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Nummer 4
Fernruf 479
Reue Schsreri
Herabsetzung der französischen Einfuhrkontingente — Erhöhung der finnischen Zölle
Bei den deutschen amtlichen Stellen liegt eine englische Note vor, die sich mit der Transferregelung durch die Reichsbank beschäftigt und an der für das erste Halbjahr 1934 vorgenommenen Kürzung des Zinsentransfers Kritik übt. In englischen Wirtschaftskreisen erörtert man wieder lebhaft den Gedanken, als Gegenmaßnahme ein Clearing-Verfahren gegen Deutschland anzuwenden. Die Reichsbank hat neuerdings Zahlen veröffentlicht, die nicht nur die unbedingte wirtschaftliche Notwendigkeit der getroffenen Transferregelung erweisen, sondern die auch dartun, dag die Vorwürfe des Auslandes auf einer unzureichenden und oberflächlichen Würdigung der Tatsachen beruhen. Unter Berücksichtigung der für die Dawes- und Sjoung-Anleihen vorgesehenen vollen Transferierung werden in Wirklichkeit von Deutschland nicht 30, sondern rund 77 Prozent der Zinsforderungen des Auslandes'befriedigt. Im übrigen bleibt der aus dem Ausfuhrüberschuß sich ergebende Anfall an Devisen infolge der dem deutschen Außenhandel immer noch in zunehmendem Maße bereiteten Schwierigkeiten selbst bei der neuen Regelung noch um 11 Millionen RM. monatlich hinter dem Devisenbedarf zurück.
Diese Verhältnisse haben soeben eine neue Verschärfung erfahren, die bei den Berechnungen der Neichsbank noch garnicht berücksichtigt werden konnten. Die s r a nz ö s i s ch e Regierung hat eine Verordnung über die Neufestsetzung der Eins uhrkontingente erlassen, die die deutsche Ausfuhr in besonderem Maße trifft. Die deutschfranzösischen Handelsbeziehungen beruhen aus dem Handelsvertrag vom Jahre 1927, der bis Ende 1931 eine Phase friedlicher handelspolitischer Zusammenarbeit der beiden Länder gewährleistete. Als Frankreich in den letzten Monaten des Jahres 1931 die Wirkungen der Weltwirtschaftskrise zu spüren begann, suchte es nach Mitteln, um sich der Auslandszufuhren, die von der französischen Produktion unter dem Druck des allgemeinen Absatzschwundes als unerwünscht empfunden wurden, zu erwehren und führte auf Grund der Katastrophenklausel des Handelsvertrages die Kontingentierung der Einfuhr ein. Das bedeutete den ersten schweren Schlag für den deutschen Export nach Frankreich.
Es hatte zunächst den Anschein, als ob es noch gelingen sollte, ihn wenigstens zum Teil zu parieren. Im Spätherbst 1931 besuchte der französische Ministerpräsident Laval Berlin, und das Ergebnis der bei dieser Gelegenheit geführten wirtschaftspolitischen Besprechungen war die Gründung des deutsch-französischen Wirtschaftskomitees, das in der Folge dann eine Reihe von Verhandlungen zwischen deutschen und französischen Jndustriegruppen in die Wege leitete. Sie haben zu privatwirtschaftlichen Vereinbarungen geführt, die die neue Kontingentsregelung immerhin lediglich erträglich gestalteten. Schon in dieser Phase der gegenseitigen Beziehungen kam aber deutlich zum Ausdruck, daß Frankreich überhaupt von dem Prinzip der Meistbegünstigung, das bisher seine Handelspolitik beherrscht hatte, abzugehen beabsichtige und dafür ein System der Reziprozität durchzu- sühren gedenke.
Die Hindernisse, die der Verwirklichung dieses Gedankens im Handelsvertrag von 1927 entgegenstanden, wurden durch das Zusatzabkommen vom Dezember 1932 beseitigt. In ihm gestanden die beiden Vertragspartner sich auf französischen Wunsch gegenseitig das Recht zu, die vertraglichen Zollbindungen mit lltägiger Frist zu kündigen. Damit war die Möglichkeit der kurzfristigen Beseitigung aller im deutschfranzösischen Handelsvertrags vereinbarten Bindungen geschaffen.
Zu dieser Aushöhlung des Handelsvertrages kam dann Ende November 1933 der Beschluß des französischen Kabinetts, eine grundsätzliche Aenderung in der Zuteilung der Einfuhrkontingente vorzunehmen. Den ausländischen Staaten sollten ab 1. Januar 1934 nur noch 25 Prozent ihrer bisherigen Kontingente zugebilligt werden. Die Zuteilung höherer Kontingente aber wollte man von entsprechenden Gegenleistungen des Auslandes abhängig machen. Dieser Beschluß, der durch die jetzt erlassene Regierungsverordnung für eine ganze Reihe von Waren in Kraft gesetzt worden ist und der von immer zahlreicher werdenden französischen Forderungen nach völliger Beseitigung des deutsch-französischen Handelsvertrages begleitet wurde, hat im Dezember Anlaß zu neuen deutsch-französischen Wirtschaftsverhandlungen gegeben. Sie sind kurz vor Weihnachten resultatlos abgebrochen worden, da die Franzosen keinerlei Neigung zeigten, den deutschen Kompensations- Wünschen Rechnung zu tragen. Die deutsche Ausfuhr nach Frankreich wird durch die Herabsetzung der Einfuhrkontingente für eine Reihe von landwirtschaftlichen Erzeugnissen ebenso wie durch die Neueinführung von Kontingenten für etwa hundert industrielle Produkte empfindlich getrof-
Freitag den 5. Januar 1934.
Fernruf 479
69. Jahrgang.
Tagesspiegel.
In den brennenden Schächten des Bergwerks in Osseg in Nordböhmen sind 126 Bergleute eingefchlojfen. Es besteht keine Hoffnung auf Rettung. 16 Tote sind geborgen, nur 4 Bergleute wurden lebend gerettet. Unter den Eingeschlossenen befinden sich mehr als 66 Deutsche.
Der britische Außenminister Simon wird nach seinen römischen Besprechungen ohne Aufenthalt in Paris zu nehmen, am Samstag nach London zuriickkehren.
Ein englisches Blatt berichtet über einen Vorstotz Nutzlands und Polens über eine gemeinsame Garantie für dir Unabhängigkeit der baltischen Nandftaaten.
Finnland hat das Handelsübereinkommen mit Deutschland zum 2. April 1934 gekündigt. Deutsche Waren werden schon jetzt nicht mehr meistbegünstigt behandelt.
In Paris wächst sich der Skandal um die Kreditbank in Vayonne immer mehr aus und greift auch auf politische Persönlichkeiten über.
In Belgien droht über die Frage der Wiedereinsetzung verabschiedeter Beamten eine Regierungskrise auszubrechen.
*
Der rum"'"'-be Außenminister Titulescu ist nun aus der Schweiz nach B-iarest zurückgekehrt.
vom 1V. Januar. Die veutjche Regierung hat sich zu ver Einhaltung Vieser kurzen Uebergongszeit bis zum 10. Januar ent- ichiossen. um die mit dem Uebergang zu neuen Zollsätzen gewöhnlich verbundenen Schwierigkeiten und Härten nach Möglichkeit zu vermeiden. Im Hinblick aus die Tatsache, daß der finnische autonome Zolltarif gerade bei den Deutschland interessierenden Waren das Vierfache der sonstigen Zollsätze beträgt, ist noch mit weiteren deutschen Maßnahmen auf dem Gebiete ver Wareneinfuhr zu rechnen, Vre seit dem 1. Januar monopolistisch geregelt ist.
fen und in der französischen Presse kennzeichnet man selbst diese Maßnahme als einen handelspolitischen Angriff auf Deutschland und keine direkte Herausforderung zum Handelskrieg. Deutschland hat nach dem Zusatzabkommen ohne weiteres die Möglichkeit, entsprechende Eegenmaßregeln zum Ausgleich zu ergreifen. Der Kündigung des Handelsvertrages von 1927, die in einem Teil der französischen Presse "befürchtet wird, bedarf es zunächst nicht einmal. Die deutschen amtlichen Stellen sind augenblicklich mit der Prüfung der Frage beschäftigt, welche Schritte in die Wege geleitet werden sollen. Nachrichten, daß eine Wiederaufnahme der deutsch-'französifchen Wirtfchaftsverhandlungen unmittelbar bevorstehe, sind unrichtig. Ob die Franzosen sich veranlaßt sehen werden, nach Verkündung der deutschen Gegenmaßnahmen, solche Verhandlungen wieder anzuknüpfen, muß abgewartet werden. Es ist ihnen offenbar bei der jetzt geschaffenen Situation nicht ganz wohl, denn z B. das „Petit Journal" sieht einen schweren Schlag für die am Export nach Deutschland interessierten Zweige der französischen Wirtschaft voraus.
Gleichzeitig mit der französischen Verordnung hat der finnische Staatsrat aus Anlaß der am 1. Januar 1934 gültig gewordenen Kündigungdesfinnischen Handelsvertrages von 1926 angeordnet, daß Deutschland nicht mehr bei der Einfuhr nach Finnland die für meistbegünstigte Länder gültigen Vertragszölle genießt. Die damit für die deutsche Wareneinfuhr in Kraft tretenden Zollerhöhungen betragen zum Teil das Vierfache der bisherigen Zollsätze. Dabei macht die finnische Regierung von den "ihr erteilten allgemeinen Vollmachten für die Zollpolitik gegenüber Ländern, mit denen Finnland nicht im Vertragsverhältnis steht, noch nicht einmal vollen Gebrauch. Jedenfalls wird der deutsche Handelsverkehr nach Finnland auch so schon zum größten Teil lahmgelegt werden.
Diese neuen handelspolitischen Vorgänge beleuchten grell den wirtschaftlichen Widersinn einer Welt, die als Gläubiger vom Schuldnerstaat volle Erfüllung seiner Zahlungsverpflichtungen fordert, sich ihm gleichzeitig aber in immer wieder zunehmendem Maße als Warenabnehmer verschließt. Sie erzwingt damit geradezu Maßregeln der Selbsthilfe, wie sie in der letzten Transserverordnung getroffen wurden.
Finnland kündigt das
Handelsübereinkommen
Berlin. 1. Jan. Von amtlicher Seite wird mitgeteilt, vaß seit dem 2. Januar 1934 deutsche Waren bei der Einfuhr nach Finnland nicht mehr meistbegünstigt behandelt, sondern mit den Sätzen des finnischen autonomen Zolltarifes belegt werden. Gleichzeitig wird mitgereilt, Saß die finnische Regierung am 2 Januar 1934 das vorläufige deutsch finnische Uebereinkommen vom 21. April 1922 gekündigt hak. Da die Kündigungsfrist nach Artikel 19 dieses Uebereinkommeas orei Monate beträgt, tritt das Uebereinkommen mit dem 2 Avril 1934 außer Kraft.
Von zuständiger Seite erfahren w:r dazu noch folgendes; Nachdem die deutschen Waren in Finnland nicht mehr meistbegünstigt behandelt werden, ist zunächst auch Finnland von der deutschen MristbegÜnstigungsliste gestrichen worden und zwar mit Wirkung
Ja; GrubemM ia Böhm«
Bisher 16 Tote geborgen — Wenig Hoffnung auf Rettung der Eingeschlossenen
Brüx, 4. Jan. Auf dem Nelsonschacht 3, in dem 132 Bergleute durch die schwere Grubenexplosion eingeschlossen sind, konnten bisher 16 Tote geborgen werden. Klopfzeichen der Eingeschlofsencn sind nicht mehr zu hören. Die Aussichten auf eine Bergung der Eingeschlossenen sind sehr gering, weil die riesigen Stichflammen eine große Hitze entfalten. Alle Zugänge zum Unglücksschacht sind verschüttet. Aus den Schächten steigen giftige Gase aus. von Venen einige am Ausgang des Schachtes arbeitende Rettungsmannschaften betäubt wurden.
Die Ordnung wird durch 100 Gendarmen aufrecht erhalten die Mühe haben, die vielen Hunderte von Angehörigen der Verunglückten vor den Eingangstoren zurückzuhalten.
lieber die Ursache des Unglücks bestehen nur Vermutungen. Es kann sich um eine Explosion brennbarer Gase, über auch um eine Explosion des Dynamitlagers handeln. Die Fachleuie erklären. daß im Nelsonschacht schon feit einigen Tagen ein Grubenbrand wütete, den man mit größter Mühe, aber vergeblich, rinzudämmen suchte. Diesem Grubenbrand schreibt man die Explosion zu
Die vier geretteten Arbeiter haben sich so weit erholt, daß sie ihre ersten Eindrücke von der Katastrophe schildern können. Sie hatten plötzlich im Schacht einen dichten Qualm bemerkt und hatten versucht, zum Förderschacht zu gelangen. Als sie aber infolge des Rauches nicht weiter konnten, kehrten sie um. Ls gelang ihnen, durch den Notausgang des Schachtes 7 auszuiahren. Auf der Grube 7 mußten gegen 4 Uhr morgens die Rettungsarbeiten eingestellt werden, Sa aus der Grube sich ein schwarzer Rauch wälzt. Die Grube wurde sofort abgeschlossen.
Das Trümmerfeld von Offeg
Brüx, 4 Jan Noch immer steigen aus den Oeffnungen des Schachts starke Rauchwolken hervor, die ganze Gegend in Giit- dunst hüllend. Wo der Förderturm einstürzte, türmen sich Steine, Schuttgeröll und Elsenstäbe. Aus dem Chaos ragen die Reite der Eisenkonstruktion des eingestürzten Förderturms in den Nebel. Vor dem Zechentor haben sich schon seit früh morgens Tauiende von Menschen angesammelt. Auf allen Straßen der Umgebung ziehen zahllose Menschen der Unglücksgrube zu. Eine Frau ist bis aus den Förderhof vorgedrungen und lehnt laut klagend und schreiend an einer Mauer. In Osseg sind die ersten Trauerjah- nen ausgezogen. An allen Ecken stehen erregte Menschengruppen. Ueberall sieht man weinende und klagende Frauen. In einer kleinen Zechenstube liegen die vier geborgenen Leichen nebeneinander an der Wand. Kohlengeschwärzte Gesichr-r. Sie Hände vor dem Körper verkrampft, als wollten sie ihn schützen. Die Haut schält sich von den Gesichtern. Es werden einfache Holzsärge herbeigeschafft und die Toten hineingelegt. Ein BeineLs- leiter schreibt die Namen auf die Holzsärge.
Der Leiter der Osseger Feuerwehr, Stadtrat Trenker, schilderte den Hergang der Katastrophe folgendermaßen:
Um 10.48 Uhr gab es eine Explosion und einen gewaltigen Knall. Er war, wie ich erfuhr, bis an die 20 Kilometer entfernte sächsische Grenze, zu hören. Durch den mit der Explosion verbundenen Feuerschein — ich sah eine Stichflamme, die höher war als der Schlot des Schachtes, also etwa 100 Meter — wurden die Feuerwehren der gesamten Umgebung alarmiert. Wir waren wenige Minuten nach der Explosion mit etwa 20 Mann als die ersten an der Stelle. Zuerst galt es, das sehr erschütterte Gebäude der Sortierungsanlage abzustützen. Es brannte an einzelnen Stellen und eine Helfergruppe versuchte dort zu löschen. Die anderen machten sich zunächst an die Bergung der verunglückten Bergleute, die unter dem eingestürzten Turm lagen. Nach kurzer Zeit trafen die anderen Feuerwehren ein. Drei Stunden später gelang die erste Rettung. Wir befreiten den Werkschmied Ferdinand Linke. Linke berichtete uns, daß der Werkmeister Schmidt in seiner Nähe liegen müsse. Tatsächlich wurde Schmidt gefunden, aber er war völlig unkenntlich. Zentnerschwere eiserne Konstruktionsteile waren auf ihn herabgestürzt. Daneben fanden wir auch die Leiche einer Frau, die beim Reinigen der Schachtstube beschäftigt gewesen war.
126 Bergarbeiter eingeschloffen
68 Deutsche unter den Opfern de» Grubenunglücks in Nordböhme»
Prag, 4. Jan. Wie aus Dur gemeldet wird, wurde auf den Gruben Nelson 7 uift> S mit der Eimnaueruirg besonne«, da btt