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Nummer 5
Fernruf 479
Montag den 8. Januar 1934.
Fernruf 479
69. Jahrgang.
„MsiSN -er
>k me These
England und Italien unterstützen negative Haltung Frankreichs nicht
Das Thema der Besprechungen, die ursprünglich in Eens, dann, nach dem Austritt Deutschlands aus der Abrüstungskonferenz, zwischen den europäischen Kabinetten unmittelbar geführt wurden, hat sich schon seit geraumer Zeit verschoben. Das Wort „Abrüstung" wird immer seltener. Vor Monaten schon hat Valdwin im englischen Parlament dis These aufgestellt, daß man das mit den internationalen Bemühungen erstrebte Ziel auf zwei Wegen erreichen könne: durch die Herabminderung der Rüstung der hochgerüsteten Staaten und durch die Aufrüstung der abgerüsteten Staaten bis zum Rüstungsniveau der anderen. Er hat damals schon das Wort „Rllstungsausgleich" als neues Thema für die im Gange befindliche Diskussion aufgestellt. Bald- win wandte seine These auf den Komplex der Luftrüstungen an, aber wenn man sie für einen Teil des gesamten Rüstungsproblems gelten lassen will, dann kann man sie für den Rest nicht verleugnen.
Noch deutlicher wurde Litwinow in der außenpolitischen Rede, die er kurz vor Weihnachten vor dem Zentral-Exe- kutiv-Komitee der Sowjetunion hielt. Er meinte, die Abrüstungskonferenz könne für eine gewisse Zeit wieder aufleben. Es werde jedoch keine Abrüstungskonferenz mehr sein, sondern eine Konferenz für die Ergänzung der Rüstungen.
Und nun kommen die ersten Nachrichten über den Verlauf der römischen Gespräche Sir John Simons mit Mussolini. Man sagt, die beiden Staatsmänner hätten sich über die „Angleichung der Rüstungen" ausführlich besprochen, und der „Lavore Fascista" kommentiert bei dieser Gelegenheit den, wie er sagt, von Italien in die diplomatische Sprache neu eingeführten Ausdruck „Revision der Rüstungen". Man müsse den Mut haben, schreibt er, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen, die weniger katastrophal sei als einige glauben machen wollen. Heute sei das Problem der Abrüstung nicht mehr Herabminderung der Rüstungen, sondern ihre Revision. Notwendigerweise ergebe sich daraus das politische Problem der Aufrüstung jener Länder, die wie Deutschland an dis Militärklauseln der Friedensverträge gebunden seien. Die künstliche Ungleichheit der Rüstungen in den verschiedenen Staaten müsse beseitigt werden.
Es ist eine Ironie der Weltgeschichte, daß in diesem Augenblick, in dem der jahrelange Widerstand Frankreichs gegen jeden praktischen Abrüstungsschritt gerade diejenigen Mächte, die sich bisher am entschiedensten dafür eingesetzt haben, zu einem Frontwechsel und einer anderen Themenstellung nötigt, Frankreich selbst sich zum Apostel der Abrüstung auswirft, die letzten Endes durch seinen eigenen Widerstand ausgelöste Kompromißforderung nach einer Rüstungsangleichung zurückweist und die anderen Staaten an gewisse Einzelheiten eines früher einmal erörterten, damals aber von Frankreich selbst nur sehr lau aufgenommenen und bewußt verschleppten Abrüstungsplans binden will. Allerdings auch das nur so, wie Paris ihn versteht. Deutschland hat den Mut gehabt, aus dem allgemeinen Themen- wechsel die Konsequenz zu ziehen und ganz konkrete Vorschläge dafür zu machen, wie es sich für sein eigenes Heer einen ersten Schritt in der Richtung auf die Angleichung der Rüstungen der verschiedenen Staaten denkt. Auch dabei wäre eine erhebliche deutsche Unterlegenheit bestehen geblieben, aber es wäre doch gegenüber dem bisherigen Zustande völliger Wehrlosigkeit ein gewisses Mindestmaß von Sicherheit gewährleistet worden. Frankreich schiebt den Gedanken der nationalen Sicherheit, der im Artikel 8 des Völkerbundspaktes als Richtschnur für die Herabsetzung der Rüstungen gegeben ist und den Frankreich immer gern zitierte, wenn es die Notwendigkeit seiner eigenen Rüstungen dartun wollte, unbekümmert beiseite. Es übergeht auch die These der Rüstungsangleichung und klammert sich lediglich an eine Ziffer des seinerzeitigen Macdonald-Plans, der Deutschland eine Heeresstärke von 200 000 Mann zubilligen wollte. Darauf möchte Frankreich Deutschland festlegen. Aber es denkt nicht einmal daran, die Voraussetzung dieser zahlenmäßigen Beschränkung des Macdonald-Plans, daß es nämlich selbst seine Heimatarmee auch auf 200 000 Mann reduzieren müßte, anzunehmen und ihre Verwirklichung anzubieten. Wobei wir ganz davon absehen, daß der Mac- dvnald-Plan nur eine fiktive Gleichstellung Deutschlands und Frankreichs vorsah, da er Frankreich neben der Hei- Mat-Armee noch ein 200 000 Mann-Heer in den Kolonien Subilligte und auch in der Bewaffnung keine Gleichheit zwilchen Deutschland und Frankreich gab. Frankreich will tn den Vorschlägen, die es in seinem Aide-memoire Deutsch- gemacht hat, noch hinter dieser durchaus unzulänglichen Linie des Macdonaldplans Zurückbleiben. Als Basis für oen in der internationalen Diskussion nun allmählich als anerkannten Rüstungsausgleich können die fran- Eü- ..^"kengänge also nicht dienen. Wie wenig man -in- ""5 einen wirklichen Ausgleich und
Flye Angleichung hinaus will, geht auch daraus hervor,
Tagesspiegel.
Der evang. Neichsbischof hat eine Verordnung über Wiederherstellung geordneter Zustände in der Deutschen Evangelischen Kirche erlassen.
Die Beteiligung an dem vom Reichspressechef der NSDAP., Dr. Dietrich, ausgeschriebenen Journalistenwett- berverb „Mit Hitler in die Macht" ist außerordentlich stark. Es sind rund 8ÜÜ Einsendungen eingelausen.
London zeigt sich nach der Rückkehr des Außenministers Simon aus Rom zufrieden. Ein Kabinettsrat soll am Mittwoch stattfinden.
Wegen der neuen französischen Kontingente und Verdoppelung der Einfuhrzölle für Kohle wird England in Paris Vorstellungen erheben.
Für Montag erwartet man den Rücktritt des französischen Kabinetts Chautemps und besten Umbildung in Verbindung mit dem Vayonner Finanzskandal.
In den Ausstellungshallen am Kaiserdamm in Berlin hat der Ausbau der großen Winterschan der deutschen Bauern» der „Grünen Woche" begonnen, die vom 27. Januar bis 4. Februar stattsindet.
Der Vizepräsident der ägyptischen Anwaltschaft, Rechtsanwalt Kemal Sedky Bay, hat sich bereit erklärt, im Kairoer Judenprozeß neben Professor Erimm-Essen auf deutscher Seite zu plädieren.
daß Frankreich bei Annahme seiner, auch im übrigen zum Teil unmöglichen Vorschläge „schon" nach vier Jahren die Geste einer Herabminderung der Zahl seiner Bombenflugzeuge um die Hälfte machen will. Es ist nicht anzunehmen, daß Frankreich für seine These die Unterstützung Englands und Italiens, um die es sich zur Zeit heftig bemüht, bekommen wird.
Sie römischen Besprechungen
Das Abschlußkommunique über die Besprechungen
Mussolini—Simon
Rom, 5. Jan. Die „Agence Stefani" meldet: In zwei langen, herzlichen Unterredungen, die zwischen Mussolini und Sir John Simon im Palazzo Venec'a stattfanden, wurden die Wichtigsten Fragen der allgemeinen Politik erörtert, insbesondere die Frage der Herabsetzung und Beschränkung der Rüstungen und die Frage der Völkerbundsreform. Hinsichtlich der ersterwähnten Frage stellten Mussolini und Simon in voller Ucbereinstimmung fest, daß es unumgänglich notwendig ist, daß die Erörterungen sobald wie möglich zu einem Abschluß gelangen, in dem man aus jeden Gedanken oder Vorschlag verzichtet, der nicht in sich selbst Elemente einer praktischen und schnellen Verwirklichung enthält, und in dem man diejenigen Punkte zum Ziele nimmt, welche in der internationalen öffentlichen Meinung als bereits geklärt betrachtet werden müssen I» der Völkerbundsreformsrage zeigte Mussolini die Kriterien auf, nach denen die Reform durchgeführt werden sollte, um dem Völkerbund ein besseres Arbeiten zu sichern und es ihm zu ermöglichen, seinen Zwecken besser zu entsprechen. Simon hat am Freitag die Rückreise nach London angetreten, wo er seiner Negierung über seine Besprechungen berichten wird.
Pariser Stimmen
Paris, 5. Jan. Die Pariser Presse nimmt sehr ausführlich zu den römischen Besprechungen Stellung. Die Blätter betonen dabei mit sichtlicher Befriedigung, daß zwischen Mussolini und Simon weder in der Frage der Reform des Völkerbundes noch in der Frage der Rüstungsrevision eine Einigung erzielt worden sei. Im übrigen wird das Ergebnis der Besprechungen in einem für Frankreich möglichst günstigen Sinne dargestellt. — Der römische Vertreter der Agentur Havas erklärt, daß Mussolini viel weniger Wert auf Einzelheiten der Völkerbundsreform gelegt habe, als auf die großen Richtlinien, in denen sich diese Reform vollziehen solle. Der Vertreter des französischen Nachrichtenbüros will weiter den Eindruck gewonnen haben, daß die Wünsche des italienischen Ministerpräsidenten im Rahmen der augenblicklichen Völkerbundssatzungen verwirklicht werden könnten. In der Aü- rüstungssrage habe auf beiden Seiten der Wunsch vorgeherrscht, eine für alle Teile annehmbare Lösung zu finden. Der „Figaro" glaubt zu wissen, daß in der Nüstungsfrage zwischen Rom und London eine wesentliche Annäherung erfolgt sei. Man habe sich bereits dahin geeinigt, Deutschland die „Aufrüstung" in einem gewissen Grade zuzugestehen, wobei die ausgerüsteten Mächte ihre Rüstungen wesentlich einschränken müßten. Man könne annehmen, daß die englisch-italienische Diplomatie Frankreich einen reinen Formerfolg vorzubereiten wünsche, während sie Deutschland einen grundsätzlichen Erfolg Vorbehalte, Der sozialistisch« „Populaire" fordert, daß Frankreich sich nicht übertölpeln lassen dürse; es müsse an seiner Aufsassung festhalten, daß jedes Zugeständnis an Deutschland ein unverzeihlicher Fehler wäre und dH man unbedingt nach Genf zurückkehren müsse.
Die angeblichen Forderungen Mussolinis Paris. 5. Jan. Der „Excelsior" glaubt, die Forderungen Mussolinis in folgenden fünf Punkten zusammenfassen zu können:
1. der deutschen Forderung nach Gleichberechtigung müsse Rech- ' nung getragen werden,
2. da diese Gleichberechtigung gegenwärtig nicht durch Abrüstung zu erreichen sei, müsse man eine beschränkte Ausrüstung des Reiches hinnehmen, weil diese besser sei als einer unbegrenzten Aufrüstung ohne Kontrolle und ohne Sanktionen zuzustimmen,
3. Deutschlands Standpunkt ergebe sich daraus, daß es eine Einschränkung durch die stark gerüsteten Mächte befürchtete.
i 4. Aus reinen verständlichen Prestigegründen könne Deutsch- ! land, das im Innern geeint sei, keine Unterlegenheit aus inter- ' nationalem Gebiet ertragen.
8. Der neue deutsche Staat brauche eine Militärmacht ober andere Macht, um die politische Reform und den Kampf gegen den Kommunismus durchführen zu können.
Sir John Simon soll dem Blatt zufolge auf diese Forderungen wie folgt geantwortet haben: Sei es nicht zu befürchten, daß eine erste Etappe der Ausrüstung Deutschlands zu einer zweiten oder dritten führen müsse? Zweitens, sei es möglich, alle auf der Abrüstungskonferenz vertretenen Mächte dazu zu bewegen, l ein Abkommen zu unterzeichnen, das auf der Aufrüstung Deutschlands begründet sei? Drittens, die Einkreisung Deutschlands sei vorläufig nur eine Hypothese und würde nur Wirklichkeit werden, wenn das Reich aufrüste. Viertens sei es fraglich, ob man die Abrüstung nach besonderen Prestigefragen beurteilen und begründen könne. Fünftens, die Wortführer de« Reiches hätten immer wieder erklärt, daß der Kommunismus enSgultiz besiegt sei.
Der „Excelsior" weist abschließend darauf hin, daß Mussolini und Sir John Simon aber der unbedingten Entschlossenheit der französischen Regierung Rechnung tragen müßten, die an den Vorschlägen festhalte, die sie am 1. Januar der Reichsregierung habe unterbreiten lassen.
JeuiMnd llvö die Schweiz
Ein Interview mit Rudolf Hetz
Berlin. 7. Jan. Der Stellvertreter des Führers. Rudolf Heß, gewährte dem Vertreter eines Schweizer Blattes eine Unterredung, in der er zahlreiche in der Schweiz verbreitete Jrrtümer. Vorurteile und ausländische Lügennachrichten über die nationalsozialistische Bewegung in Deutschland mit überzeugender Klarheit und Eindeutigkeit zurückwies oder richrig stellte.
Auf die Frage, ob es richtig sei, daß das nationalsozialistisch« Deutschland unmöglich Sympathien für die demokratische Schweiz hegen könne, antwortete der Stellvertreter de» Führers, daß Deutschland seine Sympathien zu anderen Völkern nicht von deren Staatsform abhängig mache. Lin« Veränderung der deutschen Sympathie zur Schweiz sei durch den Wechsel im deuifchen Regierungssystem deshalb nicht einaetreten.
Der Pressevertreter wies dann auf den großen Erdrück hin. den das Ergebnis der Reichstagswahl in der Schweiz hervorge- rufen habe und fragte den Stellvertreter des Führer», ob etwas Wahres daran sei, wie immer noch behauptet werde. Terror und Angst die Leute zur Wahlurne getrieben haben. Rudolf Heß wies diese Behauptungen energisch zurück und erklärte, daß die Wahl vom 12. November bekanntlich als freie und geheime Wahl durchgefllhrt worden sei.
Im weiteren Verlauf« der Unterredung bezeichnet« der Stellvertreter des Fükrers die in der Schweiz verbreiteten Gerüchte, ein Ziel der nationalsozialistischen Politik sei die Einverleibung der deutschen Schweiz in das Reich, als eine der viele« von antideutschen Provagandarentralen im Ausland verbreiteten Lügennachrichten. Kein ernsthafter Mensch in Deutschland denke daran, die Unabhängigkeit anderer Staaten auch nur anzutasten. Auch die in französischen Zeitungen verbre.iere Behauptung von einem Durchmarschvlan des deutschen Generalstabes durch die Schweiz im Falle eines deursch-sranzösischen Krieges beweise lediglich, wo die Stören'riede der Absicht Hitlers, ei«« Befriedung Europas herbeizuiühren, zu suchen lind.
Der Pressevertreter gab dann der freudigen Ueberraschung Ausdruck, die die Friedenssedanken des Reichskanzlers in der Schweiz ausgelöst haben und sagte, man zweifle nicht, daß sie ehrlich gemeint seien, aber man bebauvte, daß maßgebende Un- lerkübrer in der nationalsozialistischen Bewegung Anhänger einer starken Rüstungs- und Revanchepolitik seien. Auch diese Meinung kennzeichnete Rudolf Heß als eine Auswirkung der Hetz- und Greuclvropaganda, die die erlogene Behauptung aufgestellt habe, es beständen zwischen dem Führer und maßgebenden Unterführern Meinungsverschiedenheiten.
„In Deutschland, erklärte Heß, führt nach freiem Entschluß der Deutschen nur einer, und das ist Adolf Hitler".
Zum Schluß erklärte Rudolf Heß auf die Frage, ob die gei - stige Freiheit in Deutschland nicht bedroht sei, ob aui kulturellem Gebiet nicht zu viel reglementiert werde. Wir reglementieren nicht die Kunst und die Kultur, wir ziehen ihr vielmehr stützende Erenzwälle, die st« vor Zersplitterung und damit vor llnfruchtdarköit bewahren. V