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Nummer 280 Fernruf 47g Samstag, den 1. Dezember 1934 Fernruf 479 69. Jahrgang
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Advent! Ein Zauber liegt in diesem Wort, jedenfalls für viele Menschen. Nachdenkliche werden sich diesem Zauber nie ganz entziehen können Es ist nicht nur die Erinnerung an jene reizvollen Erwartungen, in der wir Kinder die Stunden zählten und immer abends die durchlebten abrechneten, die man noch bis zum Christtag warten mutzte. Es ist auch nicht nur das neue Brauchtum des Adventskranzes mit seinen vier Lichtern, so sinnvoll es sein mag. Advent weckt Vorfreude im Blick auf etwas, das kommt, keine zweifelnde, unsichere Erwartung, sondern Vorfreude.
Vielleicht ist unsere Zeit überhaupt von diesem Gefühl getragen. Die völkische Erneuerung ist im Grunde Vorfreude, d. h. Glaube an das kommende Große auf Grund des erlebten Großen. Sie hat dem hoffnungslos gewordenen Volk neuen Glauben und neue Hoffnung geschenkt. Jeder bewußt Deutsche wird davon etwas verstehen und rr- gendwie daran teilnehmen. Und in unser aller Herzen lebt die Gewißheit: „Es muß doch einmal Frühling werden" auch durch Stürme hindurch. Das ist auch Vorfreude.
Aber die Erwartung, die im Wort Advent aufleuchtet, ist anderer Art; auch Glaube, aber nicht völkischer Glaube — obwohl mit diesem in den letzten Wurzeln zusammenhängend, — sondern Ehristenglaube. Und der trägt erst recht etwas von Vorfreude in sich. Freilich — wer's versteht! Ein geistvoller Arzt schreibt in einem feinen Versuch, das Christsein zu deuten: „Christus hat die Welt nicht geändert; die bleibt, wie sie ist; aber er hat die Welt überwunden und ist uns den Weg zum Vater vorangegangen. Allen, die an ihn glauben, gibt er Macht, die Welt zu überwinden und ihm auf dem Weg zum Vater zu folgen." Wer davon etwas versteht, der versteht Advent als Vorfreude.
Vielleicht müssen viele das neu lernen. Sie sind der Meinung, gerade das, was jener Arzt über Christus sagt, sei eine erledigte Sache, schon deswegen, weil es sich bei dieser Ueberwindung auch um die Ueberwindung von Schuld und Sünde handelt. Diese Worte scheinen ihnen nicht mehr zeitgemäß. Aber wir Lebenserfahrenen wissen, daß das ein Fehlurteil ist, das der Wirklichkeit des Lebens nicht gerecht wird. Wer das Wort „Schuld" aus seinem Wortschatz streicht, merkt offenbar nicht, daß er damit auch den Ernst der großen Ideale einschließlich der Menschenwürde streicht. Denn „ohne ein Ideal über sich kann der Mensch im geistigen Sinne nicht aufrecht stehen". Wer aber unter der Sonne des Ideals steht, der merkt, daß die Aufgabe unendlich ist und daß wir täglich dem fordernden heiligen Gott das Beste schuldig geblieben sind. In der Schuld liet unsere bitterste Not, und doch wieder darin, daß wir sie überhaupt empfinden, des Menschen Würde.
Und nun verheißt jeder Advent „Er kommt". Er, der nicht bloß den Menschen erst recht diese Schuld zum Bewußtsein bringt, sondern sie zugleich überwindet durch die gewaltigste, kraftvollste Tatsache, die es gib: — Gnade. Welche Fülle von Lebens- und Wachstumskräften quillt von dorther dem Menschen zu! Von da aus wird Advent, in seiner Tiefe verstanden, zur Vorfreude „Er" wird kommen, auch zu unserem Volk. Und mit ihm kommt neue Ueberwinderkraft. Er ist Herr und Meister aller Zeiten. Feiern wir Advent in dieser stillen, frohen Zuversicht und zünden wir Sonntag um Sonntag ein neues Adventslicht an als Symbol der Gewißheit: „Er kommt".
Ernst Welsch
s Es zieht ein Hoffen durch die Welt
, ein starkes, frohes Hofsen;
" das schließet auf der Armen Zelt
und macht Paläste offen, und kleinstes Kind die Ursach kennt:
Es ist Advent!
F. W. Kätzinger.
c5//r cr/r
Ein Roman vom neuen Deutschland
von Paul Haiu.
K6 Nachdruck v«rdor»u.
Er liest und das Blut steigt ihm ins Gesicht. Also nur ein Freund, dieser Schmevsow? Ein Freund — in der Not! Die Augen brennen ihm. Ist es Glück? Neue Hoffnung? Lieber Gott, laß diese Zeilen Wirklichkeit sein! bebt sein Herz und seine Hand HM den Bogen Papier fester. Seine Augen trinken die Worte:
„Gerade hier, in dieser Gegend, wo man Erde und Himmel so sehr viel näher ist, als in der Stadt, wo einem Luft und Wind den Kopf — und wohl auch das Herz! — so rein und klar machen, ist es mir zur Gewißheit geworden, daß man sein Herz nur einmal und dann nie wieder verschenken kann. —"
Er läßt den Brief sinken.
In seinem Blick ist ein starker Glanz.
„Holm!"
„Herr von Bevgholt? ,
Heinz streckt ihm die Hand entgegen. Zögernd schlägt Max Holm ein. Die Knie zittern ihm leicht.
„Sagen Sie mir — die Adresse von Ursel, bitte!"
Holm nennt sie.
,/Es ist gut, Holm. Es ist vielleicht — noch nicht zu spat.
Und dann kommt es leidenschaftlich von seinen Lippen:
»Wissen Sie denn, Mann, wie sehr ich Ursel geliebt habe? Wie sehr ich sie liebe!"
steigt ihm bis in die Stirn.
„Gehen Sie, Holm. Nein, warten Sie, ich komme mit. Bis zum Tor".
Er hakt ihn unter — so schreiten sie über den Hos.
Am nächsten Sonnabend fährt er auf zweitägigen Ur-
- «Es hat geklingelt« Tante Ursel"« jagt die klein« Erika
Wochenrundschav
Den 29. November 1934
Nun öffnen sich die Tore der wundersamen Advents- zeit für eine Welt, die sich in politischem Lärm und höchster Unruhe befindet. Die adventliche Erwartung und Hoffnung ist allerdings innerlicher Art, sie betrifft das Seelenleben der christlichen Völker und das Familienleben des deutschen Hauses. Das Geheimnisvolle der weihnachtlichen Vorfreude erfüllt die Kinderherzen. Freilich, in einer rastlos vorwärts drängenden Zeitepoche ist von dem Zauber der Adventstage sehr vieles abgefallen, was uns Aelteren als eine der schönsten Kindheitserinnerungen besonders hoch und teuer ist. Die ehemals stillen heimeligen Tage sind vielfach den Erfordernissen einer nüchternen Sachlichkeit gewichen, die bestimmt wird durch eine Fülle von Aufgaben und Verpflichtungen, die uns allen heute gestellt sind im Dienste des Volksganzen.
Die politische Beunruhigung in Europa steht in krassem Gegensatz mit der nun beginnenden friedevollen Adventsund Weihnachtszeit. Eine Fülle von Problemen hat zwischen den Mächten Europas Mißtrauen gesät, das schwer zu beseitigen ist. Wir selbst kennen den Lügenfeldzug, der gegen das neue Deutschland im Ausland organisiert ist und immer neue Blüten treibt. In diesen Tagen mußte von Berlin aus eine scharfe Zurückweisung der Gerüchte über Unstimmigkeiten in der Wehrmacht erfolgen. Auch die Saarfrage wird draußen noch immer benützt, um gegen Deutschland zu Hetzen. Je näher wir dem Abstimmungstermin des 13. Januar 1935 entgegentreten, desto aufgeregter gebärdet sich die Emigrantenpresse und ein Teil der französischen Presse. Es scheint aber, daß nun endlich das Stadium der Klärung herbeikommt, denn eine Abordnung der saarländischen Regierungskommission weilt bereits in Berlin, um Verhandlungen über die Rückgliederung der Saarbeamten ! zu führen. Auch in Rom hat der Dreierausschuß des Völkerbunds seine Arbeiten über finanzielle und technische Abstimmungsfragen so gut wie beendet, damit in der ersten Dezemberwoche endlich der Völkerbundsrat seinen Segen dazu geben kann. Erfreulich ist, daß in Frankreich allmählich die Einsicht wächst, daß die Saarfrage, wenn man die deutschen Vorschläge beachtet hätte, viel leichter gelöst werden konnte.
Die Aussprache des Führers und Reichskanzlers mit zwei Vertretern der französischen Frontsoldaten hat in Paris zunächst viel Staub aufgewirbelt. Sie muß als eine neue Geste des Versöhnungswillens deutscherseits betrachtet werden. Nicht nur der Führer, sondern auch sein Stellvertreter Rudolf Heß, hat dieser Tage in einer Rede den deutschen Friedenswillen unterstrichen. Adolf Hitler erklärte den französischen Frontkämpfern, daß es barer Unsinn sei, wenn man in Frankreich behaupte, daß Deutschland einen Putsch gegen das Saargebiet vorbereite. Deutschland werde das Ergebnis der Volksabstimmung an der Saar annehmen, wie es auch ausfallen möge. Er wiederholte, Deutschland denke nicht an einen Rachekrieg zur Rückeroberung Elsaß- Lothringens. Zwischen den Frontkämpfern beider Länder, die wüßten, was ein Krieg bedeutet, würde eine ehrliche Verständigung noch am ehesten möglich sein. Den französischen Rllstungsfanatikern paßte dies natürlich nicht in den Kram. So kam es, daß der alte Deutschenhasser Frankiin- Vouillon einen Zeugen der Unterredung mit Hitler, den Abg. Eoy, zum Duell forderte, das aber hernach durch Ehrenerklärungen wieder ausgeschaltet wurde.
und strampelt vergnügt mit den Beinen in dem reizenden Schlafanzug, den ihr Ursel eben übergezogen hat. Denn es heiß jetz Mitagsschlaf halten. Horst lieg bereits im Bett.
„Hopp", sagt Ursel, und mit einem feinen Schwung fliegt auch Erika in ihr Nest.
„Es klingelt schon wieder", kräht sie vorwurfsvoll.
Ursel wirft den beiden noch sine Kußhand zu und eilt aus dem Kinderzimmer. Es klingelt wirklich schon wieder. Daß nur nicht die Frau Sanitätsrat aufwacht, die sich vor einer halben Stunde auch ein bißchen hingelegt hat!
„Ich komme ja schon", sagt sie leise vor sich hin und eilt den Korridor entlang.
Wie eine sehr junge und anmutige Frau sieht sie in der weißen Hausschürze aus, mit dem von Erikas Patschhänden noch ein wenig zerzausten Haar. Nun öffnet sie. Etwas vorsichtig, wie es ihre Art ist. Nur gerade spaltbreit.
Ein Herr steht draußen. Sie kann ihn durch den Spalt nicht genau erkennen und fragt schon:
„Sie wünschen?"
„Dich!" sagt der Herr, drückt mit einem Ruck die Tür auf und steht auf der Schwelle.
Ein leiser, hilfloser Ausruf.
„Heinz!"
Er streckt beide Hände aus, sie steht mit hängenden Armen und starrt ihn an. Es verschlägt ihr die Stimme.
„Du —" stammelt sie nur. Ihre Augen sehen ihn ganz groß und glänzend an. Ich schlafe — ich träume — denkt, sie, ein Zittern läuft durch ihren Körper, die Knie werden ihr schwach — gerade noch fängt Heinz sie auf und zieht sie in den Korridor. Leise drückt er die Entreetür zu.
So stehen sie eine Weile in der Dämmerung des Flurs. Ihre Atemzüge fließen ineinander — jedes hört des andern Herzschlag. Ursels Gestalt strafft sich wieder in Heinz Arm. Er läßt die Hände sinken.
„Ich muß dich sprechen, Ursel", bittet er leise. „Ich komme — geradewegs vom Arbeitslager — vom Bahnhof gleich zu dir —"
In Paris treibt man nun, nachdem das Spiel mit der französisch-sowjetrussischen Militärentente, über die Archim- baud in der Kammer vorzeitig ausgeplaudert hatte, die europäische Beunruhigung weiter. Man hat den rumänischen Außenminister Titulescu und seinen türkischen Kollegen Ruschdi Bey empfangen und neue Fäden zurSüdost« europapolitik gesponnen. Pariser Blätter wollten bereits vom Abschlüsse eines französisch-türkischen Hilfeleistungspaktes sprechen. Aber das wäre bei der südslawischungarischen Spannung und bei den französisch-italienischen Annäherungsversuchen zu gefährlich gewesen. Die Gerüchte von Truppenansammlungen an der jugoslawisch-ungarischen und österreichisch-jugoslawischen Grenze wurden natürlich dementiert, denn offiziell ist die Welt auch im Donaubecken grundsätzlich ruhig. Aber die scharfe Sprache Jugoslawiens in seiner AnklageschriftfllrGenfhat den Großmächten schwerstes Kopfzerbrechen bereitet. Schon die Vermittlungsversuche Lavals in der Vorwoche in Genf deuteten darauf hin. Nun hat Belgrad eine ausführliche Begründung für seine Anklage gegen Ungarn eingereicht und Ungarn hat alsbaldige Behandlung der den Frieden Europas bedrohenden Klage gefordert. Dabei fand es die Unterstützung Italiens. Oesterreich ist wohl der dritte im Bunde, der Ungarn bei dem überaus scharfen Angriff Slld- slawiens zu verteidigen sucht, denn sonst wäre nicht der ungarische Ministerpräsident Eömbös innerhalb eines Monats zum zweitenmal nach Wien gefahren und hätte mit den österreichischen Staatsmännern verhandelt. Vor der Oes- fentlichkeit freilich täuschte man nur einen Jagdausflug vor. Aus diesen Vorgängen ist es erklärlich, daß man in Paris und London vorsichtig geworden ist und alle Leitungen spielen läßt, um die störend aussehende Streitfrage zwischen Südslawien und Ungarn zur Behandlung vor dem Völkerbundsrat bis zum Januar 1935 zu vertagen. Aber es scheint ungewiß, ob es nicht am 7. Dezember in Genf zu einem Platzen der Bombe kommt, die von Südslawien geworfen, von Ungarn zusammen mit Italien aber aufgefangen wurde.
Die Kleine Entente unter Führung des tschechischen Außenministers Venesch hat sich voll hinter den Bundesgenossen Belgrad gestellt, verübelt sie doch Ungarn, daß es sich dem Dreiverband so hartnäckig versagt und daß es sich nicht in französisches Schlepptau begibt. Zu all diesen Problemen kommen noch die Bemns-ungen der Rußen, eine französische Militärallianz zu erreichen. Auf Umwegen über den Ostpakt erstrebt man die Stärkung der französischen Vorherrschaft im Osten. Eine Pariser Note nach Warschau ist so versöhnlich gehalten, daß Paris die Hoffnung hegt, man werde mit Polen wieder zu einer Auffrischung des in Brüche gegangenen Bündnisses gelangen. Dabei sind die Angeln so weit geworfen, daß auch Deutschland in das Netz der Ostpolitik einbezogen werden soll. Eine Veröffentlichung der französischen Note nach Warschau ist aber nicht erfolgt. Die ablehnende Haltung Deutschlands gegen den Ostpakt ist bekannt. Die deutschen außenpolitischen Aufgaben liegen zunächst im Westen. Die Vertragssicherung im Osten genügt für den Augenblick.
London steht in vielfacher Hinsicht im Mittelpunkt des europäischen Geschehens. Die Hochzeit des jüngsten Königssohnes Georg mit der Prinzessin Marina von Griechenland, die die englische Öffentlichkeit ganz in Anspruch nahm, hat nicht darüber hinweggetäuscht, daß in der Politik mit hohen Karten gespielt wird. Die Flottenbesprechungen sind festgefahren. Japans Widerstand gegen Zugeständnisse in der Flottenfrage versteift sich, eine Kündigung des Washingtoner Abkommens durch Japan ist
Seine Worte überhasten sich.
„Komm!" flüstert Ursel.
Sie geht ihm voran und öffnet die Tür zu ihrem Zimmer. Es ist ein kleiner, Heller, froher Raum. Am Ofen steht ein Nähtischchen, ein bequemer Damensessel mit einem knallroten Kissen, ein kleiner runder Tisch, den eine Vase mit bunten Strohblumen schmückt.
„Ursel —"
Nun erst sehen sie einander im Hellen Licht an. Zwei Menschen, in denen eine verhaltene Erregung und eine unbeschreibliche Freude wühlt.
„Was — was willst du wissen, Heinz?" klingt Ursels leise, weiche Stimme.
Er steht vor ihr, die Arme an sich gepreßt. Der ganze, ihm so wohlvertraute langentbehrte Reiz ihrer Erscheinung hält ihn gefangen. Da ist Ursel, seine Ursel, keine Armlänge von ihm entfernt. Auf diese Stunde hat ein Rest Hoffnung in ihm wohl immer gewartet. Etwas überstürzt kommt es von seinen Lippen:
„Was ich wissen will? Ursel — ob das noch wahr ist, was du deinem Bruder geschrieben hast — daß du dein Herz nur einmal verschenken konntest —"
Sie schließt leinen Augenblick lang die Augen.
„Was weiht Lu von dem Brief?"
„Alles — und noch viel mehr —"
Sie schlägt den Blick zu ihm auf. Ein gang feines, zartes Lächeln legt sich um ihren Mund.
„Es wird wohl wahr sein, was ich schrieb, Heinz. Aber — was hilft mir das?"
„Ursel!"
Es ist etwas Sonderbares um junge Menschen. Sie überwältigen ein« komplizierte Situation zumeist nicht mi einer bedachtvollen, überlegten Beseitigung aller Schwierigkeiten und Hindernisse, sie überspringen sie einfach mit leidenschaftlicher Kraft und sind schon am Ziel, bevor noch alles hinter ihnen in Reih und Glied geordnet ist, und dann erst „räumen sie auf".
(Fortsetzung folgt.)