-

NmtLblsttunö Mn^eigepfünWilöbaö

^ un- -as^s-Lps Gtt^LaL

Erscheint täglich, ausgenommen Tonn- und innerdeutschen Verkehr monatlich 1.S8 RM. Wildbad. Bankkonto: Enztakbank Häberli

npre!«: Sie einspaltige Petitzeil» oder deren Raum im Bezirk ivrundprel» IS Pf., außerhalb 20 Ps. Reklamezeile SO Pf

1l> Pf. mehr berechnet. Schluß der An

ak nach Tarif. Für Offenen und bet Auskunfterteilung werden ^weilr

eitreibung notwendig wird, siiM jede Nachliißgewahrung weg.

Kläglich 9 Uhr vormittags. In Tonkursfällen oder wenn gerichtlich«!

^ ,S«uI, Verl«, ». veraatw. SchriMeitnug, Theodor «hack. Bildbad t. Schw., »Uheimstr: SS, Tel. 47». »ohnnng: Villa Hubertus

Nummer 301

Fs«rsu; S7S

Mittwoch den 27. Dezember 1933.

Fernruf 47S

68. Jahrgang.

EifeMWataftrop

Tagesspiegel

m Fraslireich

! Etwa 280 Tote und 208 Verletzte

s Paris, 26. Dez. In den späten Abendstunden des ! Samstag stirtz der Straßburger Schnellzug in der Nähe des Bahnhofs Lagny, etwa 20 Kilometer östlich von Pa» ris, auf den dort haltenden Schnellzug von Nancy. Beide Züge entgleisten und wurden buchstäblich ineinanderge- schoben. Die Zahl der Toten, die ursprünglich auf 58 geschätzt wurde, beträgt gegen 108, die der Verletzten über 208. Die Ursache des Unglücks wird auf den dich­ten Nebel zurückgeführt ,der seit einigen Tagen in ganz Frankreich herrscht.

Die Zahl der Todesopfer der Eisenbahnkatastrophe bei Paris hat sich leider in den Vormittagsstunden des Sonntag auf 182 erhöht. Von diesen sind 165 aus den Trümmern gezogen worden, 18 in den Krankenhäusern von Lagny und 7 in den Krankenhäusern von Paris gestorben.

, Durch die Geistesgegenwart des Lokomotivführers ei- ! nes d r i t t e n Z u g e s, der auf dem gleichen Gleis her­anfuhr. konnte verhütet werden, daß das beklagenswerte 7 Unglück noch weitere größere Ausmaße annahm. Durch rücksichtsloses Bremsen konnte der Lokomotivführer den . 3. Zug etwa 100 Meter vor der Unfallstelle zum Halten

! bringen.

Nach einer im Laufe des Montag nachmittag veröf­fentlichten Mitteilung beträgt dieZahlderToten ! bei dem Eisenbahnunglück bei Lagny 181. 141 Tote j konnten bisher voll identifiziert werden, 58 Leichen find noch unerkannt.

Die Erregung ist in der Öffentlichkeit sehr groß. Ge­gen die Zustände bei der Eisenbahngesellschaft, zu deren Bereich die von dem Unglück betroffene Strecke gehört, werden scharfe Angriffe erhoben. Nachdem der Heizer und der Lokomotivführer des Straßburger Zuges verhaf­tet worden sind, der in den anderen Zug hineingefahren war, fordert nun ein Teil der Presse auch die Verhaf­tung des Direktors der Compagnie de l'Est. Die Presse wirft der Compagnie de l'Est vor, daß sie das Hilfs­werk nicht schnell genug in die Wege geleitet habe, daß dadurch die Zahl der Todesopfer infolge der Kälte unnötig gestiegen sei.

Der Präsident der Republik begab sich in Begleitung einiger Minister Montag vormittag in die Totenkam­mern des Ostbahnhofs» wo die Leichen aufgebahrt wor- > den sind und stattete anschließend in verschiedenen Kran­kenhäusern seinen Besuch ab, in denen die vielen Ver­letzten untergebracht sind.

An der Ariglücksstülle

Das Eisenbahnunglück bei Lagny ist wohl das schwerste, das in ganz Europa in den letzten Jahrzehnten zu verzeichnen ge­wesen ist. Wem die traurige Aufgabe zufällt, sich an Ort und Stelle ein Bild von dem Ausmaß der furchtbaren Katastrophe zu machen, wird in seinem Leben nie wieder die schrecklichen Visionen vergessen, die sich ihm darbieten. Auf einer Strecke von 200 Meter steht man nur einen einzigen Trümmerhaufen. Nur die großen eisernen Räder und die verkrümmten Fahrgestelle, deuten noch darauf hin, daß es sich um die Ueberreste eines Zu­ges handelt, der noch vor wenigen Stunden über 400 hoffnungs­frohe Reisende beherbergte, die zum größten Teil sie Weih­nachtsfeiertage dazu benutzten, ihren Elrern und Verwandten Besuche abzustatten. Es wäre unmenschlich wollte man das furchtbare Bild eingehend beschreib das sich dem Augenzeu­gen darbietet. In der kalten Winternacht huschen Hunderte hilfs­bereite Menschen lautlos über die Schienen, ein ewiges Kom­men und Gehen mit Tragbahren "nd zu beiden Seiten des Fabr- dammes will die lange Reihe 1 Toten und Verwundeten kein Ende nehmen, obgleich Krankenwagen und Sonderziige seit 10 Uhr abends für einen regelmäßigen Abtransporr in die Pariser Krankenhäuser sorgen. In Abständen von je 5 Meter vonei­nander hat man die groben Lagerfeuer mit den hölzernen Resten der zertrümmerten Wagen angezündet, deren rötliches Licht dem an und für sich schon schaurigen Anblick eine noch traurigere Note verleiht. Die Bewohner von Lagny und den umliegenden Ortschaften sind in großer Anzahl herbeigceilt. Die ganze Nacht zum Christfest dauerten die Bergungsarbeiten bei Scheinwerier- licht an. Immer wieder werden neue, oft bis zur Unkenntlich­keil verstümmelte Leichen aus den Trümmern geborgen. Dort liegt ein französischer Offizier, hier eine ganze Familie. Vater, Mutter und Kind Man hört kein Röcheln und Stöhnen mehr, denn diejenigen, die nicht aus der Stelle tot waren und bisher nicht geborgen werden konnten, find an den Folgen ihrer Ver­letzungen vor Kälte gestorben. Ein Teil der Verletzten konnte in Lagny untergebracht werden, der größte Teil wurde jedoch sofort nach Paris abtransportierr. Der Untersuchungsrichter, der Ml«

Ein furchtbares Eisenbahnunglück bei Lagny, 20 Kilo­meter östlich von Paris, hat etwa 208 Tote und über 208 Verletzte gefordert.

In Paris ist man über den Weihnachtsbesuch des engli­schen Außenministers recht befriedigt, da man glaubt, Eng­land für die Wetterführung der Abrüstungskonferenz in Genf gewonnen zu haben.

Der englische Außenminister Sir John Simon ist am Hei­ligabend im Wasserflugzeug in Capri eingetroffen.

Die im Reichstagsbrandstifter-Prozeß freigesprochenen Bulgaren und der Kommunistensührer Torgler sind in Schutzhaft genommen worden.

Am Heiligen Abend sprach der Stellvertreter des Füh­rers, Reichsminister Heß» durch den Rundfunk zu den Aus­ländsdeutschen.

Das Oberhaupt der armenischen Kirche Nordamerikas, Erzbischof Leon Tourain ist am Heiligen Abend während des Gottesdienstes in Neuyork erstochen worden.

Junge kommunistische Leute warfen am Heiligabend Steine gegen das deutsche Eesandtschastsgeöäude in Bel­grad. Einer der Täter, ein Kommunist, konnte verhaftet werden. Am Samstag hatten Kommunisten in London ver­sucht, gegen die deutsche Botschaft zu demonstrieren.

nister für öffentliche Arbeiten und die Spitzen der Behörden be­fanden sich an der Unalücksstelle, um di« Bergungsarbeiten zu leiten.

Am Montag abend waren die Nufräumungsarbeiten beendet und die Strecke wurde für den Verkehr freigegeben. Nach einer von der Eisenbahndirektion Ost ausgegebencn Mitteilung be­finden sich unter den Toten der Eisenbahnkatastrovbe von Lagny der Abgeordnete Schleiter, der frühere Unterstaatssekretär Jean Paul Morel und Senator vachette. Der frühere Handelsminister Eollin ist seinen Verletzungen erlegen.

Wie das Unglück geschah

Das Unglück ist einerseits auf die Unregelmäßigkeit, die der Weihnachtsvcrkehr mit sich gebracht hat, andererseits aui den dichten Nebel zurückzuführen, der seit zwei Tagen Mittelsrank­reich bedeckt. Fast alle Züge erlitten am Samstag starke Ver­spätungen. und so war auch der Eilzng nach Nancy der den Pariser Ostbahnhof fahrplanmäßig um 17.49 Uhr verlosten sollte, erst um 19.25 Uhr abgefahren. Da ein Vorortszug vor ihm ob- gelassen worden war, mußte der Zug zwischen den Stationen Vaire-Torcy und Lagny-Thorigny in der Nähe der Ortschaft Ponwonnc anbalten um abzuwarten, daß die Strecke ireigegeben würde. Plötzlich tauchte hinter ihm aus dem Nebel der D-Zug nach Straßburg auf. der seinerseits fahrplanmäßig bereits um 18.16 Uhr auf dem Pariser Ostbaünhof hätte abfahren sollen und über eine Stunde Perspätung batte. Der Zug brauste mit ei­ner Geschwindigkeit von über 100 Stundenkilometer heran und der Lokomotivführer bemerkte zu spät, daß ein anderer Zug vor ihm hielt. Der Zusammcnvrall war furchtbar. Sämtliche Wagen des Nancy-Zuges, mit Ausnahme des allerletzten, wurden buch­stäblich zermalmt. Der Straßburger Zug ist vollständig in den anderen hineingefahren, sodaß nur seine Wagen noch zu erken­nen sind. Daher befanden sich auch fast alle Opfer im Nancy- Zug. Die meisten Waggons des Straßburger Zuges bestanden aus Metall und sind unversehrt.

Die Frage der Verantwortung ist natürlich noch nicht geklärt. Aber es scheint schon jetzt, als ob der Nebel die eigentliche Ur­sache gewesen ist, weil die Signale teilweise unsichtbar waren. Es ist leider damir zu rechnen, daß die endgültige Bilanz dieser furchtbaren Katastrophe noch trauriger ausfleht, als dies bisher der Fall ist. Von den Verletzten schweben noch etwa 30 in Le­bensgefahr. Die Aufräumungs- und Bergungsarbeiten an der Stelle des Eisenbahnunglücks haben die ganze Nacht über ange­dauert. Stündlich stieg die Zahl der feststellbaren Opfer und der abtransvortierten Verletzten. Die Zahl der Todesopfer Hai sich leider in den Vormittagsstunden des Sonntag auf 191 erhöbt. In Lagny sind etwa 80 Verwundere untergebracht worden, wäh­rend nach Paris über 200 überführt worden sind.

«

Beileid der Reichsregierung

Paris, 26. Dez. Der deutsche Botschafter hat anläßlich der Ei- senbahnkatastrophe von Lagny der französischen Regierung in seinem persönlichen Namen und im Namen der Reichsregierung das Beileid zum Ausdruck bringen lassen.

Reichsverkehrsminister Freiherr von Lltz-Rübenach hat an den französischen Minister für öffentlich« Arbeiten folgend«« Tele­gramm gerichtet:Tiesbewegt vvn der »rschükternlden Nachricht

des schweren Zugunglücks bei Lagny spreche ich Ihnen im Namen der deutschen Reichsverkehrsverwaltung aufrichtigstes Bsileid aus.

Generaldirektor Dr. Dorvmüller bat an den Generaldirektor der französischen Ostbahnen wie folgt telegraphiert:Tief er­schüttert durch die Kunde von dem furchtbaren Eisenbhanun- glück, das Ihr Unternehmen betroffen hat, spreche ich Ihnen na­mens der Deutschen Reichsbahn meine herzliche Anteilnahme aus".

^ L Ins Mil in Leipzig

van der Lubbe zum Tode verurteilt Torgler und di« Bulgaren freigesprochen

Leipzig, 23. Dez. Senatspräsident Dr. Bänger ver­kündete um 8.18 Uhr folgendes Urteil:

Die Angeklagten Torgler, Dimitroff, Popofs und Taneff werden freigesprochen.

Der Angeklagte vanderLubbe wird wegen Hochver­rats in Tateinheit'mit aufrührerischer Brandstiftung vvd versuchter einfacher Brandstiftung zum Tode verur­teilt und zum dauernde» Verlust der bürgerlichen Ehren­rechte.

Aus der Urteilsbegründung

Senatspräsident Vünger stellte fest, daß sich der Senat nicht nur. wie es im Laufe des Verfahrens mehrfach betont wurde, von äußeren Einflüssen in jeder Beziehung freigehalten hat, son­dern daß vor allem die sorgsame Prüfung der sestgestellten Tat­sachen zu einer restlosen Widerlegung der-ihrer Quelle nach allzu verdächtigen Versuche geführt habe. Insbesondere sehe das Ge­richt Verleumdungen als restlos widerlegt an, die von »iner Be­teiligung führender deutscher Männer an den vorliegenden Ver­brechen sprachen. Falsch seien auch die Behauptungen über die angebliche vorzeitige Entlassung der Angestellten des Relais» tages, die Angaben überliste Sabotage des Rettnngswerke«, und so manches andere Es galt aber auch weiterhin in diesem Pro­zeß. und das hat den größten Teil der Zeit erfordert, die poli­tischen Hintergründe des zu untersuchenden Verbrechens zu klären und festzustellen und dabei zu erörtern, welchen Zweck es hatte und wer hinter ihm stand. Es sei durch diesen Prozeß erwiesen, daß die Mittäter und Auftraggeber van der Lübbes i« Lager der Kommunisten stehen, daß die Neichstagsbraudstiftuug »er KPD. und ein Werk der ihr nahestehenden und gleichzssetzenden Organisationen zur Verwirklichung des Bürgerkriege« dieser Par­tei gewesen ist. Das deutsch« Volk stand im Frühjahr d. I. vor der Gefahr der Auslieferung an den Kommunismus und damir vor dem Abgrund, vor dem es erst im letzten Augenblick zurück- gerissen worden ist.

Zur Sache selbst, erklärt sodann der Vorsitzende folgendes: Sämtliche Angeklagten sind der Mitwirkung als Mittäter be­schuldigt. Nur Lubbe ist geständig. Seinen Angaben über den Hergang bei der versuchten Inbrandsetzung des Neuköllner Wohl­fahrtsamtes, des Rathauses und des Ltadtschlosses, ist Sa» Ge­richt im wesentlichen gefolgt. Sie sind durch Nachprüfungen an Ort und Stelle bestätigt. Im Reichstagsgebäude ist Lubbe auf frischer Tat erwischt worden. Seine Angaben über den Hergang dieser Tat decken sich mit den aufgefundenen Spuren. Das Ge­richt hat keine Zweifel, daß damals der Angeklagte seinen Vrand- weg im wesentlichen so genommen hat, wie er ihn beschrieben hat und wie er durch die Hauplverhandlung bestätigt worden nt. Der Senat hält danach die Angaben Lübbes über die Art seiner eigenen Beteiligung an der Brandlegung für wahr. Er macht nur die einzige Ausnahme, nämlich bezüglich der Betätigung Lübbes im Plenarsaal und im südlichen Umgang. Der Vor­sitzende schildert dann den Vrandweg nach den Angaben van der Lübbes, wie er durch die Untersuchung bestätigt worden ist.

van der Lubbe hat mit anderen, vielleicht nur wenigen. mengearbeitet. Das Gutachten der drei Sachverständigen läßt nicht den geringsten Zweifel daran, daß er den Brand nich. allein gelegt haben kann.

Der Angeklagte van der Lubbe hat in der ihm zur Verjüng stehenden und genau ermittelten Zeit unmöglich neben ieui-r sonstigen Tätigkeit den Brand nacki Ansicht des Senats allein, sondern nur >m Zusammenwirken mit anderen im Plenarsaal ausführen können. D'e von den Zeugen Boguhn und Kußner beim Verlassen des Portals 2 beobachtete Person war einer jener anderen. Lubbe Hit den Reichstag in bewußtem und gewolltem Zuammenarbeiten mit anderen in Lrand gesetzt.

Der Anklage gegen Torgler ist durch die Nichterweislichkeit der Tatsache, daß er am Brandtage mit van der Lubbe zusammen gewesen ist, die bei weitem wesentlichste Stütze entzogen worden. Das gleiche gilt von der Anklage gegen Dimitroff. Popoff und Taneff in bezug auf die Tatsache, daß Lubbe mit zwei von ihnen im Bayernhof verkehrt habe, eine Angabe, die nahezu als wider­legt erscheint. Die Anklage gegen Popofs, der mit Torgler im Reichstag zusammen gewesen und am Brandabend aus dem Por­tal 2 herausgelausen sein soll ist durch die bei der Jnaugeulchein- nähme festgestellten überaus leichten Verwechslungsmöglichkeiten zwischen ihm und Neubauer sowie durch di« ebenfalls festgestellte Unmöglichkeit erschüttert worden, daß die in Betracht kommenden Zeugen Lar Gesicht des heraurlaufenden Manne» erkennen konnten. .,