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Druck, Verlag u. oeraut«. GchrifLleUungr Theodor Sack. DUdbad Z. Sch«., Vilhelmfrr. 8«, Tel. 47S
70. Jahrgang
Freitag den 12. Juli 1S35
Fernruf 179
Nummer 160
Fernruf 47S
AMWiemg im'
Tie Kleine Entente am Ende?
Der Umschichtungsprozeß in Europa ist in vollem Gange. Zu den Ereignissen, im Westen, die sich in den letzten Wochen zugetragen haben und deren schließlichc Auswirkung im Augenblick vielleicht noch nicht ganz zu übersehen ist, kommen jetzt aus dem Südosten Nachrichten, die erkennen lassen, dag auch dort eine höchst bedeutungsvolle Umgruv- pierung der KiWe im Werden ist. Der Besuch, den Prinz Paul, der Regent Jugoslawiens, dieser Tage in Bukarest abstatten wird, scheint der Auftakt zur Auslösung der Kleinen Entente und einer politischen Neubildung im Donauraum werden zu sollen.
Die Kleine Entente, die die Staaten Tschechoslowakei, Jugoslawien und Rumänien umsatzt, ist ein unmittelbares Ergebnis der den Weltkrieg beendeten Friedensverträge. Man kann sie, ohne der geschichtlichen Wahrheit Gewalt anzutun, als eine Versicherungsgesellschaft aus Gegenseitigkeit bezeichnen, die diejenigen abschlossen, die in Südosteuropa aus Kosten der unterlegenen österreichisch- ungarischen Monarchie sich bereichert hatten, oder überhaupt erst zur Eigenstaatlichkeit gelangt waren. Die Grenzziehung in Südosteuropa gehört mit zu den anfechtbarsten Leistungen der Pariser Friedenskonferenz. Man kann bei Nicolsen in seinem Buche „Friedensmacher 1919" Nachlesen, mit welcher Leichtfertigkeit, ohne Kenntnis der wirklichen ethnographischen und wirtschaftlichen Verhältnisse, aus der gelangweilten Stimmung von Staatsmännern heraus, die sich für die Einzelheiten der südosteuropäischen Probleme wenig interessierten, Länder und Bevölkerungsteile hin- und hergeschoben wurden, nur um Begehrlichkeiten zu stillen, die man vorher in der Not der Krieasjahre geweckt hatte. Daß die mit jo großen unverdaulichen Geschenken bedachten Staaten in der Sorge leben würden, wie sie ihren neugewonnenen Besitz zu sichern vermöchten, ist begreiflich. Mit der Kleinen Entente schufen sie sich das Instrument, das jede Neuverteilung der Beute verhindern sollte. Und es war nur natürlich, daß dieser Staatenbund unter den Schutz Frankreichs trat, zumal seine einzelnen Mitglieder auf Grund von Bündnisverträacn und Miluärkönventionen ohnedies in engster Verbindung, um nicht zu sagen: engster Abhängigkeit, zu Paris standen.
Auch als vor zwei Jahren neben die Kleine Entente, und mit Jugoslawien und Rumänien in sie hineingreifend, der Balkanbund entstand, war eine gewisse Anlehnung an Frankreich nicht zu verkennen, wenn in ihm auch das Bestreben einer gewissen Emanzipation von der Pariser Vormundschaft gelegentlich zum Durchbruch kam. Der Einfluß, den Titulescu, der rumänische Außenminister, sowohl in der Kleinen Entente wie im Balkanbund ausübte, garantierte eine Parallelität der Politik zwischen beiden Gebilden. Im übrigen war in der Kleinen Entente neben Titulescu der tschechoslowakische Außenminister Benejch der Garant der französischen Richtung.
Das Gefüge hat sich seit über Jahresfrist merklich gelockert. Seitdem Frankreich die Annäherung an Italien betreibt, die heute, wie man wohl jagen kann, bereits zu einer französisch-italienischen Entente gediehen ist, regen sich in Jugoslawien Widerstände gegen die einseitige ftranzösisch-italienische Entente gediehen ist, regen sich.in Jugoslawien Widerstände gegen die einseitige französische Orientierung der Kleinen Entente. Die Diffe- r e n zen z w i schen Belgrad und Rom sind zu groß, und von römischer Seite aus hat man sich jahrelang Mühe gegeben, sie zu verschärfen. Auch die Verbindungen, die von Rom nach Ungarn hin angeknüpft wurden, um dem italie- nischen Einfluß im Donauraum einen Stützpunkt zu verschaffen, sind in Jugoslawien mißgünstig betrachtet worden. Uebrigens auch in Rumänien, gegen das sich die ungarischen Revisionsforderungen, moralisch von Mussolini unterstützt, richten. Frankreich hat sich Mühe gegeben, zwischen stauen und Jugoslwaien eine Verständigung herbeizuführen. Aber diese Versuche sind inzwischen wieder versandet.
Auf der anderen Seite ist ein Brückenschlag zwischen Belgrad und Sofia erfolgt, der zu einer merklichen Entspannung des Verhältnisses zwischen Jugoslawien und Bulgarien geführt hat. König Boris von Bulgarien hat sein Land außerordentlich geschickt und vorsichtig aus der französisch beeinflußten Slldostpolitik herausgehalten und allen seitherigen Versuchen, ihn beispielsweise in den Balkanbund mneinzuziehen, widerstanden. Der Erfolg scheint ihm recht M geben, denn dorr, wohin die wirklichen Interessen Bul- garens weisen, in Jugoslawien, findet er in zunehmendem Maße Verständnis für die Bedürfnisse seines Staates.
Die jugoslawischeHaltungzur Kleinen Entente uud vor allem dem Valkanbund gegenüber ist, veranlaßt durch die Erkenntnis gewisser Sonderinteressen, schon seit einiger Zeit ziemlich lau. Immerhin vertrat Jeftitsch im allgemeinen die überlieferte Nachkriegspolitik Jugoslawiens,
irr Marseille ermordete König Seitdem Jeftitsch vor einigen Wochen ab- .treten mimte, um der neuen Negierung Platz zu machen, ist
; der Wille zu einer grundsätzlichen außenpolitischen ; Neuorientierung ganz unverkennbar geworden. Und : die an den jetzt erfolgenden Besuch des Prinzregenten Paul i in Bukarest anknüpfenden Meldungen besagen nicht weni- s ger, als daß Jugoslawien in absehbarer Zeit aus der
- Kleinen Entente auszutrcten beabsichtige, um
- dafür mit Rumänien und Bulgarien einen ? neuen Donaubund zu schließen. Auf Gegenliebe s in Rumänien rechnet man umsomehr, als dort Bedenken f gegen die moskaufreundliche Politik von Paris und Prag i aufgetaucht sind. Der neue Bund soll sich von Frankreich
absolut unabhängig machen wollen und eine Politik ^edig-
- lich aus den Perspektiven des Donau- und Balkanraums heraus betreiben.
: Man wftd die weitere Entwicklung mit Spannung ver-
: folgen d ürfen. Vollzieht sie sich in der angedeuteten Rich- i tung, dann bedeutet sie eine Gewichtsverlagerung, die den s Druck der französischen Politik auf die europäischen Angele- ^ genheiten mildern muß.
j Sorge» »m de» 14.3»li i» Pari;
I Der 14. Juli in Paris, das ist traditionellerweise ein ein- ! ziges großes Volksfest. Gewiß, es gibt eine offizielle Trup- s penparade an diesem Nationalfeiertage, der die Erinnerung s an die Erstürmung der Bastille im Jahre 1789 und damit ! an den Beginn der großen französischen Revolution festhal- ; ten soll. Historiker mögen daran zweifeln, ob das Eindrin- ! ge einer Pöbelmasse in das von 32 Schweizern und 82 Jn- i validen ganz unzulänglich bewachte Staatsgefängnis und i die Niedermetzelung der Wächter, die gar keinen Widerstand l geleistet hatten, wirklich die Ehre verdient, das Datum eines nationalen Festtages für Jahrhunderte festzulegen. Der Pariser ist impulsiv, und wenn die Tat vom 14. Juli 1789 auch sicherlich von irgendwelchen dunklen Hintermännern angetrieben worden war, es lag doch auch ein Ausdruck ele- : mentaren Volkszorns gegen die Methoden des absolutisti- s schen Regimes der französischen Ludwige in ihr. Und diese ! Erinnerung ist lebendig geblieben. Durch das Paris von ! heute, daß sich an diesem Tage einer ausgelassenen Lustig- s keit hingibt, das auf Straßen und Plätzen tanzt, geht noch so etwas wie ein Aufatmen von einem unerträglich gewordenen Druck. Ein kindliches Volk freut sich darüber, daß es s ein Symbol der Zwingherrschaft beseitigt hat. obwohl noch ^ ganz andere Vorgänge notwendig waren, um diese Herrschaft selbst umzustllrzen. Der 14. Juli in Paris war fast immer eine heitere Angelegenheit, bei der auch der Fremde : das französische Volk lieb gewann.
Soll er in diesem Jahre eine tragische Angelegenheit, s vielleicht sogar eine geschichtliche Wende werden? Wenn : man die französischen Zeitungen durchsieht, muß man das i beinahe glauben, mindestens nach den Meldungen und den ! aufgeregten Artikeln der Linkspresse Seit Wochen j schreibt sie mit sich steigernder Heftigkeit von der Gefahr ; des „Bürgerkrieges" Und wenn sie wirklich nicht s vorhanden sein sollte, es ist leicht möglich, daß das viele , Reden von ihr ihn wirklich auslöst, i Was geht vor? Wir wissen, daß der französische Parla- i mentarismus seit mindestens eineinhalb Jahren in einer schweren Krisis steht. Von allen europäischen Staaten ha- i ben sich in ihm die unfruchtbaren Methoden der Demokratie
- und der Parteiherrschaft noch am ungebrochensten erhalten. ! „Le Depute". das ist der kleine Herrgott seines Wahlkrei- j ses, der schon um seine Gotiäbnlichkeit zu erhalten, den Ein- s druck zu erwecken bestrebt ist, welch großen Einfluß er in j Paris auszuüben vermöge, lind um die Fiktion seiner ein- i flußreichen Beziehungen wabr zu machen, muß er Hintertreppen und Seitenwege gehen, in den Kulissen arbeiten,
! sich jenen wenigen, meist nicht im Rampenlicht stehenden s politischen und wirtschastb'chen Größen zu nähern verju- > chen, die vielleicht hier und da etwas für die von ihm ver- : tretenen Wünickie abkallen lasten können. Keaen entivre-
Kurze Tagesiiberficht
Im englischen Unterhaus hielt Außenminister Sir Hoare s seine große politische Rede. Er behandelte alle europäischen i Probleme und appellierte an den Führer wegen des Ab- i schlusses des Ost- und Donaupaktes.
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! Der amerikanische Staatssekretär Hüll erklärte dem ita» lienischen Botschafter in Washington, daß Amerika wegen z des Verhaltens Italiens in Ostafrika stark bejorgt sei.
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In Japan hat sich wieder ein stärkeres Erdbeben ereig» ! net, während in China Hochwasser ganze Städte und Ve- i zirke überschwemmte und viele Hunderte Todesopfer sor- derte.
. Auf der Chaco-Friedenskonferenz in Bnenos-Aires sind ernste Schwierigkeiten ausgetreten.
^ chende Gegenleistungen selbstverständlich. Und Monsieur le l Depute ist, wenn es sein muß, für jedes solche politische : Tauschgeschäft zu haben. Gelegentlich kommt Einiges an die ! Öffentlichkeit. Das war so. als der Stavisky-Skandal die ! Atmosphäre in Paris verpestete.
! Das System suchte zu vertuschen. Aber inzwischen waren l Kräfte herangewachsen, die sich nicht bei diesen äußeren ^ Erscheinungsformen der korrupt gewordenen parlamentari- : schen Demokratie aufhielten, die ihr auf den Grund gegan- i gen und ihren Unwert erkannt hatten. Was sich am 6. Fe- s bruar 1934 beim Aufmarsch der Feuerkreuzler, i der anderen französischen Frontkämpierverbände, allerdings j auch kommunistischer Trupps, auf der Piave oe la Concorde s ereignete, war auch der Ausbruch eines Volkszorns, wenn i auch mit anderen Vorzeichen, als am 14. Juli 1789 Dou- mergue, der damals den Radikalsozialisten Daladier ab- j löste, und den Staat retten sollte, hat einen Anlauf un- i ternommen^ das durch eine Umbildung des französischen ? Staatsgefllges in der Richtung aus eine autoritäre Demo- j kratie hin zu tun. Er ist dabei bald erlahmt und schließlich ! gescheitert, und seine Nachfolger, von denen einige einen schwachen Versuch unternahmen, scheiterten erst recht. Laval : hat mit Mühe und Not für die Spszialaufgabe der sinan- ! ziellen Sanierung des Staates befristete Vollmachten er- s halten. Aber seine Stellung erscheint innenpolitisch nichts
- weniger als gefestigt, und wenn er im Augenblick vielleicht ; ruhig schläft, so nur deshalb, weil die Kammer, die ihn ^ jederzeit stürzen kann, in den Ferien ist.
i Aber die außerparlamentarischen Kräfte sind umso re- z ger. Die Feuerkreuzler namentlich, die seit jeher j Tuchfühlung nach rechts unterhielten und denen die loziaN-. s stische Presse sogar gelegentlich monarchistische Tendenzen s unterschob, sind von 20 000 Mitgliedern im Februar 1934 ! auf 320 000 angewachsen und ihr Führer, der Oberst de la Rocque, der in letzter Zeit wiederholt große Heerschauen ! über seine Getreuen abhielt, hat keinen Zweifel darüber gelassen, daß er ganz bestimmte politische Ziele verfolgt, an i deren Spitze die Entthronung der parlamentarischen Demo- ; kratie steht. Das wäre in Frankreich, dem Land der politl- s schen Meinungsfreiheit an sich nicht jo aufregend. Man s verdaut schließlich auch die „Camelots du Roi". Aber die ! Sozialistenpresie glaubt zu wissen, daß de la Rocque den ' Zeitpunkt für einen gewaltsamen Umsturz für gekommen er-
- achtet und daß er sich den 14. Juli, an dem große Aufmärsche seiner Feuerkreuzler in ganz Frankreich stattfinden wer-
; den, ausgesucht habe, um die bestehenoen Gewalten abzu- s setzen und seine eigene Diktatur aufzurichten Der Feld- i zugsplan, den die Feuerkreuzler angeblich verfolgen wol- j len, wird in der französischen Linkspresse in allen Einzel- ! heften wiedergegeben: Besetzung der Stadthäuser und Usur- ! pierung der Lokalgewalt, Besetzung der Post- und Telegra- s phenämter, in Paris Festnahme des Staatspräsidenten im Elysee. Von den Ministern ist im allgemeinen wenig die Rede. Betrachten die Linksparteien sie als die am wenigsten wichtige Angelegenheit?
! Man hat festgestellt, daß eine große Anzahl der zu den ' bevorstehenden Demonstrationen nach Paris kommenden ! Führer der Feuerkreuzler im Flugzeug eingetroffen sind. < Daraus folgern die sozialistischen Zeitungen, daß am 14. Juli über den Häuptern der feiernden Pariser eine große Luftdemonstration stattfinden solle, und daß die daran beteiligten Flugzeuge hier und da zur Verbreitung von Angst und Schrecken eine Bombe fallen lasten werden, das er- : scheint den um ihre letzte Machtposition besorgten Sozia- ! listen sicher. Sie haben in den letzten Wochen durch Zusam- i menschlich mit den Kommunisten aui der linken, den Nadi-
- kalsozialisten an ihrer rechten Flanke der Form nach eine so- s genannte „Volksfront" zur Verteidigung der Republik ! gebildet. Sie soll den Diktaturgelüften de la Rocques am ! 14. Juli entgegentreten.
! Was sagt die Rechtspresse dazu? Sie und selbst die der ! Regierung noch näher stehenden Organe machen ein sehr ° bitter-süßes Gesicht, zu dieser republikanischen „Volksfront". ^ Die kommunistische Beimengung ist ihnen höchst verdächtig, und man spricht es offen aus, daß man von der Volksfront
- weniger eine konservative Haltung zum Schutze der Repu- ; blik, als eine Attacke aus das besitzende Bürgertum erwartet. Die innerpolitische Lage Frankreichs mit seinen großen
i finanziellen Problemen der Deckung des 11 Milliarden-De- fizits fordert ja geradezu zu sozialistischen ELperimeiuen : heraus, um den für den 16. Juli in Aussicht gestellten Spardekreten der Regierung zu begegnen. Man stell! die ' „Volksfront" als eine völlig überflüssige Gründung dar: denn die Regierung verfügender Polizei und Militär, so- daß sie jedem Umsturzversuch, er möge kommen woher er , wolle, wirksam entgegentreten könne.
Für die auf der Linken ist freilich der Hinweis aus das ' Militär ein zweifelhaftes Argument. Dei Poilu, gewiß, der s wird nach Meinung der Sozialisten nicht auf seine Brüder s aus dem Volke schießen. Aber die Generalität und die son- j stigen höheren Chargen im Offizerskorps liebäugeln, io f glaubt man zu wissen, mit den Feuerkreuzlern und mit ? jenen anderen politischen Gruppen, die die Diktatur heule f lieber als morgen in Frankreich sähen.
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