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Nummer 52
Fernruf 479
Dienstes, den 4. März 193V
Fernruf 479
65. .Jahrgang.
Frankreichs glänzende Mrlschaslsbilanz
Der Handelsvertreter in der englischen Botschaft in Paris, Ca Hill, berichtet der Regierung in London: Auf Grund starker Belebung seines Ausfuhrgeschäfts hat Frankreich in den letzten sechs Jahren 1,5 Millionen ausländischer Arbeiter aus Belgien, Polen, Spanien, Italien und der Tschechoslowakei einstellen müssen. (Deutschland hat dauernd, je nach der Jahreszeit, 1 bis 2,5 Millionen Arbeitslose.) Eigene Erwerbslose gibt es in Frankreich nur etwa 400. Die französische Ausfuhr, die im Jahr 1928 nur 2^ Millionen Tonnen zunahm, übertrifft die des Jahres 1913 um das Doppelte. Cahill sagt: „Frankreich genügt sich selbst bald in jeder Hinsicht" (geschlossener Handelsstaat), und er begründet das durch folgende Uebersicht der französischen Produktion:
Frankreich ist der erste Eisenerz Produzent Europas. Mit 5 Milliarden Tonnen Eisenerzen verfügt es über mehr als die Hälfte aller Eisenerzmengen unseres Erdteils.
Die Jahreserzeugung der elsässischen Kaligruben beträgt annähernd 8 Millionen Tonnen — eine Menge, die weit über den eigenen Bedarf Frankreichs hinausgeht.
Die Stein- und B r a u nk o h l e n f ö r d e r u n g, die für das Jahr 1913 mit 40 844 000 Tonnen beziffert wurde, ist um ein Siebentel gestiegen.
Frankreich hat seit 1927 Großbritannien in der Stahlerzeugung überflügelt.
Seit Kriegsbeginn hat sich die Aluminium-, und Seidenproduktion verdoppelt, die Kunstseideerzeugung versechsfacht, die elektrische Stromerzeugung verdreifacht.
Lebensmittel-, Textil-, Glas-, Porzellan-, Gummi- und Papierindustrie sind voll beschäftigt und weisen merkliche Erfolge auf.
Landwirtschaft und Weinbau sind auf Grund befriedigender Rentabilität gesichert.
Man wird Cahill bis zu einem gewissen Grad zustimmen müssen, wenn er sagt: „Im Vergleich mit anderen europäischen Ländern ist Frankreich betreffs seiner wirtschaftlichen Entfaltung von einem geradezu einzigartigen Glück begünstigt worden." Dabei läßt Cahill aber nur das Wichtigste außer acht, daß nämlich Frankreich dieses Glück in erster Linie dem Umstand verdankt, daß es den Löwenanteil (52 v H.) an den deutschen „Reparationszahlungen erhält, und daß es außer diesen mit vielen Milliardenwerten deutschen Besitztums auf den verschiedensten Gebieten (Kriegsmaterial, Schiffe, geordnete Kolonien usw.) sich hat sättigen können. Was bedeutet die jetzt öfter gehörte Klage der steuerscheuen Franzosen über das angebliche „Steuerelend" in ihrem Land angesichts der Tatsache, daß in dem ausgesogenen Deutschland auf jeden Erwerbstätigen im letzten Jahr,'nach Universi- tätsprafessor Karl v. Tyszka-Hamburg, eine Steuerlast von schätzungsweise 530 Mark entfällt! Und während der deutsche Reichsfinanzminister vor der unlösbaren Aufgabe steht, für die Riesenfehlbeträge des Reichshausbalts Deckung zu schaffen, wußte sein französischer Kollege Cheron nicht, was ei mit den überschüssigen Milliarden anfangen solle: er hat sie in der Schatzkammer aufgebsugt. Hier tausendfache Not — dort märchenhafter Ueberfluß.
Frankreich ist es gelungen, durch seine geschickte „Sicher- „Versöhnungs"-Politik nicht nur seiine wirklichen Kriegsschäden um das Zehnfache von Deutschland überzahlen zu lassen, sondern zum guten Ende im Haag durch den Reuen Plan auch noch seine Kriegsschulden an England und Amerika auf Deutschland abzuwälzen.
Die Deutsche Volkspartei lehnt das Notopfer ab
März. Gestern nachmittag 5 Uhr traten d m ^ufenen Mitglieder des Reichsausschusses di AuA>en VEspart«i. in Berlin zusammen, um zur Finan »u der Forderung des Notopfers d.
Der Vorstand Zentrums Stellung zu nehme
lLi « L schon am Saimsta-a seine abkekmen?
Stellung bekundet, obgleich Reichspräsident von Hin de bürg mnzustimmen versucht hatte. De» Parteivo sitzende, Reichsminister a. D. Dr. Scholz erklärte d dringendste Aufgabe der Finanzbildung sei di« Entlast»», kr Wirtschaft. die Forderung der Kapitalbildung und d Belebung des Arbeltsmarkts. Eine solche Reform dürfe da mchf umgekehrt mit neuen Steuern und Skeuererhöhunge begonnen werden, auch nicht in der verschleierten Form dk sogenannten Rokopfers. Dieses Notopser würde nur ei weiterer Grund, die unabweichliche innere Reform der A uenslosenverstcherung weiter zu verschleppen.
Reichsfinanzminister Dr. M o l d e n h a u e r sprach sich i ähnlichem Sinn aus. In der lebhaften Aussprache wurde i einer Entschließung erklärt, das deutsche Volk stehe an eine, Wendepunkt, der über Leben und Sterben seiner Wirtscha entscheide. Nachdem die Finanz- und Kassenlage des Reick dre versprochene Senkung der direkten Steuern für 19Z unmöglich gemacht habe, müsse eine solche durch gesetzlich Festlegung für 1931 gefordert werden. Eine neue Erhähun
Tagesspleiel
Das Reichskabinett will auf das Rotopfer verzichten. Dl. in der Montagssihung keinerlei Aussicht aus Einigung über die Londerbesteuerung bestand und eine Regierungskrise unter allen Vmständep vermieden werden wollte, hat sich die kabinektsmehrheik nach Zeitungsberichten entschlossen, das Notopser fallen zu lassen. Der entsprechende Betrag soll nun als Ausgabe für die Arbeitslosenversicherung in den haushalfplan 1930 eingestellt werden, und der Reichsfinanz- minisker soll in der nächsten Sitzung Vorschläge machen, wie er die Mittel ausbringen zu können glaubt.
Die deutsch-rumänischen handelsverkragsverhandlungen werden in Berlin sorlgesührt.
Ein Berliner Blatt wollte erfahren haben, daß die Reichsbahn die Einführung des elektrischen Betriebes auf der Strecke Berlin — München vorbereile. Von zuständiger Seite wird dagegen bemerkt, daß davon keine Rede sein könne. Die Umwandlung der etwa 500 Kilometer betragen- den Strecke würde bei rund 200 000 Mark Kilomekerkosien nicht weniger als 100 Millionen kosten. Es sei bei der schwierigen Finanzlage der Reichsbahn noch nicht einmal sicher, ob und wann der geplante elektrische Umbau der Strecke München—Augsburg—Ulm in Angrifs genommen werden könne.
In München wurden die kommunistische Sladkrälin Sarnecki, ihr Ehemann und der Landtagsabgeordneke Göh wegen Landfriedensbruch durch Beteiligung an einem schweren Uebersall aus Nationalsozialisten im Vorort Giesing verhaftet.
Auf den Zechen der Guke-Hoffnung-Hütte in Oberhausen sind am Montag 2000 Arbeiter gekündigt worden.
Rach den bisherigen Ergebnissen sind in Brasilien Julia Presies zum Präsidenten und Vital Soares mm Vizepräsidenten gewählt worden. Beide gehören der konservativen Partei an.
Ans Peking wird gemeldet, daß im Rorden Chinas wieder einmal Vorbereitungen für eine Entscheidungsschlacht in der Gegend von Hsufchau, wo Tschiangkaischek ein gut ausgerüstete? Heer von 200 000 Mann zusammengezogen haben soll, getroffen werden. An der Lunghai-Eisenbahn wird andauernd gekämpft.
der direkten Steuern, unter welcker Bezeichnung sie auch erfolge, sei damit unvereinbar. Das bequeme sogenannte Rokopfer würde außerdem den Willen zur Resorm der Ausgaben im Keim ersticken.
Die Entschließung wurde einstimmig beschlossen. Dr. Eurtius, der krank sein soll, nahm an der Sitzung nicht teil.
Der demokratische Standpunkt
Die demokratische Reichstagssraktion beschloß, für möglichst rasche Armahme des Reuen Plans und für das Rotopfer einzutreten. Eine Regierungskrise könnte eine Katastrophe heraufbeschwören. Eine Steuersenkung im Jahr 1931 sei anzustreben. Die Fraktion wolle einen letzten Versuch der Vermittlung mit der Deutschen Volkspartei machen.
Sitzung des Reichskabinetts
Das Reichskabinett ist in der Sitzung am Montag vormittag bei der Weiterberatung der Deckungsvorlage wiederum zu keinem Schluß gekommen. Die Beratungen werden am Dienstag fortgesetzt. Das Kabinett hofft, durch die Hinausziehung des endgültigen Beschlusses Zeit für eine Verständigung zu gewinnen.
Kabinettskrise — Weimarer Koalition?
In Reichstagskreisen ist man sich darüber klar, daß eine- Kabinettskrife unvermeidlich wäre, wenn die Volkspartei auf ihren Beschlüssen beharrt und das Kabinett in seiner Mehrheit trotzdem das Notopfer beschließen würde. Mindestens müßte dann Dr. Molden Hauer zurücktreten, vielleicht aber auch Dr. Curtius, wenn dieser nicht nach dem Vorgang Stresemanns vorziehen würde, als „parteipolitisch nicht gebundener" Minister weiter zu amten.
Die Forderung des Zentrums (Verbindung von Neuem Plan und Finanzrefm-m) hofft inan auf eine Form bringen zu können, die eine Verständigung ermöglicht. Sollte sich dies nicht ermöglichen lassen, so wäre allerdings der Rücktritt des gesamten Kabinetts wahrscheinlich. « Dann müsse entweder ein geschästssührendes Kabinett wwildet werden, oder man müsse auf die Weimarer Koalition (Sozialdemokratie, Zentrum und Demokratie) mit Einschluß der Bayerischen Volkspartei zurückgreisen. die allerdings nur eine Mehrheit von wenigen Stimmen haben und nicht von langer Dauer sein würde. In Kreisen der Koalition hofft man, daß auch im Fall einer Krise der Reichspräsident wieder veranlaßt «verden könne, zugunsten der Koalition einzugreifen.
Haft bis zum Grab
Berlin, 3 März. Samstag würde im Elternhaus des ermordeten nationalsozialistischen Studenten Wessel eins kurze Trauerfeier abgehalten, an der auch Adolf Hitler und Chargierte des Kösener SC. und Singehörige des Berliner und Wiener Korps teilnahmen. Um 4.45 Uhr setzte sich der Zug zum Nikolaifriedhof in der Prenzlauer Allee in Bewegung. Zu beiden ^Seiten des Leichenwagens schritten Polizeibeamte. Jis^der KaHrr-Wilhelm-Straße begann die Polizei die Mitläufer in die Nebenstraßen abzudrängen, konnte jedoch nicht verhindern, daß sich schon am Bülowplatz Tausende von Menschen anfammelten. Hier kam es dann auch alsbald zu Zusammen st äßen zwischen Nationalsozialisten und Kommunisten. Die Polizei trieb die Menge auseinander. Vor dem Friedhof in der Prenzlauer Allee hatten sich ebenfalls mehrere tausend Menschen angesainmelt. Auch hier kam es zu Zusammenstößen. Zwei Nationalsozialisten wurden von unbekannt gebliebenen Personen angegriffen und verletzt. Wüste Auftritte spielten sich gegen 5 Uhr in der Lothringer Ecke Koblanck-Straße ab. hier stürzten sich etwa 30 junge Kommunisten auf einen der Wagen mit Trauergästen und versuchten ihn umzuwerfen. Ein Ueber- fallauto der Schutzpolizei wurde mit einem Steinhagel empfangen und aus der Menge wurden drei Schüsse auf die Polizeibeamten abgefeuert, die aber glücklicherweise ihr Ziel verfehlten. Einer der Beamten wurde von vier Kommunisten überfallen und zu Boden geschlagen, wobei ihm Gummiknüppel und Revolver entrissen wurden. Um den am Boden liegenden zu befreien, feuerte ein anderer Schupowachtmeister zwei Schreckschüsse ab, worauk die Angreifer flüchteten. Da die Menge eine sehr drohende Haltung an- ncchm, konnte lediglich einer der HauptNidelsführer festgenommen werden. Auch am Grab versuchten Kommunisten durch Randalieren und Singen die Feier zu stören. Nach dem Begräbnis gab es vor dem Friedhof ein allgemeines Durcheinander, der Verkehr stockte längere Zeit. Die Geschäfte hatten vorsichtshalber geschlossen.
Neueste Nachrichten
Der Reichsbund der höheren Beamten gegen einseitige Besteuerung
Berlin, 3. März. Der Vorstand des Reichsbunds der höheren Beamten hat in seiner gestrigen Sitzung folgende Entschließung gefaßt: Die Beamtensckaft kann keinen Rechtsgrund dafür anerkennen, daß sie zur Deckung dieses oder eines anderen Teils der allgemeinen Haushaltsausgaben einseitig herangezogen wird. Sie ist um so weniger in der Lage, die sich ergebende Belastung allein zu tragen, als ihre Bezüge seit Jahrzehnten hinter der allgemeinen Lohnentwicklung zurückgeblieben sind und durch die Gehaltsregelung von 1927 nur ein Tei! dieses Zurückbleibens aufgeholt worden ist. Einem allgemeinen, das ganze Volk treffenden Notopfer wird sich die höhere Beamtenschaft selbstverständlich nicht verschließen. Sie lehnt aber eine einseitige Belast u n g zu ihren Ung-msten als eine Sonderbesteue- rung ab.
Die Entschließung wurde heute vormittag dem Reichskanzler überreicht.
Spaltung der Berliner Kommunisten
Berlin, 2. März. Die beiden komm. Berliner Stadtrate 2 e h und Landtagsabg. Raddatz, die von der Aufsichtsbehörde bestätigt wurden, weil sie das Versprechen positiver Mitarbeit abgaben, veröffentlichen zusammen mit 60 anderen komm. Parteifunktionären eine Erklärung gegen die kommunistische Zentrale. Diese diene nicht mehr der Arbeiterschaft, sondern allein Stalin in Moskau. Sie wenden sich daher von der Parteizentrale ab.
Hellpach legt sein Mandat nieder
Heidelberg, 3. März. Der frühere badische Unterrichtsminister und Staatspräsident Prof. Dr. H e l l p a ch hat der Demokratischen Partei mitgeteilt, daß er wegen Meinungsverschiedenheit in entscheidenden Fragen sein Reichskagsmandat niederlege und ans der Leitung der Partei ausscheide. Er wollt! sich von Bindungen befreien, um seine Meinung und seimk Entschlüsse zu den großen innerpolitischen Fragen der Zeit frei und offen kundgebeu zu können.
Die gestohlenen Waffen gefunden
Leipzig, 3 März. Die gestohlenen Waffen (219 Gewehre, 39 Maschinengewehre) sind nun alle bis auf das schwere und 2 leichte Maschinengewehre aufgefunden. Die Waffen waren an verschiedenen Stellen der Stadt und der Umgebung versteckt. Cs sind bereits eine RelhevonVer- '"Haftungen vorgenommen worden.
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Amerikanischer Ruf an die Flottenkonferenz Reunork. 3. März. Gestern wurde an die amerikanisch^