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Nummer 27

Fernruf 479

Freitag den 1. Februar 1935

Fernruf 479

70. Jahrgang

Lebendiger Aufbau in Zahlen

NSK. Das Reichsfinanzministerium am Wil­helmplatz in Berlin galt bisher stets als die Behörde der nüchternen Zahlenarbeit. Wenn man aber mit Staatssekre­tär Reinhardt spricht, dann spürt man, daß der National­sozialismus lebendigstes Leben in diese Zahlen hineinge­tragen hat, daß sich hinter diesen Zahlen, in denen die Reichseinnahmen und -ausgaben ausbalanciert werden, wie in allem Tun des neuen Staates der politische Wille zeigt, das deutsche Volk wieder auf die Höhe zu bringen. Der Mann, der dieses Lebendigwerden der Haushaltzahlen im volkswirtschaftlichen Sinne erreicht hat, gibt uns einen Ueberblick über sein Arbeitsgebiet, indem er die Zahlen sprechen läßt:

Die Voraussetzung für die Gesundung der sozialen, wirt­schaftlichen und finanziellen Dinge unseres Volkes ist Kampf um die Verminderung der Arbeitslosigkeit. Solcher Kampf wird nunmehr seit rund zwei Jahren geführt. Erfolg:

1. Die Zahl der statistisch erfaßten Arbeits­los e n hat betragen:

am 31. Dezember 1932 3 773 000, am 31. Dezember 1933 4 059 000. am 31. Dezember 1934 2 604 000.

Die Zahl ist kleiner gewesen:

am 31. Dezember 1934 um 35 v. H.

gegenüber 31. Dezember 1933, am 31. Dezember 1934 um 55 v. H.

gegenüber 31. Dezember 1932.

2. Die steuerpflichtigen Umsätze haben betra­gen:

im Rechnungsjahr 1932 rund 65 Milliard. NM.

im Rechnungsjahr 1933 rund 75 Milliard. RM.

im Rechnungsjahr 1934 rund 95100 Milliard. NM. Der Betrag für 1934 ist nach dem heute vorhandenen Ueber­blick geschätzt.

3. Das Volkseinkommen hat betragen (gerechnet in Kaufkraft von 1934):

im Jahr 1932 45,4 Milliarden RM. im Jahr 1933 47,7 Milliarden RM. im Jahr 1934 55,0 Milliarden RM.

Der Betrag für 1934 ist nach dem heuie vorhandenen Ueber­blick geschätzt.

4. Das Aufkommen an Steuern, Zöllen und anderen Abgaben des Reiches hat betragen:

im Rechnungsjahr 1932 6647,0 Millionen NM. im Rechnungsjahr 1933 6846,1 Millionen RM. im Rechnungsjahr 1934 7900,0 Millionen RM.

Der Betrag für 1934 ist nach dem heute vorhandenen Ueber­blick geschätzt.

5. Gewährung von 365 591 Ehestandsdarlehen im Be­trage von 200 Millionen RM. bis zum 31. Dezember 1934 auf Grund des Gesetzes zur Förderung der Eheschließungen vom 1. Juni 1933. Auswirkung allein dieser Maßnahme:

Verminderung der Arbeitslosenziffer um mindestens 500 000 und Verminderung des Finanzbedarfs der Ar­beitslosenhilfe um etwa 250 Millionen RM., bedeutende Erhöhung der Zahl der Eheschließungen und der Geburten.

Die Zahl der Eheschließungen ist in 1933 bereits um 23,7 v. H. größer gewesen als in 1932. Für das erste Halbjahr 1934 ergibt sich das folgende Bild:

erstes Halbjahr

l 1933 1934

Eheschließungen 252 592 334 567

Lebendgeborene 490 340 676 843

bedeutende Erhöhung der Zahl der Hausstände und der Nachfrage nach Möbeln, Hausgerät und Kleinwohnungen. Im dritten Halbjahr werden zur weiteren Verminderung der Arbeitslosigkeit und zur weiteren Gesundung der so­zialen, wirtschaftlichen und finanziellen Dinge unseres Vol­kes zwangsläufig führen:

1. diejenigen Ankurbelungsmaßnahmen, die noch im Jahr 1935 laufen;

2. die Dauermaßnahmen im Kampf um die Ver­minderung der Arbeitslosigkeit, insbesondere das Ge­setz zur Förderung der Eheschließungen und die Maß­nahmen, die in den neuen Steuergesetzen vom 16. Ok­tober 1934 enthalten sind;

3. die rund 7,5 Milliarden RM. Volkseinkom­me n s m e h r des Jahres 1934. Auch dieses Volksein­kommensmehr wird zu vermehrter Nachfrage nach Gü­tern und Leistungen, zu neuen Arbeitsplätzen, zur Verminderung der Arbeitslosigkeit und des Finanzbe­darfs der Arbeitslosenhilfe, zu vermehrtem Umsatz,

! vermehrtem Einkommen und vermehrtem Verbrauch, zur Erhöhung des Aufkommens an Steuern, anderen Abgaben und Sozialverstcherungsbeiträgen führen.

Das dem Reich verbleibende Mehraufkommen an Steu­ern, Zöllen und anderen Abgaben wird bis auf weiteres restlos gebraucht zum Ausgleich der Vorbelastungen durch Steuergutscheine, durch die Finanzierung der verschiedenen Arbeitsbeschasfungsprogramme und durch Rechnungssehl-

Tagesspiegel.

Der französische Besuch in London steht im Vordergrund des politischen Interesses, nachdem in den Vorbesprechun­gen angeblich eine Einigung auf der Grundlage der Gleich­berechtigung Deutschlands in Verbindung mit einem euro­päischen Friedenspakt und der Rückkehr nach Genf gefun­den sein soll.

Flandin und Laval sitHoin London eingetroffen. Die Be­sprechungen mit den englischen Ministern werden am Frei­tag ausgenommen.

Der Führer und Reichskanzler hat an den zurückgetrete­nen Reichswirtschastsminister Dr. Schmitt und an Reichs­bankpräsident Dr. Schacht Schreiben gerichtet, in denen er für ihre Arbeit dankt.

Französische Medizinstudenten sind in den Streik getre­ten als Protest gegen die Ausübung des Arztberufes durch Ausländer in Frankreich.

*

Für die Saar sollen keine Goldsammlungen veranstaltet werden, da die Bezahlung der Saargruben ohne Inan­spruchnahme der Gold- und Devisenbestände erfolgen kann.

*

Nach Meldungen aus dem Fernen Osten stoßen die Japa­ner nicht nur gegen die Provinz Tschachar, sondern auch ge­gen die Mongolei vor.

beträge aus früheren Jahren. Es ist trotz der fortgesetzten Zunahme des Steueraufkommens erforderlich, daß auf al­len Gebieten der öffentlichen Finanzwirtschaft eiserne Spar­samkeit geübt wird.

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zur Reise nach London

Paris, 30. Fan. Fm Anschluß an eine umfassende Aussprache über die Arbeitslosigkeit sollte die Kammer am Dienstag nach­mittag einen Zeitpunkt für die Behandlung der von Franklin Bouillon eingebrachten Interpellation festsetzen, die die Regie­rung auf die Gefahren hinweist, die die Pläne zur Legalisierung der Aufrüstung Deutschlands für Frankreich und den Frieden be­deuten. Außenminister Laval hatte die Vertagung der Behand­lung dieser Frage beantragt. Der Abg. Franklin Bouil­lon, der durch seine ständigen deutschfeindlichen Auslassungen bekannt ist, erklärte eingangs, er habe gehofft, daß vor der Londoner Reise in der Kammer eine Aussprache über die fran­zösisch-englische Politik stattfinden würde. Man wisse, was Eng­land wolle, nicht aber, was Frankreich eigentlich wolle. Unter Bezugnahme auf einen Artikel derTimes", in der die Auf­rüstung Deutschlands als vollzogene Tatsache bezeichnet werde, warf Franklin-Bouillon England Mangel an politischem Klar­blick vor. Diese englische Geistesverfassung sei nicht neu, denn schon im Jahrs 1914 habe England aus mangelnder Erkenntnis der Lage das Wort nicht gesprochen, das den Krieg hätte ver­meiden können. Man gedenke in London durch neue Zugeständ­nisse den Frieden zu festigen. Frankreich könne sich aus eine solche Politik nicht einlassen. Die ganze deutsche Politik fuße auf dem Gedanken der Revision und die Politik Frankreichs und seiner Verbündeten auf dem Gedanken der Nichtrevision. Es sei unmöglich, Wasser und Feuer miteinander zu vermengen. Es gebe nur zwei Lösungen: Eine Lösung des Mutes oder des Ver­zichtes. Nur der Mut könne Frankreich retten.

Außenminister Laval erinnerte daran, daß er, einem Wunsche Sir John Simons folgend, zusammen mit dem Minister­präsidenten nach London reisen werde. Es sei natürlich, daß die Minister der beiden großen Länder es für notwendig erachteten, in ihren Besprechungen die Gesamtheit der internationalen Fra­gen zu behandeln. Man könne sich nur dazu beglückwünschen, daß Frankreich und England in gewissen Abständen ihre Mei­nungen austauschten. Frankreich und England wollten ihre ver­trauensvolle Zusammenarbeit fortsetzen, weil sie sich der Soli­darität ihrer Interessen und der gemeinsamen Verantwortlichkeit bewußt seien. Man werde sich zweifellos über die Frage Verdeutschen Rll st ungen unterhalten. Man sei sich der nationalen Realitäten bewußt und kenne die Erfordernisse der nationalen Verteidigung. Ein geschwächtes Frankreich würde weniger Freunde haben, und ein isoliertes Frankreich wäre we­niger stark. Der Friede würde dadurch nicht gewinnen. Frank­reich wolle sein Teil an der soliden Organisation des europäischen Friedens übernehmen, könne sich diesen Frieden aber nicht ohne Sicherheitsgarantien vorstellen. Noch selten sei die auswärtige Politik so aktiv betrieben worden, wie in den letzten Wochen. Bedeutende Regelungen seien erzielt worden, Streitfälle geschlichtet worden, und eine neue Atmosphäre sei im Entstehen begriffen. Zum Schluß betonte der Außenminister, daß London zu keinerlei Abschlüssen führen, sondern nur einen Gedankenaustausch bringen würde.

Laval schloß seine Erklärungen mit folgenden Worten:Eine neue Atmosphäre ist im Entstehen, die di« notrvenüige Annähe­

rung der Völker leichter gestalten mutz. Ich wage es mit einigem Stolz zu sagen, daß Frankreich unter diesen Umständen die ihm von seiner Ueberlieferung vorgeschriebene Rolle gespielt hat. Vor einigen Tagen ist in Rom in einer Weise, die von Dauer sein mutz, die Entente zwischen zwei großen Völkern besiegelt worden. Beide sind fest entschlossen, wie ihre Regierungen feier­lich erklärt haben, in einem Geiste des gegenseitigen Vertrauens an der Erhaltung des allgemeinen Friedens zusammenzuarbeiten. Unsere Londoner Besprechungen werden von der wachsenden Freundschaft geleitet sein, die Frankreich und Eng­land verbinden muß. Wir wissen, daß unsere Sicherheit un­entbehrlich ist für die Erhaltung des Friedens in Europa, W>r wissen und man weiß das ebenso im Ausland, daß Frankreich immer bereit ist, seine loyale und wirksame Unterstützung jeder internationalen Anstrengung für die Festigung des Friedens zu gewähren."

Zum Schluß der Kammersitzung am Dienstag wurde im Zu­sammenhang mit einer Anfrage die Frage des Asylrechts für politische Flüchtlinge unter Berücksichtigung der Arbeitslosigkeit behandelt

Franklin-Bouillon erklärte sich mit diesen Ausführungen des Außenministers zufriedengestellt. Sein Antrag wurde aus später verschoben.

Dor dem Londoner Treffen

Paris, 30. Jan. Nicht nur die sehr vorsichtig gehaltenen Er­klärungen Lavals in der Kammersitzung vom Dienstag, sondern auch die Berichte aus London haben in hiesigen politischen Krei­sen den Eindruck verstärkt, daß man sich vor allzu großem Opti­mismus in der Beurteilung des französisch-englischen Meinungs­austausches hüten solle.Matin" macht darauf aufmerksam, daß England immer noch ein Abkommen über die Sicherheit als Krö­nung der offiziellen Anerkennung der deutschen Aufrüstung an- sehe, aber nicht als ein vor allen Dingen zu lösendes Hauptpro­blem. Das Zurückscheuen der englischen Regierung vor einer Er­weiterung des Locarno-Abkommens als Bedingung für eine etwaige Befreiung Deutschlands von Teil 6 des Versailler Ver­trages scheine allerdings weniger grundsätzlicher Art zu sein, als vielmehr auf die Furcht vor dem Parlament und der öffentlichen Meinung zurückzugehen.

DasEcho de Paris" berichtet, daß der englische Standpunkt in einer Art Note oder Denkschrift von vier oder fünf Seiten niedergelegt sei, die der englische Botschafter in Paris am Sams­tag Laoal überreicht habe. Die Kenner dieser Denkschrift Le- zeichneten sie alsschlechter Macdonald". Sir John Simon find« kein anderes Heilmittel gegen dieVerletzung" des Versailler Vertrages durch Deutschland, als den Abschluß eines Abkommens über Rüstungsbeschränkung und internationale Rüstungskon­trolle, durch das die Erklärungen vom Dezember 1932 über die Gleichberechtigung wirksam werden sollen.

London, 30. Jan. Zum französischen Ministerbesuch erklärt der diplomatische Korrespondent von Reuter, es sei unwahrscheinlnh, daß Großbritannien bei den bevorstehenden Besprechungen wei­tere Verpflichtungen aus dem europäischen Festlande übernehmen werde. Die Frage der Aushebung der Abrüstungsklauseln von Versailles werde erörtert werden, ohne aber deshalb unbedingt den Mittelpunkt der Besprechungen zu bilden In London be­stehe die Neigung, die Aussprache möglichst flüssig zu halten. Die deutscheAufrüstung" soll nur als eine Frage von vielen behandelt werden. Eine erneute Bekräftigung und Ver­schärfung von Locarno in Form eines Versprechens britischen Beistandes in der Lust für den Fall eines Angriffes auf Frank­reich sei höchst unwahrscheinlich. Was die österreichische Frag« angehe, so sei Großbritannien nach wie vor bereit, im Falle einer Gefährdung der österreichischen Sicherheit gemeinsame Beratun­gen aufzunehmen.

In London wird nachDaily Herald" erwartet, daß Laoal auf einer Verstärkung der französischen Rüstun­gen beharren und eine Erörterung deutscher Aufrüstung für den Augenblick ablehnen werde. Er werde versuchen, die britische Unterstützung für seine Forderung zu gewinnen, daß vor einer solchen Erörterung Deutschland sich bereit erklären müsse, nach Genf zurückzulehrcn und den Ostpakt und den Donaupakt zu unterzeichnen. Außerdem werde er eine Verstärkung der briti­schen Verpflichtungen aus dem Locarnopakt verlangen. Die bri­tische Regierung erkenne es deutlich, daß nicht der geringste An­haltspunkt dafür vorhanden sei, einen solchen Plan auch nur als Erörterungsgrundlage mit den Deutschen anzusehen. Sie >ei damit einverstanden, daß Sicherheit und Rüstungsbegrenzung gemeinsam behandelt werden müßten. Sie werde sich aber nicht dazu bereitfinden, neue Verpflichtungen für Großbritannien als Einleitung zu Erörterungen zu übernehmen.

Nalidin und Laoai nach London abgereist

Paris, 31. Jan. Ministerpräsident Flandin und Außenmini­ster Laval sind am Donnerstagmittag mit demGoldenen Pfeil" nach London abgereist. In ihrer Begleitung befinden sich der Generalsekretär beim Ministerpräsidium und Gesandte in Prag, Noel, ferner der Generalsekretär am Qua d'Orsay, Leger, sowie der Leiter der französischen Abteilung beim Völkerbund, Mas- sigli.

Der Jntransigeant will aus sicherer Quelle erfahren haben, daß die britische Regierung sich nicht dazu habe entschließen kön­nen. neue Verpflichtungen hinsichtlich der europäischen Sicher«