Auf dem Ländiagsgebäude war die schwarz-weiße pröußische Flagge, gesetzt; zu beiden Seiten waren die Hakenkreuz- und die schwarz-weiß-rote Fahne aufgezogen. Im Sitzungssaal, an der Wand hinter dem Präsidsntengestühl waren die hakenkreuzflagge, die schwarz-weiße und die schwarz-weiß-rote Fahne angebracht. Die Ufa hatte ihre Jupiterlampen ausmontiert, da ihr die Erlaubnis erteilt worden war, Tonsilmäufnahmen von der ersten Landtagssitzung zu machen. Die Tribünen waren schon lange vor Beginn der Sitzung dicht besetzt.
Um 3.1S Uhr erschien Alterspräsident General Litzmann im feierlichen Schwarz, aus der Brust das Eiserne Kreuz 1. Klasse, von der nationalsozialistischen Fraktion durch Erheben von den Plätzen und Arniaufheben begrüßt. Er erklärte, er sei das älteste Mitglied des Landtags und er eröffne somit die Sitzung. Cr berief zunächst die vorläufigen Schriftführer und betonte, es sei eine besondere Ehre und Freude für ihn, noch einmal als Alterspräsident de» Landtag eröffnen zu dürfen, gerade diesen Landtag, den er den Landtag des hillerfrühlings nennen möchte.
Jeder ehrliche Preuße und Deutsche müsse der Keschichts- fälschung entgegenwirken, als wenn die nationale Bewegung, der nationale Umschwung irgendwelchen anderen Männern oder ande- ren Bewegungen zu danken wäre, als Adolf Hitler und seiner nationalsozialistischen Bewegung. Er stellte auch fest, daß die Nationalsozialisten keinen anderen Führer der deutschen Nation anerkennen als Adolf Hitler (stürmischer Beifall bei den Nationalsozialisten).
Abg. Kube (NS.) führte aus, kein besserer Tag hätte für den Zusammentritt des neuen Landtags gewählt werden können als der 22. März, an dem der letzte große Repräsentant auf dem Thron der Hohenzollern, Wilhelm I. von Preußen, seinem Volk geschenkt ward, der zusammen mit Bismarck, Moltke und Roon das Bismarckreich schuf. Abg. Kube schlug dann den seitherigen Präsidenten Kerrl (NS.) vor. Er erinnerte daran, wie schamlos die ersten nationalsozialistischen Abgeordneten im Landtag damals von der schwarz-roten Mehrheit behandelt worden seien, heute kommen nun solche Kreaturen und fordern von uns Gleichberechtigung und ritterliche Behandlung. Sie werden so behandelt werden, wie sie es verdient haben. Immerhin bleiben sie aber für uns doch noch immer deutsche Volksgenossen.
Der Führer der deutschnationalen Landtagssraktion Abg. Dr. von Winterfeld führte aus: Die Deutschnationalen stellen in diesem Augenblick jede parteipolitische Empfindlichkeit zurück und erklären, daß sie sich von Herzen freuen, daß der national« Umschwung gelungen ist. (Lebhafter Beifall bei den Deutschn.)
Sie vertrauen, daß nun, da der Umschwung gekommen ist und der Marxismus am Boden liegt, um sich nie mehr zu erheben, für Preußen-Deutschland die bessere Zeik kommt. Wenn wir heute zusammentreten am 22. März, dem Geburtstag unseres alten Heldenkaisers, dürfen wir wohl heute, unserem alten Standpunkt Hemäß auch sagen, daß wir hoffen, daß einmal auch die Zeik wiederkommen wird, wo über Preußen-Deutschland die Hohenzollern- krone herrschen wird. (Stürmischer Beifall bei den Deutschn.)
Als Abg. Dr. von Winterfeld sich auf seinen Platz zurückbegibt, geht der Führer der Nationalsozialisten, Abg. Kube, auf ihn zu und drückt ihm die Hand.
Zum Präsidenten wurde durch Zuruf gegen die Stimmen der Sozialdemokraten und der Staatspartei der Abgeordnete Kerrl (NS.), ebenfalls durch Zuruf mit denselben Stimme» zum ersten Vizepräsidenten Abg. Haake (NS.), zum zweiten Abg. Baum- hoff (Z-) und zum dritten Abg. von Kries (Dn.) wieder- gewählt; zu Schrislführern wurden gewählt neun Nationalsozialisten, zwei Zentrumsabgeordnete und ein Deutschnationalsr.
Darauf nahm der Landtag eine neue Geschäftsordnung an und billigte die Einsetzung der Ausschüsse. Auf Vorschlag des Abg. Kube (NS.) nahm der Landtag folgenden Antrag der Nationalsozialisten an; Der Landtag nimmt von der durch die Verordnung des Reichspräsidenten vom 6. Februar 1933 ausgesprochenen Absetzung der sogenannten preußischen Hoheiksregierung Kenntnis und billigt sie. Der Landtag erklärt sich, indem er sich die dem- nächstige Wahl eine» Ministerpräsidenten Vorbehalt, mit der vorläufigen Wahrnehmung der Geschäfte durch die vom Reichspräsidenten eingesetzten Reichskommissare einverstanden.
Der erste Satz wurde gegen Sozialdemokraten und Zentrum, der zweite auch mit den Stimmen des Zentrums angenommen.
Der Landtag ermächtigte den Präsidenten. Zeit und Tagesordnung der nächsten Sitzung sestzusstzen und ging mit Heilrufen auf den Führer Adolf Hitler auseinander.
Parlamentarische Neuordnung in Preußen
Berlin. 22. März. Die Eröffnungssitzung des preußischen Landtags ist mit derselben Straffheit durchgefi'chrt worden wie am Dienstag die des Reichstags. Auch hier wurden die schwerfälligen Formalien wie der Namensaufruf fallengelassen. Die Wahl des Präsidiums und die Besetzung der Ausschüsse wurden, wie die ganze Tagesordnung, ohne viel Reden erledigt. Präsident Kerrl hatte erklärt, der Landtag
solle ein Pärlamenk Ser TÄ Md stickst des Redens sesiff Ist der gleichen Richtung bewegten sich auch die Aenderungen der Geschäftsordnung, die mif großer Mehrheit angenommen wurden. Bemerkenswert ist dabei vor allem, daß die alle Bestimmung, wonach der Ministerpräsident auch mit relativer Mehrheit gewählt werden kann, wiederhergestellt wurde. Sie war bekanntlich von den Parteien der Weimarer Koalition gestrichen worden.
Reue Nachrichten
Empfänge beim Reichspräsidenten
Berlin, 22. März. Der Herr Reichspräsident empfing heute den deutschen Botschafter heim Heiligen Stuhl, Dr. von Bergen, sowie später den Präsidenten des Senats von Bremen, Dr. Martert, der von dem kommissarischen Gesandten in Berlin, Firle, begleitet war.
Um das Ermächtigungsgesetz
Berlin, 22. März. Der Reichstag wird am Donnerstag über das Ermächtigungsgesetz zu beschließen haben. An der dafür nötigen Zweidrittelmehrheit fehlen den Regierungsparteien einschließlich der befreundeten Gruppen nur noch 15 Stimmen. Es wird damit gerechnet, daß die Zentrumssraktion ihren Mitgliedern die Abstimmung freigibt, so daß die Zweidrittelmehrheit gesichert wäre. Die Fraktion trat heute vormittag zu einer Beratung zusammen, worauf Prälat Kaas dem Reichskanzler Hitler einen Besuch machte. Die Vorlage könnte somit schon am Donnerstag verabschiedet, werden, falls die sozialdemokratische Fraktion nicht gegen die sofortige 3. Lesung Einspruch erhebt: diese müßte dann um 24 Stunden verschoben werden.
Zum Rücktritt Wagemanns
Berlin, '22. März. Die Beurlaubung des bisherigen Leiters des Statistischen Reichsamts und des Instituts für Konjunkturforschung ist, wie verlautet, darauf zurückzuführen, daß schon seit Jahren über den Aufbau der ihm unterstellten Behörden, über die dort betriebene Perso- nalpolitik sowie die Beschaffung und Verwendung der Gelder lebhafte Klagen geführt worden sind. Wenn es bisher nie zu einer gründlichen Untersuchung gekommen ist, so war das dem Geschick Wagemanns, der aus dem sozialdemokratischen Lager gekommen war, zuzuschreiben, indem er es verstand, seine Kritiker beiseite zu schieben oder einzuschüchtern. Voraussichtlich wird gegen Wagemann ein Dienstverfahren eingeleitet werden. Es wird namentlich untersucht werden, ob die von ihm beanspruchten Reisegelder, seine Honorare für Vorträge, die Zuwendungen für literarische Arbeiten usw. zu rechtfertigen sind.
Mac Donalds Enttäuschungen
Berlin, 22. März. Aus den französischen Veröffentlichungen geht hervor, daß es Mac Donald nicht gelungen ist, seine französischen Kollegen für eine auch nur grundsätzliche Zustimmung zu dem Plan eines Viermüchtepaktes zu gewinnen. Daladier und Paul-Boncour halten am Gedanken einer Zusammenarbeit „im Rahmen und im Geist des Völkerbunds" fest. Das ist die Linie der von Herrist im September verkündeten französischen Völkerbundspolitik, der Mussolini in seiner großen Turiner Rede vom 23. Oktober mit der ihm eigenen realpolitischen Zielklarheit die Verantwortlichkeit der vier europäischen Großmächte und die sich daraus ergebende Notwendigkeit ihrer ständigen Fühlungnahme über alle großen Fragen entgegengsstellt hatte. Daß Frankreich sich gegen diese auch von England anerkannte Notwendigkeit hartnäckig sperrt, ist bereits die zweite Enttäuschung, die Mac Donald von seiner Reise nach Hause mitbringt. Eine erste lag in dem alsbald festzustellenden Mißerfolg seines Auftretens in der Abrüstungskonferenz; sein Plan, der die Konferenz retten sollte, ist, wie so mancher vorher, entsprechend einer schon eingewurzelten Konferenzmüdigkeit unter Blumen begraben worden. Wie vor etwa einem Jhar erscheint auch jetzt wieder das Osterfest als die wahre Rettung der Konferenz, indem es eine gewissermaßen natürliche Unterbrechung der Arbeiten und damit einen neuen Zeitgewinn für mittelbare Besprechungen zwischen den hauptbeteiligten Mächten herbsiführt. Die völlige Zerfahrenheit der Konferenzlage und die Verlegenheit. in der sich die englischen Minister befinden, kann sich
auch nicht deutlicher ergeben als aus Ser Tatsache, daß Sek englische Außenminister das Herankommen der Osterpause nicht einmal abgewartet, sondern den Konferenzvoffitzenden Henderson gestern von Paris aus telephonisch veranlaßt hat, schon jetzt die Unterbrechung der Konferenz und damit die mehrwöchigen Verschiebungen der weiteren Aussprache über den Mac-Donald-Plan in die Wege zu leiten.
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In Sem Prager „Czeske Slovo" kündigt der tschechoslowakische Außenminister Dr. Benesch den Widerstand des Kleinen Verbands gegen den Viermächtepakt an. Das polnische Regierungsblatt „Expreß Porcmny" erklärt, Deutschland sei als Bürge für den Frieden Europas unannehmbar. Die übrigen 48 Staaten des Völkerbund; hätten übrigens auch noch etwas in der Angelegenheit de; Viermächtepakts zu sagen.
Generaldirektor Lehmann verhaftet
Berlin, 22. März. Generaldirektor Lehman» (Soz.) vom Hauptverband deutscher Krankenkassen e. V. wurde aus Grund der Verordnung des Reichspräsidenten zum Schutz von Volk und Staat vom 28. 2. 33 in Schutzhaft genommen. Außer ihm wurde noch ein sozialdemokrati'scher Funktionär in dem Augenblick verhaftet, als er den Pariser Schnellzug besteigen wollte.
Die zurzeit unbewoh rte Villa des Prof. Einstein in Potsdam wurde durch Polizei durchsucht. — Einstein, der von Caputh (Amerika) noch Europa abgereist ist, hatte kürzlich erklärt, er werde seinen Fuß nicht mehr auf deutschen Boden setzen, solange die neue Herrschaft in Deutschland bestehe. Er will seinen Wohnsitz in Belgien nehmen.
Erklärung des Vorstandes des Allgemeinen Deutschen Gewerkschafksbundes
Berlin, 22. März. Der Vorstand des Allgemeinen Deutschen Gewerkschaftsbundes gibt eine Erklärung bekannt, in der u. a. gesagt wird, daß die Gewerkschaften durchaus bereit seien, auch über das Gebiet der Lohn- und Arbeitsbedingungen hinaus dauernd mit den llnternehmerorgani- salionen zusammenzuwirken. Eine staatliche Aufsicht über solche Gemeinschaftsarbeit könne ihr durchaus förderlich sein, ihren Wert erhöhen und ihre Durchführung erleichtern.
In politischer Hinsicht könne die Ausgabe der Gewerkschaften nur darin bestehen, die berechtigten Wünsche der Arbeiterschaft der Regierung und Gesetzgebung zuzuleiten, sowie der Regierung und dem Parlament mit ihren Erfahrungen dienlich zu sein. Die Gewerkschaften beanspruchen für sich kein Monopol, lieber der Form der Organisation stehe die Wahrung der Arbeiterinteressen. Eine wahre Gewerkschaft könne sich aber nur aus freiwilligen Zusammenschluß der Mitglieder gründen. Sie müsse von den Mrkernehmern ebenso wie von den polikischen Varleien unabhängig sein. Die Erklärung ist dem Reichskanzler übermittelt worden.
Kommunistische Zentrale ausgehoben
Aachen. 22. März. Eine kommunistische Zentrale im Musfeterweg in Aachen wurde in der vergangenen Nacht von Beamten der politischen Polizei und Mitgliedern der nationalen Verbände ausgehoben. Die anwesenden Personen wurden festgenommen. Auf Grund des Vorgefundenen Materials erfolgten später weitere Festnahmen. Die Ermittlungen haben ergeben, daß es sich bei dem durchsuchten Haus um eine Hochburg kommunistischer Umtriebe handelt. Von hier aus wurden auch Verbindungen nach den auß^r- d-eutschen Ländern unterhalten. Die geistige Leitung dieses Unternehmens hatte eine Frau in Händen, deren Mann ein hoher Beamter in der städtischen Verwaltung von Aachen war.
Radolny bei henderson
Genf, 22. Mürz. Botschafter Nadolny hatte heute vormittag eine Besprechung mit dem Vorsitzenden der Abrüstungskonferenz über die beabsichtigte Unterbrechung der Abrüstungskonferenz.
Die Verhandlungen sollen bis 26. April vertagt werden mit der Begründung, in der gegenwärtigen Lage sei eine Vertagung wünschenswert, da für die diplomatischen Verhandlungen über die Pläne der italienischen Regierung Zeit gelassen werden müsse. Deutschland wib ersetzt sich der Ver. tagung nicht, verlangt jedoch, daß die Abrüstungskonferenz ihre Arbeiten zu einem bestimmten Zeitpunkt wieder aufnimmt und daß die diplomatischen Verhandlungen über den italienischen Vorschlag einen baldigen erfolgreichen Abschluß der Konferenz ermöglichen.
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1. Fortsetzung. Nachdruck verboten.
„Ich mache keinen Gebrauch von meinem Titel, Herr Direktor, habe ihn nur der Ordnung halber angegeben, damit meine Papiere und Zeugnisse übereinstimmen."
„Soso! Setzen Sie sich, Fräulein Gräfin — so setzen Sie sich doch! Zigarette gefällig? Nein? Aber Sie gestatten hoffentlich, daß ich — Ja, sehen Sie, mein liebes Fräulein, das erklärt vieles!" Der glattgeschorene Kugelkopf nickte dem Mädchen vergnügt zm
Wie ein Schweinchen sieht er aus, dachte Wera und mußte bei dein Gedanken wider Willen lächeln, was Direktor Bösling auf seine angenehme Gegenwart bezog. Wie ein rosiges, gesundes Schweinchen, das gut gefüttert wird!
„Sie sind das Frühaufsteher: nicht gewöhnt", fuhr er wohlwollend fort, „das viele Stehen und der Lärm ermüden, und die Bezahlung ist — unter uns gesagt — auch nicht gerade fürstlich. Sie armes Hascherl, Sie —". Er beugte sich vor, tätschelte leise, gleichsam rekognoszierend, die im Schoß liegende Hand und ließ sie, da Wera ihre Finger wie unabsichtlich fortzog, auf dem Knie liegen. Deutlich spürte sie die Wärme, die von dieser fleischigen, super- manikllrten Männerhand ausstrahlte. Widerwärtig! Aber die Angst ums tägliche Brot ließ sie einige Sekunden lang still verharren, ehe sie sich, ein wenig anders setzend, von der Berührung befreite.
Direktor Bösling lehnte sich in seinem rotledernen Klubsessel zurück, blies aromatische Tabakwölkchen in die Lust
, undbetrachtete zwischen zusammengekniffenen Aeuglein, , freundlich schmunzelnd, das blonde Mädchen, dessen fein- ; gliedrige Vornehmheit ihm nun in einem ganz anderen Licht erschien. „Können Sie gut rechnen?" fragte er plötz- ^ lich aus seinen Gedanken heraus.
j Wera lächelte. Sie sah sehr reizend aus, wenn sie lächelte; die stillen, fast ein wenig streng wirkenden Züge wurden weich und jung. Ein Grübchen vertiefte sich in der rechten Wange.
„Ich habe es gelernt, Herr Direktor."
„Ich werde Ihre Versetzung in die Kartothek veranlassen" entschied Bösling. „Da bekommen Sie einen Raum für sich und bedeutend höheres Gehalt. Es wäre in jeder Weise günstiger und leichter für Sie." Wieder beugte er sich vor, streichelte den Arm, da die Hand nicht erreichbar. „Man i muh doch was für so 'ne arme, kleine, verlaufene Gräfin ^ tun — ich bin kein Leuteschinder, helfe gern, wo ich kann!" ; Sein Ton floß über von väterlichem Wohlwollen, j Wera erhob sich. „Ich danke Ihnen von Herzen, Herr ' Direktor, Sie sind sehr gütig; aber ich arbeite gern in meiner Abteilung — wirklich!"
> Bösling schüttelte den Kopf. „Unsinn! Wozu flunkern? ! Man sieht doch, daß die Arbeit da unten Sie anstrengt. Sie sind viel zu zart dafür. Hier oben haben Sie Ruhe und bessere Luft. Melden Sie sich morgen früh um zehn Uhr bei mir — da ist alles schon erledigt. Na, bin ich nicht nett zu Ihnen? Verdiene ich nicht ein bißchen Dank?" Sein Lachen klang fettig.
Wera zwang sich ein Lächeln ab, streckte die Rechte aus, die sofort ergriffen und festgehalten wurde.
„Passen Sie mal aus. wir werden uns glänzend verstehen, kleine Gräfin — glänzend!"
Ganz nahe war sein Gesicht nun dem ihren, das sich steil zurückbog. Dieses vollwangige, gerötete Antlitz mit den lüsternen Augen, der hörbar gehende Atem, der heiß ihre Wange streifte, erfüllte sie plötzlich mit einem Ekel, dessen
Heftigkeit alle Schranken der Vernunft zerbrach. Es war nicht das erste Mal, daß Mannesbegierde die Hand nach ihr ausstreckte, nicht das erste Mal, daß es nötig war Frauenlist anzuwenden, bis ein neues Asyl gefunden. Jedes Mädchen, das sich, ohne Rückhalt an Familie und Gesellschaftskaste, sein Brot unter Fremden verdienen muhte, geriet in derartige Lagen.
Aber heute vermochte Wera Wettern nicht, Komödie zu spielen.
Jeder Tropfen ihres Blutes wehrte sich in sonst nie gekannter leidenschaftlicher Aufwallung gegen die Nähe dieses laut atmenden Menschen, dessen Körper sich nun fest und fühlbar gegen den ihren drängte. Der letzte Rest von Vor-
>
sicht floh.
„Weg da! — Was erlauben Sie sich?!"
Mit einem kraftvollen Stoß vor die Brust befreite sie sich von dem Manne, der, zurücktaumelnd, über den Stuhl, auf dem Wera gesessen, stolperte und fiel.
Da saß er auf dem Boden, mit offenem Munde und hervorquellenden Augen, die kurzen Beine steif ausgestreckt, vor Schreck und Zorn unfähig, auch nur ein Wort hervorzubringen. Komisch sah das aus — sehr komisch sogar. Aber das Mädchen bemerkte es nicht.
„Ich bitte um meine sofortige Entlassung, Herr Direktor Bösling!"
Schneidende Schärfe war plötzlich in der weichen Stimme. Die Lippen zu schmaler Linie zusammengepreßt, mit bebenden Nasenflügeln stand sie vor dem keuchenden, glotzenden Menschen da zu ihren Füßen. Und so voller Haß und Zorn flammten die schwarzen Augen ihn an, daß er wie gebannt in seiner unfreiwilligen Stellung verharrte, bis sich die Tür hinter Wera Wettern geschlossen hatte.
Da erst richtete der Direktor sich auf, rieb fluchend und stöhnend seine schmerzende Sitzfläche und hinkte zum Schreibtisch.
(-Fortsetzung folgt).