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Druck, Verlag und.Schriftleitung: Theodor Gack, Wildbad i. Schw„Wilhelmstr-ß- 8S, Telephon 17». - Wohnung: Hau- Vollmer.
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66. Jahrgang.
Samstag den 22. August 1931
Fernruf 479
Nummer 195
Fernruf 479
Kriegsschuldlüge und Reparationen
Nicht selten hört man bei uns — im Ausland viel weniger oder gar nie —: Ob die Kriegsschuldlüge steht oder fällt, Reparationen müssen wir sowieso bezahlen, einfach, well wir den Krieg verloren haben. Und doch darf man nur den Artikel 231 des Friedensvertrags von der „Alleinschuld Deutschlands" lesen, und wie dieser klipp und klar uns in den folgenden Artikeln Reparationen begründet. Abgesehen davon, daß, wie in diesen Blättern schon dutzendmal zitiert wurde, Poincare und Lloyd George — und die müssen es wissen — wiederholt erklärt haben, Deutschland hat zu zahlen, weil es allein jchuld am Ausbruch des Weltkriegs, des größten Verbrechens der Geschichte, ist.
Es ist wertvoll, daß gerade jetzt wieder die französische Presse diesen Zusammenhang mit aller Deutlichkeit an den Pranger der Oeffentlichkeit stellt. So sagte der Finanzminister Flandin am letzten Sonntag zu einem Vertreter des „Echo de Paris": „Was den französischen Anteil an den Reparationen angehe, so wisse man, daß er nicht einmal die Zerstörungen decke (die bekanntlich schon längst beglichen sind), die durch den Krieg und besonders durch einen systematischen und gewollten Vernichtungswillen hervorgerusen worden sind. Niemand in Frankreich habe daher auch nur daran gedacht, daß die französische Regierung aus ein Recht verzichten könne, das nicht nur im Versailler Vertrag verbrieft sei, sondern auch den Willen der Gerechtigkeit (!) zum Ausdruck bringe."
Ja, der berühmte Sozialistenführer Leon Blum erklärte aus Anlaß der Hooverschen Botschaft am 27. Juni in der Kammer:
„Die deutsche Reparationsverpflichtung kann nicht bestritten werden. Aber wir dürfen diese Reparationen nicht als Kriegstribute bezeichnen lassen. Deutschland schuldet uns diese Zahlung nicht, weil es besiegt wurde, sondern weil es der Urheber der angerichteten Schäden i st. Das ist für uns ein Grundsatz des privaten Rechts. Wenn die Staaten als Gläubiger auftreten, so erleben wir zum erstenmal in der Geschichte, daß die Staaten an die Stelle von Privatpersonen treten, aber die wirklichen Gläubiger sind die Privatpersonen."
Und damit über diesen allgemein anerkannten französischen Standpunkt keinerlei Zweifel möglich ist, sei hier der frühere Ministerpräsident und Führer der radikal-sozialistischen Partei Herriot noch zitiert. Er erklärte am 28. Juni (nach dem Temps): „Durch die Schritte, die Deutschland bei den Vereinigten Staaten unternommen hat, will es allem Anschein nach die Reparationen liquidieren. Es will dies nicht nur wegen gewaltiger materieller Vorteile, die sein metaphysischer Geist nicht verachtet, sondern um sich gleichzeitig von der Last zu befreien, die so schwer auf ihm ruht, der Verantwortlichkeit. Sehen wir uns vor: Die Reparationen opfern, das heißt, nicht nur unser klarstes Recht aufgeben, das würde auch bedeuten, die Unschuld unseres Landes in Zweifel zu ziehen."
Also, das „unschuldige" Frankreich hat natürlich den Krieg weder „vorbereitet" noch „gewollt". Die französischen Kanonen haben, wie die „Kölner Zeitung" (27. Juni) ironisch schreibt, „nicht mit Granaten, sondern mit Schokolade geschossen". Die „Reparationen" sind keine „Tribute", sondern eine „geheiligte Schuld" (Wilson).
Und da gibt es noch Leute bei uns, die behaupten, bei deb Kriegsschuldsrage handle es sich nur um eine Ehrenfrage, um. einen Makel auf Deutschlands Ehrenschild l Nein, Frankreich sieht das ganz anders an: die Kriegsschuldfrage ist eine Rechtsfrage. Darum wehrt sich Frankreich mit Haut und Haar gegen jede Revision des Artikels 231. Denn es weiß ganz gut, daß mit Artikel 231 di« Reparationen stehep und fallen.
Neue Nachrichten
Besprechungen des Reichskanzlers mit Vertreter! des Mittelstands
August. Reichskanzler Dr. Brüninq hiel AUte Besprechungen mit den Vertretern des Mittelstand , EEtags empfing der Kanzler den Vorsitzenden de Hausbesitzervereine, Humar-Mnn A°". Dr. Meu ch als Vertreter des Handwerks. Au wurden die Besprechungen mit dem Empf.nn fortgeführt ^^ ^ Vertreter des Einzelhandel
Reichsreform durch Notverordnung!
HAugust. Der preußische Finangminister Di 7 ^,,^ ^ m osf veröffentlicht im neuesten Heft de Eswirt" den Entwurf zur Reichsreform, de ib Länderkonferenz ausgearbeitet morde'
^ Hopker-Aschpff macht dazu folgend« Vorschläge;
lagersviegel
Die Einberufung des preußischen Landtags ist gesichert, da voraussichtlich die Kommunisten den deuischnationalen Antrag unterstützen und somit das erforderliche Fünftel (90) der Abgeordneten erreicht ist. Deutschnationale und Nationalsozialisten haben zusammen 76 Abgeordnete. Der Landtag dürste Ende August oder Anfang Sepien,der zusammen- treten.
3m Zusammenhang mit der Verhaftung eines Kommunisten in Neuenhagen wurden im Keller eines Hanfes in Berlin 5 Kisten voll Pistolen, eine Menge Munition, Sprengstoffe usw. entdeckt.
3n der Wohnung eines Schießmeisters bei Halle, der der kommunistischen Parkei angchörk, wurden 33 Kg. Dynamik gefunden.
Die Ernennung des Unkerstaakssekretärs Abg. Francois- Poncek zum französischen Botschafter in Berlin wurde am 20. August vollzogen.
Die Regierung in Argentinien hak die sowjetrussische Handelsvertretung „lluyamtorg" wegen kommunistischer Werbung aufgelöst.
Der preußische Innenminister solle gleichzeitig Reichsinnenminister sein. Das Reich übernehme die Polizeiverwaltung und die Gemeinde- aufsicht in Preußen. Das könne durch Notverordnungverfügt werden, weil der Artikel 48 „in Notzeiten" dem Reichspräsidenten das Recht gebe, nicht nur die Befugnisse des Reichsgesetzgebers und des Landesgesetz- ebers auszuüben, sondern auch die Landesverwaltung an ich zu nehmen. Da sin verfassungsmäßiges Gesetz, das die Verfassung so stark ändere, Monate erfordern würde, und ein sofortiges Handeln geboten sei, seien die Voraussetzungen des Artikels 48 für eine vorläufige Regelung bis zur Verabschiedung des versassungsändernden Reichsgesetzes gegeben (?). Der Reichsjustizminister habe die preußische Justizverwaltung zu übernehmen. Auch dies könne durch Notverordnung verfügt werden in der Form, daß die Reichsregierung die Leitung der Justizverwaltung in Preußen ausübt. Die preußische Steuerverwaltung gehe auf das Reich Mer. Dieser Aebergang könne auf Grund der Reichsabgabenordnung durch einen preußischen Antrag ohne weiteres' herbeigeführt Werden. Der Reichsinnenminister und der Reichsjustiz- jmimster würden alsdann gleichzeitig Mitglieder des preußischen Kabinetts fein, und der preußische Ministerpräsident müßte als Vizekanzler in das Rei^- kabinett eintreten. Diese wechselseitigen Gestellungen sollen ohne Gesetzes änderung vor sich gehen.
. Reichsminister Dr. Wirth teilt mit, daß im Reichsinnen- ministerium ein «Referenten-Entwurf" Mer die Reichsreform auf Grund der Beschlüsse der letzten Länderkonferenz ausgearbeitet worden sei, der aber keinerlei politische Bedeutung habe. Er (Wirth) habe die politische Entscheidung noch nicht getroffen, der Entwurf habe auch dem Kabinett nicht Vorgelegen.
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Wie in politischen Kreisen verlautet, trägt man sich im Relchsstnanzministeriuin mit der Absicht, die bestehende Kapitalflucht-Verordnung aufzuheben und durch eine neue zu ersetzen. — Die jetzige Verordnung ist von sehr mäßigem Erfolg begleitet gewesen, wohl weil man zu viel von ihr erwartet hatte.
Einberufung des preußischen Landtags beantragt
Berlin, 21. August. Die deutschnationale und national- sozialistische Fraktion des preußischen Landtags haben folgenden Antrag eingebracht: Nach Pressemeldungen hat der preußische Finanzminister Höpker-Aschoff dem Reichsminister des Innern einen Gesetzentwurf eingereicht, der in seinen Grundgedanken die Zerschlagung Preußens bedeutet. Gleichzeitig ist bekannt geworden, daß der Vorschlag die Durchführung dieses Gesetzentwurfs durch Notverordnung mit Hilfe des Artikels 48 der Reichsverfassung vorsieht. Angesichts der daraus erwachsenden Getahr für die Existenz Preußens beantra- gen wir die sofortige Einberufung des preußischen Landtags.
Behauptungen zum Jüterbog-Anschlag
Der „Angriff" erneuk verboten
Berlin, 21. Aug. Die nationalsozialistische Zeitung „Angriff" in Berlin ist auf Grund der Pressenotverordnung vom Polizeipräsidenten Grzesinski bis 26. August verboten worden. Das Blatt hatte geschrieben, der Anschlag auf den Schnellzug bei Jüterbog am Vorabend des preußischen Volksentscheids sei wahrscheinlich Reichsbannerkreisen znzuschreiben, die ein Interesse daran gehabt hätten, den Volksentscheid zu stören. Anders sei die auffällige Anbringung von nationalsozialistischen Blättern und Hakenkreuzen an Telegraphenstangen an der Verbrechens- stell«. Mi tum Verdacht auf die Nationalsozialisten zu lenken.
nicht zu erklären. Gewöhnliche Verbrecher hätten daran kein Interesse gehabt. Der „Angriff" begründet seine Behauptung ferner mit einem Brief, der ihm vom Reichsverband der Bahnschutzpolizisten zugegangsn sei und in dem gesagt wurde, die Üntersuchungsergebnisse weifen auf eine Täterschaft in dem angegebenen Sinn hin.
Das Polizeipräsidium teilt dazu mit, der betreffende Brief sei mit dem Namen Bo lg er unterzeichnet. Im ganzen Ueberrvachungsdienst der Reichsbahn gebe es aber keinen Beamten dieses Namens. Der Brief stelle also eins Irreführung dar.
Es ist dal erstemal, daß die Pressenotverordnung bei Angriffen gegen eine Parteirichtung zur Anwendung kommt. Bisher kamen hiefür nur Angriffe gegen die Regierung in Betracht.
Eröffnung der achten Funkausstellung und Phonoschau
Berlin, 21. August. Vor mehr als 2000 geladenen Ehrengästen aus Kreisen der Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, Diplomatie und Presse wurde heute vormittag die deutsche Funkausstellung und Phonoschau Berlin 1931 durch den Rundfun'kkommissar des Reichspostministeriums, Staatssekretär Dr. Hans Bredow, eröffnet. Dr. Bredow wies u. a. darauf hin, daß die Entwicklung des Rundfunks alle Erwartungen übertroffen habe. Die Tristan - Uebertrwgung aus Bayreuth, die sich über drei Erdteile erstreckte, habe aufs glänzendste bewiesen, daß der Rundfunk ein kulturelles und vielleicht auch politisches Bindeglied van ungeahnter Wirkung zwischen den Völkern werden könne. Oberbürgermeister Dr. Sahm führte aus, Berlin bestehe wie andere Riesenstädte aus einer Reihe von Städten mit eigenem Charakter und eigenem Leben. Unter diesen Städten Berlins gebe es zwei, wie man sie nirgends in der Welt finde: Die Gelehrten st a dt Dahlem und die Stadt rings um den Funktunn, die Funkstadt. Berlin habe als einzige Stadt der Welt eine Akropolis des Funks. Die 8. Berliner Funkausstellung könne sich mit Recht eine Ausstellung der Aether- und Schallwellen nennen. Das geschäftsführende Vorstandsmitglied des Verbands der Funkindustrie, Dr. Erwin Michel, führte u. a. aus: Es gehe in dieser Ausstellung der Apparate mit ihren Lampen und Drähten um das Herz unserer Zeit. Aus den Wellen, die von diesen Apparaten ausgesandt oder empfangen werden, schwinge der Geist unserer Epoche.
Eine Erklärung des Scherl-Konzerns
Berlin, 21. Aug. Der Scherl-Konzern erklärt: „Die von politisch interessierter Seite in einem Teil der Linkspresse — und durch die „Neue Zürickier Zeitung" — verbreiteten Tendenznachrichten über den Umfang der Geschäfts- beziehungen zwischen der Danatbank und dem Scherl- Konzern sind falsch. Der Umfang der geschäftlichen Beziehungen ist wesentlich geringer — nur ein Bruchteil des von der „Neuen Züricher Zeitung" genannten Betrags — und bewegt sich seit Jahren in annähernd gleicher bei Unternehmungen ähnlichen Umfangs üblicher Höhe."
Russisch-polnischer Neutralitätsvertrag?
Paris, 21. Aug. Die Pariser Ausgabe der „Chikago Tribüne" will wissen, daß die gegenwärtig in Paris geführten Verhandlungen über einen französisch-russischen Nichtangriffspakt Fortschritte gemacht haben. Die französische Regierung wolle den Vertrag aber nur unterzeichnen, wenn auch Polen in den Vertrag einbezogen werde. Entsprechende Verhandlungen seien bereits zwischen Warschau und Moskau im Gang. — Der Vertrag läuft selbstverständlich auf die Einkreisung Deutschlands hinaus. Polen soll im Rücken gegen Rußland gesichert werden, um desto ungebundener Deutschland gegenüberzustehen.
Eine Mahnung des „Daily Herald"
London, 21. August. „Daily Herold" spricht in einem Leitartikel die Mahnung aus, über der britischen Haushaltkrise nicht die internationalen Aufgaben zu vergessen. Das Blatt schreibt: Da jetzt die Frist zu Ende geht, für die Deutschland die kurzfristigen Darlehen gewährleistet sind, muß die Frage der Kriegsschulden und der Reparationen mit Entschlossenheit angefaßt werden. Die Welt ist während der deutschen Krise dem Abgrund so nahe gekommen, daß sie die Lehre beherzigen sollte. Europa darf nicht Hilfe von Amerika erwarten und selbst nichts tun. Die Abneigung der Ver- einigten Staaten, eine Revision der Schulden vorzunehmen, kann nun geändert werden, wenn Europa einen ehrlichen Wewers der Friedfertigkeit bringt.
Anderer Wind in Amerika?
Reuyork, 21. August. In Washington wird erklärt, die englischen Berichte, daß man in London einen baldigen Schritt Hoovers in der Kriegsschulden- und Reparationsfrage erwart«, seien unbegründet. Die gegenwärtigen außerordentlichen Wirtschastsoerhäitmsse seien kein Maßstab für die ZMunasrÜb-kÄeit der Gläubige nnächte. Erst Mül!« M