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Nummer 104 Fermms ns
Freitag, den 6. Mai 1932
Fernruf 479 67. Jahrgang.
Der RMitt WambM
Berlin, 5. Mai. Uebereinstimmend wird von der Presse festgestellt, daß dem Rücktritt des Reichswirtschaftsministers Prof. Dr. War mb old mehr als persönliche Bedeutung zukommt. Während aber von der einen Seite die Meinung ausgesprochen wird, daß von einer eigentlichen Kabinettskrise nicht gesprochen werden könne und die politische Linie des Kabinetts Brüning wohl keine Aenderung erfahren werde, wird von der andern Seite behauptet, ein Systemwechsel sei unausbleiblich in dem Sinn, daß der Reichskanzler und der Reichsarbeitsminister sich von der bisherigen Beeinflussung durch die Sozialdemokratie und die Gewerkschaften befreien müsse, sonst werde das ganze Kabinett ins Wanken kommen. t
So viel steht fest, daß der Kampf Warmbolds, der vor einem starken halben Jahr das Reichswirtschaftsministerium im umgebildeten Kabinett Brüning übernahm, schon mehrere Monate der nach seiner Meinung verfehlten Politik des Reichsfinanzministers Dietrich galt, namentlich hielt er verschiedene Notverordnungen, vor allem dis Erhöhung der.Umsatzsteuer, für eine schwere Schädigung der Wirtschaft: überdies war er mit der optimistischen Beurteilung der Finanzlage durch Dietrich und mit dem Reichshaushaltplan nicht einverstanden. Die letzte große Notverordnung vom 8. Dezember 1931, die u. a. die Umsatzsteuererhöhung enthielt, trug nicht die Unterschrift Warmbolds, weil er für die Verordnung nicht die Verantwortung übernehmen zu können glaubte.
Bekannt ist ferner, daß es auch zwischen Warmbold und dem Reichsarbeitsminister Stegerwald zu tiefgreifenden Meinungsverschiedenheiten gekommen ist. Der Reichswirtschaftsminister erklärte die Vorschläge Stegerwalds bzw. der Gewerkschaften bezüglich der Einführung der 40-Stun- denwoche und der Prämienanleihe für Arbeitsbeschaffung für eine künstliche Regelung der Wirtschaft, die praktisch zü einer neüchi Knebelung statt zur Befreiung der Wirtschaft! führen müsse und finanziell unmöglich sei. Die Arbeitsbeschaffungspläne finden aber andererseits die lebhafte Unterstützung des Reichsfinanzministers. So wurde Warmbold in der letzten Zeit in den Ressortberatungen mehr und mehr ausgeschaltet, und sein Rücktritt lag daher nahe.
Prof. Dr. Warmbold kam aus einer leitenden Stellung in der IG. Farbenindustrie AG., als er ins Aeichskabinett berufen wurde. Sei Ausscheiden unter den gegebenen Verhältnissen wird daher vielfach auch als eine Kampfansage der Industrie gegen die Reichspolitik ausgelegt. So erklärt der Gesamtausschuß des Hansabunds, er befinde sich im grundsätzlichen Gegensatz zu den heutigen Zeitströmungen und weigere sich, mit den kollektivistischen Bestrebungen ein Kompromiß zu schließen. In allen Wirtschaftsgruppen sei eine Verkürzung der Arbeitszeit ersolgt, kaum in einer einzigen Gruppe werde überhaupt noch 40 Stunden gearbeitet. Es sei also völlig sinnlos und nütze die Arbeitslosen nichts, die 40-Stundenlvoche durch Notverordnung zu verfügen. Die steuerfreie Prämienanleihe aber bedeute eine neue Hin- Leitung von-Kapitalien aus der privatwirtschaftlichen in dis taatswirtschaftliche Hand. Dabei müßten die Zeichner die- er Anleihe'mindestens für die nächste Zeit die Zinsen für ihre Papiere selbst durch Steuern aufbringen. Es werde nicht gelingen, die 1200 Millionen aus dem Volk herauszulocken.
Diese recht unfreundliche Kritik, die man, wie gesagt, kaum anders denn als Kampfansage bezeichnen kann, gibt dem Wechsel im Reichskabinett eine besondere Note, denn sie ist wohl als die Meinung in weiten Kreisen der Industrie aufzufassen. Wie sich die Reichsregierung demgegen- über stellen wird, wird durch die Berufung des Nachfolgers Warmbolds ersichtlich werden. Selbstverständlich darf dieser Posten nicht verwaist bleiben, und es wird davon gesprochen, daß der Leipziger Oberbürgermeister Dr. G ö r- deler, der die Zwangspreissenkung durchzuführen hatte, oder Staatssekretär v. Trend elenburg als Wirtschaftsminister ausersehen sei. Wahrscheinlich wird keine Persönlichkeit berufen, die in den schwebenden großen Fragen mit der Politik des Reichskabinetts nicht durchaus einig ginge.
Noch kerne Umbildung des Reichskabinetts
Berlin, 5. Mai. Wie von unterrichteter Seite mitgeteilt wird, hat die einstündige Besprechung des Reichskanzlers mit dem Reichspräsidenten die Uebereinstimmung ergeben, daß «ine Umbildung des Reichskabinetts im gegenwärtigen Augenblick nicht zweckmäßig sei. Eine Entscheidung könne erst getroffen werden, wenn die Regierung s verhält nisse in Preußen geklärt seien.
Drei Notverordnungen
Berlin, 5. Mai. Das Reichskabinett hat sich am Dienstag und Mittwoch mit den neuen Notverordnungen beschäftigt, von denen die beiden ersten gegen die „militär- Kbnlichen 9 roanifatiorlen" Md gegen hie kommu.
lagesspiegel
Die Nationalsozialisten wünschen die Auflösung des Stadt- rats in Nürnberg durch ein Volksbegehren.
Das Wahlprüfungsgericht hak die von nakionalsozialisti- scher Seite wegen verschiedener amtlicher Verstöße angefoch- tene Wahl Hindenburgs zum Reichspräsidenten für gültig erklärt, da die Verstöße bei dem großen Stimmenvorsprung Hindenburgs vor Hitler keinen wesentlichen Einfluß hätten ausüben können. Der Reichsinnenminister gibt in einer Bekanntmachung von dem Urteil Kenntnis.
Die Reichseinnahmen an Stenern und Zöllen betrugen im Rechnungsjahr 193K32 7787 Milk. Mk. gegen 9025 Milk Mk. im Vorfahr.
Zum Präsidenten der oskvreußischen Landwirtschafts- Kammer wurde der Nationalsozialist Frhr. v. Buttlar-Burkhard gewählt.
Der badische Innenminister hak das Kundgebungsoerbok durch Verordnung bis zum 30. September verlängert.
Im Flottcnausschuß der Abrüstungskonferenz forderte der deutsche Vertreter die Abschaffung der Tauchboote.
uistischen Gottlosen verbände bereits die Unterschrift des Reichspräsidenten erhalten haben und am 4. Mai veröffentlicht worden sind. Die dritte und wichtigste Notverordnung über die Arbeitsbeschaffung bezw. die 40-Stundenwoche, Siedlung und Prämienanleihe hat noch nicht alle Schwierigkeiten überwunden, ihre Unterzeichnung und Veröffentlichung ist aber demnächst zu erwarten.
Ueberwachung politischer Verbände
Alle politischen Verbünde, die militärähnlich organisiert sind oder sich so betätigen, sind henke durch eine Verordnung des Reichspräsidenten der Kontrolle des Reichsministers des Innern unterstellt worden.
Diese Verordnunq gib: der Reichsregier.ing die Möglichkeit. alle in Betracht kommenden Organisationen entsprechend ihrem verschiedenartigen Charakter zu überwachen und sie aufzulösen, falls sie den Versuch machen würden, die Autorität des Staats zu untergraben.
Auf Verlangen müssen diese Verbände dem Reichsminister des Innern ihre Satzungen zur Prüfung verlegen. Sie sind zu jeder Satzungsänderung verpflichtet, die der Reichs- minister des Innern zur Sicherung der Staaksaukorität für erforderlich hält. Verbände, die den Anordnungen de» Relchsmimslers des Innern zuwiderhandeln, können von dlefem aufgelöst werden. Gegen die Anordnung zur Auflösung kann Beschwerde eingelegt werden, die vom Reichsgericht entschieden wird. §
Auflösung der Gottlosenorganisationen
Durch eine weitere Verordnung des Reichspräsidenten sind die kommunistischen Goktlosenorganisakionen mit sofortiger Wirkung für das ganze Reichsgebiet aufgelöst worden. Der Auflösung verfallen: Die Internationale proletarischer Freidenker (Sitz der Exekutive Berlin) und die ihr Nachgeordneten oder angeschlossenen kommunistischen Frei- denkerorganifakionen, insyesondere der Verband proletarischer Freidenker Deutschlands, einschließlich der proletarischen Freidenkerjugend, der Freidenkcrpioniere und der Frauenkommissionen, sowie die Kampfgemeinschaften prolekarischer Freidenker. Auch die Einrichtungen, die diesen Organisakionen gehören, einschließlich der Verlagsbelriebe, sind von der Auflösung betroffen.
Diese Verordnung ist notwendig, da angesichts des herausfordernden Auftretens der Goktlosenorganisationen die Bestimmungen der Verordnung gegen politische Ausschreitungen vom 2s. März 1931 nicht mehr ausreichten. '
Durch die Auflösung dieser Organisakionen soll der ko,., nunisiische GoMosenpropaganda, die dazu bestimmt Ist, zur Vorbereitung der bolschewistischen Revolution christliche Kultur und Sitte W untergraben, der Boden entzogen werden. Diese Maßnahme ist auch geboten zur Wahrung der durch die Reichsverfossung garantierten Glaubens- und Gewissensfreiheit gemäß Artikel 135, durch den die Religionsfreiheit ausdrücklich gewährleistet und unter staatlichen Schuh gestellt ist. _,
Reite Nachrichten
Keine 12jährige Dienstzeit mehr?
Berlin. 5. Mai. In politischen Kreisen hat ein lebhafter Meinungsaustausch statt-gesunden über die vom Londoner „Observer" gebrachte Mitteilung, Brüning habe in seinen Genfer Besprechungen u. a. eine Herabsetzungder Dienstzeit bei der Reichswehr angeregt. An-, geblich soll Deutschland angeboten haben, seinen derzeitigen Rüstungsstand bis zu der in einigen Jahren stattfindenden zweiten Abrüstungskonferenz nicht zu erhöhen unter der Be- dingung, daß Deutschland dafür von gewissen technischen Bestimmungen de? Versailles DiktM ühex D unalefckf AL«
rüstung befreit werde. Dahin gehört auch die Rekrutierung der Reichswehr auf Grundlage der zwölfjährigen Dienstzeit. Brüning soll darauf hingewiesen haben, daß eine derart lange Dienstzeit die Soldaten für den nachherigen Zivil» beruf untauglich mache.
Das Urteil im Fürstenwalder Zersetzungsprozeß
Leipzig, S. Mai. Im Fürstenwalder Zersetzungsprozey wurden vom Reichsgericht verurteilt: Willy Schulz zu drei Jahren Zuchthaus und zehn Jahren Ehrenrechtsverlust, neun Angeklagte zu Festungsstrasen von IS Monaten bis zu zweieinhalb Jahren. Der frühere Obergefreite Fritz Engwicht vom Reiterregiment 9 in Fürstenwalde erhielt eine Gefängnisstrafe von zwei Monaten. Die Platten und Formen für die beschlagnahmten Zersetzungsschristen „Der rote Reiter" und „Der rote Flitzer", Zeitung der Unterbeamten der Polizeiunterkunft Wrangelstraße, sind unbrauchbar zu machen.
Nach der Urteilsverkündung kam es zu einer k o m in u- nistischen Kundgebung im großen Sitzungssaal des Reichsgerichts. Von seinem Sitz aufspringend, rief der Angeklagte Arndt: „Trotz Klassenjustiz ein dreifach kräftiges Rotfront." Ein Teil der Angeklagten und Zuhörer stimmte in den Ruf ein. Der Vorsitzende verhängte darauf gegen die Angeklagten Arndt, Schulz und Sludareck, sowie gegen eine Person aus dem Zuhörerraum sofort zu vollstreckend« dreitägige Haftstrafen wegen grober Ungebühr vor Gericht.
Der Skrasanzeigeanlrag gegen Frick abgelehnk
Weimar. 5. Mai. Der Untersuchungsausschuß des Land- tags wegen der versuchten Anstellung Hitlers im thüringischen Staatsdienst durch den früheren Minister Dr. Frick hat den sozialdemokratischen Antrag einer Strafanzeige gegen Dr. Frick abgelehnt.
Nur ein Minister in Anhalt
DZsau, 5. Mai. Die Rechtsparteien des anhaltischen Landtags (Nationalsozialisten, Deutschnationale und Stahlhelm, Deutsche Volkspartei und Hausbesitz) haben sich über die politischen Fragen zur Regierungsbildung einstimmig geeinigt. Es wurde u. a. beschlossen, dem Landtag einen Gesetzentwurf vorzulegen, daß Anhalt nur noch einen Minister haben soll statt bisher zwei. Als Minister wurds von den Nationalsozialisten der Regierungsrat a. D. Rechts, nnwalt und Notar Freyberg- Quedlinburg vorgeschlagen, dessen Wahl gesichert ist.
kein Zusammengehen der Miike in Oldenburg
Oldenburg, 5. Mai. Der Landesverband der Deutschen Bolkspartei hat ein Zusammengehen mit der Wirtschaftspakte! und der Staatspartei bei den bevorstehenden Landtagswahlen abgelehnt. Der bisherige Abgeordnete Har- tong ist a- s der Volksw,tei ausgetreten und wird sich soraussichllich l..i Dcutschnationalen anschließen.
Danzig verteidigt seine Zollverwaltung
Scharfe Abwehr polnischer Anmaßung
Danzig, 5. Mai. Die Pressestelle des Senats meldet u. a.k Der Senat der Freien Stadt Danzig hat am 2. Mai dem Hohen Kommissar des Völkerbunds seine Antwort auf den polnischen Antrag auf Auslieferung der Danziger Zollverwaltung an Polen zugehen lassen.
Der polnische Antrag ist rechtlich unzulässig und saAiH unbegründet. Rechtlich steht er im Widerspruch zu den Per-; trägen von Versailles und Paris, nach denen zwar das polnische Zollrecht und der polnische Zolltarif in Danzig gelten, die Verwaltung aber in der Hand der Freien Stadt Danzig bleiben sott. Sachlich versuchte die polnische Regierung di« Wiederaufnahme ihrer alten Forderung mit dem Vorwurf, zu begründen, daß die Danziger Zollverwaltung „die Einheit des Zollrechts und des Zollgebiets der Danzig-polnischen Zollunion störe".
Nicht Danzig ist der Störer dieser Einheit. Danzig hat seine Pflichten auf dem Gebiet des Zollwesens mit unerwiderter Loyalität erfüllt. Es ist der polnischen Regierung in zehnjährigem Bestehen des Zollvereins nicht gelungen, auch nur einen einzigen Fall des angeblichen „Ungehorsams" gegen das für Danzig verbindliche polnische Zollrecht aufzudecken. „Ungehorsam" ,st die Danziger Zollverwaltung nur solchen polnischen Anweisungen gegenüber gewesen, mit denen die polnische Regierung ihrerseits versucht hat, völkerrechtswidrige und vertragswidrige Forderungen zu stellen. Das polnische Finanzministerium hat z. B. verlangt, daß. die Danziger Zollverwaltung außer zollgesetzlichen Maßnahmen rein wirkschaftspolitische, gesundyensvolljelllch«. ficherheikspolizeiliche und pressepolizeiliche Befehle Polens durchführe.
Das polnische' Finanzministerium glaubt ferner, Meinungsverschiedenheiten über di« Auslegung der Danzig- polnischen Verträge, deren Entscheidung dem Hohen Kommissar des Völkerbunds zusteht, selber entscheiden und damit der Entscheidung des Hohen Kommissars vorgreisen zu können.
Danzig hat keine Opfer und Bemühungen gescheut, di« Einheit de« Zollrechts M. de« tvr DanM-pob