gömeine Deutsche Schulverein" gegründet, der bald auch in Süddeutschland Fuß faßte. Er stellte.sich dasselbe Ziel, Betreuung des Deutschtums, aber in der ganzen weiten Welt. Naturgemäß 'kam aber ein großer Teil der Arbeit den Deutschen in Europa zugute. Beide Vereine waren von Anfang an grundsätzlich politisch und konfessionell völlig neutral und sind es noch heute. Allen Deutschen soll ihre Arbeit gelten, jeder Deutsche in der Heimat kann Mitglied werden. Später kam noch in Oesterreich der Verein „Südmark" dazu. Er wollte das Deutschtum in den Grenzgebieten vor allem wirtschaftlich stützen, wollte in den bedrohten Grenzgebieten planmäßig deutsche Bauern ansiedeln Die beiden anderen Vereine, von denen der reichsdeutsche den Namen „Verein für das Deutschtum im Ausland" (VDA) annahm, haben die Aufgabe, kulturelle Einrichtungen zu fördern. Schulen und Kindergärten anzulegen und zu erhalten, Lehrer zu bestellen und zu besolden, Büchereien ein- gurichten.
Viel segensreiche Arbeit wurde, wenn auch mit verhältnismäßig kleinen Mitteln, in den Jahrzehnten bis zum Weltkrieg geleistet. Eine der ersten Unternehmungen war ein Protest gegen die Magyarisierungsbestrebungen. Dankbar wurde draußen die Hilfe der Heimat anerkannt. „Endlich reicht die Urheimat den Volksgenossen die Bruderhand", fo rief ein Siebenbürger Sachse aus.
Der Weltkrieg unterbrach die Arbeit. Doch brachte er dafür neue Aufgaben. Die vertriebenen Deutschen aus dem Ausland wurden unterstützt. Das Deutschtum draußen aufgerufen zur Sammlung für die kämpfenden Söhne des Volks. Im Osten wurden hinter den vorrückenden Heeren her deutsche Schulen errichtet. Doch die Hoffnungen zerbrachen jäh. Auch unter den neuen Verhältnissen blieb der VDA seiner alten Aufgabe treu. „Zusammenschluß des gesamten deutschen Volkstums zur lebendigen Kulturgemein- schaft", das war nun die Losung.
Die Aufgaben wuchsen. Waren doch Gebiete, die schon fast entdeutscht waren, wieder erwacht und verlangten nach Hilfe. Waren doch Millionen zu Auslanddeutschen geworden, die der Betreuung dringend bedürfen. Man denke nur an Polen, an Südtirol! Da brauchte der VDA viel mehr Mittel als früher. Die Organisation mußte ausgebaut werden. Der VDA sollte ein Volksverein werden, der Volkstumsgedanke in die breitesten Schichten dringen. Vor allem galt es, die Jugend zu gewinnen. Dazu wurden die Schul- gruppen geschaffen. Gewachsen und erstarkt steht der VDA, dem sich auch die beiden österreichischen Vereine eingegliedert haben, bei seiner Jubelfeier da, entschlossen, auch im kommenden Jahrzehnt deutsches Volkstum zu betreuen, vor dem Untergang zu schützen.
Neue Nachrichten
Fühlungnahme Oesterreichs mit Deutschland in der Pan- europafrage
Berlin, 9. Juni. Wie aus Wien verlautet, soll die österreichische Regierung die Absicht hegen, die Alleuropa-Denk- schrift Briands erst nach einer Fühlungnahme mit der deutschen Regierung zu beantwrten. In politischen Kreisen halte man es siir ausgeschlossen, daß in einer Angelegenheit von solcher Tragweite die beiden Regierungen ohne vorherige Verständigung miteinander Vorgehen.
Ermordung eines deutschen Gesandten
Lissabon, 9. Juni. Der deutsche Gesandte u. Baligand ist am Samstag mittag ermordet worden.
Der Gesandte hatte in Begleitung des Gcsadtschaftsrats Dr. Busch dem Kommandeur des zurzeit im Hafen von Lissabon vor Anker liegenden Kreuzers „Königsberg" um 11 Uhr einen Gegenbesuch abgestattet und um 11.30 Uhr wieder seinen auf der Pier stehenden Kraftwagen bestiegen, als ein hochstämmiger Mann aus der Menge hervorstürzte und mehrere Schüsse auf den Gesandten abgab, von denen einer durch den Hut ging, während zwei Baliganz am Kopf trafen. Dieser sank bewußtlos zurück und wurde ins Deutsche Krankenhaus verbracht, wo er um 3 Uhr nachmittags verschied, ohne wieder zum Bewußtsein gekommen zu sein. Seine Gattin traf sogleich im Krankenhaus ein. Die Ehe war kinderlos.
Der Täter wurde sofort verhaftet. Er nennt sich Franüj P i e ch o w s k i, ist 31 Jahre alt und aus Danzig gebürtig. El! war früher Matrose und soll an „Verfolgungswahn" leiden. In letzter Zeit hat er wiederholt geäußert, er wolle gelegentlich eine hochstehende Persönlichkeit umbringen. Vermutlich hatte er die Sucht, wie der Düsseldorfer Massenmörder Kürten, durch ein außergewöhnliches Verbrechen sich einen.Namen zu machen.
Der Reichskanzler, Minister Dr. Eurtius und Staatstekre- tär v. Schubert haben der Witwe Beileidstelegramme gesandt.
Die Verwandlung
Kriminalroman von Paul Frank
47. Fortsetzung. Nachdruck v-rbotcn.
„Hoffentlich haben Sie ihr entsprechend genützt."
„Leider bin ich noch immer nicht in der Lage. Ich gebe mir zwar jede erdenkliche Mühe."
„Zweifellos."
„Wie geht es denn Frau Hedwig?"
„Lieber Gott... Sie ist wohl etwas ruhiger geworden. Zu ruhig vielleicht. Sie weint nicht mehr, sondern sitzt apathisch da..."
„Die arme Frau..., wenn man ihr helfen könnte..."
„Sie tun doch Ihr möglichstes..."
„Auf jeden Fall. Ich bin den ganzen Tag auf den Beinen... Und Sie müssen darum nicht ironisch werden, Doktor..."
„Wo werd' ich denn...? Da hätten Sie doch dasselbe Recht, mir meine Untüchtigkeit vorzuwerfen! Glauben Sie nicht, daß ich ihn lieber heute als morgen hier haben möchte, unseren armen, verlorenen Freund? Aber schließlich kann man ihn doch nicht, wenn man auch nicht die geringste Unterstützung von der einzig und vor allem berufenen Seite, von der Polizei, erhält, aus der Erde stampfen!"
„Die Rigaer Polizei..."
„Das ist ein besonderes Kapitel!"
„Sie tun ihr vielleicht unrecht..."
„Das ist doch lächerlich... Bis zum heutigen Tag ist noch nicht die leiseste Spur gefunden... Nicht einmal einen falschen Verdacht besitzt man, viel weniger einen begründeten!"
A lbert v. Boligo » d wurde am 3. Oktober 1381 in München geboren, Die Familie stammt aus dein Hennegau (Belgien) und kam über Lothringen und die Pfalz nach Bauern, Er selbst war bayerischer Offizier, studierte dann Rechtswissenschaften und wurde 1910 ins Auswärtige Amt in Berlin berufen. Im März 1928 wurde er Gesandter in Lissabon.
Oefsnnnq der russischen Archive
Moskau, 9. Zun!, Der deutnationale Reichstag'sobgeord- neke Prof. Dr choeksch und Generalsekretär Jonas haben namens der G -settschaft zum Studium Osteuropas mit dem Sowjetstaatsverlag „Gosisdat" einen Vertrag über die verausgabe der russischen Dokumente zum Weltkrieg und seiner Vorgeschichte (1878 bis 1917) abgeschlossen. Die Dokumente entkalken äußerst wertvolle Angaben über die Zusammenarbeit der russischen Diplomaten Zswoli'ki und Sasonow mit den Diplomaten der Entente zur Vorberestuna des Krleas. Die Veröffentlichung wird Voraussicht«: b l? Vände umfassen und in Berlin ne- druckt werden, T s deutsche Ausgabe wird von der Gesellschaft zum Studium Osteuropas besorgt.
Caro! König?
Bukarest, 9 Juni. Es ist sicher, daß die Rückkehr des früheren Kronprinzen Carol aus Paris, wo er in letzter Zeit lebte, im Einverständnis, wenn nicht auf Veranlassung des Ministerpräsidenten Maniu erfolgt ist. Der Prinz kam im Flugzeug in Klausenberg (Siebenbürgen) an. Die Militärflugstation war von seiner Ankunft benachrichtigt worden, dort wurde er von einer großen Zahl Offiziere empfangen. Nach zweistündigem Aufenthalt flog der Prinz nach Bukarest weiter und begab sich sofort in'das Schloß Eotroceni, wo er eine Besprechung mit seinem Bruder, dem Prinzen Nikolaus, hatte, der Mitglied des Regentschaftsrats für den jungen König Michael (Sohn Carols) ist und der um die Rückkehr Carols wußte. Der Ministerrat beriet bis in die Nacht hinein mit dem Ergebnis, daß Mari i u den Rücktritt des Kabinetts einreichte. Der Regentschaftsrat beauftragte den bisherigen Außenminister Mlnorescu mit der Neubildung, das außer Maniu nur drei Veränderungen aufweist. Sämtliche Kabinettsmitqlie- der gehören wieder der Nationalen Bauernpartei an Das Parlament wurde sofort einberufen, das über die durch das Gesetz vom 4. Januar 1926 aufgehobenen Thronrechte Carols beraten soll.
Es handelt sich darum, ob Prinz Carol vorerst an Stelle des Prinzen Nikolaus in die Regentschaft ein- treten oder als König bestätigt werden soll Die Königin-Mutter Maria, der die Rückkehr nicht bekannt war hatte am Tag vorher eine Reise nach München und Oberammergau angetreten — Carol war bekanntlich unter dem liberalen Kabinett Bratianu des Throns verlustig erklärt worden, weil er mit einer Jüdin Wolf, genannt Lupescu, der Frau eines Hauptmanns, in Venedig zusammenlebte: dieses Verhältnis hatte Carol indessen, wie schon verschiedene andere, seit einiger Zeit wieder aufgegeben. Carol ist mit der Prinzessin Helene von Griechenland vermählt. Er steht jetzt im Alter von 36 Jahren.
Ein geschichtlich bedeutungsvoller Tag
Rom, 7. Juni. In einem Leitaufsatz über die Räumung des Rheinlandes schreibt Mussolinis „Popolo d'Jtalia", der 30. Juni 1930 sei ein geschichtlich bedeutungsvoller Tag. Deutschland erhalte wenigstens teilweise seine politische Unabhängigkeit und Gebietshoheit zurück. Doch daure die Besetzung des kerndeutschen Saargebiets noch an. Züm Schluß erklärt das Blatt: „Die Franzosen täuschen sich, wenn sie glauben, den Frieden auf dem Grab Deutschlands verewigen zu können, und wenn sie verlangen, daß die Deutschen nicht mehr über den Versailler Vertrag reden sollen. Nach dem 30, Juni 1930 dürfte Deutschland vielmehr die Aussprache eröffnen."
Kardinalswahlen Ende Juni
Rom, 9. Juni. Am 30. Juni wird ein geheimes und am 3. Juli ein öffentliches Konsistorium mit Kardinalswahlen abgehalten werden. Zurzeit setzt sich das Kardinalskollegium aus 30 Nichtitalienern und 28 Italienern zusammen. Zu ersetzen sind der Kardinalerzbischof von Rio de Janeiro, der Kardinalerzbischof von Reims sowie ein spanischer und englischer Kurienkardinal. Wahrscheinlich aber werden diese beiden noch nicht ernannt werden.
Bischof Geißler über Mussolini
Bozen. 9. Juni. In Brixen wurde in Gegenwart des königlichen Statthalters, des Kommandierenden Generals und des Obersten der faschistischen Organisationen Fürst
bischof Geißler in sein Amt eingeführt, wobei der Bischof eine kurze Dnukesrede an den Papst, den König und Mussolini hielt. Seine Worte wurden mit großem Beifall ausgenommen. Von Mussolini sagte er unter anderem: „In der Brust dieses Manne, der aus Marmor und Eisen gemacht erscheint, schlägt ein edles Herz, ein so großes Herz, daß in ihm auch Raum ist für die Liebe zu den Bürgern deutscher Sprache. Meine Ernennung beweist dies. Wenn e: n der Vergangenheit uns bisweilen auch seine starke Hund hat fühlen lassen, werden wir in Zukunft um so größer seine väterliche Liebe für die jüngsten Bürger Italiens fühlen. Unerbittlicher Richter gegen alle, die dem Vaterland Schaden tun, wird er ein ebenso liebender Vater für die sein, die ihm gegenüber ihre Pflicht tun."
S Monate Gefängnis wegen Teilnahme an einer politischen Schlägerei
Hamburg, 9. Juni. Der Hafenarbeiter Peter Borton wurde vom Schnellrichter wegen Beteiligung an mindestens zwei Ueberfällen kommunistischer Trupps auf Nationalsozialisten zu neun Monaten Gefängnis verurteilt. Borton war wegen eines ähnlichen Vergehens erst im Januar mit einem Monat Gefängnis bestraft worden. In der Urteilsbegründung heißt es: Dem Bestreben, die parteipolitischen Kämpfe in rohester Form auszutragen, muh mit exemplarischen Strafen entgegen getreten werden. Der Angeklagte wurde sofort in Hast genommen.
Tschechische Bemühungen um Ungarn
Prag. 9. Juni. In dem in Preßburg erscheinenden „Slo- venski Denik" tritt Außenminister Benesch für eine Verständigung mit Ungarn ein, allerdings müsse Ungarn die gegenwärtigen Landesgrenzen anerkennen. — Dagegen verwahrt sich ja gerade Ungarn am meisten, daß ihm die besten Landesteile durch den Friedensvertrag von Trianon entrissen worden sind und daß die Tschechoslowakei nicht den geringsten Teil davon in Besitz genommen hat. Mit einer „Verständigung" nach dem Sinne Beneschs wird es daher noch eine gute Weile haben.
Frankreichs 30 Milliarden-Programm
Paris, 9. Juni. Die Kammer wird in den nächsten Tagen ein großes fünfjähriges Wirtschaftsprogramm zu beraten haben, dem die Regierung eine Summe von 17 Milliarden Franken (etwa 3 Milliarden Mark) widmen willl Darunter befinden sich z. B. 345 Millionen für die Ausgestaltung der öffentlichen Bibliotheken, 500 Millionen für Schulbauten, 100 Millionen für den Kampf gegen die Kindersterblichkeit, 180 Millionen für die Einführung des elektrischen Lichts auf dem flachen Land, 150 Millionen für Straßenbauten, 185 Millionen für die Handelsmarine vornehmlich für den Schiffsverkehr zwischen Frankreich und Algerien usw. Zu diesen 17 Milliarden kommen noch ungefähr 13 Milliarden für die Errichtung der Grenz- befestig ungen g-gen Deutschland.
Für die Verausgabung dieser Summe von 30 Milliarden (5 Milliarden Mark) will nun Tardieu einen beratenden Wirtschaftsausschuß bilden, an dessen Spitze er selber stehen wird. Ferner beabsichtigt die Regierung die Bildung einer V o r s ch u ß k a s s e, die die Arbeiten öffentlicher Körperschaften, der Departements und der Gemeinden erleichtern und vorläufig über ein Kapital von 120 Millionen verfügen soll. Die ständigen Einkünfte dieser Vorschußkasse sollen vornehmlich aus den Steuern der Spielkasinos fließen.
Man geht wohl nicht fehl in der Annahme, daß sich der kluge Tardieu die Möglichkeit, über große gesonderte Geldmittel zu verfügen, schon heute im Hinblick auf die in zwei Jahren stattfindenden Neuwahlen schafft
Rückkehr des Prinzen Karol nach Bukarest
Bukarest, 9/Juni. Der frühere Kronprinz Karl ist überraschend nach Bukarest zurückgekehrt. Der Ministerrat hielt sofort eine Beratung, der eine Sitzung des Regentschaftsrats folgte, an der auch Ministerpräsident Maniu teilnahm. ^ ^ .
Amtlich wird mitgeteilt, daß Prinz Karol mit dem Prinzen Nikolaus und dem Ministerpräsidenten Maniu Füfj. lung genommen habe.
Der amerikanische Floktenbau
Washington, 9. Juni. Das Abgeordnetenhaus hat die Forderung von 380 Millionen Dollar für den Ausbau der Kriegsflotte einstimmig angenommen. Die Vorlage ist dem Präsidenten Hoover zur Unterzeichnung übergeben worden.
Die Kriegslage in Schantung
Peiping (Peking), 7. Juni. Die Truppen der Nanking- Reaieruna haben den nördlichen Teil der Provinz Schon-
„Dabei geben die Leute sich Mühe..."
„Mag sein..., dann ist der Spüreifer noch nicht stark genug..."
„Ich will heute abend dem Präfekten nochmals energisch Vorstellungen Machen..."
„Wo sehen Sie ihn denn?"
„Ich bin in sein Haus geladen!"
„Donnerwetter! Jetzt ist mir übrigens verschiedenes klar. Wenn Sie sich vom Polizeichef traktieren lassen, kann Reuß freilich nicht gefunden und sein Mörder nicht gefaßt werden!"
„Scherz beiseite. Glauben Sie denn überhaupt an einen Mord, Doktor?"
„Das ist doch ausschließlich Kombination oder Gefühlssache, was man annehmen will, da einem sozusagen jeder Anhaltspunkt fehlt. Ich hoffe natürlich in meinem Herzen inständigst, daß die Frage eine annehmbare, befriedigende Lösung finden möge. Allerdings schwinden meine Hoffnungen von Tag zu Tag."
„Die meinen nicht."
„Sie sind in der glücklichen Lage, daß Sie sich Ihren guten Glauben ohne Begründung zu erhalten vermögen."
„Es gibt eben gewisse Vorstellungen, von denen ich nicht abzubringen bin. So besteht für mich, ebenfalls ohne jede denkbare Motivierung, noch immer ein Zusammenhang zwischen jener Krankheit, die Sie bei Reuß konstatiert haben, und dem gegenwärtigen rätselhaften Ereignis.
„Welcher Zusammenhang?"
„Ich weiß es nicht; einer, den ich nicht zu erklären, den ich bloß zu fühlen vermag."
„Die Phantasie des Dichters, die die Flügel regt, und ein Märchen ersinnen möchte." ^
„Ist das wirklich Ihre Meinung, und halten Sie die Möglichkeit einer Zusammengehörigkeit der beiden Komplexe für ausgeschlossen?"
„Diese Frage ist natürlich sehr schwer zu beantworten. Es handelt sich doch vor allem darum, ob Albert Reuß überhaupt einem Anschlag zum Opfer gefallen ist oder nicht. Welches seine Dispositionen zur Zeit des angenommenen Überfalles gewesen ist, läßt sich ja derzeit ebensowenig feststellen wie dieser selbst. Ich gebe zu, daß der krankhafte Zustand, in dem unser Freund in der kritischen Stunde sich möglicherweise befunden haben mag, dem Verbrecher die Arbeit erleichtert haben kann, da der Überraschte keinen Widerstand geleistet hat, sondern vollständig wehrlos geblieben ist. Auf jeden Fall wird die allzu kühne Kombination, die Sie sich am Ende ebenfalls leisten wollen, von der Hand zu weisen sein, daß die Krankheit des Künstlers vom Attentäter ins Kalkül gezogen worden ist."
„Es fällt mir natürlich nicht ein, derartiges annehmen zu wollen."
„Der Fall läge anders, wenn es sich beispielsweise um eine Person unantastbaren Charakters handelte, die an Bewußtseinsstörungen leidet und die eine minder kühne Phantasie der aktiven Teilnahme an einem Verbrechen beschuldigt."
„Inwiefern läge der Fall anders?"
„Das charakteristische Merkmal der anfallsweise auftretenden Bewußtseinsstörungen ist die nachfolgende vollkommene Amnesie für die Erlebnisse während des Anfalls; einer, der lammfromm und gütig ist, kann während des Dämmerzustandes in einen Wüterich sich verwandeln und seinem besten Freund ein Messer zwischen die Rippen stechen, ohne nachher, wenn er erwacht und wieder zahm geworden ist, auch nur einen Schatten der Erinnerung dessen zu besitzen, was er angerichtet hat."