träge zu wenig bekommen. Andererseits mutz Württemberg jährlich viele Millionen für die Arbeitslosenversicherung und für die Invalidenversicherung an andere Versicherungsanstalten herauszuzahlen, wodurch dem Lande großer Schaden erwächst. Ist das Staatsministerium bereit, mit aller Entschiedenheit hiergegen vorzugehen und zu verlangen, daß Württemberg die ihm zustehenden Aufträge erhält? Schriftliche Antwort genügt.
Vlukgruppenuntersuchung. Nach den Wahrnehmungen des Württ. Medizinischen Landesuntersuchungsamtes in Stuttgart kommt es nicht selten vor, daß in Vaterschafts- und Unterhaltungsprozessen die Gerichte zunächst die Kindsmutter auf ihre Aussagen beeidigen und dann erst die Vornahme einer Blutgruppenuntersuchung anordnen. Zur Vermeidung von Meineiden wird vom Justizministerium den Gerichten empfohlen, in derartigen Fällen umgekehrt zuerst die Blutgruppenuntersuchung vornehmen zu lallen und dann erst erforderlichenfalls die Beeidigung der Kinüs- mutter anzuordnen.
Die Tagung des Württembergischen Landesamis für Denkmalspflege wurde am Mittwoch fortgesetzt. Mittags fanden Gruppenführungen in verschiedenen Sammlungen statt. Am Donnerstag begaben sich die Tagungsteilnehmer mit Kraftwagen zur Besichtigung des germanisch-rälstchen Verbindungsstücks des römischen Grenzwalls zwischen Welzheim und 'Gmünd und in die Oberämter Leonberg—Ludwigsburg zur praktischen Einführung in die vorgeschichtliche Siedlungsforschung.
Line Mitteilung. Der Reick iagsabgeordnete des Christlichen Volksdienstes, S i m p f e n d ö r f e r - Korntal, teilt dem „Schwäbischen Landmonn" mit, daß er kein Staatsbeamter, sondern Angestellter (Reallehrer) einer freien Schule sei und daß er aus Grund seines Anstellungsverhältnisses verpflichtet sei, solange er das Reichstagsmandat inne habe, einen Stellvertreter aus seiner Tasche zu bezahlen.
Vom Tage. Heute morgen verübte in einem Hause der Fichtnerstraße in Untertürkheim ein 25 I. a. Mann durch Einatmen von Gas Selbstmord.
Aus dem Lande
Vaihingen a. E.. 9 Okt. Das gestrige Erdbeben wurde hier vor allen Dingen auf dem Sch.oß rechl oeutlich verspürt. In einem Haus am Marktplatz wurde srarkez Zittern des Gebäudes bemerkt; außerdem brachen faustgroße Stücke aus dem Deckenverputz und die Wände bekamen Riss«.
Heilbronn. 9. Oktober. Totschlag. Das Schwurgericht bat den 22jährigen Fabrikarbeiter Adolf Winter von Neckargartach, der am 15. Juli im Streit den verheirateten Landwirt Adolf Mayer schwer verletzt hatte, wegen Körperverletzung mit nachgefolgtem Tod und wegen einer weiteren gefährlichen Körperverletzung zu der Gesamtstrafe von 1)4 Jahren verurteilt.
Oehringen. 9. Oktober. Ueberschwemmungen. Trotz Ohrnkorrektion kam es gestern zu Ueberschwemmungen. Rasch hatten sich bei der Brückenmühle in der Ledergasse und Altstadt Seen gebildet, und die Fluten drangen in die anliegenden Häuser und Ställe ein. Der Pegel bei der Altstadtbrücke zeigte als höchsten Stand etwas über zwei Meter; die normale Wassertiefe ist dort sonst etwa 20 Zentimeter. Ueber die Herrenwiesen ergossen sich die Fluten in breitem Strom; Bretter Balken, Kisten, Füßchen und sonstiges Strandgut mitführend.
Ellwangen, 9. Okt. Erneuerung der Marienkirche. Die hiesige Marienkirche, ehemals Pfarrkirche und älteste Kirche der Stadt, wurde im Laufe des Sommers einer Erneuerung ihres Innern im Barockstil unterzogen und am vergangenen Sonntag wieder in Gebrauch genommen. Die sich auf über 40 000 Mark belaufenden Kosten wurden durch freiwillige Sammlung aufgebracht.
Ebingen OA. Münsingen, 9. Okt. Dachstuhl stürzt zusammen. Am ältesten Haus hiesiger Gemeinde stürzte der Dachstuhl in sich zusammen. Das Wohnhaus, ein ziemlich umfangreiches Gebäude beim Ortsausgang, war in das Verzeichnis der Naturdenkmäler eingetragen. Die Einsturzgefahr bestand schon seit längerer Zeit. Am Tag zuvor war der obere Stock von den Bewohnern, Christian Halber mit Angehörigen, geräumt worden. Bei den Aufräumungsarbeiten kam es zu einem bedauerlichen Unglücksfall. Der Sohn des Schultheißen befand sich in dem eingestürzten Haus, als von oben herab ein Balken geworfen wurde, der auf den Unglücklichen fiel und ihn zu Boden schlug. Mit einer großen Kopfwunde wurde er in seine Wohnung verbracht. — Das Haus wird wieder aufgebaut.
Horb, 9. Okt. Flugzeugnotlandung. Gestern nachmittag mußte auf den Gefilden von Rohrdorf OA. Horb ein Passagierflugzeug der Westfälischen Lufthansa eine Notlandung vornehmen. Das Flugzeug, das in Böblingen aufgestiegen war und nach Zürich wollte, hatte nur den Piloten, Bordmonteur und den Funker an Bord. Des stürmischen Herbstwetters wegen beförderte es am gestrigen Tag nur die Post.
Balingen, 9. Okt. Keine neuen Wirtschaften. Der Bezirksrat hat in seiner letzten Sitzung insgesamt sieben Anträge auf Konzessionierung neuer Wirtschaften abschlägig beschieden.
Rottweil, 9. Okt. 40jähriges Dienstjubiläum. Oberpnstinspektor Karl Raidt feierte gestern sein 40jäh- riges Dienstjubiläum.
Deißlingen OA. Rottweil, 9. Okt. Vermißt wird der etwa 70 I. a. von Schwenningen gebürtige und hier wohnhafte ledige Friedrich Müller seit 14 Tagen. Es liegt die Vermutung nahe, daß er sich ein Leid angetan hat.
Göppingen, 9. Okt. Einem Betrug zum Opfer gefallen. Der Inhaberin eines hiesigen Kolonialwarengeschäftes wurde vor einigen Tagen von einem unbekannten Burschen ein Paket für einen Nachbarn gegen den Betrag von 16,50 Mark abgegeben. Wie sich nachher herausstellte, enthielt das Paket eine wertlose Anodenbatterie. Der Betrüger wurde in der Person eines hiesigen 25 I. a. Hilfsarbeiters ermittelt.
Alm. 9. Okt. Eine Zeppelinlandung in Ulm? Die Fliegervereinigung Ulm-Neu-Ulm trägt sich mit dem Gedanken, zusammen mit der Fliegervereinigung Illertissen das Luftschiff „Graf Zeppelin" zu einer Fahrt mit Zwischenlandung in Ulm zu chartern: die Landung sollte bei Schwaighofen bei Neu-Ulm erfolgen.
Scheuende Pferde. Am Mittwoch mittag scheuten in der Glöcklerstraße bei der Zinglerbrücke die vor einen hochgeladenen Heuwagen gespannten Pferde der Reichswehr. Sie rannten, nachdem sie den Lenker und eine Menge Heu abgeworfen hatten, die Glöcklerstraße einwärts. An der Kurve bei der Steinernen Brücke sausten die Pferde mit der Deichsel in das Schaufenster des Sattlermeisters Stein. Das Schaufenster wurde zertrümmert und die Waren schwer beschädigt. Die Pferde nahmen keinen großen Schaden.
Weingarten. 9. Okt. Sturmschaden. Der Sturm riß vom Klostergebäude ein eisernes Fenster ab. Es siel einer Frau, die eben von der Andacht kam, auf den Kopf und brachte ihr nicht unbedeutende Verletzungen im Gesicht bei.
Von der bayerischen Grenze. 9 Okt. Ein 7 5-Jähri- geralsTotschläger — Brand — NeueDo na u- brücke. Der 75jährige verheiratete Händler Julius Huber aus Faiminaen bei Lauingen wurde vom Schwurgericht
-S
,,/^IIe rum ^ukbsu Ibi-es Xöi-psr» notwenllixei, 8tokke kinllen ciie Loi-scber aeureit- Iiclier Lrusllrunx vereinig in Xsbs, «lem llünnklürsixen, leillitvei-llsulillien klsbi'ti-Lnlc. Tsusealle von blnuskrsuen bereicdnen beute »ckon Xsbs als clss illesle bisuixetrsolc vvezeii »eines reicben Oebsites snHsuben- unä l^ruebt» rucber, Lett, XsIIc, LiweiL, Pbospbor unll Vitaminen und - weil er lceine Osrmstopkunx verursacht. Kbenso aber wexen seiner killixlceit uoci schnellen Lukereitunx. Lin 200-Orsmm-llslcet Icostet nur 60 kllenniz unil reicht tiir 30 lassen. X^ö^ schineclct wie Lcholcolnkle unrl Xsliso!'
« « » « s» IV« se t s?
2V»,2104 >
Neuburg wegen Totschlags und fahrlässiger Körperverletzung zu 3 Jahren 3)4 Monaten Gefängnis verurteilt. Huber geriet mit dem 70 I. a. Privatier Margot aus Faimingen in der Mackschen Gastwirtschaft aus geringfügigem Anlaß in Streit. Nachdem Margot dem Huber wegen einer beleidigenden Redesart mit dem Bierglas auf "en Kopf geschlagen hatte, zog Huber den Revolver und gab auf Margot 3 Schüsse ab, von denen einer den Margot in den Unterleib traf, so daß trotz sofortiger Operation der Tod eintrat. Der Gastwirt wurde durch einen Schuß in die Hüfte schwer verletzt. Leide, der Getötete und der Verurteilte. wurden seinerzeit aus dem besetzten Gebiet ausgewiesen. — Nachts ist aus unbekannter Ursache das Anwesen des Landwirts Jakob Kaiser in Gannertshofen bei Illertissen abgebrannt. Wohnhaus, Stall und Stadel fielen den Flammen zum Opfer. Bei Leipheim wird eins neue Donaubrücke, deren Fahrbahn 5,20 Meter betragen soll, errichtet werden.
Vom bayrischen Allgäu, 9. Okt. Das Erdbeben. Besonders heftig traten die Erdstöße im Allgäuer Gebiet auf. In Füssen wurden in vielen Häusern Decken und Wände durch Risse beschädigt. Bilder fielen von den Wänden. Besondere Unruhe zeigten die Kleintiere in den Häusern. Im Schloß Hohenschwangau sowie auf dem Falkenstein nahm man starke Schwankungen wahr. In Vils (Tirol) wurden mehrere Kamine beschädigt; verschiedene Häuser erhielten Risse. Im Immenstadt schwankten vielfach die Bilder an den Wänden, auch blieben Uhren stehen.
Schwere Schneeslürme. Aus Oberstdorf wird berichtet, daß am Nebelhorn bei der Kemptener Hütte und der Rappenfeehütte schwere Schneestürme getobt haben. In den Bergen hat es kräftig geschneit, so daß der Schnee bis über die Waldgrenze auf 800 Meter heruntergeht. Ein starker Hagel auf die Fluren des Bezirks Kempten konnte keinen Schaden mehr anrichten, da die meisten Feldfrüchte geborgen sind.
Vaihingen a. F., 9. Okt. Po st Neubau. Mit dem Bau des neuen Postgebäudes soll nun begonnen werden. Das bisherige Postgebäude am Reichsbahnhof wurde von einer Stuttgarter Firma erworben, die dort einen Fabrikationsbetrieb einrichten will. Das neue Postgebäude wird etwa 300 Meter oberhalb des seitherigen Baues auf dem Karlsplatz beim Schillerdenkmal erstellt.
Ludwigsburg, 9. Okt. Die geländete Leiche erkannt. Die auf Markung Oßweil vom Neckar angeschwemmte männliche Leiche konnte erkannt werden. Es handelt sich um einen verheirateten Kraftwagenführer aus Stuttgart.
Tuttlingen, 9. Okt. A r b e i t e r e n t l a s s u n g e n. Die Firma Henke u. Co. schloß letzten Samstag ihren hiesigen Betrieb. Im Lauf der Zeit wurden bisher bei dieser Firma insgesamt 115 Arbeiter entlassen, davon vergangenen Samstag 25. Eine kleinere Anzahl Arbeiter arbeitet vorübergehend noch weiter. Während bei der AG für Feinmechanik vor einigen Wochen 25 Arbeiter entlassen wurden, kamen nun Ende letzter Woche wiederum ca. 55 zur Entlassung, denen voraussichtlich kommenden Samstag weitere 50 folgen werden. Seit langer Zeit ist es das erstemal, daß die chirurgische Industrie Kündigungen vornehmen muß.
Die Charitastagung
Rottweil, 9. Okt. Nach dreitägiger Dauer ging gestern der 4. Charitastag mit seinen Verhandlungen zu Ende. Im Rahmen des gesamten Programms sind zunächst die Tagung des Kath. Mädchenschutzvereins der Diözese Rottenburg und die Sitzung des Verwaltungsrats der Vinzenz-Vereine zu erwähnen. Die Tagung des Landesverbands der kath. Kinderhorte erhielt sein Gepräge durch eine Ansprache grundsätzlicher Art des Bischofs Dr. Sproll. Er behandelte die Vorschulerziehung auf Grund des päpstlichen Rundschreibens über die Kindeserziehung. Weiter sind an Fachabteilungen zu nennen die Versammlung des Josef-Vereins zur Linderung besonderer Notstände auf dem Land, die Versammlung des Rettungsvereins zum guten Hirten, die Landesversammlung der Elisabethen-Vereine, sowie die Landesversammlung der kath. Erziehungsanstalten. Im Mittelpunkt der ordentlichen Mitgliederversammlung des Charitasverbandes stand das Referat des Charitasdirektors Dr. Straubinger über die Arbeit der letzten zwei Jahre. Das Hauptreferat hielt Direktor v. Mann aus Freiburg über den Familiengedanken als Standpunkt der Kinder- und Jugendfürsorge. Der Redner nahm Stellung gegen die Ausschaltung der Eltern in der Kindeserziehung und verlangte mehr persönlichen Dienst am familienlosen Kind.
Des Weibes Waffen
Original-Roman von Elsbeth Borchart.
I. Fortsetzung. Nachdruck verboten.
„Bist du auch nicht," lachte der Onkel — „das Schmeicheln lag ihm nie, und auch diesmal ist es keine Schmeichelei, die er dir gesagt hat. Es ist nur ein Anerkennen deiner Leistungen, und das muhte ich dir einmal aussprechen. Wehre dich dagegen nicht in Bescheidenheit, du solltest wissen, was du mir geworden und jetzt bist: meine rechte Hand, die Stütze meines Alters — meine Freude und meine Sonne, die mir meine letzten Lebenstage erhellt, und darum, Kind — habe ich eine Bitte an dich" — schloß er, und seine Stimme wurde jetzt etwas unsicher und in seinem Blick lag ein eigener Ausdruck — „eine Bitte, in deren Erfüllung meine Hoffnung liegt, denn sie allein macht mir das Leben noch wert."
„Was ist's, Onkel?" fragte Jutta etwas beklommen.
Freiherr von Lichtenstern räusperte sich.
„Jutta — ich möchte einen Pakt mir dir schließen — daß — daß du — den alten Onkel nicht mehr verläßt — bis an sein Lebensende. — Ich kann es von dir erbitten, — denn ich weiß — es wird nicht für lange sein."
„Onkel!" rief Jutta aufspringend und beide Arme um die Schultern des alten Freiherrn legend, „was — was sagst du da?"
„Wird es dir — schwer, Jutta, — so — so sprich offen," kam es stoßweise von seinen Lippen.
„Schwer?" Ihr Atem ging ungestüm, und über ihre Wangen lief ein heißes Rot — „daß ich bei dir bleiben darf — für immer —? Kann es etwas Schöneres für mich geben?"
In den Augen des alten Freiherrn leuchtete es auf:
„Etwas Schöneres?" fragte er, „daß du auf alle Freuden deines Alters verzichten — ein schweres, arbeitsreiches Leben an der Seite eines kränklichen, mürrischen alten Onkels führen mußt — ?"
„Nicht weiter, Onkel." Mit einer ihr ungewohnten Leidenschaftlichkeit drückte sie des Onkels Kopf an ihre Brust und preßte einen Kuß auf seine Stirn. „Du bist der liebste, gütigste Mensch unter der Sonne, und du erfüllst mir nur meinen Herzenswunsch —"
„Einen Herzenswunsch also," wiederholte er, während es in seinen Augen eigentümlich aufblitzte.
„Kind — wenn nun aber jemand käme, der dich mir wegholte — ich will deinem Glücke nicht im Wege stehen."
Eine heiße Vlutwelle schoß ihr ins Gesicht, aber sie antwortete lächelnd:
„Sei ruhig, Onkel — es kommt keiner. Du kennst meine Erfahrungen," wehrte sie.
„Freilich," machte der Onkel zögernd, „aber — es könnte doch einmal der Rechte sein und
„Vorläufig ist daran nicht zu denken," fiel sie ihm schnell ins Wort, „und wenn selbst — dich und Rotenfelde verlasse ich darum nicht."
Mit einer schnellen Bewegung streckte er ihr die Hand hin und in den alten Augen wetterleuchtete es wieder.
„So schließen wir unseren Pakt. Du bleibst bei mir bis an mein Lebensende?"
„Ja!"
Fest und freudig klang es von des jungen Mädchens Lippen.
„Ich — danke dir — Jutta. Nun bin ich ruhig und froh, und nun fühle ich neue Kräfte und neuen Lebensmut, denn das Leben hat jetzt wieder Wert für mich. Du fragtest mich einmal — gleich zu Anfang war's —", brach er plötzlich
scheinbar das Thema ab, „warum ich nicht geheiratet hätte, und ich antwortete dir damals, daß mich keine gemocht habe. Das wolltest du mir nicht glauben, und es ist auch nicht so. Der reiche Freiherr von Lichtenstern, Besitzer von Rotenfelde und eines großen Güterkomplexes, war wohl keine zu verachtende Partie, sondern ein viel begehrter Mann. Doch die eine Einzige, die ich mochte, hinterging mich um eines anderen willen, und das — hatte ich nicht verwinden können. Ich habe von allen Weibern nichts mehr gehalten und wollte lieber einsam bleiben. Erst als du vor drei Jahren nach Rotenfelde kamst, da ging mir das Verständnis aus, was ich mein Leben lang entbehrt hatte. Da war es natürlich zu spät für mich in der einen Beziehung, aber du gabst mir reichlich Ersatz. Trotz meiner Jahre und meines grauen Kopfes wurde ich noch einmal jung an deiner Seite, denn du wurdest mir eine liebe Tochter, und ich habe dich lieb gewonnen wie ein eigenes Kind. Deine Eltern werden mir nicht zürnen, wenn ich dich noch eine Weile bei mir behalte. Deine Mutter, Johanna, war mir immer eine liebe Schwester, und auch dein Vater wird nichts dagegen einwenden, denke ich."
„Nein," sagte Jutta, „er wird es nicht", und ihre Gedanken flogen blitzschnell nach Hause zu dem lieben, gütigen Vater und der schönen, sanften Mutter. Sie hatten sich wohl nicht gern von der ältesten Tochter getrennt, aber sie hatten deren Wunsch als berechtigt anerkannt und erfüllt. Einen Beruf hatte sie haben wollen, eine freie, frische Tätigkeit, die ihr Glück und Befriedigung gewährte. Auf andere Weise, wie sie es wohl gern gewünscht hätten, war ihr beides nicht zuteil geworden. Sie hatten alles getan, um ihrem Kinde Gelegenheit dazu geben, aber ihre Bemühungen waren erfolglos geblieben.
Fortsetzung folgt.)