Sitzung zusammen. Als Vorsitz:nder wurde Direktor W. Ruile-Ravensburg. als stellv. Aorsitzrnd« Fabrikant Eduard Kutter-Ravensburg wiedergewählt.
Tetknang, 21. März. Keine Ortskrankenkass», Friedrichshafen. Auf eine Anfrage des Verstcherungs- amts betreffend den Antrag der Stadtgemeinde Friedrichshafen, dort eine eigene Ortskrankenkasse zu errichten, hat der Vorstand und Ausschuß der Ortskrankenkaffe Tettnang gutachtlich erklärt, bei dei; heutigen schlechten Wirtschaftslage sollten Neugründungen von Krankenkaffen überhaupt vermieden werden; ein Bedürfnis für eine Krankenkasse irr Friedrichshafen liege nicht vor, da die Ortskrankenkaffe der Oberamtsstadt Tettnang bet guten Mitteln und leistungsfähig sei.
Tettnang. 21. März. Ladendiebe. Zwei junge Burschen betraten den Laden des Kaufmanns Ruderer in Gop- pertsweiler. Es war gerade niemand im Laden anwesend^ und diesen Umstand benutzten die Burschen dazu, schnell einen Griff in die Ladenkaffe zu tun. Mit 250 ^st ergriffe» sie die Flucht.
Dom Bodensee. 21. März. Der geprellte Dieb. Ein Wagemutiger erkletterte zur Nachtzeit in Radolfzell de» 25 Meter hohen Kamin der Radolfwerke, da er sich di» goldene Blitzableiterspitzs aneignen wollte. Unter Lebensgefahr gelang ihm dies'schließlich. Es stellte sich aber herauf daß die Blitzableiterspitze einfaches Eisen war mit einem einfachen GolÜüberzug. In nicht sehr freudiger Stimmung mußte er seinen Rückweg antreten.
Aus Stadt und Land
Nagold. 22 Mär, IS8«
Mancke Leute erregen sich des Bösen halb«, das in der Well geschieht. Bedenken aber nicht das Schlimme, das sie tun.
Alfred Friedman»
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Dtenstnachrtchten.
Vom Senat in Lübeck wurde Baurat Otto Hespeler zum Oberbaurat befördert.
Dom Frühlingsanfang und Konfirmalionssonntag
Wenn auch der März uns schon herrliche und schöne Frühlingstage gebracht halte, so konnte er doch nicht immer seine Eigenart verbergen. Warmer Sonnenschein wechselte ab mit Regen in d winterlichem Schneege'iöber. Auch der gestrige Sonntag gab eigemlicb nicht den Früdlingsanfang kund, den« ein rauher Wind fegte über die Höhen und durch die heimatlichen Täler und ließ den frohen Finken- und Amselruf verstummen. Die Schneeglöckchen, die sicherlich lieber drn F üdlingsanfang mit tanzenden Sonnenstrahlen vereint einläuten, schüttelten unbillig ihre Köpfchen und die Maßliebchen, die die Tage vorher
Der Karmckelbaron
Humoristischer Roma» von Frig Gantzer
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Dann, schon im Laufe der ersten Stunde, war nach und «ach ein Umschwung bei ihm eingetveten. Der von den Treibern erzeugt« wüst« Höllenlärm hatte ihn angeeselt. Die Schützen, er nicht ausgeschlossen, hatten den Eindruck dum- mer Jungen auf ihn gemacht, die einen albernen Streich begehen. Und Lore von Lessenthins Augen, unverhohlen spät- tisch blickend, waren vor ihm aufgetaucht. Diese Augen! Fortwährend hatte er sie gesehen. Und ihr Lachen, auch spöttisch, war vor feinen Ohren gewesen. Und ihr« Stimme hatte er schließlich gehört und deutlich zu vernehmen geglaubt: „Wie nett muß das sein. Herr Assessor, so etwas recht Dummes, Albernes mitbegehen zu dürfen! Für ein bißchen vernünftiger hätte ich Sie denn doch gehalten . . ."
Eine Wut stieg in ihm auf. Gegen Lore, di« Jagd, den vardekower — sich. Gerade, als er einen stillen, einsamen Waldweg kreuzt« und für Minuten von niemand gesehen wurde, kam ein plötzliches Entschließen in seinen Sinn. Mit einer harten, zornigen Bewegung warf er das seit langem ungeladen getragene Gewehr über di« Schulter, machte scharf rechtsum und schritt den Weg hinab.
Der führte auf Krachkvitz zu. Ein« Weile ging er ihn. Eine ganze Weile. Suletzt immer langsamer, wie ein Ber- fonnener. mit nach innen gekehrten Augen. Den wüsten Lärm, der schon fern, wie etwas in sich Berschwimmendes, allmählich Abebbende» klang, hörte er nicht mehr. Aber den Klang einer Stimme glaubte er zu vernehmen. Und diese , Stimm«, diese - . - liebe Stimme fügte die Worte: „Wie »ett, Herr Assessor, daß Sie nun endlich vernünftig gewor ben sind." —
Die den Weg begleitenden Kiefern mischten sich schon mit Laubholz, «ereinzette Birken liehen ihre weißen Leiber leuchten, rissige Stämme weitausspannender Eichen waren ihnen freundlich gesinnte, treue Nachbarinnen, und einige stolze Buchen verschmähte« die Nähe beider nicht. Der Krachtwitzere Park konnte gar nicht mehr fern sein.
Als Kurt von Gronau das bedachte, blieb er in halbem Erschrecken stehen, sah sich scheu um und überlegt«: Bin ich absichtlich so weit gegangen oder habe ich ganz unbewußt aeharchett?
Wollte ich hierher? Trieb es mich, von mir nicht als etwas Treibendes, Zwingendes erkannt, die Nähe des Parkes, des Herrenhauses , . die Nähe Lore von Lessenthins auf- zusuchen?
Was war das mit ihm? was war das an allen Tagen der letzten Woche gewesen, das in seiner Seele gewohnt? Betrug an sich selber? Ein Zurückdrängenwollen wahrster! überzeugtester Empfindungen? s
Und unter der Mach«, der Tünche, der blöden Verstellung > wirklich die Liebe? s
Er trat ein paar Schritt« zur Seite, lehnte das Gewehr an einen Buchenstamm und warf sich in den Schatten, den der hundertjährige Waldriese wie ein dunkles Tuch auf den moosüberwucherten Boden breitete.
Und nun lag er und grübelte . . . Wirklich die Liebe?
Klang da nicht ein Schritt?
Er richtete sich jach auf und sprang dann in die Höhe. Gar nicht weit von ihm stand Lore von Lessenthin und sah erstaunt zu ihm herüber. Oder blickte sie ihn spöttisch an?
Zum mindesten sprach sie jetzt spöttisch:
„Ah. schon jagdmüde. Herr Assessor? Oder hat Baron von Kvusewitz bereits Halali blasen lasten?" Sie lauschte, den Kopf zur Seite neigend, in die Ferne. „Aber nein, das tvbt ja noch, dieses Wüst«, Wilde. Wir glaubten, die Welt gehe unter, bis wir erfuhren, daß der Baron eine Treibjagd in Szene gesetzt habe."
Nun kam auch er endlich dazu. Worte zu formen. Etwas zerknirscht und ein gut Teil verlegen sagte er: „Komteß. Ihr Spott ist berechtigt."
„O. ich spotte nicht, ich spreche im Zorn. Und mein Zorn gilt Ihnen nicht zuletzt, wenngleich Sie ihn nicht verdient zu haben scheinen, da ich Sie so untätig, fern von den JagÄ- genossen finde. Oder vermut« ich falsch, wenn ich in Ihnen einen Teilnehmer an der Jagd zu sehen glaube?"
„Ich war beteiligt."
Sie blitzte ihn empört an. „Und jetzt?"
„Jetzt wundere ich mich, daß ich so töricht sein konnte, das Narvenspiel mitzutreiben."
„Sie wählen einen gelinden Ausdruck."
„Welchen würden Sie für gut befinden. Komteß?"
„Das möchte ich Ihnen nicht sagen."
„Auch dann nicht, wenn ich Sie darum bitte, wem ich Ihnen Versicherer, daß mir an ihrem Urteil sehr viel gelegen ist?" i
„Mit einem Male?" Sie lachte. „Vor kurzem bewiese» Sie noch das Gegenteil."
„Ich bitte Sie, die Vergangenheit ruhen zu kaffen. Heute ist alles ganz anders." Er stockte einen Augenblick und fuhr dann, hastiger sprechend, fort: „Heute ist alles besser, schöner. Ich möchte es Ihnen noch treffender sagen, finde aber de« passenden Ausdruck nicht."
„O bitte, bemühen Sie sich nicht mit dem Suchen danach. Ich verzichte gern, ihn zu hören."
Sprachs und wandte sich mit hoheitsoollem Lächeln ad. Festen, entschlossenen Schrilles ging sie nach der Richtung zu. aus der sie vorhin gekommen war. Wandte sich nicht um. Und trug Len Kopf tief gesenkt, als suche sie nach etwas Verlorenem.
Und Kurt von Gronau sah ihr betroffen, wie ein von kalten Wasserströmen Ueberschütteter nach, wußte nicht, ob Herbst oder Frühling um ihn sei, ob die Sonn« lach« oder der Himmel ein Weinen sende. Er war wie betäubt, wie zerschlagen. Und das Betäubtsein lief vom Hirn nach einer Stelle seines Körpers, wo es noch vor kurzem so lebenswarm und glücklich für Lore von Lessenthin gepocht, im ersten Verstehen einer längst vorhanden gewesenen Liebe, und wo es nun plötzlich so war. als wenn dort etwas gestorben sei-
Und Kurt von Gronau griff mechanisch nach seinem Gewehr, warf es über und ging, auf Weg und Steg nicht achtend. quer durch den Wald davon - - -
„Halt! . . . Zum Donnerwetter, halt, haaalt! Bei St. Hubertus, keinen Schritt mehr. Herr Assessor von Gronau!"
Der Angernfene war schon beim ersten Halt zusammen- gezuckt und hatte von seinem träumerischen Dahinwandeln obgeloffen. Daß der Krachtwitzer seinen Spruch trotzdem zu Ende brachte, war die Folge einer in ihm tobenden namenlosen Will. Sie trieb ihm die Worte wie einen unaufhaltsamen Gebirgsstrudel über di« Lippen.
Der Assessor bemerkte den Rufenden nicht sofort, obwohl er seine Nutzen noch allen Seiten wandern ließ. Schließlich erblickte er ihn in einem Tannengebüsch zur Linken. Dort stand er mit funkelnden Augen, das Gesicht von der flammenden Röte wilder Empörung übergossen. Und die Büchse lag im Anschlag. Es schien, als beabsichtige er. Gronau wie einen beim Abknicken eines Bockes überraschten Wilderer ^ niederzuknallen. *
(Fortsetzung folg»)