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Nummer 2
Fernruf LTV
Dienstag den 8. Januar 1S33
Fernruf 478
68. Jahrgang.
ReilWMsWcheu
Vertrauen - Gleichberechtigung — Sozialer Ausgleich
Berlin 2. Jan. Auf die Begrüßungsansprache des Doyen des diplomatischen Korps, Nuntius Orsenigo, beim gestrigen Neujahrsempfang, wobei der Nuntius auf die sorgenvolle Bilanz des Jahrs 1932 besonders in wirtschaftlicher Beziehung hingewiesen hatte, erwiderte Reichspräsident von Hindenburg: Es habe der Einsetzung äußerster Kraft und ungewöhnlicher Maßnahmen bedurft, um das staatliche und wirtschaftliche Leben Deutschlands vor gefahrvollen inneren Erschütterungen zu bewahren. Aber noch sehen sich Millionen arbeitslose Volksgenossen ohne sichere Daseinsgrundlage. Die Sorge um die Zukunft werde dadurch verstärkt, daß sich wichtige internationale Aragen ohne Lösung von einem Jahr ins andere schleppen und mit immer schwererem Druck auf der Welt lasten. Die Kräfte eines einzelnen Landes reichen nicht aus, um allen seinen Bewohnern Arbeit und Brot zu verschaffen. Die Bewältigung der gegenwärtigen Weltkrise werde nur durch Wiederherstellung des gegenseitigen Vertrauens in den Völkerbeziehungen gelingen.
Reichskanzler v. Schleicher sagte bei seinem sich anschließenden Empfang: Seinen beiden Vorgängern sei es gelungen, Deutschland von der Last der Reparationen zu befreien. Es sei dringend zu wünschen, daß die Regierungen im neuen Jahr entschlossen auf dem Weg der wirtschaftlichen Vernunft weiterschreiten. Deutschland kehre zur Abrüstungskonferenz zurück, um eine wahre allgemeine Abrüstung durchzusetzen und Deutschland die gleiche Sicherheit zu verschaffen, die jedes andere Land genieße. Wenn es gelinge, der deutschen Jugend im Rahmen der Miliz das Recht zu wehrhaftem Staatsdienst wiederzugeben, so werde das zugleich ein großer Schritt zum Ausgleich der inneren Gegensätze und zur Herstellung des Friedens im Reich sein. Die Reichsregierung werde die Forderung des Reichspräsidenten an sie, Arbeit und sozialen Ausgleich zu schassen, zur Richtschnur ihres Handelns machen.
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Die Empfänge beim Reichspräsidenten fanden im Kongreßsaal der Alten Reichskanzlei statt, da der Umbau der Wohnung des Reichspräsidenten noch nicht ganz fertig- gestellt ist.
Reichstagspräsident Göring hat dem Reichspräsidenten brieflich Glückwünsche übermittelt, die Hindenburg ebenfalls brieflich erwiderte. Der preußische Ministerialdirektor Coßmann glaubte beim Empfang des Reichsrats die Streitfrage Reich-Preußen anschneiden zu müssen. Der Herr Reichspräsident erwiderte ihm kurz: er hoffe, daß die Sache mit Preußen in Ordnung komme.
Me MO im Reichst«?
Berlin. 2. Jan. Auf die Ausführungen hin, die namens der Reichsrats der preußische Ministerialdirektor Coßmann beim Neujahrsempfang gemacht bat. und die wegen ihres Appells auf Anerkennung der Selbständigkeit der Länder großes Aufsehen erregten, ist laut „V. d. Z." damit zu rechnen, daß in den weiteren Tagungen des Reichsrats etwa Mitte Januar die Frage Reich-Länder wieder eine große Rolle spielen werde. Insbesondere könne man einen bayerischen Vorstoß erwarten, wie ja der Führer der Bayerischen Volkspartei. Staatsrat Scbäffer, schon kürzlich angedeutet habe, daß von den Ländern der Druck genommen werden müsse, daß ihre Selbstverwaltung und Selbständigkeit vom Reich her allzu stark beeinträchtigt werden könnte. Man glaubt, daß der Vorstoß Coßmanns auf bayerische Anregung zurückgehe.
rmzösislhe ReWMe
Paris, 2. Jan. Die „Liberte" schreibt zu der Neujahrsansprache des Reichspräsidenten v. Hindenburg — der Artikel wurde obendrein dem Sinn nach durch den Eiffelturm-Rundfunk noch verschärft in ganz Frankreich verbreitet — folgendes: „In Deutschland weiß man, wie schon Herriot dargelegt hat, uns Franzosen keinerlei Dank für die Fortschritte, die Deutschland im Jahr 1932 mit unserem Beistand auf dem Gebiet der internationalen Fragen gemacht hat. Auch Hindenburg denkt, daß die Franzosen den deutschen Forderungen entgegengekommen sind, nur weil sie nicht anders konnten. Auch er ist der Ansicht, daß die Liste der deutschen Forderungen noch nicht erschöpft ist Deutschland will seine Sicherheit garantieren, was nicht nur eine Organisierung der deutschen Grenzen zur Verteidigung, sondern auch zum Angriff in sich schließt. Hindenburg glaubt in seinem Innersten an die bevorrechtigte Rolle des deutschen Volks. FrsÄMch KKE vop. einem glücklichen und
Tagessviegel
Rach amtlicher Mitteilung sind die weiteren Maßnahmen zur Verwallungsvereinfachung in Preußen durch die kommissarische Regierung erst in Vorbereitung.
Die Relchsregierung hat den Auslieferungsankrag bekr. die drei des Henksch-Mords verdächtigen KA.-Leute dem deutschen Botschafter in Rom zugeleuet.
Der Generalslaatsanwalk in Dresden hat beim sächsischen Landtag die Aushebung der Immunität des Abg. Dr. Ben- necke beantragt, der unmittelbarer Vorgesetzter des flüchtigen Schenk war und der Begünstigung der drei mordverdächtigen SA.-Leute beschuldigt wird.
In der ersten Rümmer der norddeutschen Ausgabe des „Völkischen Beobachters" in Berlin erklärt Adolf Hitler, er sei aufs äußerste entschlossen, das Recht der Erstgeburt feiner Bewegung nicht für das Linsengericht der Beteiligung an einer Regierung ohne Macht zu verkaufen. Er lehne jedes Kompromiß ab. Das neue Jahr werde ein kampf- jahr sein.
Die Arbeitgeber des Ruhrbergbaus haben am ZI. De- zembcr auf die Kündigung der durch Schiedsspruch vom 24. September v. I. festgesetzten Lohnordnung im Hinblick auf die sich anbahnende Geschäftsbesser,mg verzichtet.
Bei der am Liaotung-Gols gelegenen Stadt Schauhaik- wan (östlich von Peking) kam es in der Rächt zum Mon ug zu einem Aeuergesecht zwischen japanischen und chinesischer, Truppen. Die Japaner sollen das Aeuer eröffnet haben. — Schanhaikwan liegt in der Provinz Petschili, also bereits aui.al tchinesi schem Gebiet.
längen Frieden, Deutschland berauscht sich am Rasseln der Erommeln, den motorisierten Regimentern, an vervollkomm- neten Geschützen, an Zivilflugzeugen, die morgen in Kriegs- flugzeuge umgewandelt werden. Es verteilt an seine Bevölkerung Gasmasken und verlangt von uns neue Zu«, geständnisse. Es will die Grenze im Osten verändern, um vielleicht daran anschließend die Grenzziehung im Westen wieder anders zu gestalten."
Schlimmer kann das französische Volk, das zum großen Teil gutgläubig solchen Entstellungen der Tatsachen durch die Presse und den Rundfunk zugänglich ist, nicht belogen und verhetzt werden. Und am Ende ist Deutschland gar noch „undankbar" für die zahllosen „Wohltaten", die es seit ISIS von Frankreich empfangen hat.
Reue Nachrichten
Neue Verwaltungsordnung in Preußen
Berlin, 2. Jan. Demnächst wird eine neue Verordnung der kommissarischen Regierung über die Vereinfachung und Verbilligung der Verwaltung in Preußen erscheinen. Bis jetzt wurden die Neueinteilung der Landkreise, die Zusammenlegung von Ober- und Regierungspräsidien, die Auflösung von Provinzialschulkollegien, des Wohlfahrtsministeriums usw. durch Verordnungen geregelt. Die neue Verordnung betrifft die bestehenden Städte-, Kreis- und Gemeindeord nungen. Der Umfang der Regierungsbehörden und der Verwaltungsgerichtsbarkeit soll vereinfacht werden, insbesondere auch durch einfachere Gestaltung des Verwaltungsstreits- und Veschlußverfahrens. Inwieweit damit Interessengebiete der kommunalen Selbstverwaltung berührt werden, war bisher noch nicht festzustellen. Die Verordnung soll lediglich dem Zweck dienen, neben der weiteren Verbilligung und Vereinfachung der Verwaltung die Finanzschwierigkeitcn bei den Gemeinden zu mildern und durch Erleichterung der Umschuldungsaktion und durch Förderung des Ziels, die Arbeitslosigkeit in den Kommunen zu bekämpfen.
Neuer Landwirtschaftsminister in Preußen
Berlin. 2. Jan. Laut „V. d. Z." ist mit dem 1. Januar der bisherige Landrat des Kreises Beeskow. Dr. iur. Ernst Wiskott, zum Staatssekretär im preußischen Landwirtschaftsministerium ernannt und mit der Wahrnehmung der Geschäfte des kommissarischen Landwirtschaftsministers von der kommissariscken Regierung betraut worden. Dr. Wiskott, der am 20. April 1879 in Essen geboren wurde, ist Verwaltungsbeamter von Beruf und war seit 1906 im Staatsdienst tätig. Er war dabei u. a. bei der Regierung in Schleswig und im preußischen Handelsministerium beschäftigt. Schon 1915 wurde er Landrat in Beeskow. Der Staatssekretär im Reichsernährungsmini- sterium, Mussehl, der bisher das preußisch Landwirt- schaftsministerium kommissarisch mitverwaltet hatte, beschränkt sich ab nun auf seine Tätigkeit im Reichsernährungs. Ministerium
2m Hamburger Hasen ist ein Schleppdampfer beim Zy- sammenfioh mit einem von ihm geschleppten Motorschiff ge- funken. Die Besatzung konnte gerettet werden.
Gegen das Anwesen eines Maurers tu Gemrin bei Landsberg a. Warthe wurde am Montag früh wieder ein Bombenanschlag, der dritte, verübt. Das Skallgebäude wurde schwer ^schädigt.
Großes Aufsehen erregt in Italien eine Besichtigungsreise de» früheren französischen Ministers Malvy an der Küste der spanischen Insel Mallorca. Es soll sich darum handeln, tm Einverständnis mit der jetzigen spanischen Regierung einen geeigneten Platz für einen französischen Flotten- stühpunkt zur Sicherung militärischer Transporte zwischen Rordafrika und Frankreich im Kriegsfall auszusuchen.
Der Londoner ..Times" wird aus Washington berichtet, daß wahrscheinlich doch noch eine unauffällige Zusammenarbeit zwischen hoover und Roosevelt, allerdings nicht durch Rorman Davis, Zustandekommen werde, so daß nickt zu befürchten sei, daß die amerikanischen Vertreter aus der Londoner Welkwirkschastskonserenz nach dem 4. Mürz andere Weisungen erhalten, als fle vorher von Hoover bekommen haben. Sehr wahrscheinlich werde eine Sondertagung de» Parlaments erforderlich fein zur Behandlung der Fragen des amerikanischen Staatshaushalts, der Stützung der Landwirtschaft und des Alkoholgesehes.
Die Pariser ..Republique" regt an. Italien Abessinien als Interessengebiet ganz zu überlassen, ihm ein „Mav darüber Liberia (Goldküste) zu übertragen und französisches Geld für wirtschaftliche Durchdringung des Balkan» rch Italien zu geben. Italien müsse sich aber verpflichten, di« Politik Frankreichs zu unterstützen.
Ostpreußische Landwirtschaftskamme^forbrrr^Grenrl^vt« gegen überflüssige Fetteinfuhr
Königsberg. 2. Jan. Die Ostpreußische LandivirtsckettS- kammer hat an den Reichskanzler und den Reichsrrnüh- rungsminister ein Telegramm gerichtet, in dem erneut d?« Forderung unverzüglicher Grenzsperre gegen alte überflüssige Fetteinfuhr erhoben wird.
Deutscher Schrill wegen der Ausweisung Gilles
Berlin. 2. 8cm. Nachdem der deutsche Gesandte in Brüssel in der Angelegenheit der Ausweisung des Kaplan« Gilles aus Eupen-Malmedy bereits von sich ans mit der belgischen Regierung in Verbindung gefetzt bat, ist er setzt auf Anweisung von Berlin erneut bei der belgische« Regierung vorstellig gewoMn.
Kolonialfeiee kn Martenwer-ee
Marienwerder (Westpr.), 2. Jan. Dem Begründer Preu. ßisch-Vrandenbuvgischer Kolonialgeltung, dem Wegbereiter des deutschen Kolonialgedankens Otto Friedrich »oft der Groeben galt eine am Neujahrstaa veranstaltete Feier zum Gedenken an den 1. Januar 1683. an dem Oberst vonder Groeben von dem Gebiet an der Goldküste für Kurbrandenburg Besitz ergriff. Landrat Dr. Ulmer zeichnete dis Persönlichkeit von der Groedens. Die Tatsache, daß aus' dem Osten, heute wie einst abgetrennt vom Vaterland durch einen polnischen Korridor, sch Preußen erwuchs, dessen Kolonie als Tat von höchster vaterläMs'^ep Bedeutung war und bleibt, zeigen die Kraft und Bedeutung ostdeutschen Volkstums für Deutschland.
Die Antwort der Ukrainer
Warschau, 2. Jan. Die polnische Regierung hat in ihrem. Wüten gegen die Ukrainer in Ostgalizien eine groß« Zahl Ukrainer aller Stände wegen angeblicher staatsfeinlichrr Umtriebe verhaftet und sie setzt die Verhaftungen noch feit. Führende Ukrainer, auch Frauen, fordern nun ihr« Volksgenossen auf, sich jeglichen Genusses von Tabak und Alkohol zu enthalten — beide sind in Polen staatliche Mvnoxol- artikel.
Soziale Reform in Amerika
Reuyork, 2. Jan. Der vom Präsidenten Hoover vor drei Jahren ernannte Ausschuß von 500 Persönlichkstt-n zur Untersuchung der volkswirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse der Bereinigten Staaten von Amerika bat beute stinm Bericht nunmehr veröffentlicht. Darin werden eme des--,
sereVerteilungdesEinkommens. Erhöhung der Kaufkraft der Massen, der Sechs stund en- t a g und die fünftägig «Arbeitswoche vorgeschla- gen, um einer größeren Anzahl Arbeitsuchender Beschafft- gungsmöglichkeit zu geben. Weiter tritt der Bericht für die Errichtung eines zahlungsfähigen Fonds zur Unterstützung der Arbeitslosen, Erweiterung des Altersversicherungswerks, Verstärkung der öffentlichen Ueder- wachung von Unternehmungen öffentlichen Interesses, borunter vielleicht auch di« Kohlenindustrie, und köbunatur Lrbl.chsktr-stt,llrr.n M. BM.