Kabul vor dem Fall?
Moskau, 7. Oktober. Nach einer Meldung aus Termez dringen die Streitkräfte Nadir Khans erfolgreich auf Kabul vor und nähern sich den Zugängen der Stadt. Das Fort Balahissar soll bereits von ihnen besetzt fein. In den südöstlichen Vororten Kabuls finden Kämpfe statt. Zum Schutz der Hauptstadt hat Habib Ullah alle Streitkrüfte einschließlich der Polizei mobil gemacht. Habib Ullahs Anhänger bringen ihre Familien und ihr Eigentum nach Kugistan.
Neue Reichsmittel für die produktive Erwerbslosenfürsorge
Berlin, 8. Oktober. Die vom Reich für die produktive Erwerbslosenfürsorge ausgeworfenen 77 Millionen Mark find aufgebraucht. Der Reichsarbeitsminister unterhandelt daher, wie bereits berichtet, über eine neue Bewilligung von zunächst 30 Millionen im Nachtragsetat für das laufende Rechnungsjahr mit den Fraktionsführern der Regierungsparteien. Darüber hinaus sollen sofort im Weg des „Vorgriffs" auf das Haushaltjahr 1930-31 weitere Beträge beschafft werden. Bis jetzt konnte unter den Regierungsparteien keine Einigung über dies« Anforderungen erzielt werden. Die Fraktionen werden nun zunächst jede für sich über die Höhe der etwa zu bewilligenden Summen beraten, gleichzeitig wird das Reichsarbeitsministerium mit dem Reichsfinanzministerium sich auseinandersetzen. Danach sollen di« gemeinsamen Verhandlungen dieser Fraktionen wieder ausgenommen werden.
Sklareks Anzugsliste
Ein Berliner Blatt weiß zu melden, die Liste der Günstlinge der Sklareks, die sich 5 und 6 und mehr Anzüge von 400 Mark zu 80 Mark, dazu Pelze, Schuhr rrk usw. in einem andern Konfektionsgeschäft auf Rechnur i kaufen durften, enthalte auch die Namen des zurzeit in Amerika weilenden Oberbürgermeisters Böß, des Bürgermeisters Schneider und einer ganzen Reihe von Stadträten und Stadtverordneten, dis der Sozialdemokratischen Partei angehören. Mehrere der letzteren erklären im „Vorwärts", daß sie niemals in geschäftlichen Beziehungen zu den Sklareks gestanden hätten. Die „Rote Fahne" behauptet, auch der dis Untersuchung gegen die Sklareks leitende Oberstaatsanwalt Tetzlaff habe in privaten Beziehungen zu ihnen gestanden und sein Name stehe auch auf der Anzugsliste. — W.T.B. erfährt, Tetzlaff habe keine Anzüge von Sklarek bezogen.
Meder ein Großbekrug in Berlin. Umfangreiche Schiebungen mit Grundschuldbriefen bilden den Gegenstand eines großen Prozesses, der am Dienstag vor dem Schöffengericht Berlin-Mitte begonnen hat. Angeklagt sind 5 Personen. Der Leiter dieses Konsortiums war Kaufmann Löb Reich- mann, der im Jahr 1893 in Wien geboren ist und eins ziemlich bewegte Vergangenheit Hot. Ec hat !m Jahr 1922 sämtliche Aktien der Berliner Handelskontor AG. erworben und befaßte sich mit Hypothekenvermittlungen und Lombardierungen. Mit Hilfe von Strohmännern gründete er noch eine Reihe von weiteren Schwindlergesellschaften. d>e sich sämtlich in denselben Büroräumen befanden. Es wurden Darlehensgeschäfte betrieben, bei denen sie sich Grundschuldbriefe auf Grundstücke der Darlshens- sucher aushändigen ließen, obwohl das Unternehmen über keinerlei Mittel verfügte. Die Grundschuldbriefs wurden benutzt, um darauf Geld zu beschaffen. Die vereinnahmten Gelder sind dann jedoch zu einem erheblichen Teil von Reichmann und seinen Mitangeklagten für eigene Zwecke verwendet oder ins Ausland verschoben worden- Nach den Verträgen sollten die Grundschuldbriefe, die übrigens auf weit höhere Beträge als die beanspruchten Darlehen lauteten, dem Notar Jungfer „zu treuen Händen" übergeben werden. Jungfer, der sich ebenfalls unter den Angeklagten befindet, händigte die Sicherheiten aber an seine Genossen aus- Die Darlehenssucher haben erhebliche Verluste erlitten, in einem Fall 100 000 in einem Fall 65 000 in einem dritten Fall 21 000 -4t.
MMmberg
Stuttgart, 8. Oktober.
Gegen den Abbau von Bankangestellken. Die sozialdemokratische Landtagsfraktion bat im Landtag eine Große An
frage Angebracht, die sich gegen den durch die Zusammenlegung der Deutschen Bank und der Diskontogesellschaft drohenden Abbau von Bankangestellten wendet. Das Staatsministeriums wird gefragt, ob es bereit sei, 1. seinen Einfluß dahin geltend zu machen, daß ein Personalabbau unterbleibt oder auf ein Mindestmaß beschränkt wird, 2. für den Fall, daß ein Abbau nicht verhindert werden kann, mit allem Nachdruck dafür einzutreten, daß dabei soziale Gesichtspunkte in weitgehendstem Umfang berücksichtigt und Abgebaute vor wirtschaftlicher Not geschützt werden.
Stuttgart, 8. Oktober. Todesfall. Am Montag starb hier im Älter von 66 Jahren Brauereidirektor a. D. Eugen Münz. Er war im Jahre 1886 in den Dienst der Würt- tembergisch - Hohenzollerischen Brauereigesellschaft Stuttgart (Brauerei Englischer Garten) getreten. 1926 trat er in den Ruhestand.
Schwäbisches Kornbrot. Aus Anlaß der Ausstellung für Ernährung und Körperpflege in Stuttgart ist von den Frauenvereinen der Wunsch ausgesprochen worden, es möge auf der Ausstellung ein bekömmliches, nahrhaftes Schwarzbrot gereicht werden, das rein a u s schwäbischem Getreide hergestellt sei. Die Bäckerinnung Stuttgart hat Versuche angestellt und es ist ihr mit Hilfe der im Eigentum der Innung stehenden Bäckermühle Cannstatt gelungen, aus einheimischem Weizen, Roggen und Dinkel bei 85prozent!ger Ausmahlung ein Schwarzbrot her- zustelb das nicht nur sehr schmackhaft, sonder» auch nahrhaft u>^ leicht verdaulich ist. Die auf der Ausstellung befindliche Bäckerei stellt dieses Brot als „Schwäbisches Kornbrot" her und wird auch nach der Ausstellung künftig in den Stuttgarter Bäckereien zu haben sein.
Kameradschaftsabend für die früheren Angehörigen der 34. Reserve-Division. Am Samstag, 12. Oktober, abends veranstalten die Regimentsvereinigungen der früheren 54. Res.-Div. (246, 247, 248, 54er Artillerie und Sanitäts- Komp.) im Festsaal der Brauerei Wulle einen gemeinsamen Kameradschaftsabend mit Lichtbildervortag. Albert Neustle, Vorsitzender der Vereinigung ehemaliger 248er, zeigt an Hand von 200 Lichtbildern die Kampfstätten und Kriegerfriedhöfen der 54. Res.-Div. an der Westfront. Daran schließt sich ein gemütlicher Teil im Kameradenkreise an.
Gerichkshilfe in Württemberg. Der Württ. Verein zur Fürsorge für entlassene Strafgefangene hat auf Veranlassung der Württ. Justizministeriums neben seiner seitherigen Tätigkeit die Gerichtshilfe für Erwachsene als einen neuen Arbeitszweig übernommen und zunächst in Stuttgart vom 1. Oktober ab eine Gerichtshilfestelle eingerichtet. Die Gerichtshilfe soll im ganzen Land, hauptsächlich am Sitz der Landgerichte und großen Schöffengericht« eingerichtet werden, sobald in Stuttgart die nötigen Erfahrungen gesammelt sind. Man hofft, spätestens bis zum Frühjahr weitere Gerichtshilfestellen schaffen zu können. Die Gerichtshilfe erforscht durch freie Helfer die Persönlichkeit des Beschuldigten, seine Veranlagung. seinen Bildungs- und Werdegang, sein Vorleben, sein« wirtschaftlichen und familiären Verhältnisse und seine Umwelt, und stellt die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft bezw. dem Gericht zur Verfügung. Auch im Strafvollzug und im späteren Gnadenverfahren werden die Gerichtshilfeberichte von besonderem Wert fein. Es ist zu hoffen, daß sich Männer und Frauen aus allen Kreisen als ehrenamtliche Helfer zur Mitarbeit an dieser neuen Aufgabe zur Verfügung stellen. Im ganzen Reich gibt es zurzeit etwa 250 Gerichtshilfestellen .
Aus dem Lande
Aellbach, 8. Oktober. Zusammenstoß. Gestern fuhr ein hiesiger Motorradfahrer Ecke Cannstatter- und Moltke- strahe auf einen älteren Radfahrer auf. Beide Fahrer wurden von ihren Rädern geschleudert. Während der Motorradfahrer mit dem Schrecken davonkam, wurde der Radfahrer schwerverletzt und bewußtlos in ein Nachbarhaus getragen und dort von einem hinzukommenden Arzt verbunden.
Skeiuheim OA. Marbach, 8. Okt- HennesRüge. Auf dem 17 Bezirksgewerbetag, der am Sonntag hier stattfand, kam man auch auf die Tatsache zu sprechen, daß der Abgeordnete Henne- Tübingen sich für befugt gehalten habe, auf dem Landesverbandstag in Tübingen dem Syndikus Dr. Freu von der.Handwerkskammer läeilbronn öffentlich
eine Rüge zu erteilen' Dr. Frey hatte nämlich in dem Fachblatt „Württ. Handwerk" in einigen Artikeln dargelegt: Das Handwerk sei in drei Zeitabschnitten stark bedroht gewesen und sei es noch heute. Vor 40 Jahren sei versucht worden, das Handwerk wissenschaftlich totzuschlagen, in den letzten 20 Jahren habe man es wirtschaftlich umzubringen versucht und heute solle es politisch tot gemacht werden. Einen Schutz könne nur eine Aenderung des Aufbaus der Handwerkskammer bringen. Dr. Frey hatte auf dem Verbandstag die Frage gestellt, ob der Landesverband irgendwelche Vorkehrungen in dieser Frage treffen wolle. Und diese Frage hatte ihm die Rüge eingetragen.
Der Bezirksgewerbetag verurteilte das Vorgehen Hermes und brachte Dr. Frey fein volles Vertrauen durch Erheben von den Sitzen zum Ausdruck.
Heilbronn. 8. Oktober. DerNachfolgervonPrä- lat Gauß. Als Nachfolger des Prälaten Gauß !m Dekanatamt ist, wie der Heilbronner Generalanzeiger hört, Dekan Lic. Hoßin Kirchheim u. T. ausersehen. Seine Ernennung steht in den nächsten Tagen bevor. Dekan Hoß steht im 55. Lebensjahr.
Von der Straßenbahn löblich überfahren. Ein tödlicher Unfall ereignete sich gestern abend an der Straßenkreuzung Süd- und Wilhelmstraße. Der in den 40er Jahren stehende Zimmermeister Albert Hinzinger von Untergruppenbach wollte von der Süd- in die Wilhelmstraße einbiegen, benutzte dazu aber die falsche Straßenseite und stürzte mit seinem Rad in dem Augenblick, als die Straßenbahn daherkam. Hinzinger kam unter die Straßenbahn und erlitt so schwere Kopfverletzungen, daß der Tod sofort eintrat.
kirchhausen OA. Heilbronn, 8- Okt. Wildschweine. Schon seit etwa 10 Tagen vermutet man im hiesigen Gemeindewald, Schlag „Hallstatter Wald" und „Rote Erde", Wildschweine. Den Spuren nach dürften es drei bis fünf Tiere, darunter ein schweres, sein.
Böckingen OA. Heilbronn, 8. Okt. Erhängt. Montag früh wurde der 30 Jahre alte Gelegenheitsarbeiter Rudolf Eutistgerim Garten hinter seiner Wohnung erhängt auf- gefunden. Häufige Familienzwistigkeiten infolge Arbeitslosigkeit des Ehemanns sollen der Grund zu der Tat sein. Der Tote hinterläßt eine Witwe mit drei kleinen Kindern, wovon das jüngste erst am Sonntag getauft wurde.
Schorndorf, 8. Oktober. Vom Zug überfahren. Der Arbeiter Georg Scheckenbach aus Urbach wurde am Samstag, als er auf dem Bahnkörper bei Nacht heimging, vom Zug erfaßt und überfahren. Um den Verunglückten trauert eine kinderreiche Familie.
Lindach OA. Gmünd, 8. Oktober. Vom Baum gestürzt. Gemeindepfleger Johannes Weller ist beim Obstpflücken vom Baum gestürzt. Der Bedauernswerte
Reutlingen, 8. Okt. Verkehrsunfall. Gestern stürzte in der Karlstraße beim Kronprinzen ein Motorradfahrer und erlitt einen schweren Beinbruch. Er wurde ins Bezirkskrankenhaus verbracht.
Börskingen OA. Horb, 8. Okt. Von einer Kreuzotter gebissen. Hauptlehrer König fand am Samstag im Wald ein seltsames Wurzelgebilde, das er für den Krippenbau nach Hause nehmen wollte. Als er danach griff, fühlte er einen Schmerz an der Hand. Anfänglich glaubte er, an einer Brennessel sich gebrannt zu haben. Doch entdeckte er bald eine Bißwunde. Er saugte die Wunde stark aus und unterband sie kräftig. Ein Arzt wandte die letzten Mittel an, um etwa noch zurückgebliebenes Gift aus der Wunde zu entfernen.
Oberndorf, 8. Okt. Der neueLandrat. Der Staatspräsident hat den Regierungsrat Reihling beim Innenministerium zum Landrat in Oberndorf ernannt.
Böchingen OA. Oberndorf, 8. Okt. Fahrlässige B r a n d st i ft u n g. Zu dem Brandfall wird gemeldet, daß der Brandgeschädigte Hahnengrad den Brand infolge Fahrlässigkeit beim Hantieren mit einem offenen Licht in der Scheune versucht haben soll.
Reu-Mm» 8. Okt. Erwerb des Festungslazaretts. Durch den Erwerb des Festungslazaratts ist die Stadt in die Lage versetzt worden, bei Bereitstellung der nötigen Mittel ein neuzeitliches Krankenhaus zu schaffen. Die notwendigen Unterlagen über die Baukosten, die Finanzierung, die Rentabilität sollen geschaffen und das Bezirksamt um eine Kostenbeteiligung angegangen werden.
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40. Fortsetzung. Nachdruckoerboten.
" Pfarrer Römer konnte in keine fteberslchere Atmosphäre htneingeraten, als in diese. Einladungen flogen ihm durch zweite und dritte Personen zu, so daß er Monate in Berlin hätte bleiben müssen, um auch nur einen Teil davon zu befriedigen. Dieser Eifer um seine Person rührte ihn. Er war ihm nicht nur ein Beweis, wie gastfrei die Berliner Menschen waren, nein, er erblickte darin auch ihre ungeheure Musikliebe. Daß man ihn so sehr im Herzen trug, seinen Namen so sehr ehrte, das hatte er nicht für möglich gehalten. All diese Liebesbeweise stimmten ihn weich und dankbar. „Schön war das Leben trotz allem! Ja, schön, trotz allem! Das stellte er tn diesen Tagen gerührten dankbaren Herzens fest. —
Fast jeden Mittag aber fuhr er, trotz des Ansturms so vieler neuer gesellschaftlicher, künstlicher und geschäftlicher Anforderungen, zu Frau von Kämpen hinaus. Vieles hatte er sich bei all' seinen Besuchen mit ihr zu erzählen. Und stets wieder, sie mochten noch so sehr hin und her geredet haben, brachte die Blinde dann d..s Gespräch auf Ingrid.
Welche Kleider sie trüge, wie groß ste sei, wie ihre Stimme klinge, ob sie viel lache und fröhlich sei . . . Alles, alles das verlangte sie zu wissen. Nicht müde konnte sie werden über Ingrid zu hören.
Der Pfarrer hatte sich tn diesen wenigen Tagen bereits daran gewöbnt, von selbst, alles was er erlebt und was ihn beschäftigte, mit Frau von Kämpen zu besprechen. Ernsthast, zartfühlend, teilnahmsvoll ging die Blinde darauf ein und iie schien aleicküam von Taa »u Taa aieriaer
auf die Stunde zu warten, wo Pfarrer Miner zu "ihr ins Zimmer trat.
Nie nannte sie dagegen seinen Namen. Nur ein einziges Mal hatte sie ihn fast unhörbar gefragt: „Nicht wahr, ich habe richtig gehört: Dirgnt sind Sie? Der große Komponist Dtrgni?"
Der Pfarre- hatte darauf geschwiegen. Er wußte keine Antwort zu geben. —
Fräulein Hammer hatte sehr viel zu tun. Sie waren übereingekommen, die Wohnung, da sie sich so rasch nicht auflösen ließ, möbliert zu vermieten. — In einer geheimen Unterredung hatte Pfarrer Römer Fräulein Hammer über die Garderobenbedürfntsse Frau von Kampens und auch über die ihrer eigenen ausgefragt. Er hatte ihr danach Geld aufgedrungen und ihr gleichsam anbefohlen, alles neu und schön für Frau von Kämpen anzuschaffen was an Bedürfnissen vorläge. Aber auch für sich selbst jolle sie nach Belieben sorgen.
Wie etn Wunder faßte Fräulein Hammer diesen Wechsel ihres Lebens auf. Ja, in manchen Stunden vermochte sie die bevorstehende Veränderung ihres Schicksals gar nicht zu fassen. Jahrelang war sie bereits nicht draußen in wirklich unverfälschter Natur mehr gewesen. Ihr Herz vermochte deshalb nicht zu glauben, daß sie sobald nun dle reine liebe Htmmelsjonne erblicken und daß ste alle Ketten, die sie an die Großstadt banden, würde abschütteln können.
Am meisten freute ste der Wechsel indessen Frau von Kampens wegen. Ste sagte kein Wort weiter, wenn sie mit Pfarrer Römer über das Leben der letzten neun Jahre sprach, das ste und Frau von Kämpen geführt. Aber tn ihren stillen Augen und Zügen las er, ebenso wie tn denen Frau von Kampens, wie schwer beide sich durchgerungen. Auch die blinde Frau von Kämpen arbeitete für Geld, wie er jetzt wußte.
Eines Tages fragte der Pfarrer die Blinde, ob er Frau Soli einmal zu ihr bringen dürje.
..Krau Soll?..." .. >
„Ja. Ich dachte dabet nur daran. Ihnen Ihre Ein- lamkeit ein wenig zu zerstreuen. Frau Soll ist Ingrids Pflegemutter. Vielleicht hätten Ste zwei sich manches ;u erzählen. Was meinen Sie, darf ich sie Ihnen bringen? . . ."
Die Blinde antwortete auch jetzt nicht gleich. Ihr Atem ging rasch und auch ihr Herz schlug schneller, das sah der Pfarrer. Endlich jedoch schien sie mit sich einig zu sein.
„Ich weiß nicht," sagte ste, „seitdem Sie da sind, muß ich tun, was Sie wollen. Ja, bringen Ste Frau Soll. Bringen Sie ste nur zu mir. .
„Ich denke, es wird sehr gut sein, daß Frau Soll Sie besucht. Vielleicht werden Ste das bald selbst ein- sehen," meinte der Pfarrer.
Etn paar Tage später bereits war es dann, daß Pfarrer Römer sein Vorhaben ausführte.
Am Vormittag hatte die Generalprobe zu „Ketten" stattgefunden. Er war auf dringendes Bitten Ingrids und Gütz auch dieser Generalprobe serngeblieben. Erst die vollständige, die viel feierlichere Vorstellung am Abend des nächsten Täges, sollte er besuchen. So hatte Ingrid ihn gebeten.
„Eine Generalprobe sei tn der Tat noch etwas Unfertiges. Da gäbe es noch immer allerlei Störungen," hatte Götz htnzugefügt. „Da wäre es richtiger, er ließe sich von der Abendvorstellung überraschen und schwäche oen Eindruck durch die Generalprobe nicht ab."
Pfarrer Römer gab nach. Er sah auch etn, baß etwas Wahres daran fei.
„Wie viele Stunden die Generalprobe dauere," sagte er danach.
,^)h, so gegen zwei bis drei Uhr am Nachmittag sei sie wohl iväteliens zu Ende."
Fortsetzung folgt.