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Nummer 273
Kernrus «»s
Mittwoch den 22. November 1S33.
Fernruf ^7S
68. Jahrgang.
KtreWter
Acht Tage nach der Volksabstimmung in Deutschland sind nun diejpanischenWahlen vor sich gegangen. Dem südlichen Temperatment und der landesüblichen Leidenschaft entsprechend, allerdings nicht mit der vorbildlichen Ruhe, die bei uns ein charakteristisches Merkmal des 12. November war. Zahlreiche blutige Zusammenstöße haben eine Reihe von Toten gefordert, und in vielen Orten sind die Wahlurnen zertrümmert worden. Ob nun die Abstimmungsziffern, die aus den llbriggebliebenen Urnen hervorgehen, dem wirklichen Ergebnis entsprechen, scheint immerhin einigermaßen zweifelhaft. Wenn man weiter berücksichtigt, daß die Negierung an dem Vordringen der Rechten kein sonderliches Interesse haben kann, ist es begreiflich, wenn sie jetzt mit der Bekanntgabe zurückhält und sich lediglich zu der Mitteilung bewegen läßt, daß in zahlreichen Fällen die gesetzlich erforderlichen 40 Prozent zur Proklamation eines Kandidaten zum Abgeordneten nicht erreicht worden sind. Im ganzen werden in einem zweiten Wahlgang Nach-oderStichwahlen stattfinden, wobei die Zahl der hierfür in Betracht kommenden Provinzen zwischen 30 und 50 schwanken.
Man ist also aus die Angaben und Zählungen der Parteibüros angewiesen, die naturgemäß gefärbt sind. Rechnet man aber alle absichtlichen oder auch unabsichtlichen Fehlerquellen ab, so scheint die Tatsache zu bestehen, daß die Republikaner und Sozialisten bisher nur etwa 30 Mandate errungen haben, die Rechte dagegen bereits jetzt von 473 Kammersitzen 150 Mandate besetzt hat. Es kommt also nun darauf an, ob die Republikaner und Sozialisten ein Wahlbündnis zustandebringen, das ihnen eine, wenn auch knappe, Mehrheit sichern' könnte. Andernfalls müssen sie damit rechnen, daß ihnen die Mehrheit verloren geht, weil diesmal erstmalig die Frauen mitgewählt haben, die bei der bekannten Einstellung der Spanierin zur Kirche sich gegen die kirchenfeindliche Politik der Regierung mit dem Stimmzettel gewandt haben und dies auch am kommenden Sonntag noch einmal bekräftigen werden. Soweit sich jetzt überblicken.läßt, haben die Rechtsparteien besonders auf dem Lande zugenommen. Die mit dem sozialistischen System gemachten Erfahrungen, vor allem auf kirchenpolitischem Gebiet, haben je länger je mehr alle gemäßigten Elemente beunruhigt, auch jene, die sich seinerzeit aus ihrer kritischen Einstellung zur Mißwirtschaft der spanischen Monarchie entschieden auf die Seite der Republikaner geschlagen hatten.
Also doch! Herr Roosevelt, der sich so lange gegen jede Stabilisierung des Dollars gewehrt hat, weil - er gegenüber der Ungewißheit der wirtschaftlichen Entwicklung freie Hand behalten wollte, gedenkt, mit der bisherigen Abwertungspolitik am 1. Januar 1934 Schluß zu machen und dem Dollar wieder einen festen Kurs zu geben. Aus Washington kommt die angeblich aus höchsten Regierungskreisen stammende Meldung, daß die Stabilisierung auf der Basis von 50 Prozent des früheren Goldwertes, also zu 2,10 Mark für den Dollar, erfolgen solle. Diese Nachricht überrascht in jeder Hinsicht. Zwar, an dem bisherigen labilen Währungszustand, den Roosevelt aufrecht zu erhalten bemüht war, ist in zunehmendem Maße Kritik geübt worden. Noch kürzlich hat die Neuyorker Handelskammer die sofortige Rückkehr zum Goldstandard gefordert, und diesem Verlangen haben sich rund 900 Handelskammern in den Vereinigten Staaten angeschlossen. In den letzten Tagen ist aus Grund dieser Einmütigkeit der Vertretungen der kommerziellen und industriellen Wirtschaft die kategorische Forderung an Roosevelt gestellt worden, seine Währungsexperimente auszugeben und den Dollar aus eine feste Eoldba- sis zurückzuführen. Diese Vorstellungen werden angesichts des starken Einflußes, den die Wirtschaftsführung drüben auf die Politik immer noch ausübt, ihren Eindruck auf den Präsidenten nicht verfehlt haben. Wenn er ihnen jetzt aber nachkommt, dann bedeutet das ein völliges preisgeben des Wirtschaftskurses, an dem er eben noch so zähe festhielt, daß er deshalb seinen Schatzsekretär Prof. Woodin gehen ließ. Woodin war mit der inflationistischen Tendenz der Roose- veltschen Währungspolitik nicht einverstanden, und insbesondere opponierte er dem Gedanken der sogenannten Indexwährung, in der der Präsident sich verbissen hatte. Mit den seit einigen Wochen durchgeführten Eoldankäufen hat man die indexmäßige Regulierung des Dollarwertes versucht. Wenn man nun zu einem stabilen Kurs zurückkehren will, muß diese von der Welt zum Teil mit Kopsschiitteln beobachtete, für den Nest wirtschaftlicher Ordnung, der im internationalen Verkehr noch vorhanden ist, aber auch recht gefährliche Eoldankaufspolitik natürlich liquidiert werden» Die Nachrichten aus Washington besagen zwar, daß man sie vorläufig noch sortjetzen werde. Aber der Ton liegt dabei aus dem Wort „vorläufig". Ziel der Rooseveltjchen Währungsexperimente war die Hebung des Warenpreisniveaus. Dieses Ziel hat er nicht erreicht. Natürlich sind mit dem Absinken des Dollarwertes die Nominalpreise überall gestiegen, aber sie sind im geringeren Umfange gestiegen als der Dollar fiel, sodaß sich, in Gold gerechnet, tatsächlich eine Senkung des Preisniveaus ergab. ZuM Beispiel ist der Zn-
Tagesspiegel.
Mitte November wurden 3 750 VVO Arbeitslose gezählt.
Der Untersuchungsausschuß für das Bankwesen ist zu sei» ner ersten öffentlichen Sitzung zusammengetreten.
Die französischen, englischen und amerikanischen Hauptdelegierten zur Abrii'-ungskonserenz beraten den Text der Vertagnngsformel für die Konferenz, die am Mittwoch beschlossen wird.
Das englische Parlament ist am Dienstag durch eine Thronrede des Königs eröffnet worden. Macdonald sprach über die Abrüstungskonferenz und den deutschen Schritt.
Die Einführung des Reichsbischoss wird am 1. Advent im Berliner Dom erfolgen.
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Im Korridor und in Posen übt der polnische Schützenverband einen furchtbaren Terror gegen die deutschen Minderheiten anläßlich der bevorstehenden Gemeindewahlen.
dex für Artikel des täglichen Beoarss gegen den 31. Dezember 1931 bis jetzt nur um 30 Prozent gestiegen, während der Dollar um 40 Prozent gefallen ist. Das Mißverhältnis ist noch krasser bei den Getreidepreisen, um derentwillen Roosevelt vor allen Dingen zur Währungsabwertung und zu inflationistischen Maßnahmen gedrängt wurde.
Nur leichte Zunahme der Arbeitslosen
Berlin. 21. Nov. Der Bericht der Reichsaiistalt für die Zeit vom 1. bis IS. November 1933 besagt: Der Zugang aus Saisonberufen brachte — wie regelmäßig um diese Jahreszeit — in der ersten Hälfte des Novembers ei» geringes Anwachsen der Arbeitslosenzahl. Nach dem Bericht der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung wurden Mitte November 3 77k 000 Arbeitslose bei den Arbeitsämtern gezählt gegen 3 745 000 zu Beginn des Monats. Der Zuwachs um rund 31000 ist im Vergleich zu den Vorjahren, die für den gleichen Zeitraum Zunahmen von 146 000 für 1932. 229 900 bezw. 232 000 für 1931 und 1930 auszuweisen hatten, wenig bedeutsam. Westfalen und Schlesien konnten noch einen Rückgang der Arbeitslosigkeit be- richten. Von den Arbeitslosen erhielten Arbeitslosenunterstützung 328 000 (plus 11 000), Krisenunterstützung 1063 000 (minus 9000). der Bestand an anerkannten Wohlsahrtserwerbslosen wird zum Stichtag Monatsmitte nicht ausgezählt.
Die Zahl der Notstandsarbeiter die bei den mit Mitteln der Reichsanstalt geförderten Arbeiten beschäftigt sind, betrug zu Beginn des Monats 314 800 und dürfte inzwischen weiter gestiegen sein. Sie hat sich gegenüber dem Vorjahre durch das tatkräftige Vorgehen der Reichsanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung beinahe vervierfacht.
Die jetzt vorliegende Zahl der Krankenkassenmitgliederstatistik über die Entwicklung im Monat Oktober zeigt bei einem Bestand von über 14 Millionen Beschäftigten am 31. Oktober 1933 eine weitere Zunahme um 141 360
Auch hier ist es für die Erkenntnis der hinter der Arbeitsmarktentwicklung stehenden Kräfte bedeutsam, daß die industriellen Bezirke die stärksten Zunahmen an Beschäftigten aufzuweisen haben. Die Ergebnisse dieser ganz unabhängig von den Arbeitsämtern geführten Beschäftigungsstatistik der Reichsanstalt bestätigt die aus der Arbeitslosenstatistik abzulesenden Erfolge des ersten Abschnittes der Arbe-tsschlacht in vollem Maße. Sie lassen sogar diesen Erfolg noch größer erscheinen, denn während vom Höchststand der Arbeitslosigkeit bis zum 31 Oktober die Zahl der bei den Arbeitsämtern eingetragenen Arbeitslosen um rund 2 256 000 zurückgegangen ist, hat vom Tiefstpunkt der Beschäftigung bis zum 31. Oktober die Beschäftigtenzahl darüber hinaus sogar um 319 000 mehr zugenommen.
ArbeUslosenZ siern und MohMrlserwerbslose
Berlin, 21. Nov Zu dem Bericht über die Arbeitsmarktlage im Reich am IS. November ist darauf hinzuweisen, daß die Zahl der Wohlfahrtserwerbslosen nur einmal im Monat von den Gemeinden abgerechnet wird. Wer im Laufe des Monats Arbeit erhält, scheidet also erst Ende des Monats aus der Statistik aus. Es hat sich bereits in den letzten Monaten gezeigt, daß zwar in den Berichten der Reichsanstalt, die Mitte des Monats ausgegeben werden, eine geringe Zunahme der Erwerbslosen fest- gestellt wurde, daß aber dem am Ende des Monats stets eine erhebliche Abnahme der Erwerbslosenzahl gcgenllberstand. So wurde Mitte Oktober eine Zunahme von 1500 Arbeitslosen aus- gewresen, während am Schluß des Monats Oktober sich eine Abnahme um rund 120 000 zeigte. Es ist also damit zu rechnen, daß auch Ende November wieder eine Abnahme der Lrwerbs- losenzahl festgestellt werden wird.
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Aeußerungen Dr. Schachts
Berlin, 21. Nov. Der Untersuchungsausschuß für das Bankwesen trat zu seiner ersten öffentlichen Sitzung zusammen. Reichsbankpräsident Dr. Schacht sagte in seiner Begrüßungsansprache, daß wir in einem Wirtschaftssystem leben, das nicht nur aus Theorien aufgebaut sei, sondern historisch entstanden sei und eine große Tradition in sich schließe. Das Kapital als solches spiele in jeder Wirtschaft eine Rolle, eine ganz besonders große Bedeutung falle ihm aber in einer so komplizierten Wirlscizast wie der unsrigen zu. Das Leihkapital sei etwas an sich nützliches: diejenigen, die sich mit der Vermittlung und Beschaffung dieses Leihkapitals befassen, nämlich die Banken, bildeten eine nützliche und volkswirtschaftliche Einrichtung. Dr. Schacht hob sodann den Unterschied zwischen den Begriffen Geld und Kapital hervor, die nicht miteinander verwechselt werden dürfen. Durch Vermehrung des Geldes könne nicht auch Sas Kapital vermehrt werden. Das Kapital sei nicht Selbstzweck, sondern habe der Volkswirtschaft zu dienen. Die Moral des Schuldners sei in den letzten Jahren hier und da mindestens ebenso angreifbar gewesen, wie die Moral des Gläubigers. Die gesetzlichen Grundlagen für die Gläubiger- und Schuldnermoral müßten wieder hergestellt werden. Der Bankenausschuß werde sich zunächst mit dem Problem des privaten Bankwesens befassen Man habe viel davon gesprochen, daß eine Verstaatlichung des Bankwesens Platz greifen müsse und daß dadurch die Fehler, die im Privatbanksystem entstanden seien, gemindert werden könnten. Dann werde an sie Spitze der Erörterungen die Frage der Verstaatlichung des Bankwesens gestellt
Im Verlauf der Sitzung wies Professor Dr. Vente von der Universität Kiel darauf hin daß man auf Grund der in den letzten Jahren gemachten Erfahrungen darauf schließen könne, daß das Vertrauen zu den Sparkassen in weiten Schichten der Bevölkerung jo außerordentlich groß gewesen sei, daß man die Frage, ob ein staatliches Institut größeres Vertrauen als eine private Bank finde, bejahen könne. Auch unter den gegenwärtigen Verhältnissen werde die größere Sicherheit der Einlagen bei den öffentlichen Instituten vorhanden sein Das stärkere Vertrauen zu Sen vom Staate beschirmten Lankunternehmungen erkläre ich daraus, daß die Privatbanken versagt hätten und sie öffentliche Bürgschaft einspringen mugte. Unter dem Gesichtspunkt der strukturpolitischen Beeinflussung scheine das öffentliche Bankwesen überlegen zu sein. Auch das Bankwesen in öffentlicher Hand könne wirtschaftlich fortschrittlich arbeiten. Ein Monopol, sei es nun öffentlicher oder privater Natur, weise Sie gleichen Nachteile aus. Trotzdem wäre ein öffentliches Monopol vorzuziehen. Auch wenn das Bankwesen mehr oder weniger verstaatlicht wäre, könnte ein gewisser Wettbewerb zwischen den einzelnen Banken bestehen blscben.
Aalien und der Völkerbund
j Noch kein Beschluß über eine» Austritt Italiens ans l dem Völkerbund
j Rom, 21. Nov. Im Zusammenhang mit der halbamtli.^en - Meldung italienischer Blätter, wonach der große faschistische Rar j in seiner Sitzung am S Dezember die internationale Lage, ins-
> besondere die Beziehungen Italiens zum Völkerbund und vie Wirksamkeit des Völkerbundes selbst nach dem Austritt Jaoans und Deutschlands prüfen werde, erfahren wir an zuständiger Stelle, daß die Nachricht einer ausländischen Agentur über einen Beschluß Italiens, aus Sem Völkerbund auszutreten, der Grundlage entbehre und zum mindesten den Tatsachen vorgreife. Bekanntlich hat sa der große faschiststche Rat schon einmal im Avril 1932 eine Ueberprüfung des italienischen Verhältnisses zum Völkerbund für die nächste Sitzung — die Herbstsitzung 1932 — angekündigt. Infolge der heiklen internationalen Lage im vergangenen Herbst kam es dann aber nicht zu einer endgültigen Stellungnahme. In den maßgebenden italienischen Kreisen be-
j tont man, daß sich der Standpunkt der Regierung seitdem durchaus nicht geändert habe. Im gegenwärtigen kritischen Augenblick
> muß nach italienischer Ansicht aus diplomatischem Wege Fühlung genommen und anschließend gemeinsam von den verantwortlichen Großmächten verhandelt werden. Die direkten Vorarbeiten seien noch nicht geleistet und deshalb seien auch Behauptungen von einem baldigen Zusammentritt der vier Mächte in Rom oder anderwärts verfrüht.
Die italienische Politik sei nicht aus Grundsatz Völkerbund- . feindlich, jedoch müsse sie feststellen, daß der Völkerbund, aus dem ! Japan und Deutschland ausgetreten seien, während ihm die Vereinigten Staaten und Rußland nie angehörten, ein zur erfolgreichen Behandlung derartig schwieriger Fragen ungeeigneter i Boden sei. Wenn also Italien noch keinen Beschluß in dieser ^ Hinsicht gefaßt habe, so werde doch der große faschistisch« Rat Gelegenheit haben, aus Grund der angeführten Tatsachen die Beziehungen zum Völkerbund und den politischen Werl des Völkerbundes selbst gewissenhaft zu überprüfen.