Abwehrmaßnahme gegen italienische Devisenregelung
Berlin, 3. Okt. Die italienische Regierung hat am Samstag eine neue Devisenregelung in Kraft gesetzt, hie als gegen Deutschland gerichtet angesehen werden muß. Die Bestimmungen der neuen italienischen Devisenordnung sind bedeutend ungünstiger für Deutschland als die, die Deutschland für seinen Devisenverkehr mit anderen Ländern getroffen hat. Deutscherseits werden nach amtlicher Mitteilung Gegenmaßnahmen erfolgen. Nach der gangen devisen- und wirtschaftspolitischen Situation ist es für Deutschland nicht möglich, die Devisenregelung von der Frage abhängig M machen, ab wir mit diesem oder jenem Land freundschaftlich stehen. Für Deutschland ist nur eine einheitliche Regelung allen Staaten gegenüber denkbar. Eine Vergünstigung für einen einzelnen Staat würde dadurch sofort hinfällig gemacht, daß dann alle anderen LckNder die gleichen Bedingungen für sich in Anspruch nehmen würden. Die Frage der Devisenregelung hat mit ten augenblicklich im Gang befindlichen kontingenksvcrhündlunc>en Deutschlands nichts zu tun. Die deutsche Kommission, die zurzeit im Haag weilt, wird morgen zu weiteren Lsrhandlungsn nach Rom ab- reisen.
Aufsehenerregende Rede des badischen Staatspräsidenten
Offenburg. 3. Okt. Auf dem Parteitag der badischen Aentrumsparte: sagte Staatspräsident Dr. Schmitt in einer Rede, er wolle der Reichsregierung den guten Glauben und den guten Willen nicht absprechen, die Absetzung der preußischen Regierung vertrage sich aber weder mit dem bundesstaatlichen Charakter des Reichs, noch könne sie auf Grund des Artikels 48 der Reichs-Verfassung ausgesprochen werden. Ein Reichskommissar könne nur neben, nicht cm Stelle der Länderregierung ernannt werden, und seine Aufgabe sei nur die Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit, nicht aber auch eine Verwaltungsreform. Zur Wiederherstellung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit sei es nicht erforderlich gewesen, den preußischen Wohlfahrtsminister Hirtsiefer und seinen Ministerkollegen von der Amtsführung auszuschließen. Die Frage der Reichs- reform sei nur auf dem Weg des Volksbegehrens zu lösen. Ein Oberhaus, in dem auch Vertreter der Großstädte oder berufständischsn Organisationen sitzen, sei abzulshnen, weil dadurch der bundesstaatliche Charakter und das Wesen des Reichsrats beseitigt würde.
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Berlin. 3. Okt. In den Kreisen der Reichsregiermtg hat es- sehr sonderbar berührt, daß der badische Staatspräsident Parkeipolitik und Staatspolitik nicht auseinanderzuhallen vermöge, daß er vielmehr die Staatspolitik in das Gebiet der Parteipolitik herunterziehe. Anders können seine Ausführungen nicht verstanden werden. Die Frage des preußischen Staatskommissars stehe unmittelbar vor der Entscheidung durch das Reichsgericht, bei dem Baden ia seine Meinung vorgetragen habe. Die Auflösung des Reichstags ist nach Artikel 25 der Reichsverfassung bekanntlich vollkommen in das Ermessen des Reichspräsidenten gestellt. Im übrigen müsse mau darauf Hinweisen, daß man in diesem Punkt früher in Zentrumskreisen ganz anderer Ansicht gewesen sei.
Reichskonferenz der Bergarbeiter
Bochum, 3. Okt. Auf der Reichskonferenz des Verbandes der Bergbau-Industriearbeiter Deutschlands, die gestern hier eröffnet wurde, wies der Verbandsvorsitzende Husemann darauf hin, daß zur Zeit etwa 300 000 deutsche Bergarbeiter arbeitslos sind, während die 430 000 noch beschäftigten durchweg in Kurzarbeit stehen. Die Barverdienste der Arbeiter im Steinkohlenbergbau betrugen 1929 rund 100 Millionen Mark monatlich und seien auf 38 Will. Mark im Mai dieses Jahres zurückgegangen. Nachdem der Redner an dem Wirtschaftsprogramm der Regierung Kritik gsübt hatte, stellte er folgende Forderungen auf: Verkürzung der Arbeitszeit die Fünftagewoche, internationale Verständigung über zeit die Fünftageswoche, internationale Verständigung über Förderung und Absatzmärkte im Bergbau und Verstaatlichung des Bergbaus, ohne die eine Belebung nicht erreichbar sei.
Skadtverordnetenwahlen in Stallupönen
Stallupönen (Ostpr,), 3. Okt, Die gestrigen Ergänzungswahlen von Stadtverordneten hatten folgendes Ergebnis: Kommunisten 620 Stimmen (Reichstagswahl vom 31. Juli 1932: 503), Sozialdemokraten 200 (432), Wirtschaftliche Ein- lzeitsliste (Bürgerliche Mittelparteien) 653 (382), Nationalsozialisten 1262 (2199) Stimmen.
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Große Reformen bei der englischen Marine
London, 3. Okt, Der Marineberichterstatter des „Daily Telegraph" will wissen, di4 britische Regierung beabsichtige die Schlachtschiffe der Heimatflotte und der Mittelmeerflotte zu vereinigen und künftig in den heimischen Gewässern zusammenzuziehen. Die M i t t e l m e e r f l o t t e solle in Zukunft nur noch aus Kreuzern, Zerstörern und Tauchbooten mit mehreren Flugzeugmutterschiffen mittleren Typs bestehen. Die Größe aller Kriegsschifftypen solle nach der Ansicht der Admiralität herabgesetzt werden; sie lege mehr Wert auf die Zahl der Kriegsschiffe als auf eine gesteigerte Kampfkraft der einzelnen Einheiten. Die geplanten Aenderungen hätten allerdings die Mitarbeit der Dominien zur Voraussetzung. Kanada, Australien und Neuseeland hätten sich auf der Reichskonferenz in Ottawa bereit gezeigt, ihren Teil für die Reichsverteidigung zur See beizutragen. Es sei wahrscheinlich, daß diese drei Dominien ihre Seestreitkräfte wesentlich verstärken werden.
Die britische Seemacht sei noch immer nach einem bald nach Kriegsende aufgestellten Plan organisiert. Damals habe man geglaubt, dis Ssegewalt sei endgültig festgelegt. Aber seither sei die Stärke der britischen Marine ständig vermindert worden, während die Flotten der anderen größeren Seemächte verstärkt worden seien. In den europäischen Gewässern allein seien während dieser Zeit 150 Tauchboote, ferner 120 Zerstörer von ungewöhnlicher Größe und Kampfkraft und 41 schnelle, schwergepanzerte Kreuzer gebaut oder auf Stapel gelegt worden. Vor 10 Jahren habe die Hauptsorge dem Stillen Weltmeer gegolten, heute gebe die stetige Verminderung der Kampfkraft der britischen Flotte und die wiedersrstandene Frage der Verteidigung der heimischen Küste den Anlaß zu den von der Regierung ins Auge gefaßten Reformplänen.
Rodriguez gegen die Enzyk! ka
Rlexiko, 3. Okt. Die jüngste Enzyklika des Papstes über oie Vorgänge in Mexiko hat zu einer außergewöhnlich scharfen Erklärung des Präsidenten Rodriguez geführt, der ankündigte, er werde jede Benutzung der Kirchen für Kultzwecke untersagen, wenn sich nicht die Haltung der katholischen Kirche gegenüber dem mexikanischen Staat ändere. Die Kirchen würden in Arbeiterbiidungsschulen und Arbeiter- konsuüwerkauftstellen umgewcmdelt werden.
Landwirtschaftliche Beschwerde
Berlin, 3. Okt. Der Deutsche Landwirtschaftsrat, der Reichslandbund und die Vereinigung der deutschen Bauernvereine haben an den Reichskanzler und an den Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft ein Telegramm gerichtet, ln dem dagegen Einspruch erhoben wird, daß eine von verschiedenen Reichsministerien zu Mitteilungen benutzte Korrespondenz am Samstag Ergebnisse der Brüsseler Verhandlungen über Agrarkontingente veröffentlicht habe. Durch diese Ankündigung voraussichtlicher weiterer Zugeständnisse würden weitergehende Ansprüche der noch ausstehenden Verhandlungsgegner herausgesordert. Die zweckentsprechende Durchführung der von der Reichsregierung beschlossenen Einfuhrkontingentierung wird nach Ansicht der Verbände durch die Veröffentlichung gefährdet.
Gemelnderalswahlen in Köppelsdorf in Thüringen
Konneberg, 3. Okt. Obwohl im Dezember in Thüringen allgemeine Geme'inderatswahlen stattfinden, mußte am Sonntag in der Gemeinde Köppelsdorf bei Sonneberg der GemeiNderat neu gewählt werden, da der alte wegen Streits mit dem Staatsbeauftragten aufgelöst worden war. Die Wahlen erfolgten bei sehr schwacher Beteiligung, und es wurden abgegeben für die Nationalsozialisten 492 (822 bei den letzten Reichstagswahlen), Bürgerliche 215 (116), SPD. 26" (450), Kommunisten 643 (846).
Mirllembera
Stuttgart, 8. Oktober.
Glückwünsche an hindenburg. Zum 85. Geburtstag des s Reichspräsidenten sandten die Landeshauptstadt Stuttgart und der Württ. Städtetag durch Oberbürgermeister Dr. Lautenschlager herzliche Glückwünsche nach Berlin.
Rettungsmedaille. Der Staatspräsident hat der Haustochter Anna Ri eg in Lauchheim, OA. Ellwangen, dis Rettungsmedaille verliehen.
Prüfung der Suczschrifklehrer. Die nächste Prüfung für Kurzschriftlehrer nach der Prüfungsordnung vom 22. März 1927 (Einheitskurzschrift) wird bei genügender Beteiligung Ende November 1932 abgehalten werden. Vorsitzender des Prüfungsausschusses ist Oberregierungsrat Stroheker.
1-ieki Ewigkeit
Roman von Erich Kunter.
LS. Fortsetzung Nachdruck verboten.
Der erste Schauspieler ließ sich gnädig in literarische Gespräche mit dem Autor ein: Constanze, welche die weibliche Hauptrolle hatte, war überzeugt, darin ihren künstlerischen Ruhm zu steigern.
Der Regisseur Naumann fluchte das Blaue vom Himmel herunter, was als Zeichen dafür galt, daß ihn seine Aufgabe reizte und er sich einen großen Erfolg von der Aufführung versprach, wenigstens was deren regietechnische Seite anbetraf.
Den literarischen Wert eines Dramas hielt er für wenig wichtig. Er gehörte zu der Sorte von Theaterleuten, die behaupten, das Theater sei der Regiekunst wegen da, nicht aber, um dem Publikum Werte von hohem dichterischen Wert zu vermitteln. Ob Schillers „Teil" oder „Das weiße Rößl" gespielt wurden, blieb sich im Grunde genommen gleich, wenn nur der Regisseur mit seinen Schauspielern eine tiptope Aufführung herausbrachte.
Der Theaterdirektor mußte nach altem Herkommen in seinem Beruf skeptisch erscheinen und äußerte seine Bedenken über die Durchschlagskraft des Stückes.
„Wir müssen unsere ganze Autorität in die Wagschale legen, mein Sohn", sagte er gewichtig, „um wenigstens einen Achtungserfolg für Ihren Erstling herauszuschlagen. Sie müssen eben bedenken ... Na, lassen Sie mich man machen. Ich werde den Karren schon durch alle Klippen und schwachen Stellen Ihres Stückes Hindurchsteuern. Also, seien Sie unbesorgt I"
„Lassen Sie sich von dem Buxhorn nicht ins Bockshorn jagen", stel Hans Heinrich Franke mit dem allbeliebten Zitat ein; und die Gesellschaft, die jetzt vollständig im Wintergarten versammelt war, sah belustigt auf den Theaterdirektor.
Zwei in diesem Kreis unbekannte Gäste kamen noch hinzu. Bert Brilon hatte sie mit Erlaubnis Constanzes eingeladen; es waren der Justizrat Spighel und Kalkhoff, der Redakteur von den „Monatsblättern für Kunst und Theater", an denen Brilon lange Jahre Mitarbeiter gewesen war.
Voll aufrichtiger Freude begrüßte der alte Freund und Gönner den abtrünnig Gewordenen und reichte ihm mit großer Herzlichkeit die Hand.
„Also dahin hat sie Ihre große Reise geführt? Sie Ausreißer! Und mir machte er zerknirscht von der „Heimkehr des verlorenen Sohnes" etwas weis!"
Er drohte humorig mit erhobenem Zeigefinger.
„Seine Freunde sorgen sich ab um ihn und vermuten, daß er sklavisch in dem Unternehmen seines Vaters frone . . . und dabei sitzt er kreuzfidel in einem wahren Dichterschloß und sonnt sich bereits im Vorruhm großer Taten! Aber sagen Sie mal: Waren Sie eigentlich bei Ihren Eltern in Kirchheim? Oder wollten Sie mir neulich nur etwas vorflunkern?"
„Ich war tatsächlich in Kirchheim" antwortete Bert Brilon bleich und ruhig. Er merkte, daß das Gespräch für ihn eine gefährliche Wendung annahm. „Aber ich konnte mich nicht entschließen, zu meinen Eltern zu gehen und fuhr noch am gleichen Tag zurück."
„Verzeihen Sie!" mischte sich hier Andermatt in das laut und offen geführte Gespräch, „wenn ich recht hörte,
Deuischnatloiiale Tagung
Stuttgart, 3. Okt. Die Abgeordneten der Deutschnationalen Volkspartei aus Baden, Bayern und Württemberg, Rheinpfalz und Sachsen versammelten sich gestern mit dem Landesvorstand Württemberg in Stuttgart zu einer Arbeitstagung. Neben der eingehenden Besprechung organisatorischer Fragen wurde vor allem die politische Lage behandelt. Der Laridesvorsihende Württembergs, Rechtsanwalt Zirzel, der zunächst Hindenburgs Geburtstag gedachte, gab einen anschaulichen Bericht über die Ereignisse der vergangenen Wochen. Es sprachen dann u. a. Reichs- tagsabgeordneker Dr. Wider und Finanzminister Dr. Dehlinger. Einstimmig wurde eine Entschließung angenommen, in der es u. a. heißt: Solange die Regierung Papen auf dem eingeschlagenen Weg zur inneren und äußeren Befreiung Deutschlands weitergeht, wird dis Deutschnationale Bolkspartei sich hinter sie stellen, ohne irgendwelche Bindungen einzugehen und ohne daraus zu verzichten, für notwendige Verbesserungen, namentlich des sozialpolitischen Programms der Regierung, sich mit allein Nachdruck einzusetzen. Die reine Parteipolitik des neudeutschen Parlamentarismus muß abgelöst werden durch eine wahrhafte Staatspolitik unter der Führung einer vom Parlament und den Parteien unabhängigen Regierung. Dieses Ziel ist der Sinn der Wahl am 6. November.
Stuttgart, 3. Oktober.
Die Nationalsozialisten fordern Aufhebung der Schlachk- skeuer. Wie der ,,NS.-Kurier" mitteilt, hat die Landtagsfraktion der Nationalsozialisten im Landtag einen Antrag eingebracht, die Schlachtsteuer in Württemberg sofort aufzuheben.
Eröffnung des Gustav-Siegle-Alkersheims. Vor eine: kleineren Kreis geladener Gäste wurde heute vormittag de neue städtische „Gustav-Siegle-Altersheim", Reinsburgstraß Nr. 39, feierlich eröffnet. Dem Festakt wohnte auch Frei frau Dora v. Gemmingen-Hornberg, geborene Siegle, bei, die die im Jahr 1870 in italienischem Stil erbaute Villa ihres Vaters, des verstorbenen Geh. Kommerzienrats Dr. Gustav von Siegle, nebst einem Jnstandsetzungskostenbeitrag von 30 000 Mark mit der Zweckbestimmung, in der Villa ein Altersheim für pflegebedürftige Personen einzurichten, der Stadt Stuttgart geschenkt hatte.
Hilfsmaßnahmen für wohnungslose Reichsbedienstete. Der
Reichsarbeitsminister hat Bestimmungen erlassen, nach denen zur Gewinnung von Wohnungen für wohnungslose Reichsbedienstete (Beamte, Angestellte, Arbeiter des Reichs) durch Teilung größerer Wohnungen Beihilfen gegeben werden. Die Beihilfe beträgt grundsätzlich die Hälfte der Umbaukosten. Anträge auf Gewährung derartiger Beihilfen sind an die Landesfinanzämter zu richten.
Vom Tage. In Cannstatt brachte sich eine 59 I. a. Frau, die an geistigen Störungen leidet, in selbstmörderischer Absicht mit einer Schere eine starke Schnittverletzung am Hals bei. Sie wurde in ein Krankenhaus verbracht; Lebensgefahr besteht nicht. — Am Sonntag wurde aus dem Neckarkanal bei der Straußschen Fabrik in Untertürkheim die Leiche einer seit zwei Tagen vermißten 46 I. a. Frau aus Stuttgart geländet. — Mittags um 12 Uhr erhängte sich im westlichen Stadtteil ein 24 I. a. Mann, der unter Schwermutsanfällen litt. — Nachmittags wurde im Hofraum eines Hauses der Neckarstraße ein 21 I. a. Dienstmädchen von ihrem Liebhaber, einem 20 I. a. Ausläufer, aus Eifersucht mit einem Taschenmesser mehrmals in die Brust gestochen. Die Verletzungen sind nicht lebensgefährlich. Der Täter ist festgenommen.
Die 37. Generalversammlung des Deutschen Staaks- bürgerinnenverbands findet vom 6. bis 8. Oktober 1932 in Stuttgart statt. Sie beginnt mit einer „Kommunalpolitischen Tagung". Die Generalversammlung selbst beschäftigt sich mit den grundsätzlichen „Grundlagen für die Mitarbeit der Frau am Staat" und „Das Recht auf Arbeit".
Jahresversammlung der würkk. Bezirksschulräte. Am 26.
September hielt die Vereinigung der Bezirksschulräte Württembergs in Stuttgart unter sehr starker Beteiligung ihre Jahresversammlung ab. Ministerialrat Löffler sprach über „Schulabbau und Schuiaufbau". Es könne gesagt werden, daß sich der Abbau an der württ. Volksschule in erträglichen Grenzen gehalten habe. Da die Zahl der Schüler im neuen Schuljahr gegenüber dem Vorjahr eine ziemlich starke Vermehrung gezeigt habe, so sei an solchen Schulen, die vorher schon überfüllt gewesen seien, ein Aufbau, d. h. die Errichtung neuer Lehrstellen notwendig geworden. Angesichts der schweren Notlage unserer Zeit sehe sich die Unterrichtsver- waltung gezwungen, von weiteren Aufbaumaßnahmen organisatorischer Art und somit auch von der Einführung des 8. Schuljahrs im Frühjahr 1933 abzrffehen. Nach diesen
wollten Sie Ihre Eltern in Kirchheim besuchen. Ist dieses Kirchheim jenes kleine Städtchen im Schwäbischen?"
„Ja", erwiderte Bert Brilon kurz und wandte sich ab.
Plötzlich aber kam eine wilde, fast wahnsinnige Tollkühnheit über ihn. Er konnte dem über ihn hereinbrechenden dunklen Reiz, sich unmittelbar in die furchtbarste Gefahr zu begeben, nicht widerstehen. Hatte sich die Kette um ihn geschlossen? Wer wollte ihm etwas beweisen? Trotzig reckte er sich. Er wollte mit offenen Karten spielen und damit seine Häscher bluffen.
In einem kleinen Nebenraum erblickte er jetzt Andermatt allein, im Betrachten eines Bildes scheinbar vertieft.
„Herr Andermatt, haben Sie einen Verwandten in Ro- xingen wohnen?" redete er den Deutschamerikaner an. „Mir fiel eben ein, daß ich einen Andermatt in Roxingen, das nicht weit von meinem Heimatstädtchen Kirchheim entfernt liegt, kenne."
„So, dann wissen Sie vielleicht auch, Herr Brilon, daß eben jener Andermatt — mein Stiefbruder Christof — vor kurzem ums Leben kam?"
„Wie? — Woher soll ich das wissen?" fragte Bert Brilon, durch den ernsten, wägenden Ton des anderen in Verwirrung gebracht."
„Nun, ich dachte, Sie hätten mindestens in der Zeitung von dem Mord an meinem Stiefbruder gelesen, wenn Sie nicht etwa auf andere Weise davon Kenntnis erhielten. Man ist doch gewöhnlich über das, was in der Heimat geschieht, ziemlich genau unterrichtet. Aber sagen Sie mir, kannten Sie meinen Stiefbruder näher?"
„Nein, überhaupt nicht. Ich war nur mit dem Sohn Ihres Bruders befreundet, der mit mir studierte."
(Fortsetzung folgt.)