Sette 2 - Sk. 47

Ragolder Lagblatt »Der Gesellschafter*

Freitag, 28. Februar l»r«

Einberufung des deutschen eoangelisck-cn Mrchenausschusses Berlin. 25. Febr. Der deutsche eoang. Kirchenausschuß, die Geschäftsführungs- und Vollzugsbehördc des Kirchen-- bunos der 28 deutschen Landeskirchen, ist auf Donnerstag, den 4. März, zu seiner Frühjahrssitzung nach Berlin ein­berufen. Er wird sich insbesondere beschäftigen mit den Auswirkungen der Stockholmer Weltkirchenkonferenz, dem Anschluß deutscher Auslundsgemeinden an den Kirchsnbund und- mit der Vorbereitung des nächsten Kirchentags im Jahr 1927.

»

Der Vatikan uud die Jajzistea.

Rom, 25. Febr. DerSecolo" bemüht sich das Schrei­ben des Papstes gegen die neue italienische Kirchengesetz­gebung so auszulegen, der Papst wolle sich damit nicht gegen de« Faszismus wenden. In vatikanischen Kreisen wird demgegenüber festgestellt, 1. der Papst habe ausdrücklich da­rauf hingewiesen, daß die Geistlichen, die an den neuen Kirchengesetzen mitgeorbeitet haben, wohl die Erlaubnis chrer Oberen, aber nicht den Auftrag des Heiligen Stuhls chatten. 2. kirchliche Verhältnisse könne ein Staat nur im Verein mit dem Vatikan regeln; 3. ein Konkordat des Heiligen Stulsts mit Italien sei unmöglich, solange die gegenwärtige rechtliche Lage des Heiligen Stuhls andauere. Diese Erklärung widerlegt die Zeitungsmeldungen, daß ^er Papst auf Grund der großen Zugeständnisse der Re­gierung Mussolinis zu einer Aussöhnung bereit sei.

Zum Marokkokrieg

"Madrid, 25. Febr. Der Kriegsminier hat allen gegen­wärtig in Urlaub befindlichen Offizieren der Truppen in Marokko den Befehl erteilt, sich unverzüglich auf ihre Posten zu begeben.

Borah zu dem Innsbrucker Telegramm Milwaukee, 25- Febr. Senator Borah erklärte zu dem chk>. aus Innsbruck zugegangenen Telegramm, in welchem er namens Südtirols um Hilfe ersucht wird. Hier ist wieder ein Zwischenfall, der eine Folge der Geheimverträge bst, die Präsident Wilson vergeblich unwirksam zu machen versuchte. Ich bin derselben Ansicht wie Wilson, daß dis Ueberlassung von Südtirol an Italien ein großes Unrecht gegen das Tiroler Volk war. Und wenn ich irgendwie dazu beitragen könnte, dieses Unrecht wiedergutzumachen, so würde ich Schritte unternehmen.

Württemberg

Stuttgart, 25. Febr. Beileid des Skaakspräsi denken. Der Staatspräsident hat aus Anlaß des Hin scheidens des vormaligen Kriegsministers Generals vor Schnürten dessen Hinterbliebenen im Namen der Wärt tembergischen Regierung das aufrichtigste Beileid aus gesprochen.

Staatspräsident Bazille feierte am 25. Februar den 52 Geburtstag. Der Staatspräsident befindet sich bekanntliä zurzeit zur Erholung in Ajaccio auf der Insel Korsika.

Bom Landtag. Abg. E. Roth (Dem.) hat die Anfrao« «tngebracht, ob die Regierung bereit wäre, eine größer: Summe bereitzustellen, von der an Industriebetriebe Kredite bis zu 75000 Mark zu mäßigem Zinsfuß gegeben werden könnten.

Abg. Frl. Planck (Dem.) hak eine Anfrage über angeb­liche Mißstände an der höheren Reformlehranstalt in Wild- bad eingebracht.

Die württembergische Kunstqewerbeschuke in Stuttgart wird im Winterhalbjahr 1925/26 von 475 Schülern besucht.

Die Akademie der bildenden Künste in Stuttgart zählt Im laufenden Winterhalbjahr 136 Studierende, darunter 111 Maler. 18 Bildhauer und 7 Gäste.

Der Boranschlag der Landesversicherungsanstalk Würt­temberg für 1926 schließt an Einnahmen und Ausgaben mii K7 Millionen Mk. ab. An Beiträgen sind vorgesehen 26 Will, gegen 22 569 000 Mk. im Vorjahr.- Aus Zinsen »erden 509 400 Mk. erwartet. Die Aenkenleistungen sind mit 22 Mill., Heilverfahren und Fürsorgemaßnahmen mit 2 MM., der Berwalkungsanfwand mit 876 000 Mk., das Beittagsverfahren und die Ileberwachung mit 210 000 Mk. vorgesehen. An Bermögensonlage sind für den Wohnungs- Gau 1790 000 Mk. beabsichtigt, doch hängt das von der Besseruna der Wirttchattslane ab. In der Aussprache wurde

besonders bemängelt,' daß ein Darlehen an den Staat ln Höbe von 3 Mill. Goldmark für die Landesroasserversoranng noch nicht aufgewerkek wurde. Die Abschaffung des Cin- znasverfahrens wurde teilweise bedauert, die Wiederein- führnna jedoch als unmöglich bezeichnet- Zmn Vorsitzenden des Ausschusses wurde Fabrikdirekkor Dr. Metzger- Heidenbeim. als sein Slellverkreter B a ß l e r - Heilbrsnn berufen. Vertreter der Arbeitgeberschaft sind Banrak Fischer. Schkossermeister Rößler und Fabrikant Fa - ber, Vertreter der Versicherten Gemeinherak Hader- Ronensburg. S traßer - Cannstatt und Bühler-Korn- westbeim.

Mittaaskost für Erwerbslose. Erwerbslose, die Krwerbs- losenunterstötzimg beziehen, erhalten in den Küchen der Stadt bzw. des W"dlfahrksvereins auf Antrag Mittagskost zu dem ermäßigten Preis von 10 Pfg. für eine Portion.

Ungetreuer Beamter. Das Schöffengericht hat den Kanz- leisekrekär Fermann H o l l e bei der wegen

Amtsunkerschlaanng in Höbe "on 2000 Mk. zu 1 Iahr 2 Monaten Zuchthaus verurteilt.

Aus dem Lande

Fellbach. 25. Febr. D e n k m a l s w e i h e. Am kom­menden Sonntag wird das von der Gemeinde errichtete Ehrenmal für die Gefallenen im Weltkrieg cingeweiht. Das Denkmal hat auf dem großen Platz bei der evang. Kirche einen schönen und würdigen Standpunkt erhalten.

Böblingen. 25. Febr. Vom Flughafen Stutt­gart-Böblingen. Die Verhandlungen der Lurvag (Luft­verkehr Württemberg A.-G.) wegen Erwerbung der An­lagen der Böblinger Werft A.-G. sind gescheitert, was um so bedauerlicher ist, als dadurch.die Errichtung einer Instand- setzungswerft für den Luftverkehr sehr in Frage gestellt sein wird. Nachdem der Flugplatz Böblingen zu einem Flug­hafen erster Ordnung ausgebaut werden soll, hat die Luwag beabsichtigt, neben der von der Stadt im vergangenen Jahr errichteten Flugzeughalle eine weitere Halle mit Werftanlage zu erstellen, lieber die Luftverkehrspläne für 1926 lassen sich zurzeit noch keine näheren Angaben machen, doch stehen die Verhandlungen sehr günstig und es ist zu erwarten, daß der Flughafen Stuttgart-Böblingen auf verschiedenen internatio­nalen Linien angeflogen werden wird.

Stammheim OA. Ludwigsburg, 25 Febr. Einbruch. In die Kantine der hiesigenFreien Turnsrschaft" wurde einaebrochen, wobei es die Täter auf das im Keller gelagerte Flaschenbier abgesehen hakten,, das sie teils tranken, teils mitlaufen ließen.

Frankenbach OA. Heilbronn, 25. Febr. Warnung. An der Straße nack Kirchhausen bestieg ein hiesiger 15fähriger Bursche einen Masten der elektrischen Leitung. Anscheinend kam er mit der Leitung in Berührung, infolgedessen er zur Erde fiel und bewußtlos liegen blieb. Ein des Wegs kom­mendes auswärtiges Fuhrwerk brachte ihn in die elterliche Wohnung, wo sofort der Arzt zu Hilfe gerufen wurde. Hätte der Junge beide Drähte berührt, so wäre er gewiß ver­brannt.

Weinsberg. 25. Febr. Die Weiber von Weins­berg. Die Frauen der Stadt Weinsberg haben beschlossen, an den Landtag eine von allen Frauen Unterzeichnete Bitt­schrift gegen die beabsichtigte Austeilung des Oberamts zu richten, nachdem die verschiedenen Bittgänge der Männer er­gebnislos geblieben sind. Weinsberg ist das einzige Ober­amt, dessen Aufteilung durchgeführt werden soll.

Löwenstein OA. Weinsberg, 25. Febr. Neue Kelter- Gemäß der her bürgerlichen Kollsaien wird das

altehrwürdige, baufällig gewordene Keltergebäude abgebro­chen werden. Es soll an seiner Stelle ein Neubau erstehen, dessen innere Einkeilung eine den neuzeitlichen Anforderun­gen entsprechende Behandlung des Gewächses ermöglicht.

Rottenburg, 25. Febr. Volkstrauertag. Am Sonntag, den 28. Februar, wird nach Anordnung des Bi­schofs in allen kath. Kirchen beim vormittägigen Gottesdienst der Gefallenen gedacht und mit allen Glocken geläutet wer­den. Nachmittags werden Andachten für die Verstorbenen --der Gräbers-' ' .nMet.

Rottweil, 25. Febr- Steuerhinterziehung. Das erweiterte Schöffengericht hat den Milchhändler Friedrich Huber von Tuttlingen wegen Hinterziehung der Umsatzsteuer zu der Geldstrafe von 2400 -K und wegen Hinterziehung der Einkommensteuer zu der Geldstrafe von 600 -ll, sowie zu den Kosten des Verfahrens verurteilt

Plochingen. 25. Febr. Selbstmord. Mittwoch nach­mittag wurde im Abort auf Bahnsteig 2 des Bahnhofs ei« etwa 20jähriger Bursche von Ebersbach a. F. erhängt auft gefunden.

Gmünd, 25. Febr. Musiksest. Für das vom 10. bis 12. Juli stattfindende Süddeutsche Musikfest, bei dem 20 00V bis 25 000 auswärtige Gäste zu erwarten sind, bewilligte der Gemeinderat 11000 Mk. für Bauaufwand und Festbei­trag in der Hoffnung, daß ein großer Teil des Geldes durch dieses Fest wieder hereinkomme.

Geislingen-Steig, 25. Febr. Ertrunken. In der Ledergasse fiel das 5 Iahre alte Töchlerchen des Eisendrehers Buck in die hochgehende Rohrach und wurde von den Flute» mikgerissen. Auf das Geschrei der mitspielenden Kinder wurde das Kind von Nachbarn oberhalb der sog. Lohmühle aufgefischk. Die sofort angestellten Wiederbelebungsversuche blieben erfolglos.

Geislingen-Altenstadk. 25. Febr. Sturz- Am Dienstag früh stürzte in der unteren Stuttgarterstraße der Leitungs­monteur Kurz vom Gipfel eines Mastens aus die Striche und wurde schwer verletzt.

Reutlingen. 25. Febr. Milchzentrale. Eine vom Landw- Bezirksverein einberufene Bauernversammlung i» Betzingen beschloß die Errichtung einer Milchzentrale ia Reutlingen durch die Erzeuger selbst. Die Bnlagekosten wer- den auf höchstens 100 000 veranschlagt. Da der Unter­schied zwischen dem Erzeugerpreis und dem Händlerprei« 8 für das Liter beträgt, und da täglich 810 000 Liter angeliesert werden, so könnten die Anlagekosten in drei bi» vier Iabre getilgt sein. Es sollen Anteilscheine von 50 an die Erzeuger ausgegeben werden.

Pfullingen OA. Reutlingen, 25. Febr. Radunfall. Auf der Honauer Steige stürzte der 20jährige Kaufmann Kart Heinlin von hier so unglücklich vom Rad. daß er bewußtlos liegen blieb.

Schömberg, OA. Rottweil, 25 Febr. WaldbesiHer­os r s a m m l n n g. Am Samstag, den 20. Februar, hatten sich zahlreiche Vertreter waldbesthender Gemeinden und auch private Waldbesitzer der Oberamksbezirke Balingen, Rott­weil und Spaichingen zu einer Aussprache über derzeit wich­tige Waldfragen versammelt. Im Vorderornnd stand die Holwerwerkung und Holzmarktlage 1926, über die Forst­meister D a n n e ck e r - Stuttgart berickteke. Zu lebhafter Aussprache führte die Fraae des Waldbewirkschafkungs- beitrags, dessen abermalige Erhöhung von den Gemeinden nicht verstanden wird; ein entsprechendes Vorgehen wurde einmütig beschlossen.

Trossingsn, 25. Febr. Achtes Schulsa h r. Der Ge­meinderat hat die Einführung des achten Schuljahrs an der hiesigen Volksschule auf Frühjahr 1927 (statt 1928) be­schlossen.

Laupheim, 25 Febr. Autoraserei. Der Kraft­wagenführer einer hiesigen Firma fuhr mir rasender Ge­schwindigkeit in ein Kutschengespann. Die Insassen wurden herausgeschleudert und erheblich verletzt. Die Pferds blieben merkwürdigerweise unverletzt. Gerichtliche Untersuchung ist eingeieitet.

Ehingen a. D., 25. Febr. Für die Stadtschult­heißenwahl haben das Zentrum Stadtschultheiß Kuhn aus Tettnang, die Sozialdemokraten und Demokraten Dr Henger, den Bruder des hiesigen Stadtpfarrers, als Kan­didaten aufgestellt.

Haidgau OA. Waldsee, 25. Febr. Entwässerungs­genossenschaft. Die Grundstücksbesitzer von Haidgau und Ziegeldach, die mit ihren Grundstücken an das groß« SumpflochUrsprung" angrenzen, haben sich zu einer Ent- wässeruiigsgenossenschaft zusammengeschlossen. Hinter der Bahnhofswirtschaft Haidgau beginnt der Kanal und führt in die Aach. Der Kostenvoranschlag beträgt 15 000 -K, wovon 20 v. H. der Staat übernimmt. Bei nassen Jahrgängen ist das Wasser auf den Grundstücken stellenweise gestanden und das Futter war an solchen Stellen ein schlechtes.

Tepfenhard bei Ravensburg, 25. Februar. Brand- Ursache. Bei dem schon gemeldeten Brand vom letzten Samstag hat sich als Ursache Kurzschluß herausgestellt. Feuchte Ställe, überhaupt Stallungen, scheinen für Kurz­schluß besonders gefährlich zu sein, und die elektrische Lei­tung scheint dort nur wenige Jahre zu halten. Brände dieser Art niedren sich allmählich unheimlich.

Der KarmckeLLaron

Ss Humoristischer Roman von Fritz Gantzer

Ne lehnte sich, einer plötzlichen Schwäche nachgebend, -egen die Laubenwcmd-Es ist in allen Ehren zugegangen, Vater, bloß, daß es ohne euer Wissen geschah. Aber es ist »ichts Schlimmes passiert, Vater. Ganz gewiß nicht."

»Schlimm genug schon mit der Heimlichkeit . . . Wenn's einer ehrlich meint, kann er offen kommen, dann braucht er »ich im Abenddunkel wie ein Verbrecher durch einen frem­den Garten zu schleichen."

»Der Ernst meint's ehrlich, Dater", erklärte Marie mit skEz erhobenem Kopf. »Und ich hätt's euch ja so gern ge­sagt, ich Hab' mich bloß nicht getraut."

»Du hast doch aber dos von dem Registrator erzählt!"

»Ach das, Vater! Das war doch bloß dummes Zeug! Aber das Echte, Wahre behält man für sich, solange es heim­sich geht. Denn gerade das Heimliche ist schön . . . Nachher, wenn's erst alle wissen, daß man eine Braut ist, dann ist's lange nicht mehr so schön." Sie schien Harmlosigkeit und Rübe wiedergewonnen zu haben. Lächelte sogar ein wenig.

Der Alte brauste auf. »Das is albernes Gerede, Mädel, verstehst du mich? Und das sage ich dir, von heute ab hat's mit oller Heimlichkeit ein Ende! Die Liebschaft mit dem jun­gen Kreyenbühl is aus. Ich will's, und -er Engelrvirt will's auch. Verstanden?"

»Aber wenn's nicht mehr ginge? Wenn man's nicht so einfach tottreten könnte, wenn es sich nicht so leicht außein- anderreihen ließe? Wenn's mm zu fest säße? Und wenn man vor Schmerz über dem Auseinaridergehen sterben könnt'?" Etwas Feuchtes, Heißes stieg ihr in di« Augen, daß «s wie ein Schleier über den blauen Sternen lag. Das Kinn bebte, und um die Lippen hin spielt« ein wehes Zucken.

Wilhlem Kukllicke sah sein Kind voll tiefen Mitleids an «Id spürte, wie «in weiches, zärtlich-warmes Gefühl sich in sein Herz schlich. Beruhigend, mit gütiger, warmer Stimme sagte er: »Ts wird sich so schnell nicht sterben . . ."

»Doch, Dater! Ich stürb'. wenn ich den Ernst nicht mehr HStf . . ."

»Mädel, laß dich nicht auslachenl" fuhr er sie an, seine Weichheit unter einem harten, beinahe groben Ton verber­gend. »Daran stirbt kein Mensch. Is noch nie einer dran aAorben Du wirst doch stolz sein? Wenn der Alte nein

sagt, sagst du erst recht nein. Un einen Mann kriegst du alle! Tage.

Marie stand wie gebrochen gegen die Laube gelehnt, war weiß im Gesicht und erwiderte kein Wort.

Wilhelm Kublicke wurde es bei ihrem Anblick ganz eigen zumute. Er zwang sich trotzdem noch einmal zu hartem Sprechen: »Das sage ich dir: das mit'n Garten hört auf! Ueberhaupt: alles hört auf! Da solltest du lieber den Herrn Registrator nehmen . .

Er war schon lange gegangen. Und immer noch verharrte Marie in der Stellung, in -er sie ihr Vater verlassen . . .

Was war das nun mit ihr? Es tat im Innern so weh, als wenn dort etwas entzwei gegangen sei. Gerade da, wo das Herz war. Und rings um sie her? Schien die Sonne noch? War noch Frühling? Hatte nicht plötzlich alles ein graues, totes Gesicht? Konnte man überhaupt noch froh sein, noch lachen, weil vernichtet und gebrochen werden sollte, was so stark und fest war? Nein! Nie und nimmermehr! Ein heißes Weinen kam ihr plötzlich an. Sie wankte in die Laube, ehe es voll und unaufhaltsam zum Ausbruch kam, ließ sich dort schwer auf die Bank nieder und preßte ihr Gesicht in di« auf den Tisch gelegten Arme und schluchzte bitterlich. Lange un- heiß, so wie bisher noch nie in ihrem Leben.

Denn der Lenz war tot! Der junge, süße Lenz mit dem heimlichen Blühen.

Und wenn das Herz darob nun brach? Ach, ganz gewiß! Es konnte ja nimmer anders sein.

6 .

Als der April ein Stück über die Mitte hinaus war, hatte Georg Eberty seine Antrittsvisiten bis auf eine absolviert

Er war bei dem Oberpfarrer gewesen, einem asten wür­digen Herrn, der daheim me ohne das schwarze, mit grünen Ranken bestickte Sammetkäppchen un- die lange Pfeife war, er mußte denn essen, um die lange Pfeife in die Ecke zu stellen, oder schlafen, um sich von beiden zu trennen, und hatte bei ihm nach den in Schweinsleder gebundenen Folian­ten die Rosenstöcke und Formenobstbäume in dem großen Pfarrgarten bewundern müssen. Mit dem Bürgermeister hatte er über Kommunalpolitik gesprochen, und Hauptmann oon Kattenbusch hatte Kriegserlebnifse zum besten gegeben. Eine Stunde lang. Und der alte Loirekämpfer war wäh­rend der beiden nächsten Tage heiser gewesen. Beim Apo­theker hatte er neben dem Kirschlikör auch Fräulein Linas selbstgebackene Waffeln kosten dürfen, die er »vorzüglich"

gefunden, die aber in Wirklichkeit scheußlich, wie ein Gemisch' von Sirup und altem Käse geschmeckt hatten. Schließlich waren der Notar Troll, der Assessor und der junge Hilfsgeist­liche an der Reihe gewesen. Der alte, wunderliche Doktor Schramm, der mit seiner noch wunderlicheren Haushälterin Malchen Kleeberg in der Roßstraße wohnte, empfing nicht, war also nicht in Frage gekommen und andere besuchs­fähige und besucherwartende Individuen gab's in Bütea- hagen nicht.

Bis auf den Rentier Felix Feigenblatt, der so auf der Kippe stand, und von dem man nicht recht wußte, ob er M den oberen Zehntausend oder zu dem Proletariat M rechne« sei.

Der Amtsrichter hatte vorgshabt, ihn nach unten hi« M rücken, war aber von Sebaldus Meyer belehrt worden, daß er mit zu den Honoratioren zähle und keinesfalls geschnitten werden dürfe. Da nahm sich Eberty auch noch diesen Besuch vor, verschob ihn aber oon einem Tage zum andern.

Endich, eine Woche nach allen arideren Visiten, ging er auch M Felix Feigenblatt. Es wurde nun aber auch wirt­lich die höchste Zeit, wenn er überhaupt noch angenommen werden wollte. Es wurde netter, als er es sich vorgestellt. Feigenblatt war von übersprudelnder Liebenswürdigkeit hatte gut« Zigarren und einen famosen Bordeaux. Seine - Gattin hätte ja ein bißchen besser deutsch sprechen können; ste liebte es, den dritten und vierten Fall mit konstanter Hart- , näckigkeit zu verwechseln, und hätte, mit weniger Körper­fülle gesegnet, eine passablere Figur abgegeben. Sie durste sich aber rühmen, ein« schöne Tochter zu besitzen, die malt«, sang, erträglich Klavier spielte, dichtet« und natürlich in Lau­sanne gewesen war. Felicitas Feigenblatt war, um es ganz einfach zu sagen, eine junge Dame im annehmbaren Sin« des Wortes und durfte Anspruch auf Beachtung erheben.

Leider war sie bei der knappen Heiratsgelegenheit in Bütenhagen fast sechsundzwcmzig Iahre alt geworden, ohne ein männliches Wesen an sich gefesselt zu haben. Sie teilte daher mit ihrem Vater das Bemühen, einen geeigneten Kan­didaten für das Eingehen einer Ehe mit ihr zu kapern.

Un- es sei frank und frei gesagt: der Amtsrichter Georg Eberty schien der Familie Feigenblatt als ein Mann, der des Einfangens wert war. Selbst Frau Melanie Feigen­blatt, die sich gewöhnlich passiv oerhieü, wenn Herr Felix und Fräulein Felicitas Netze auswarfen, beschloß, diesmal helfend in Aktion zu treten. (Forst, folgt.)