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Nummer 175
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Druck, «erlag u. veraatw. Schriftleitung! Theodor Sack, Wildbad i. Sch«., »ilhelmitr. 8». Tel. 47«. - «ohimug, Billa Hnbertu»
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Fernruf 47S
Dienstag den 30. Juli 1935
Fernruf 479
70. Jahrgang
Genf rüstet
Wer kommt alles in die Völkerbundsstadt? — Büroumzug ins Internationale — Kleine Regenstatistik aus Addis- Abeba — Italien kauft grobzügig weiter — Das Feuerzeichen von Neuyork
Die Stadt des Völkerbundes, das so oft, ja viel zu oft hochgepriesene Genf, rüstet sich in dieser Woche zum Empfang der Ratsdelegierten. Das ist keine einfache Sache. Denn wenn schon die Staatsmänner, die sich über das Eröffnungsdatum nicht einigen können, ihre Sorgen haben, so sind die Aengste und Nöte der Genfer Hoteliers noch viel größer. Sie können nicht jo unnerfroren wie die Politiker ihre Puten und Schleie auf Eis legen. Sie müssen mit der wirklichen Wirklichkeit rechnen. Das ist bedeutend schwieriger, als diplomatisch zu „vertagen". Ueberdies steht noch nicht einmal fest, wer alles nach Genf kommt. Herr Lit- winow gewiß, auch Mister Eden, aber ob auch Monsieur Laval? Von solchen delikaten Rang- und Personenfragen hängt die Stärke ganzer Delegationen ab. Mag auch der Völkerbund in Konkurs gehen, die Gastwirte und Hoteliers wollen leben.
Der Zufall will, daß sich das Dilemma des Rats der Nationen recht bezeichnend in einem äußeren Geschehnis spiegelt. Ein Teilflügel des neuentstehenden Völkerbundspalastes ist von den Malern und Tapezierern jetzt soweit fertiggestellt, daß die prächtigen Zimmer in der nächsten Zeit als Büros bezogen werden können. Darüber ist die Beamtenschaft des Völkerbundes höchlichst erfreut. Sie saß bisher im „Hotel National", aber sie fühlte sich dort garnicht wohl. Die neue internationale Umgebung erscheint ihr viel angemessener. Dieser kleine Umzug steht in direktem Gegensatz zu der wirklichen Entwicklung des Völkerbundes. Sie führt ja nicht mehr von der Nationalität zur Jnterna- tionalität, sondern von dem Internationalen zum Teil recht kräftigen Egoismus des Nationalen zurück. Diese leidenschaftliche Betonung staatlicher Sonderwünsche liegt wie ein Schatten gerade über der kommenden Genfer Tagung. Es ist nicht abzusehen, ob nicht eine drohende Explosion den ganzen schönen Völkerbundspalast, der jetzt so architektonisch langsam heranreift, in die Luft sprengt.
Indessen bereits die Koffer der Delegierten gepackt werden, regnet es in Abessinien lustig weiter. Denken wir genügend an diese atmosphärische Verschiedenheit des künftigen Kriegsschauplatzes von unseren trockeneren europäischen Regionen? Mir liegt eine Nummer des in Addis- Abeba erscheinenden „Courrier de'Ethiopie" vor. Dort sind die durchschnittlichen Regenmengen zusammengestellt, die in den letzten 21 Jahren monatlich auf den ethiopischen Boden niederrauschten. Man darf sagen, sie sind erheblich. Während die jährliche Niederschlagsmenge an Regen und Schnee im Durchschnitt der letzten 21 Jahre in Abessinien 570 Millimeter beträgt, fallen allein auf den Juli im Durchschnitt der letzten 21 Jahre in Abessinien 252,5 Millimeter, auf den August 288,5 Millimeter, und erst der September bringt einen Rückgang auf 185,2 Millimeter. Im Oktober rieseln dann nur noch 20,5 Millimeter, im November 22,3 Millimeter und der Dezember bleibt, nach der Statistik dieser Jahre zu urteilen, dann fast regenlos. Auch wenn es zutrifft, daß dieser Sommer besonders heiß und dadurch auch trockener als gewöhnlich ist, dark man doch fragen, ob die angeblich mehr abwartende Haltung Italiens, wie sie neuerdings in Rom gezeigt werden soll, vielleicht mit dieser Tabelle zusammenhängt. Man hat noch vier Wochen Zeit, ehe es praktisch ist, die Regimenter und Flugzeuge in Belegung zu versetzen. Wird in diesen vier Wochen tatsächlich eine internationale Front gegen den unnachgiebigen Duce Zustandekommen?
r ernsthaften Aeberlegung wert, ob Mussoli
Zwangsläufigen Vertagung einverstand ML Veghaffung des nötigen Kriegsmaterials — s Abessinien eme recht verzweifelte Angelegenheit — fä "E rtalienifchen Kriegsministerium durchaus ni leicht. Seme Aufkäufer in den europäischen und äußerem patschen Landern stoßen in letzter Zeit auf manche Ablk nung. Die Kaufe allein aus Süd-Afrika gestalteten im 5 *wn italienischen Handel mit 133 000 Pfu /E Schiffe aus Griechenland, die Pferde aus Ül L-die Kohle aus der Türkei, das Getreide und H, Ed Rumänien, die Schnürschuhe aus I nnd Kamele aus Aegypten wollen auch in Valut
nock Lira bezahlt werden. Bisher gelang
run^ ^ neue Deckungsgrenze der italienischen Wo ,u ball -11 chir.» tief unter dem bisherigen Deckungssta Genf übe'i^,^w"d diese Festigkeit auch die Ratstagung mit wäre nicht das erste Mal, daß Ml
stiaen"m»^' e"k^amMationen einen politisch widerspe Abefstnchn'b^'?"^^^'i" zu machen sucht. Der Kampf r ten in Ai mancherlei Ueberraschungsmöglichh
Woche di?ein?ode?andeL^" ^ ^en beginnen
Von allen diesen Schwierigkeiten der europäischen Länder bleibt eine einzige Instanz unberührt. Sie hat ihren Hauptsitz in den dicken Mauern des Kreml und heißt ., E e- neralstab der Weltrevolotion". Was ist schon Herr Litwinow mit seinen Marienbader Sorgen gegen diese wahren Drahtzieher der Völkerzersetzung! Er hat ein Ministerium, gewiß. Er 'st sogar Präsident einer Völkerbundstagung, und wenn man ihm wohlwill, was wir bestimmt nicht wollen, könnte man ihm sog : als außenpolitischen Reisenden der Sowjetunion eine -.wisse Bedeutung zubilligen. Aber die Eestchtszüae hinter der freundlich vorgebundenen friedsamen Larve der Moskauer Außenpolitik sind alles andere als friedsam und müde. In ihnen brennt heme genau so wie vor einem Jahrzehnt der dämonische Haß einer ewigen Verneinung. Während Beamte in Frack und Zylinder freundliche Worte in der französischen oder englischen Diplomatensprache sprechen, Hetzen gutbezahlte Agenten mit falschen Pässen und hundert Deckadressen in den Gassen und Elendsvierteln der internationalen Hauptstädte. Der Sturm auf die „Bremen" in Neunork wurde von den gleichen Drahtziehern angezettelt, die ein paar Wochen später in Schanghai, London oder Rom ihr Anwesen treiben. Das Evangelium des Kommunismus kennt keinen Verzicht auf Predigt und Propaganda, auch wenn seine Vriester kaltlächelnd das Gegenteil versichern sollten. Die Staatsmänner in den Kabinetten sind noch immer bereit, ejes Evangelium zugunsten von freundlichen Diplomatenworten zu übersehen. Sie betrügen sich selbst damit Wenn sie belehrbar wären, müßten sie sich schon in den kommenden Wochen ganz anders verhalten, als sie es aller Voraussicht nach tun werden.
Addis Abeba lehnt ab
Rom, 29. Juli. Am Sonntag ging in Rom eine Mitteilung des Völkerbundssekretariats ein, durch die die italienische Regierung von der Antwort der abessinischen Regierung auf ihre Anfragen vom 14. und 23. Juli in Kenntnis gesetzt wird. Danach lehnt Addis Abeba ab, dem ttalienischen Vorschlag entsprechend die unterbrochenen Verhandlungen über den Zwischenfall oon Ualual wieder aufzunehmen.
Das Telegramm des abessinischen Außenministers lautet:
In Beantwortung Ihres Telegramms bestätigt die kaiserlich abessinische Regierung den Antrag ihrer Vertreter auf Auslegung des Schlichtungs- und Schiedsgericht s- aujtrages Die abessinische Regierung bestreitet, jemals einer Beschränkung der Zuständigkeit der Schiedsrichter zugestimmt zu haben. In der abessinischen Note vom 17. Juli, die auf die italienische Note vom 14. Juli antwortet, ist bereits erklärt worden daß es Sache des Völkerbundsrates ist, über die einander gegenüberstehenden Auffassungen der beiden Schieds- richtergruvpen zu befinden. In Erwiderung auf die italienische Note vom 23 Juli, worin Beschränkungen des Auftrages der Schiedsrichter verlang: werden, hält die kaiserlich abessinische Regierung vollinhaltlich die Beweisführung ihres Vertreters auf, recht, die durch die beiden Entscheidungen der von ihr in der Kommission bezeichneten neutralen Rechtsjachverständigen übernommen worden ist."
Erklärung des Kaisers von AdesWeu
zur Genfer Tagung
Paris. 29 Juli. Der Kaiser oon Abessinien hat der Presse eine Erklärung abgegeben. Abessinien wolle eine lr.etliche, unparteiliche und vollständige Löiung des Streit-
Kurze Tagesüberficht
In Holland wurde der bisherige Ministerpräsident und Führer der antirevolutionären Partei» Dr. Colijn» mit der Regierungsbildn.tg wieder betraut.
Drohungen kommunistischer und jüdischer Verbände in Amerika, neue Ueberfälle auf „Nazischiffe" auszuführen, werden von der Neuyorker Presse» wie auch der Ueberfall auf die „Bremen", scharf verurteilt.
Der Kaiser von Abessinien hat den italienischen Vorschlag, die unterbrochenen Verhandlungen über den Zwischenfall von Ualual wieder aufzunehmen» abgelehnt.
Die italienische Abordnung für Genf ist bereits unterwegs, ohne bindendes Programm.
In Kopenhagen fand eine große Vauernkundgebung m Anwesenheit des Königs statt, die an die Regierung verschiedene Forderugnen stellte.
sattes. Die Grundlage dieses Streites sei in der verschiedenen Auslegung des italienisch-abessinischen Vertrages vom 16. März über die Festlegung der Grenze zwischen Abessinien und Jtalie- nisch-Somaliland zu suchen. Italien habe dem Grundsatz einer Regelung etwaiger Streitfragen durch ein Schiedsgericht zugestimmt, mache aber in zweifacher Hinsicht seine Durchführung unmöglich, indem es den Schiedsrichtern das Recht aüspreihe, die Verträge auszulegen und ferner, indem es die Ernennung eines obersten Schiedsrichters ablehne. Nachdem Italien sie Möglichkeit einer vollständigen Lösung zunichte gemacht habe, bekunde es amtlich seinen Willen zur Eroberung abessinischen Gebietes und bereite sich auf einen Krieg vor, eine friedliche Lösung ganz offen ausschaltend. Der Völkerbundsrat müsse über die Achtung und Einhaltung des Vertrages und die Aufrechterhaltung des Friedens in Abessinien wachen, dessen Gebiet von italienischen Truppen verletzt worden und das noch von italienischen Truppen besetzt sei. Abessinien habe alles für die rechtliche und friedliche Lösung des Streitfalles getan. Der Völkerbundsrat müsse sich darüber aussprechen, ob ein Mitgliedsstaat des Völkerbundes das Recht habe, offen die gebietsmäßige Unantastbarkeit eines anderen Staates zu mißachten, seine Souveränität und Unabhängigkeit zu bedrohen und auf die Waffengewalt als Mittel der Expansion und Eroberung zurückzugreifen. Abessinien erwarte vertrauensvoll die Entscheidung des Völkerbundsrates.
Italiens Teilnahme in Gens
steht fest
Nom, 29. Juli. Die Entscheidung über die italienische Teilnahme an der Mittwoch-Sitzung des Rates ist nunmehr gefallen. Am Montag abend verließ die für Genf bestimmte Delegation Rom, während sich der Delegationschef Baron Aloisi am Dienstag früh nach Genf begibt. Italien wird in Genf ferner durch zahlreiche Sachverständige und Juristen vertreten sein, darunter durch die Minister Pietro Marchi und Quarnaschelli und durch Professor Lessona.
Wie in unterrichteten Kreisen verlautet, ist die Haltung Italiens in Genf bisher nicht genau festgelegt morden; sie soll sich vielmehr der Entwicklung der kommenden Genfer Debatte anpassen. Italien nimmt an der Genfer Tagung in der Annahme teil, daß sich die Tagung nur auf ein weiteres Schlichtungsverfahren erstrecken wird. Sollte die Debatte jedoch auf andere Fragen ausgedehnt werden, jo behält sich Italien seine Einwände vor.
Zu der Antwort der abessinischen Regierung erklärt man in hiesigen unterrichteten Kreisen, Latz eine neue Auslegung des Ratsbeschlusses vom 25. Mai ein Unding sei. Damals habe der Vertreter von Aoessinien stillschweigend der Interpretation zugehört, die Baron Aloisi als Vertreter Italiens dem Ratsbeschluß anfügte.
Die englische Abordnung für Genf
Keine Aenderung der britischen Haltung
London, 29. Juli. Die englische Abordnung für die Abessinien- Tagung des Genfer Rates wird am Dienstag von London ab- reisen. Der Minister für Völkerbundsangelegenheiten, Eden, wird von dem juristischen Berater des Foreign Office. Maltin, dem Völkerbundsjachverständigen Trang, seinem Privatsekretär Hanke und dem Mitglied des Foreign Office, Rex Leater, begleitet sein.
Wie verlautet, hat die britische Haltung durch die jüngsten Noten Italiens und Abessiniens an den Völkerbund keine Aenderung erfahren. In London wird jedoch hervorgehoben, daß sich erst nach dem Zusammentritt des Rates auf Grund der dann vorliegenden Mitteilungen über die italienische Haltung entscheiden lasten könne, ob der Rat sich auf die Prüfung der vom Schlichtungsausschuß geleisteten Arbeit beschränken werde oder ob die Ratsverfammlung den gesamten Streitfall erörtern müsse. Immerhin wird erneut betont, daß mit dem Vorliegen eines Ratsbeschlusses der letztmögliche Weg zu beschreiten sei, ollten die immer noch in Gang befindlichen unmittelbaren Verhandlungen zwischen den Westmächten nicht rechtzeitig eine E>ni- jungsgrundlage ergeben. In einem solchen Falle würde die englische Regierung ihre Entscheidung, die Genehmigung der Erteilung von Waffenausfuhr nach Abessinien vorläufig einzu- tellen, überprüfen.
Weihestunde
aus dem „Hügel der Nationen"
Kuhlmühle bei W'ittstock. 29. Juli. Das Deutschlandlager der HI., an dem schon seit einigen Wochen 3600 deutsche und nuslandsdeutsche Hitlerjungen sowie Mitglieder anderer auslanos- deutfcher Jugendgruppen teilnehmen, erlebte am Sonntag nachmittag seinen festlichen Höhepunkt in einer Weihestunde, die auf dem „Hügel der Nationen" unter den 59 Fahnen aller Länder stattfand. Der Stellvertreter des Reichsjugendfiihrers, Hartmann Lauterbacher, verkündete eine Botschaft Baldur oon Schirachs und Gauleiter Bohle grüßte in den jungen Ausländsdeutschen die Millionen unserer Volksgenosten, die außerhalb der deutsche» Reichsgrenze leben. Die Feier gestaltete sich zu einem Bekenntnis deutscher Jugend aus aller Welt zu ihrem deutschen Volkstum.