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Nummer 245
Fernvus 4,76
Berlin, 18. Okt. Der Allgemeine Deutsche Gewerkschasts- bund und der Allgemeine Freie Angestelltenbund veranstalteten heute vormittag eine öffentliche Kundgebung, um zum Wirtschvftsplan der Reichsregierung Stellung zu nehmen. Abg. Leipart erklärte, die dringlichste Aufgabe sei zurzeit eine wirkungsvolle Verminderung der Arbeitslosigkeit. Bon der Art und Weise, wie die Reichsregte- rung diese Arbeit durchführe, werde die Stellungnahme der Gewerkschaften zur Regierung abhängen. Reichstaaswbgeord- neter Tarnow führte aus, die Gewerkschaften werden sich keiner Maßnahme in Len Weg stellen, von der sie hoffen können, daß sie den Arbeitslosen helfe. Aber leidenschaftlich müßten sie gegen den Teil des Plans Einspruch erheben, der mit unerträglicher Härte in die Lebenshaltung der Arbeiterschaft und in ihre sozialen Rechte eingreife. Den guten Glauben, den Arbeitsloseil zu helfen, billige man der Regierung zu, aber die Tatsache, daß die Grundlagen des Plans in der „geschenkweisen und bedingungslosen Verteilung von Milliarden Reichsmark Steuerscheinsn an die Unternehmer" bestehe, sei nicht zu bestreiten. Die Notverordnung übe einen starken Anreiz zur Verkürzung der Arbeitszeit aus. Die Gewerkschaften hätten seit Jahren die gesetzliche 40-Stundenwoche gefordert und den Arbeitern auch zugemutet, im Interesse der Arbeitslosen nötigenfalls auch ohne Lohnausgleich dieses Solidaritätsopser auf sich zu nehmen. Wenn nun aber die Verordnung zu den 16 v. H. Lohnausfall aus der Arbeitszeitverkürzung noch weitere 12 vom Hundert Lohnsenkung hinzufüge, dann gehe das weit über das erträgliche Maß hinaus. Die Regierung habe es noch in der Hand, ihre Wirtschastspläne von den offenkundigen antisozialen Fehlkonstruktionen zu bereinigen, und die Gewerkschaften fordern sie dringend auf, damit nickt länger zu zögern.
Leber den Kampf um die Wie derber st ellung des kollektiven Arbeitsrechts und des Tarifrechts sprach der Leiter der Arbeitsrechtsabteilung, Nö r- vel. Mit ihren Maßnahmen habe die Reichsregierung das heute für den Interessenausgleich zwischen Arbeiterklasse und Arbeitgeber geradezu unerläßliche kollektive Arbeitsrecht gefährdet. Was die Deutschnationale Volksvartei fordere, seien faszistische Gewerkschaften.
In einer Entschließung wurde die Aufhebung der Verordnungen vom 5. 9. und 3. 10.. die Abkehr von überlebten Wirtschaftsformen und die Einleitung einer neuen Organisation der Wirtschaft mit dem Ziel der P l a n w i rts cha f t gefordert.
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Mit anderen Worten: Können Bayern, Württemberg, Baden usw. sich diejenige Verfassung, die ihnen gerade paßt, geben? Oder sind ihnen vom Reich hierin gewisse unüber- steigbare Schranken gezogen? Bekanntlich hat Reichskanzler v. Papen in seiner Aufsehen erregenden Münchner Rede am 12. Oktober bezüglich der von ihm geplanten Ver- fassungsreform, deren Entwurf dem neuen Reichstag vorgelegt werden soll, u. a. gesagt: Die geschichtlich gewordenen deutschen Staatsgebilde sollen nicht vergewaltigt werden. Sie dürften nicht „mediatisiert" werden. „3m Zusammenhang mit der Herstellung einer organischen Verbindung zwischen Reich und Preußen wird es durchaus möglich sein, den übrigen Ländern die Verfassungsautonomie zu gewähren." Was meinte er darunter? Es gehen hierüber allerlei Vermutungen durch die Presse. Zweifellos handelt es sich um den Artikel 17. Derselbe lautet: „Jedes Land muß eine freistaatliche Verfassung haben. Di« Volksvertretung muß in allgemeiner, gleicher, unmittelbarer und geheimer Wahl von allen reichsdeutschen Männern und Frauen nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt werden. Die Landesregierung bedarf des Vertrauens der Volksvertretung."
Hiernach sind den Länderverfassungen folgende Verpflichtungen auferlegt: 1. sie müssen Republiken sein; 2. ihre Landtage müssen nach den Grundsätzen der Verhältniswahl gewählt werden; 3. auch für die Länder gilt das parlamentarische System (Art. 54). Bekanntlich gab es in der Bismarckschen Verfassung diese Bindungen nicht. Wir hatten neben monarchischen auch republikanische Bundesstaaten (Hamburg, Bremen und Lübeck). Auch die anderen Einschränkungen existierten nicht. Sowohl im Reich wie in den Bundesstaaten bedurften die Regierungen nicht notwendig des Vertrauens der Parlamente. Das alles soll also anders werden. Wird sich hiefür eine verfassungsmäßige Mehrheit im Reichstage finden? Schwerlich. Was dann? Eine Diktatur? Ein Staatsstreich? Oder die Anwendung des sog. „übergesetzlichen Notstandsrechts" (Claß)? Selten stand das deutsche Volk vor so schweren Entscheidungen.
Um die Kontingentierung
Lübeck, 18. Okt. In einer Wahlversammlung erklärte «L o.VL«ui>^a. der bekanntlich früher Ge neraldirektor
Mittwoch den IS. Oktober 1932
lagesspiegel.
Im Klepper - Untersuchungsausschuß des preußischen Landtags wurde einstimmig der nationalsozialistische Antrag angenommen, den Reichskanzler von Popen und andere hohe Funktionäre des Reichs als Zeugen über die Beteiligung der Preußenkasse an der „Germania" und die grund- süßliche Frage einer Beteiligung der öffentlichen Hand an Zeikungsunkernehmungen zu vernehmen. Wahrscheinlich wird die Vernehmung von Papens am Donnerstag dieser Woche erfolgen.
Der sächsische Landtag hak de« nationalsozialistischen Antrag auf Landtagsauslösung gegen die Stimmen der An- tragskeller und der Kommunisten ab gelehnt.
Der Lkaaksgerichkshof wird das Urteil im Prozeß Preu- ßen — Reich voraussichtlich nächsten Dienstag verkündigen.
Zn der Untersuchung wegen der Sxrengsiosfanschläge in Schlesien (Kreis Rimpksch)'sind der SA.-Oberführer v. Obernitz und sein Adjutant Graf Spreti verhaftet worden.
Im Hafenviertel von Rotterdam wurde eine große Wenge Waffen und Munition beschlagnahmt, die nach Deutfchland geichmuggelt werden sollten. Ein Händler wurde verhaftet.
Der englische Botschafter hatte eine Unterredung mik herrio! über den Tagungsort der Vierrnächtekonfersnz.
der Krupp-Werke war, zu dem Steit über die Einfuhrkontingentierung: Ich sehe es deutlich vor Augen, wie gerade Handel und Industrie bald die Einführung eines beschränkten und elastisch gehandhabten Kontingentsystems — nicht als Teilmaßnahme irgendeines Systems der Autarkie, die wir ablehnen, sondern als Uebergangszustand zur Wiederherstellung eines gesunden inneren Marktes und einer nationalwirtschaftlichen Bewegungsfreiheit Deutschlands — ebenso segnen werden wie seinerzeit den anfangs so viel bekämpften Uebergang Bismarcks zum Schutzzollsystem. Allerdings waren die Formen der Einführung des Kontingentsystems durch die jetzige Reichsregierung nicht sehr glücklich. So etwas macht man auf einen Schlag, ohne jemanden zu fragen. Das Kontingent ist dem fremden Land gegenüber eine Gegenleistung für die Ausnahme deutscher Industrieerzeugnisse. Es ist klar, daß man neue Methoden nicht durch Mitarbeiter in die Praxis der Wirtschaftspolitik einführen kann, die diese neuen Methoden jahrelang bekämpft haben und mit dem längst überlebten System der „Meistbegünstigung" rettungslos verfilzt sind. Wer ein Jahrzehnt oder länger der Ansicht war, „es geht nicht" — mit dem geht es wirklich nicht. Es war ein Fehler, daß man solche Leute mit der Durchführung des an sich richtigen und notwendigen Kontingentsystems betraute. Dazu kommt, daß die jetzige Leitung der Rsichsbank, die noch dazu mit ihren finanziellen Einflüssen weit über ihr eigentliches Geschäft hinausgreift, mit ihrer Politik wie ein schwerer Alp auf der ganzen deutschen Wirtschaft lastet und immer wieder die Maßnahmen verhindert, die uns und die ganze Welt zur Gesundung führen können und hie — das sei gegenüber den dunklen Andeutungen der Presseberichte nochmals gesagt — mit Inflation oder dergleichen nicht das Mindeste zu tun haben.
Der Klepper-Untersuchungsausschutz tagt
Berlin. 18. Okt. Die öffentliche Sitzung des Klepper- Untersuchungsausschusses des preußischen Landtags, in der die ersten Zeugenvernehmungen über die Beschuldigungen gegen den früheren Finanzminister Dr. Klepp e r erfolgen sollen, hatte ein zahlreiches Publikum angelockt. Die Staatsanwaltschaft hatte in der Person des Staatsamva'.r- schaftsrates Dr. Kreismann einen Vertreter entsandt. Dagegen war die kommissarische preußische Reg erung Nicht vertreten. Die Zeugenvernehmungen sollen sich zunächst auf den Fall „Kölnische V o l k s z e i t u n a" erstrecken, die 2 Millionen Mark erhalten haben soll. Insgesamt sind 16 Zeugen geladen. Nach dem Vorschlag des Vorsitzenden sollen zunächst Ministerpräsident Braun und dann die Minister Hirtsief er und Klepper vernommen werden. Minister a. D. Höpker und der Aachener Bischof V o'g t haben sich entschuldiat.
' Zu Beginn der Sitzung beantragte der Berichterstatter, Abg. Steuer (Dnatl.), sämtliche Zeugen vor ihrer Aussage zu vereidigen. Abg. Metzinger (Ztr.) wies darauf hin, daß ein solches Verfahren noch nie in Len Untersuchungsausschüssen üblich gewesen sei, worauf der Vorsitzende erwiderte, daß diese Unterlassung auch wiederholt zu UiMträglichkeiten geführt habe. Szillat (Soz.) fragte, ob die Akten erst dem Reichskammissar zugeleitet worden seien. Der Vorsitzende, Abg. Stubke (Dntl.) erwiderte, er habe den Dienstweg über den Reichskommissar gewählt, weil er die Akten auch über den Reichskommissar vom Finanzministerium angefordert habe. Bei Sozial- dempkraten und Zentrum erhob sich Widerspruch. ^
Fernruf 479
67. Jahrgang.
Zunächst wurde Dr. Klepper vernommen. Klepper verweigerte zunächst die Antworten an den Berichterstatter Abg. Steuer. Es wurde sodann beschlossen, daß die Fragen Steuers durch den Borsitzenden Abg. Dr. Zubke (Dnat) und den Mitberichterstatter Abg. Dr. Muhs (Nat.-Soz.) an Klepper gestellt werden sollen. Auf den Vorhalt des Vorsitzenden, Laß die Geldhergabe für die „Köln. Volks« zeitung" (Ztr.) doch nicht zu den ordnungsmäßigen Geschäften der Preußenkasse gehöre, gibt Klepper an, es sei immer so gehalten worden, daß Geschäfte, die nicht unmittelbar mit den Aufgaben der Preußenkasse Zusammenhängen, die aber im Interesse des Staats durchgeführt werden sollten, gemacht wurden, wenn die preußische Regierung ihre Zustimmung gab- Es sei allgemein so, daß die Regierung Zuwendungen an die Presse streng vertraulich behandle.
Die Staatsanwaltschaft hat heute in die Akten der Preußenkasse und des Finanzministeriums in Sachen Klepper Einsicht genommen.
Reue Nachrichten
Ein angeblicher Kronprinzenbrief
Berlin» 18. Okt. Die „Rheinische Zeitung" veröffentlicht Stellen aus einem angeblichen Brief des Kronprinzen vom 14. April 1932 an den damaligen Reichswehrminister Grüner, in dem der Kronprinz bedauert haben soll, daß Grüner die nationalsozialistischen SA. und SS. aufgelöst und geholfen habe, das wundervolle Menschenmaterial, dar in diesen Verbänden eine wertvolle Erziehung genieße, zu zerschlagen. Gröner erklärte darauf, durch WTB., daß er niemals einen solchen Brief des Kronprinzen erhalten habe. Die „Rheinische Zeitung" hält aber ihre Behauptung aufrecht, lehnt es aber „aus nation-afpolr- tischen Gründen" ab, den ganzen Brief zu veröffentlichen»
Neue englische Einladung abgelehnt
Berlin, 18. Okt. Der englische Geschäftsträger hat gestern noch einmal den Reichsaußenminister besucht, um di« Einladung zur Biermächtekonferenz in Genf zu wiederholen. Der Reichsaußemnmffter konnte ihm nur wieder antworten, daß Deutschland aus den bereits ausführlich dargelegten Gründen Genf als Konferenzort ab lehnen müsse. Es wird nunmehr abzuwarten sein, ob von der Gegenseite ein anderer Tagungsort vorgeschlagen wird, jedoch rechnet man in Berlin kaum noch damit, daß di« Konferenz vor Anfang November stattfinden könne. , ,
: Mac Donald verärgert
London, 18. Okt. Auf einem vom Ausschuß der Nationalen Arbeiterpartei, die sich nicht von Mac Donald getrennt hat, gegebenen Frühstück, dem fast sämtliche Minister anwohnten, sagte Mac Donald in einer Rede: Deutschland weiß, daß Großbritannien sich seiner Forderung, „als ein Gleicher auf der Abrüstungskonferenz betrachtet" zu werden, nicht widersetzt. Ich bedaure, daß Deutschland, obwohl es sein« Bereitwilligkeit erklärt, an einer Konferenz der vier oder fünf Mächte tetlzunehmen, es ablehnt, nach Genf zu gehen, und zwar aus Gründen, deren Triftigkeit schwer für mich zu entdecken ist. Ich hoffe, daß Deutschland sein letztes Wort noch nicht gesprochen hat. Die englische Regierung fährt fort, ihr Ziel zu verfolgen-, und hofft, in einigen Tagen eine weitere Erklärung ab- geben zu können.
England besteht also mit Herrwt auf Genf.
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Die „Morningpost" berichtet, Mac Donald werbe dem Ministerrat einen neuen Vorschlag in der Abrüstungsfrage und bezüglich Deutschlands unterbreiten. Am Mittwoch wird Mac Donald eine Abordnung der kirchlichen Führer empfangen und Erklärungen über die Abrüstungsfrage entgegennehmen.
Wie im Ausland gefälscht wird
Brüssel, 18. Okt. Auf einer Versammlung der Vaterländischen Verbände wurde u. a. erklärt: „Wir ruftu all', die den nationalen Willen haben, unter der Führung d>c Regierung zu kämpfen, auf, so lange auszuharren, bis "ir die Freiheit der Aufrüstung erlangt und das Dik .ck von Versailles mit dem Schandparagraphen zerbrach :i haben. — Die Regierung hat die Unterstützung aller nzl nalen Kräfte notwendig, um das Werk der Verfassung u> o der Reichsreform gut zu Ende zu sühren, dessen Krönung die Wiederherstellung des Kaiserreichs der Hohenzollern sein muß."
Der Brüsseler „Soir", das meistverbreitete Blatt in Brüssel, veröffentlichte nun die Rede des Reichskanzlers von Papen in Paderborn, sie schiebt aber mitten in den Bericht die vorstehenden Auslassung-» der Vaterlän disch en Verbände .ein.. Ds.s.Blatts ä,l s ch t affo di«.