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Mittwoch den 8. März 1S33

Fernruf L7S 68. Jahrgang.

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Danzig, 7. März. Die Aufregung, die die deutschen Reichstagswahlen in Polen hervorgerufen haben, hat die polnische Regierung zu einer neuen Herausforderung ausgenutzt. Der polnische TruppentransportdampferWilja" fuhr am Montag nachmittag in den Danziger Hafen ein und landete polnische Trupppen, deren Stärke bis jetzt nicht festgestellt werden konnte, auf der Westerplatte, außerdem 100 Mann zivile Polizei, die als polnische Hafen­polizei bestimmt sein soll. Die Darrzgier Regierung ver­langte vom Vertreter Polens Aufklärung, dieser gab aber nur eine ausweichende Antwort, Die Danziger Regierung erhob darauf beim Völkerbundskommissar Rost ing Einspruch gegen die polnische Vertragsverletzung und ersuchte ihn, den vertraglichen Zustand auf der Wester- platte wiederherzustellen. Von polnischer Seite war Rosting bereits benachrichtigt worden; die polnische Regierung hatte dabei vorgeschützt, sie befürchte einen deutschen A n - schlag auf das polnische Munitionslager auf der Wester­platte, sie sei daher berechtigt, für die Sicherung des Lagers das Erforderliche zu veranlassen.

Der polnische Gewaltstreich ist indessen nur die Einlei­tung zu einem von langer Hand vorbereiteten Vorgehen. Bekanntlich hatte Polen von Anfang an das Bestreben, sich auf der Westerplatte einen militärischen Stütz­punkt zu schaffen. Der Völkerbundsrat hat in seiner Sitzung vom 9. Dezember 1923 diese polnischen Pläne ein­deutig zurückgewiesen und erklärt, daß lediglich zur Erhal­tung der Ruhe und Ordnung auf der Westerplatte Polen eine militärische Wache von nicht mehr als 66 Mann, 20 Unteroffizieren und zwei Offizieren unterhalten dürfe. Der Rat hatte damals außerdem klargestellt, daß jede Vergröße­rung dieser Wache auf der Westerplatte die ganze Frage grundsätzlich neu aufrollen würde. Auch die polnische Re­gierung hatte der Meinung beigepslichtet, daß eine Ver­stärkung von Fall zu Fall nur mit vorheriger Genehmigung des Völkerbundskommissars möglich sein würde. Polen ist jetzt aber über alle diese Vereinbarungen hinweg­gegangen und hat wieder einmal nicht nur Danzig, sondern auch die Völkerbundsinstanzen vor eine vollendete Tatsache gestellt.

Für die Freie Stadt Danzig ist dieser polnische Plan völlig unerträglich. Bereits vor Jahren hatte die polnische Regierung versucht, die Danziger Polizeihoheit zu durch­löchern, indem sie den Vorschlag machte, dem Völkerbunds­kommissar eine internationale Polizei zu unterstellen, die für Ruhe und Ordnung in Danzig, dem Zugang Polen» zur See, verantwortlich sein sollte. Dieser polnische Plan, der darauf hinauslief, polnische Polizei unter fal­scher Flagg« nach Danzig h i n e i n z u s ch m u g - ein, wurde von den Völkerbundsinstanzen abgelehnt, arauf ist Polen neuerdings auf seinen alten Plan wieder zurückgekommen, indem es jetzt versucht, dem Hafenaus- schuß, in dem zur Hälfte Polen sitzen, polizeiliche Voll­machten zuzuschanzen, mit der Begründung, daß die Dan­ziger Polizei nicht die Gewähr für Aufrechterhaltung der Ruhe und Ordnung im Danziger Hafen gebe. Die pol­nische Regierung hat dem Hafenausschußpräsidenten ange- boten, ihm eine Abteilung polnische Polizei zur Verfügung stellen. Auch gegen diesen Plan hat die Danziger Re­gierung vor etwa 14 Tagen Front gemarA. Wenn im Danziger Hafengebiet und in der Stadt Danzig polnische und Danziger Polizei nebeneinander tätig sein würden, so wären Zusammenstöße einfach unvermeidlich

Es muß daher verlangt werden, daß die Genfer In­stanzen allen solchen polnischen Versuchen im Interesse des Friedens sofort einen Riegel vorschieben. Leider hat der Völkerbundsrat in seiner jetzigen Sitzung es versäumt, die Vorschläge feines Ausschusses zur Neuregelung des Ver­fahrens im Fall einer bestimmten Tatsache zum Beschluß zu erheben. Diese Langmut, die der Rat den polnischen Wünschen gegenüber gezeigt hat, ist wieder einmal von polnischer Seite schlecht belohnt worden, und der Rat steht wieder vor einer vollzogenen Tatsache, die geeignet ist, u n- übersehbare Folgen heraufzubeschwören, wenn es zu einem Zusammenstoß kommen sollte. Völkerbundskom­missar Rosting ist bemüht, Polen zur Zurückziehung dieser Verstärkung zu veranlassen, es ist aber sehr fraglich, ob diese Bemühungen Erfolg haben werden.

Aufruf des Danziger Senats

Danzig, 7. März. Der Senat erließ nachstehenden Auf­ruf:An die Bevölkerung der Freien Stadt Danzig! Die polnische Regierung hat einen schweren Rechtsbruch gegen die Freie Stadt Danzig unternommen und ohne Ge­nehmigung des Hohen Kommissars und unter Verletzung her bestehenden Verträge auf der Westerplatte eine Truppen­abteilung mit schweren Waffen gelandet. Sowohl der Senat wie der Hohe Kommissar haben sofort alle erforderlichen Schritte unternommen, um diesem schweren Rechtsbruch ent- gegeiMtrefrn. Vir erwarten, von der Besonnenheit her

lagesspiegel

Namens des bayerischen Gesamtministeriums hat Dr. Held den Landtagspräsidenlen ersucht, die bereits eingeleite- ken Schritte zur Neubildung der Ktaalsregieruna beschleu­nigt durchzuführen.

Laut VDZ. wird sich das Reich voraussichtlich, wle im Vorjahr, zunächst mit einem Nothaushalt für die Monate April, Mai und Juni behelfen, in denen dann die Aus- gaben auf Grund des vorjährigen Haushalts geleistet wer- den. Inzwischen soll der neue Haushaltplan ausgearbeiket werden. Ob er wie im vorigen Zahr durch Notverordnung oder durch ein vom Reichstag zu bewilligendes Ermächti­gungsgesetz verabschiedet wird, ist noch nicht bestimmt.

Im Reichstag ist bis jetzt nur den Fraktionen der NSDAP, und der Deutschnakionalen die Benutzung ihrer Arbeitszimmer gestattet, in den übrigen Räumen und in den pressezimmern kann noch nicht gearbeitet werden.

Der Reichstag und der preußische Landtag werden wie- der durch den beiderseitigen Alterspräsidenten, den SZjähri- gen Abgeordneten General Lihmann eröffnet werden.

Der Hyfshäuserbund erwartet in einer Erklärung, daß die Reichsregierunq die allen heiligen Farben Schwarz- Weiß-Rot so schnell wie möglich herauslöse ans dem Par- teikamps und sie wieder einsehe als Fahne des nationalen wehrwilligen gesamten deutschen Volks.

Vertreter der NSDAP, und des Zentrums verhandelten am Dienstag in Karlsruhe wegen der Bildung einer neuen Regierung in Baden. Die Nationalsozialisten dringen auf baldige Neuwahlen für den Landtag.

Der sächsische Ministerpräsident Schieck wird am Mitt- woch in Berlin eine Besprechung mit Reichskanzler Hitler und Reichsinnenminister Dr. Frick haben.

Danziger Bevölkerung, daß sie wie bisher in ähnlichen Fällen unbedingte Ruhe und Ordnung in dieser ernsten Lage bewahrt und Ausschreitungen vermeidet, die lediglich geeignet wären, der gerechten Sache Danzigs Abbruch zu tun.

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Der Danziger Heimatdienst hat eine Protesterklä­rung veröffentlicht, in der er die Aufmerksamkeit der im Völkerbund vertretenen Regierungen und der gesamten internationalen Oefsentlichkeit auf das gefährliche Spiel lenkt, das Polen seit Jahr und Tag mit der Freien Stadt Danzig treibe und das vor der Anwendung äußerster Machtmittel zur Durchführung politischer Ziele nicht mehr haltzumachen scheine,

Danziger Einwohnerwehr aufgerufen

Danzig, 7. März, Von der Polizeipressestelle wird mit­geteilt: Aus Anlaß des polnischen Gewaltstreichs auf der Westerplaite ist im Interesse der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit ein Teil der Ein­wohnerwehr aufgerufen worden. Die Einwohner­wehr, die den Charakter als Hilfspolizei hat, versieht mit den Beamten der Schutzpolizei den Straßendienst.

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Amtsübernahme durch Dr. Müller

Darmstadk, 7. März. Der nationalsozialistische Abgeord­nete Regierrmgsrat Dr. Müller erschien gestern in Be­gleitung der Abgeordneten Dr. Best und Claß bei dem bisherigen Staatspräsidenten Adelung (Soz.) und teilte ihm mit, daß er zum Reichskommissar in Hessen bestellt sei. Adelung verweigerte seinen Rücktritt, da er von der Reichsregierung noch keine Mitteilung erhalten habe. Inzwischen verkehrte Reichsinnenminister Dr. Frick tele­phonisch mit Dr. Müller, der nun einen zweiten Besuch bei Adelung machte, worauf sich der Uebergang der Polizei­gewalt rasch und reibungslos vollzog.

In Begleitung des nationalsozialistischen Gauführers Sprenger und einiger engerer Mitarbeiter besetzte Polizeikommissar Dr. Müller unter Mitwirkung der Stan­darte 115, die durch auswärtige SA. aus dem Odenwald und den benachbarten Bezirken verstärkt war, das Innen­ministerium, das sozialdemokratische Gewerkschaftshaus, di» Wohnung des Staatspräsidenten Adelung und des Innen­ministers Leuschner (Soz.) sowie das Verlagsgebäude-des sozialdemokratischenVolksfreund". Innerhalb weniger Stunden war alles durchgesührt. Die zahlreichen Schutz­polizeibeamten im Innenministerium und in einigen anderen Gebäuden übergaben ohne Widerstand ihre Waffen der SA - Führung. Der Polizeikommissar des Reichs, Dr. Müller, hat seine Ausgabe bereits übernommen.

Die Schaumburg-lippische Landesregierung ist mit Rück­sicht auf die veränderten politischen Mochtverhälknisse zu- rückgetreken. Der Landtag wird sofort über seine Auflösung und die Neuwahlen Beschluß fassen.

Im Berliner Rathaus erschien am Dienstag mittag eine Gruppe von fünf Jungstahlhelmern und hißte auf dem hohen Turm des Rathauses die schwarz-weiß-rote Fahne.

Der stellvertretende Vorsitzende der Dcukschnationalcn Volkspartei, Abg. Dr. v. Winkerfeld, hat in Schreib, n au Reichskanzler Hitler und an den Reichskommissar für Preu­ßen, Vizekanzler v. Papen ersucht, auf Grund des b i den Wahlen zum Ausdruck gekommenen nationalen Volks­willens, unbeschadet der noch zu treffenden formal-recht­lichen Aenderungen bisheriger Verfassungsbestimmungen, für den Dienstbereich im Reich und in Preußen in d r Re- gelung der Flaggenfrage einen Zustand zu schaffen, der der Auffassung der Bevölkerungsmehrheit entspricht und d r Ehrfurcht aus den geschichtlichen Werken des deutschen Volks, den Farben Schwarz-Weiß-Rot. Rechnung trägt.

Die thüringische Skaaksregierung hat ein Nokgeseh be­schlossen. wodurch das Beflaggen der Dienstgebäude der Gemeinden zur Aufkragsangelegenheit erklärt wird.

Gegen den Reichstagsbrandstifter Lübbe ist die Vor­untersuchung wegen Hochverrats und schwerer Brand­stiftung eröffnet worden. Untersuchungsrichter ist R-üchz- aerichlsrat Vogt. Für diese Verbrechen kann nach d m Gesetz lebenslängliches Zuchthaus verhängt werden.

Zu Mitgliedern des Beirats für das Kraftsahcwcsen hak der Reichsverkehrsminister ernannt: Herzog Karl Eduard von Sachsen-Loburg und Gotha, Präsident des Na­tionalen Deutschen Automobilklubs, und Major a. D. Hühn­lein vom Nationalsozialistischen Krafkfahrerkorpe.

Dr. Müller hak gegen Mitternacht folgende Bekannt» machung an die Bevölkerung erlassen:

Der Reichsminister des Innern hat die polizeigewalk de» Volksstaats Hessen auf mich übertragen. Ich habe heute, den 6. März 1933, um 11. Uhr nachts, die gesamte polizel- gewalt in Hessen übernommen. Zur Durchführung meiner Aufgabe habe ich den Landtagsabgeordneken Dr. Werner Best zum Sonderkommissar für das hessische polizeiwmen mit der Befugnis, mich zu vertreten, und den polizeiok erst- leutnant Jendel-Satorius (bisher Führer der Bereit­schafts-Polizei in Mainz) zum Führer der gesamten unnor- mierken Polizei sowie der Gendarmerie Hessen ernannt. Zur Unterstützung der staatlichen Polizei bestelle ich gemäß noch ergehender Anordnungen Hilfspolizei, die aus den hinter der Reichsregierung stehenden Verbänden ent­nommen werden soll. Ich ermahne die gesamte Bevölkerung, in diesen Tagen des Uebergangs strengste Disziplin und höchste Besonnenheit zu währen, um den Organen de» Staats, bei denen ausschließlich die Ausübung der öffent­lichen Gewalt liegt, ihre Aufgabe, die Sicherheit und Ord­nung aufrechkzuerhalten, nicht zu erschweren.

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Staatspräsident Adelung hat in einem Telegramm dem Reichsinnenministerium von der vollzogenen Uebergabe der Polizeigewalt an Dr. Miller Kenntnis gegeben und gleich­zeitig gegen die Maßnahme Einspruch erhoben.

Das Mißverständnis bei der Unterordnung Müller- Adelung ist darauf zurückzuführen, daß Adelung, als er am Dienstag morgen von Berlin aus telephonisch ange­rufen wurde, nicht erreichbar und auch nicht aufzufinden war.

Vor dem Ministerium des Innern stehen Doppelposten der SA., die mit Stahlhelm und Karabinern ausgerüstet sind. Auf dem Bahnhof ist ein starker Verkehr von SA- Leuten. Das Verlagsgebäude des sozialdemokratischen Volksfreund" wurde um 7 Uhr morgens geräumt.

Papen Ministerpräsident?

Berlin, 7. März. Nachdem durch die Wahlen vom 5. März auch im preußischen Landtag die Rechte die absolute Mehr­heit erlangt hat, wird in politischen Kreisen vor allem d:e Frage erörtert, wer der künftige Ministerprastoent in Preußen sein werde. Eine Aenderung des bisherigen «Füh­rers der nationalsozialistischen Preußenfraktion, K u b c. wonach Hitler den preußischen Ministerpräsidenten butin;- men werde, hat zu der Annahme geführt, daß der Re.chs- kanzler seinen Parteifreund Gering, der zur Zeit das preußische Innenministerium verwaltet, als Ministerpriist. deuten vorschlagen werde. Es ersä>eint jedoch zweifelhaft, ob Göring geneigt ist, seinen jetzigen Posten, mit dem die Verfügung über die Polizei verbunden ist, aufzugeb n. Man glaubt daher, daß Reichskommissar van Papen für den Posten vorgeschlagen werde, was o- >weifel auch im Sinn des Reichspräsidenten gelegen w' Man nimmt an, daß die Frage des preußischen Ministerpräsidenten Mischen den jetzigen Mehrheitsparteien des Landtags vor seiner Wahl endgültig Märt wird. De^ nepe Ministerpräsident