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Raaolder Tagblatt «Der Gesellschafter-
Donnerstag, 4 . Mürz 1888
Deutscher Reichstaa
Berlin. 3. März.
Der Reichstag nahm gestern noch einen Ausschußantrag an, eine Million Mark einzustelle» zur Untersuchung und Verhütung der Unsallgefahr im Bergbau. Der Haushalt des Reichsarbeitsministeriums wird in 2. Lesung bewilligt.
Der Antrag des Abg. Schulz- Bromberg (Deutschnat.). vor dem Haushalt des Reichswehrministeriums denjenigen des Auswärtigen Amts (wegen der bevorstehenden Genfer Verhandlungen) vorzunehmen, sowie der Antrag des Abg. vonGräfe (Volk.), den Außenminister Stresemann herbei- zurufen, werden mit 218 gegen 110 Stimmen bei einer Enthaltung abgelehnt.
160. Sitzung. Zweite Lesung des Haushalts des Reichs- w e h r m i n i st e r iu m s.
Abg. Graf von der Schulenburg (Dirtl.) bedauert Bie Verminderung des Wirkungsgrades des neuen Heeresetats und die zahlreichen Abstriche, die gemacht worden sind. Der Redner begrüßt die sachgemäße Arbeit, die in der Reichswehr geleistet werde. Die Reichswehr sei im wahren Sinn des Worts eine Schule geworden für Bildung und Erstehung von Charakteren und Persönlichkeiten (Beifall). Die Jührung der Reichswehr liege beim Generalobersten v o n Seeckt in den besten Händen. Erfreulich sei. daß der Wehrminister den vaterländischen Verbänden nicht feindselig oder -gefühllos gegenüberstehe. Er würde aber ibrem Wert nicht »oll gerecht. Die Werte dre vaterländischen Verbände liegen nicht auf militärischem Gebiet, sondern aus ideellem und geistigem. Unsere Jugend solle nicht verkümmern und nicht verelenden. Sie soll in einem deutschen und vaterländischen Geist zu einem starken Geschlecht herangezogen werden, um befähigt zu sein, die alte und urwüchsige deutsche Kraft an allem Schweren zu erproben, das uns noch beschieden sein lkann. Die waffen st arrende Welt zeigt uns. daß wir vom ewigen Frieden noch weit entfernt sind. Da ist es selbstverständlich, wenn die vaterländischen Verbände sich auf die Erstarkung des W-Hrwillens einsetzen. Wenn in der endlosen Kette von Unrecht und Gewalt, von Schmach und Erniedrigung der deutsche Geist nicht nieder- gebrochen und der deutsche Gedanke hoch gehasten ist, so haben die vaterländischen Verbände daran einen verdienstvollen Anteil. Eine Angriffswafse sei die Reichswebr nicht. Die beste Sicherung Frankreichs gegen Deutschland für weite Sicht sei die Verständigung. Aber sie müsse großzügig sein auf dem Boden wirklicher Gleichberechtigung. Solange das deutsche Volk unter dem Ausnahmegesetz der Entwaffnung stehe und solange die Faust unserer näheren Feinde uns im Nacken sitze, habe eine Verständigung reinen Wert. Di« Gesamtleistung des alten Heers war hervorragend. Es hat verhindert, daß Deutschland ein Trümmerhaufen wurde, und es ist in Ehren untergegangen.
Abg. Künstler (Sog.) gibt zu, daß der Rückzug des alten Heers in geordneter Weise erfolgt sei, aber der oberste Kriegsherr sei desertiert (Unruhe rechts. Der größte Test der Deutschnationalen verläßt den Saal.) Der Redner fordert den Wehrminister auf, angesichts der großen Arbeitslosigkeit seine Wehrforderungen zurück,-iziehen. (Dr. Geßler Schüttelt mit dem Kopf.) Es sei reine Verschwendung, wenn »»an Riesensunrmen für neue Lanzen fordere, obwohl die Lanze einen Kampfeswert überhaupt nicht mehr besitzt. Es müsse geprüft werden, ob die Reichswehr treu und fest zur Republik stehe. Der Wehrminister sollte sich in der republikanischen Erziehung der Offiziere und Mannschaften die Führer der österreichischen Reichswehr zum Muster nehmen. Die wenig republikfreundliche Haltung -es Ministers werde auch in Zeitungen getadelt, die chm politisch nahsstehen. Dielleicht sei Dr. Geßler aus der demokratischen Partei schon ausgetreten. (Der Minister verneint.) Es wideffpreche der Wahrheit, wenn das Wehrministerium die schwarze Reichswehr als harmlose Arbeitskommandos hinstellen wolle. Das Wehrministerium wolle den Reichstag hinters Licht führen. Trotz des Verbots der Schwarzen Reichswehr seien noch im Februar 1926 junge Leute in Formationen eingestellt und ausgebildet worden. Vo. etlicher Stelle des Wehr- rmnisteriums werden der Volksvertretung bewußt unwahr« Auskünfte gegeben. Die Sozialdemokraten werden gegen das Gehalt des Ministers stimmen.
Abg. Ersing (Z.) bedauerte die Schärfe der Kritik der Sozialdemokraten. Für die Republik sei es eine peinliche
Lage, wenn Sie Nelchswehr von den Deutschnanonaren gelobt und von der stärksten republikanischen Partei in kleinlichster Weise kritisiert werde. In allen anderen Ländern habe der Rüstungswahnsinn eine Höhe erreicht wie nie zuvor. Mit der kleinen deutschen Reichswehr sei kern Krieg zu führen. Deutschland könne sich nur mit einer Politik der Verständigung durchsetzen. Wenn Deutschland im Völkerbund sei, müsse daraus gedrungen werden, daß die im Versailler Vertrag angekündigte Abrüstung der übrigen Mächte durchgcführt werde. Das Gerede von geheimen Rüstungen Deutschlands sei ganz unbegründet. Wenn der Wehrminister der Reichswehr die Verbindung mit rechtsgerichteten Verbänden verboten hat, so müsse er auch dafür sorgen, daß dieser Befehl befolgt wird. Die Reichswehr müsse losgelöst werden von politischen Organisationen jeder Art. An den Selbstmorden sei vielfach die Versailler Bestimmung schuld, daß die jungen Leute sich auf 12 Dienstjahre verpflichten müssen. Die Reichswehr müsse treu zum republikanischen Staat halten.
Abg. Brüninghaus (Deutsche Volksp.) zieht einen Vergleich zwischen Reichswehr und dem amerikanischen Heer. Dos amerikanische Heer zähle 135 000 Köpfe, sei also wenig größer als die Reichswehr mit 100 000 Mann und koste 13 Milliarden Mark, also das Dreifache der Reichswehr. Auf der ganzen Erde sei sehr wenig von Abrüstung zu spüre". Auf dem Weg der Verständigung müsse ein Ausgleich der Rüstungen erfolgen.
Neuestes vom Tag«
Besprechung des Reichskanzlers mit den Führer» der Regierungsparteien
Berlin, 3. März. Heute um 12 Uhr war im Reichstag eine Besprechung des Reichskanzlers mir den Führern der Regierungsparteien. Es handelte sich um allgemeine Fragen innerpolitischen und finanzpolitischen Inhalts, unter anderem um die geschöftsordnungsmäßige Behandlung verschiedener Vorlagen, die noch vor Eens an das Plenum kommen sollen. Das Kabinett hat noch keinen endgültigen Beschluß über die Zusammensetzung der Abordnung gefaßt, die Deutschland in Genf vertreten soll. Auch der Tag der Abreise steht noch nicht fest. Dieser hängt davon ab, ob in Genf noch Vorbesprechungen stattfinden sollen. Die Abordnung wird etwa 12—15 Personen umfassen.
Störungen beim Hindenburg-Vefuch in Leipzig
Leipzig, 3. März. Anläßlich des Besuchs des Reichspräsidenten von Hindenburg in Leipzig veranstalteten die Kommunisten mehrere gegen den Reichspräsidenten gerichtete Versammlungen und Umzüge, welch letztere von der Polizei aufgelöst wurden, ehe sie in das Stadtinnsre gelangten. Als der Reichspräsident abends 11 Uhr nach Berlin zurückreiste, brach eine Anzahl Kommunisten in Schmähruse aus.
Französische Kriminalpolizei in Köln
Berlin, 3. März. Seit einigen Tagen weilen französische Kriminalbeamte in Köln, um in der Angelegenheit der ungarischen Nokenfälschungen Nachforschungen nach dem Papier anzustellen, das angeblich aus einer Dürener Fabrik stammen soll. Die Nachforschungen waren ergebnislos.
Der Schiedsspruch im Buchdruckergewerbe für verbindlich
erklärt
Berlin, 3. März. Das Reichsarbeitsministerium erklärte den von Arbeitgeberseite abgelehnten Schiedsspruch, durch Len der Reichstarif für das deutsche Buch- und Zeitungs- Lruckerhilfspersonal bis zum 31. Mai verlängert wurde, für verbindlich.
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Unterdrückung der deutschen Schulen in der Tscheche;
Prag. 3. März. In dem von der Tschechoslowakei geraubten Hultschinderländchen (Schlesien), das sich bei den letzten Landtagswahlen wieder als rein deutsch erwiesen hat, hat die tschechische Regierung die deutschen Schulen verboten. Die Kinder, die nicht in die neuen tschechischen Schulen wollten, mußten die deutschen Schulen in Troppau besuchen.
Nun haben die teschechischen Behörden den Kindern aucy den Besuch der Schulen in Troppau verboten.
Verminderung der britischen Heeresausgaben London, 3. März. Kriegsminister Evans kündigte eine Herabsetzung der Heersausgaben um 2 Millionen Pfund Sterling an. Eine große Zahl von Verwaltungsbeamten >vll entlassen werden.
Württemberg
Stuttgart. 3. März. Vom Landtag. Der Ausschuß für Verwaltung und Wirtschaft überwies eine Eingabe des Baumeisterbunds betr. ein neues Weggesetz der Regierung zur Berücksichtigung nach Maßgabe der staatlichen Leistungsfähigkeit. Bon seiten der Regierung wurde erklärt, daß bezüglich der Verkehrsstraßen nur auf eine langsame Besserung zu hoffen sei, da die beschränkten Mittel hauptsächlich für den Bau von Durchgangssiraßen verwendet werden. Soweik Mittel übrig sind, müsse man sie zuerst dem Wohnungsbau zuführen. Vom Staat können Beiträge nur zu neuen Umbauten gewährt werden; jede Amtskörperschaft solle eine» gewissen Betrag erhalten. Eine Eingabe, wonach Iagd- pächter für Wildschaden in Baumschulen haftpflichtig fein sollen, wurde der Regierung zur Kenntnisnahme überwiesen.
Lehrplan für den Unterricht in Kurzschrift. Das Knlt- ministerium hat neue Lehrpläne für den Unterricht in Kurzschrift an den höheren Schulen sowie an den Lehrer- und Lehrerinnenseminaren herausgegeben, die mit Beginn des Schuljahrs 1926/27 in Kraft treten. Bekanntlich wird an de» Schulen nur noch die Einheitskurzschrift gelehrt.
Die Straßenbahnlinie Kaltental—Vaihingen auf dev Fildern kann voraussichtlich trotz der durch häufige Erdrutschungen erschwerten Arbeiten noch im Monat April in Betrieb genommen werden.
DUndenarbeik in der Industrie. Der Württ. Frontkämpfer- bund lädt auf den 5. d. M. ins Gustav-Siegle-Haus M einem Film- und Lichtbildervortrag über die Beschäftigung von Schwerkriegsbeschädigten und Kriegsblinden in der Industrie ein. Dabei bezeichnet er Direktor Perls vo« den Siernens-Schukert-Werken in Berlin als den Schöpfer der industriellen Blindenarbeit. Es muß jedoch darauf hingewiesen werden, daß württembergische Industrielle bei der Beschäftigung von Kriegsblinden in Deutschland mit gutem Beispiel vorangegangen sind. Die Uhrenfabriken von Gebrüder Junghans in Schramberg waren der erste deutsche industrielle Betrieb, der sich — es war ün Sommer 1915 — dem Leiter der damals bei der Landesoersicherungsanstalt Württemberg bestehenden Beratungsstelle für Kriegsinvaliden gegenüber bereit erklärt hat. Kriegsblinden in seinem Betrieb nicht nur während der Kriegszeit, sondern auch im Frieden dauernd befriedigende Arbeit zu geben, z. B. bei der sog. Qualitätskontrolle, mit Abhören und Aufziehen von Weckeruhren, auch an Maschinen u. dergl. Bald darauf ist der erste Kriegsblinde dort in Arbeit getreten. In der Folge haben dann die Firma Robert Bosch A.-G. in Stuttgari und die Waffenfabrik Mauser A.-G. in Oberndorf u. a. Kriegsblinde eingestellt. Bei letzterer Firma verrichtet ein Kriegsblinder unter geschickter Verwertung seines künstlichen Arms alle möglichen Hand- und Maschinenarbeiten. Bei der Firma Bosch sind mehrere Kriegsblinde, darunter zwei Vollerblindete mit je nur einem Bein mit gutem Erfolg tätig.
Stuttgart 3. März. Ein Treff- und Findebuch. Dc hiesige Hotel- und Zimmernachweis auf dem Hauptbahn- Hof hat ein Treff und Findebuch nach den Vorgängen anderer großer Städte, wie Leipzig, Köln und München, aufgelegt. Dadurch soll in erster Linie für die Reisewelt die Möglichkeit geschaffen werden, Treffpunkte in Stuttgart zu verabreden, was vielen Reisenden vorher oft unmöglich ist da sie die Zeit ihres genauen Eintreffens und die Wohnstätte in Stuttgart nicht immer vorausbestimmen können. Di«t Einrichtung steht jedermann kostenlos zur Verfügung.
Aus dem Lande
ueyrmgen. 6. Marz. Verhastun wegen Brandstiftung. Das hiesige Brandunglüc das ein Dutzend Menschen in Todesgefahr gebracht un einen Schaden von mehr als 100 000 .1/ oerursackt hat, hc
Der Karmüelbaron
u, Humoristischer Roman von Fritz Gantzer
Im übrigen war er nach wie vor so vertrauensselig, Felicitas Feigenblatt ein Begehren nach seiner Person nicht zuzumuten. Und als er etwa vierzehn Tage später seinen Besuch im Hause ihres Daters wiederholte, war er so unvorsichtig, das Lustwandeln im Garten an der Seite Felicitas bis in die Abenddämerung hinein auszudehnen. Da hieß es am nächsten Tage: Der neue Amtsrichter wird sich mit der Tochter des reichen Feigenblatt nächstens verloben. Der Alle soll schon die Hypotheken kündigen, und seine Frau wird nächstens nach Berlin fahren und die Ausstattung kauten. . . .
Als Eberty dieses Gerede zu Ohren kam — Wilhelm Kublicke hinterbrachte es ihm gelegentlich des gemeinsamen Suchens nach einem Aktenstück —, begann er daran zu zweifeln, daß es auf der Welt noch mit rechten Dingen zugehe. Und mit inngrimmigem Kopfschütteln fragte er sich: „Bin ich verrückt oder ist es dies ganze vermaledeite Büten- hagen?"
Das Suchen nach einem Aktenstück — es handelte sich um eine bereits vor Jahren erfolgte Auflassung, die bei den Interessenten nachttäglich zu Streitigkeiten Anlaß gegeben batte — förderte aus einem verstaubten Winkel des Regals auch eine unbezahlte Kostenrechnung für den Krachtwitzer zutage, die neben vielen anderen Randbemerkungen von der Hand des Vorgängers Ebertys auch die drei Buchstaben: >I. d. C!" aufwies.
Der Amtsrichter hielt das leicht angegilbte Schriftstück m seinen von Staub besuldelten Händen, las kopfschüttelnd immer wieder und fragte sich: „I- d.C.? . . . Was soll das heißen?"
Schließlich erkundigte er sich bei dem gerade auf dem Bauche liegenden und unter dem Aktenregcü herumstöbernden Kublicke, was diese Abkürzung zu bedeuten habe.
Der erwiderte ohne Besinnen: „Das? In die Ecke! Herr Amtsrichter." Und als ob Eberty nun vollständig informiert sein müsse, und es äußerst überflüssig sei, noch eine einzige Silbe in dieser Angelegenheit zu verschwenden, suckste er weiter und murmelt« für sich: „Wer weeß, wo die ollen Akten hrngekommen sinl Hier unten sin se ooch nich. Höchstens liegt hier Dreck. Un nich so knapp. Man könnte Fichten drin pflanzen oder Kartoffeln setzen,"
„In die Ecke?" Eberty schob die Stirn in Falten undl fragte es genau so unwissend wie vorher. „Ich weiß nicht, wie ich das verstehen soll."
„Nich?" Kublicke richtete sich auf, hockte nun kniend vor dem Amtsrichter und grinste zu ihm hoch. „Was der alte Herr Amtsrichter Briesewetter war, der hatte so seine Moden. Kam eine Sache mal gar nich vom Fleck, wie bei der Rechnung da, so verfügte er einfach: „I. d. E.!" Nämlich: In die Eck«! Und das hieß dann für mir: Nu schaff' das Ding beiseite, Kublicke! In eine Ecke, wohin weder Sonne noch Mond kommt und wo's höchstens die Mäuse noch finden."
„Unmöglich. Kublicke!" bezweifelte Eberty.
„Aber wahr, Herr Amtsrichter. Dies Ding da, die Kostenrechnung für den Krachtwitzer Herrn, hat ihm auch mehr Kopfschmerzen gemacht, als er zuletzt Haare hatte. Wir sagten: Krachtwitzer du mußt blechen. Un der Karnickelbaron sagte: Nee, ihr Spitzbuben, fällt mir gar nich ein. Eine Weile ging das so hin und her. Schließlich meinte unser Alter . . . wollte sagen der Herr Amtsrichter Briesewetter: „Mt dem Biest werd'n wir uns nich länger rumärgern." I. d. E.l kam rauf. Un Kublicke mußte vermengelieren."
„Unglaublich! Und dieses Verfahren wurde häufiger geübt?"
„Nur bei ganz verkniffelte Sachen. Diese Sache, die Sr« da in der Hand haben, war die letzte, die in die Ecke kam. kurz vorher, ehe der Herr Amtsrichter starb. So'n halbes Jahr vorher. Un es hat kein Hahn nach gekräht."
Eberty sagte gar nichts mehr. Er legte die Kostenrechnung, die über den geringen Betrag von 5 Mark un- 45 Pfennige lautete, der für die Abschrift eines Urteils in Sachen von Lessenthin kontra Baron von Krufewitz auf Bardekow und Genossen zu entrichten gerbesen war. auf Len Tisch und nahm sich vor, die Summe nachträglich emziehen zu lassen. Diese weitherzige „I. d. C.!-Versügung" ging denn doch über das Maß des Erlaubten hinaus! Es fand sich kein anderes Schriftstück mehr an, das diese drei ominösen Buchstaben ebenfalls trug, leider kam auch das vielgesuchte Aktenstück nicht ,zum Vorschein. Kublicke wurde beauftragt, am nächsten Bormittag noch einmal in allen Winkeln Umschau M halten, und Georg Eberty ging dann aus der Registratur M Adomeit hinüber und gab ihm Anweisung, das Erforderliche zur nachträglichen Einziehung der Schreibgebühren zu veranlassen.
Herr Johannes nickte, wie immer grämlich lächelnd. „Das Ding! Es ist hundertmal durch unsere Hände gegangen. Ich gestatte mir, submissest zu bemerken, Herr Amtsrichter, daß auch der neue Versuch fehlschlagen wird. Herr von Lessenthin zahlt keinesfalls."
„Oho! Das wollen wir doch sehen!"
„Der Herr Amtsrichter werden das Gegenteil einzusehen Gelegenheit haben."
„Dann wird schon eine Pfändung helfen", betonte Eberty entschieden.
Wendel lachte vor Vergnügen Tränen, als ihm die Rechnung eine Weile später zu Gesicht kam! „Dieser Wisch! Hier Manzke, hauen Sie das Ding ab."
David Manzke malte drauflos. Und schon am Abend wurde der Brief an Herrn von Lessenthin zur Post gegeben.
Keine achtundvierzig Stunden später war er wieder zurück. von einem Schreiben des Krachtwitzers begleitet. Das lautete:
„Krachtwitz, den 4. Mai 19..
An das Königliche Amtsgericht
M Bütenhagen
Unterfertigter sendet anliegende Kostenrechnung submif- sest mit der Erklärung zurück, daß er zu bezahlen nicht gewillt ist. Grund: Der Manzke hat das Urteil eines Hohen Königlichen Amtsgerichts s. Zt. mit einer Riesenklaue abgeschrieben, als wenn ein Kamel über die Bogen gekauten wäre und das Weltmeer voll Tinte fei, die keinen Pfennig kostet. Aus den 55 Seiten hätte er fünf machen können. Unterfertigter ist nicht anderer Leute Milchkuh, die man strippe!» kann, wenn's einem paßt und das Geld knapp ist. Er will mit dieser Betrügerchose nichts mehr zu tun haben. Sollte der Kublicke sich etwa unterstehen, mit seiner blauen Mütze und feinen blauen Siegelmarken nach hier zu kommen, so wird man ihn überkreuz rauswerfen, daß er den Himmel für einen Dudelsack und sich selbst für einen Pfeifer zu diesem Quaklappen ansehen soll. Mit welcher Versicherung submissest schließt
Freiherr Wolf von Lessenthin-Krachtwitz.
p. s. Man wolle sich Lorffetts nicht aufregen. Das ist ebenso überflüssig wie lächerlich und schadet dem Teint."
Dieser Brief wandert« von der Registratur, wo er geöffnet worden war, durch alle Hände und landete schließlich cmf u»g Arbeitstisch Ebertys.
(Forksehmig folgt.)