Nummer 132

Fern ras 479

Dienstag, den 10. Juni 1830

Fernruf 479Z

65. Jahrgang.

Wie stehl es mir der Ene unserer Erde?

W

Darüber soll und will in den nächsten Junitagen di Zweite Weltkraftkonferenz in Berlin ve: handeln. Nicht weniger als 48 Staaten der Erde sind a ihr beteiligt. Ein wahres babylonisches Sprachgewirr wir man da zu hören und zu sehen bekommen. Und schon sin ausgesuchte technische Einrichtungen getroffen, damit jede in seiner Sprache die vielen Vorträge zu hören und zu ver stehen bekommt.

Es sind sechs Jahre her, daß auf Englands Anregung i London die erste Weltkraftkonferenz getagt hat. Jnzw schen haben Teilkraftkonferenzen stattgefunden, so in Baß 1926 (Wasserkraftnutzung), in London 1928 (Brennstoff fragen), in Barcelona 1929 (Wasserkraftquellen) usw. Im mer mehr zeigt es sich, daß die Kraftvorräte, also die Vor räte an Steinkohlen, Braunkohlen, Erdöl und Wasserkrcif ten, nicht bloß eine wirtschaftliche, sondern ebenso auch ein politische Bedeutung der betreffenden Staaten sichern Nicht allein die militärischen Waffen entscheiden heute über die Macht eines Staats. Ein guter Teil seiner Rüstung liegt in den Wirtschaftskräften, über die er verfügt und die er auszunüßen versteht.

Darum kommt auch der Weltkraftkonferenz eine beson­dere Bedeutung zu. Hier wollen die Staaten von einander lernen, wie sie die in ihrem Boden liegenden und vielleicht noch tief verborgenen Naturkräfte weiter ausnußen könne, wie die Brennkraft der Kohle noch mehr gesteigert, ob nicht noch weitere Nebenprodukte aus ihr gewonnen werden, ob die von dem deutschen Chemiker Bergius entdeckte Ver­flüssigung desschwarzen Diamants" noch mehr vervoll­kommnet und verallgemeinert werden kann. Eine Unmenge von technischen Fragen werden in Berlin zur Erörterung kommen. Neue Anregungen werden die Ingenieure der ganzen Welt nach Hause bringen. Dies ist um so wichtiger, als jene Kräfte der Kohlen, des Erdöls und des Wassers auf allen Gebieten menschlichen Schaffens geradezu unent­behrlich geworden sind. Woher anders bezieht heute die Landwirtschaft einen großen Teil ihrer Düngemittel und die Kraft für ihre Maschinen als mit Hilfe der Elektri­zität oder aus der Kohle gewonnenen Gaies? Wie will man sich heute das Verkehrswesen ohne Kohle. Oel, Gas und Elektrizität vorstellen? Wie wollen und können ohne diese Kräfte Industrie und Gewerbe arbeiten? Selbst die Hauswirtschaft kann heute nickst mehr mit der Muskelkraft des Menschen auskommen: sie ist auf Gas und Elektrizität für Leucht- und Wärmezwecke angewiesen.

Noch liegen gewaltige Kraftnorräte der Erde unaus- genüßt da. Wir sind erst am Anlana einer Entwicklung mit unbegrenzten Möglichkeiten. So bat man di» ^tein- koblenvorräte der Erde bis zu 15002600 Meter TTse m.l 7,28 Billionen, für Deutschland aus 280 Milliarden Tonnen berechnet (von denen im Jabr 1928 150 Millionen Tonnen gefördert wurden). An Braunkohlen sollen auf unserer Erde 8 Billionen, in Deutschland 18 Milliarden Ton­nen vorrätig sein. Die deutsche>-derung der Braunkohle hat von 87 Million-m im Jabr 1913 (im alten Gebiets- umfang) auf 165 Millionen Tonnen im Jahr 1928 zu­genommen.

Während Deutschland an Steinkohlen (von den 800 Mil­liarden Tonnen in Europa kommt auf Deutschland ein Drittel) und Braunkohlen reich gesegnet ist, sind wir an Erdöl arm, sehr arm. Man sckiäßt die Erdöloorräsi unseres Planeten auf 6 Milliarden Tonnen, von denen di« Vereinigten Staaten rund die Hälfte besitzen dürften.

Und was endlich die verfügbaren Wasserkräfte be­trifft, so sind wir Menschen erst am Anfänge ihres Aus- oaus (erst 6^ Prozent!). Hier liegt noch ein weites Ge- et für menschliche Betätigung.

Senkung der Preise und der Erzeugung^

Aus der notleidenden deutschen Wirtschaft werden auf Grund des Joungplans jährlich 2 Milliarden Kaufkraft ohne jeden Gegenwert herausgezogen. Nachdem der Reichshaus­halt für diesen Zweck mit Mühe und Not durch neue Steuern ins Gleichgewicht gebracht worden war, eröffnet sich die Aussicht auf einen Fehlbetrag von etwa 800 Millionen oder mehr für das Finanzjahr 1930. Man sieht, auch wenn es Dr. Schacht vor Jahresfrist in Paris gelungen wäre, sein Höchstangebot von 1650 Millionen jährlich durchzudrücken, hätten wir nichts zu lachen gehabt. Die zwangsläufige Ent­wicklung hat nun aber ein neuesProblem" in den Vorder­grund gerückt. Die Regierung und die Wirtschaft sind zu der lleberzeugung gekommen, daß so, wie die Dinge nun einmal liegen, die Steuerschraube auf Jahrzehnte hinaus nicht mehr zur Ruhe kommen könnte, und zwar immer nach vorwärts, nie mehr nach rückwärts, daß dabei aber die Wirtschaft nicht nur sich nicht erholen und wieder steuer- kräftiger werden könnte der letztere Punkt wäre ja im­

mer die Hauptsache, sondern daß sie schließlich ganz zum Erliegen kommen müsse. Allzu weit sind wir ja jetzt schon nicht mehr davon entfernt, wie zahlreiche Betriebsein­schränkungen, Stillegnnnen, sogar in den ältesten und besten Industriezweigen, die steigende Zahl der Vergleichs und Konkurse usw. deutlich zeigen.

Endlich will man nun also der Finanzmisere von der Seite beikommen, von der man sie von Anfang an Hütte anpacken sollen: von der wirtschaftlichen Seite. Was nützt es z. B. Milliarden und Abermilliarden für die Ar­beitslosenunterstützung auszugeben, wenn die Zahl der Un­glücklichen. die kein?' Arbeit finden, täglich größer wirdl Heute sind es deren 2 700 000 Und wie lange würde dis Wirtschc-ft diese Lasten noch tragen können? Jetzt muß man schon zuNotopfern" undNeichshilfen" d h. zur Er­höhung der Einkommensteuer für gewisse Bevölkerungs- jkreise auf 14 und 15 o. H. schreiten.

Das Bemühen soll nun dahin gehen, die ausgepreßte Wirtschaft wiederanzukurbeln", damit sie den Arbeits­markt entlasten könne. Wenn heute eine Million Feiern­der in die Gütererzeugung wieder eingereiht werden, so steigt die Kaufkraft im ganzen, auch wenn der Tariflohn nicht eingehalten werden könnte, denn die Million, die vor­her die Kaufkraft der andern schmälerte, würde jetzt selbst Kaufkraft erzeugen. Und das Mittel zu diesem Ziel wäre dis allgemeine Senkung der Warenpreise, die eine Steigerung des Warenumsatzes und zugleich zu einer Verbilligung der Lebenshaltung herbeiführen soll.

Aus solchen Erwägungen ist der Versuch entsprungen, zwischen Unternehmen und Arbeiterschaft eine Arbeits­gemeinschaft herzustellen. Man ist sich der Notwendig­keit schleunigen Handelns bewußt. Die Industrie erklärte, sie sei bereit, ihrerseits Opfer zu bringM, aller­dings müsse sie eine wirtschaftspolitische Kursänderung und ein verständnisvolles Mitgehen der Arbeiterschaft zur Vor­aussetzung machen. Genaueres über diese Vorschläge weiß man noch nicht, sie scheinen jedoch in der Richtung zu gehen, daß dem in Aussicht genommenen Abbau aller Gehälter und Löhne in der Wirtschaft ein gleiches Opfer der Beam­tenschaft folgen müsse. Die notwendige Herabsetzung der überhöhten Preise wäre nutzlos und undurchführbar ohne gleichzeitig oder gnmittelbar erfolgende Verbilligung der Erzeugungskosten.

Ein Vorgang ist bei den Stahlwerken Becker geschaffen worden, wo man sich, um den Betrieb aufrecht­erhalten zu können, über eine Lohnherabsetzung mit den Gewerkschaften geeinigt hat. So ist auch kürzlich in dem Lohnstreitverfahren der n o r d w e st d e u t s ch e n Indu­strie, die seit längerer Zeit die sozialpolitische Führung hat, durch einen Schiedsspruch der Schieds- stelle in Oeynhausen ein Versuch gemacht worden, auf breitester Grundlage die Mitwirkung der Arbeiterschaft bei der Rettung der Produktion zu gewinnen. Dieser Schiedsspruch schlägt eine Anpassung der Löhne an die ver­ringerten Ertragsmöglichkeiten der Betriebe vor und zwar jo, daß die Tariflöhne nicht nur keine Ein­buße, sondern sogar teilweise eine Aufbes­serung erfahren, dagegen sollen die Akkordlöhne in gewissen Umfang abgebaut werden. Und auch das nur in dem Maß des Preisabbaus, der dem Inkraft­treten der neuen Lohnregelung vorauszugehen habe.

Der Oeynhausener Schiedsspruch, der die Lohnpolitik wieder in die Wirtschaftspolitik einzuordnen versucht, ist von den Gewerkschaften abgelehnt worden, und die Ent­scheidung über seine Durchführung liegt nunmehr beim Reichsarbeitsminister; sie soll in nächster Zeit gefällt werden.

Bei alledem darf man aber nicht übersehen, daß das deutsche Finanz- und Wirtschaftselend vom inneren Markt allein aus nicht zu beseitigen ist. Der Dawesplan ist zwar erledigt, aber zu den ungeschriebenen Gesetzen der Wirtschaft gehört immer noch sein Grundsatz: Zahlen kann Deutschland auf die Dauer nur aus den Ueberschüssen seiner Ausfuhr über die Ein- f.u h r. Die deutsche Ausfuhr muß immer noch um Milliar­den gesteigert werden, wenn der Ausgleich des Reichshaus­halts gelingen soll. Dazu ist eins unerläßliche Voraussetzung: der sinnwidrige Zustand muh aufhören, daß auf dem in­neren Markt die Preise künstlich hochgehalten werden müs­sen, damit Deutschland auf dem Weltmarkt wettbewerbs­fähig bleibe.

Die Mehrheit des deutschen Volkes hat den Poungplan

freier Entschließung angenommen, es muß also der ernsthafte Versuch gemacht werden, die deutsche Wirtschaft auf den Doungplan einzustellen. Man kann es daher nur begrüßen, wenn Arbeitgeberschaft und Arbeitnehmerschaft sich endlich zu diesem Versuch zusammenfinden. Denn von

ihnen müssest die Vorbedingungen geschaffen werden, auf Grund deren allein das Reich den Versuch überzeugend fortführen kann.

Wie weit auf solcher Grundlage unsere Fädigkeit zum Wettbewerb auf dem Weltmarkt und damit die deutsche Ausfuhr gesteigert werden kann, hängt nicht von uns al­lein ab. Wir haben dann aber das Unsere getan, und wenn unsere Tributherren sich auch dann noch weiter gegen die Aufnahme deutscher Waren sperren, so können wir mit gu­tem Grund und Gewissen die Reform des Tribut­plans fordern.

*

Berlin, 9. Juni. Die Verhandlungen zwischen Vertretern des Neichsverbands der deutschen Industrie und der Ver­einigung der deutschen Arbeitgeberverbände mit den Ver­tretern der Gewerkschaften wurden am letzten Freitag wie­der ausgenommen und haben nach beiderseitiger Mittei­lung einen günstigen Verlauf genommen Die Ver­handlungen sollen Mitte dieser Woche fortgesetzt werden.

Fortdauer des Notopfers

Berlin, 9. Juni. Während der Reichsarbeitsminister in der Besprechung mit der Presse gesagt hatte, dasNotopfer" oder die ..Aeichshilfe" werde am 1- April 1931 ihr Ende fin­den, erklärte gleich darauf Reichsfinanzminister Dr. Mol­denhauer, das Notopfer sei hinsichtlich sei­ner Dauer überhaupt nicht beschränkt: keinesfalls werde es vom 1. April an wegfallen, nur die Sondersteuer für Ledige (lOprozentiger Zuschlag zur Einkommensteuer) werde dann wegfallen. Die Regie­rung soll ledigl-ch ermächtigt werden, vom 1. Ap>>l 1931 an den Satz des Notopfers (4 v. H. vom Roh-Eintommen) oder die Sondersteuer ganz aufzuheben.

Die Begründung des Notopfers wurde dem Reichs­finanzminister nicht leicht, da er nach vor einigen Monaien entschieden gegen diese Steuer aufgetreten war. Er sagte, in dem Augenblick, wo Preise und Löhne ins Wanken kom­men, müßten auch diejenigen, die sich in gesicherter Stellung befinden, Opfer bringen. Ein allgemeiner Zuschlag zur Einkommensteuer Hütte ihm allerdings mehr zugesagt, aber man habe davon abfehen müssen, um nicht vis Kapitalflucht zu fördern und den Auslands - kredit zu schädigen. Was hat die Regierung bisher ge­tan, um die Kapitalflucht zu vermeiden und die Kapital­bildung zu fördern?

Moldenhauer erwartet von je 100 Millionen Mk. Not­opfer der Beamten und der Anoestellten etwa 12 Millionen von den Ledigen. Die A b st r i ch e am Haushalt gab Mol­denhauer mit 25, Stegerwald mit 15 Millionen an. Mol­denhauer erklärte, er halte an seinem Plan der Steuer­senkung fest. Vor kurzem hatte er 600 Millionen in Aussicht gestellt. Wie er das machen werde, sagte er nicht; alles hänge von der Entwicklung der Arbeitslosigkeit und der Wirtschaftslage ab.

Es war allerdings schwierig, die neuen Vorschläge zu begründen und zu rechtfertigen. Nachdem man stets von der Notwendigkeit der Steuersenkung zur Belebung der Wirtschaft gesprochen hatte, müßte man statt dessen einen notwendigen Neuaufwand von fast zwei Mil­liarden vorlegen. Rund 700 neueste Steuern und Lasten stehen ganze 15 oder 25 Millionen an Einsparungen im Reichshaushalt gegenüber. Was denkt sich die Regierung, wenn sie erklären läßt, eine Neubelastung der Produktion werde durch dieses Programmso gut wie nicht" eintreten?

*

DerDemokratische Zeitungsdienst" teilt mit, die demo­kratische Reichstagssraktion habe gegen das Programm der Reichsregierung und das Notopfer schwerste Bedenken.

Fünf Jahrzehnte Deutschtumsarbeit

Von Prof. Dr. A. Die hl

Seitdem unsere Feldgrauen überall im Osten deutsche Siedlungen trafen, ist die Kenntnis davon, daß außerhalb der Reichsarenzen weithin deutsche Volksgenossen wohnen, m weiten Schichten unseres Volks verbreitet. Vor fünfzig Jahren war das nicht so; es wußten nur wenige um das Schicksal der deutschen Brüder drasßen. Da gründeten, an­geregt durch die Betreuungsarbeit des Kuraten F. X. Mit­terer in Nonsberg in Südtirol, Männer verschiedener poli­tischer Richtung in Wien im Jahr 18§0 denDeutschen Schulverein". Seine Aufgabe war es, das bedrohte Deutsch­tum in der österreichisch-ungarischen Monarchie zu unter- stützen. Ein Jahr sväter wurde von Berlin aus der ..All-

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