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ß Nummer 50

Fernruf 179

Donnerstag den 28. Februar 1929

Fernruf 179

64. Jahrgang.

Ser smuMisch-bekgische Gehsinuierlkag

Auf Anfragen in der belgischen Kammer teilte Außen­minister Hymans mit, er habe dem holländischen Ge­sandten erklärt, daß es sich bei den Enthüllungen de» Utrechter Tagblads um eine Fälschung handle. Die Ab­machungen mit Frankreich beziehen sich auf den Fall, daß Deutschland einennicht herausgeforderten Angriff" auf Belgien oder Frankreich mache (!!), sie haben also lediglich den Charakter derVerteidigung". (?I) Der frühere Außen­minister Vandervelde (Soz.) sagte, es würde sich bei den Enthüllungen wohl um einen Fastnachtsscherz handeln, wenn dieVerleumdungsabsicht" nicht so deutlich wäre. Die Kammer billigte die Erklärung Lymans mit allen gegen S Stimmen (4 Frontkämpfer und D Kommunist).

Die Ableugnungen der drei Geheimverbündeten werden vohl n i r g e n d s e r n st g e n o m m e n. Sie widersprechen sich untereinander. Das Utrechter Tagblatt schreibt denn auch:Wer, wie wir, das echte Stück mit eigenen Augen gesehen hat, kann für jede erdenkliche Ableugnung nur ein Achselzucken haben. Die belgische Erklärung besagt über­haupt nichts: die französische nennt die Schriftstücke a p o g r y p h", ein Ausdruck, der auch die Möglichkeit der Echtheit einschließt. Die englische Ableugnung bezieht sich nur aufeinen der beiden Verträge (vom 7. Juli 1928), der allerdings von England noch nicht bestätigt ist; von dem anderen schweigt England. Das Blatt fordert die drei Re­gierungen auf, wenn sie die Richtigkeit der Enthüllungen in Zweifel ziehen wollen, so sollten sie doch den Schleier des Geheimnisses lichten und ihreechten" Urkunden bekannt­geben, mindestens das, was ihre Militärattachees und Generalstäbler angeblich ohneoffizielles Wissen" der Regierungen abgemacht hätten.

Die Franzosen haben kein Glück mit der Geheimhaltung ihrer Militärbündnisse. Der Inhalt des französisch- tschechischen Bündnisses wurde im März 1924 durch dasBerliner Tageblatt", der Inhalt des französisch- rumänischen Bündnisses im September 1926 durch die amerikanische ZeitungNew York Herald" veröffentlicht. Diesen Veröffentlichungen sind nunmehr die Enthüllungen der holländischen ZeitungUtrecktsch Daablad" über den Inhalt des französisch-belgischen Militärbündnisses gefolgt- Wie in den Jahren 1924 und 1926. so wird natürlich auch diesmal wieder die Richtigkeit dieser Enthüllungen von den beteiligten Ländern abgestritten.

Die Erweiterung des französtsch-belgis-^en Militärbünd­nisses durch die jetzt bekannt gewordenen Abmachungen vom Jahr 1927 bildet zweifellos das Ergebnis einer Konferenz, die im Mai 1927 zwischen dem französischen Generalstabs­chef G?ner"s Debenen und dem belgischen Generalstabsäief und Kriegsminister in Brüssel stattgefunden hat. Diese Kon­ferenz erfolgte auf besonderes Drängen Frankreichs, als sich in Belgien Bestrebunaen geltend machten, die auf eine Herabsetzung des aktiven Militärdienstzeit hinausliefen. Frankreich forderte eine Neufassung der militärischen Ab­machungen, die im Jahr 1923 für die Zeit des Ruhr­einfalls getroffen worden waren, falls sich, wie Poincarö erwartete, infolge des Ruhreinfalls ein neuer Krieg mit Deutschland ergeben sollte. In diesem Fall sollte eine starke belgisch-französische Heeresgruzpe aus dem Ruhrgebiet über die Weser nach den deutschen Nordseehäfen vorstoßen und diese in die Hand nehmen. Sie sollte dadurch Deutsch­land von der Zufuhr von außen abschneiden und gleichzeitig damit den Hauptstoß der französischen Hauptkräfte aus den Brückenköpfen Koblenz und Mainz nach Mitteldeutschland hinem in der Nordsee decken.

vom Mai 1927 folgte im September ^ Brüssel eins weitere, nachdem in der Zwischenzeit die Einzelheiten der im Mai grundsätzlich ver­einbarten neuen Militärabmachungen von emer französisch- belgischen Generalstabskommission genau festgelegt worden waren. An ihr nabm diesmal neben Vertretern der beider­seitigen Generalstäbe und Kriegsministerien auch der Generolinsvekkeur des französischen Heeres und Oberbefehls­haber desselben im Kriegsfall, Marschall Petain. teil, dessen Anwesenheit in Brüssel man durch Einweihung von Kriegerdenkmälern zu verschleiern suchte. Gleichzeitig damit verlautete, daß die neue französisch-belgische Militärkonv-n- rion auch gewisse Vereinbarungen enthalten sollte, die sich " " d und Italien richten sollten. Die bel- sii'che Regierung, sehr bald danach von flämischer Seite im Parlament hierüber zur Rede gestellt, mußte zug"ben, daß Frankreich eine Ausdehnung des französisch-belgischen Bündnisvertrags auch auf den Fall eines sranzdsisch-italienl» >chen Kriegs gewünscht habe. Sie erklärte aber, daß dies von belgischer Seiteabgelehnt" worden lei. Die jetzigen Enthüllungen zeigen, daß diese Erklärung der belgischen Re­gierung unwahr gewesen ist.

Holland sollte ursprünglich im Jahr 1920 nach dem Willen Frankreichs in das französiche Bündnis­system mit eingegliedert, das französisch-belgische Bündnis durch eine französisch-belgisch-halländische Militär- künvention ergänzt werden. Die holländische Regierung hat elnch dkspezuglichen Vorschlsg Frankreich», hurch htz Hel-

Tagesspiegel

Am Mittwoch mittag hatte Reichskanzler Müller eine Besprechung mit Mikgiedein der Reichslagsfraklion der Deutschen Bolksparkel über die Wiederaufnahme der Koalitionsverhandlungen. Nachmi lass fand eine zweite Be- sprechung statt, an der auch Dr. Stresemann und Dr. Scholz leilnahmen.

Die Koali.ionsbesprechungen, an denen auch Abg. Sie­gerwald keilnehmen wird, werden Donnerstag fortgesetzt. Das Zentrum soll bereit sein, wieder in die Regierung ein- zukreken. wenn seine bekannten Bedingungen (drei Fach- minister usw.) erfüllt werden. Die Preußenfrage wird vor­erst zurückgestell».

Laut Vorwärts haben die Gewerkschafken das Lohn- abkommen mit der Deutschen Reichsbahn zum 31. März ge- kündigt. Das Lohnabkommen betrifft alle Eisenbahner, die nicht ,m Beamten- oder Angestellkenverhältnis stehen.

Der polnische Landtag hat mit 219 Stimmen der Oppo- gegen 133 Stimmen der Regierungsparteien an den Ausschuß einen Antrag verwiesen, den Finanzminister Ezechowitz ,n Anklagezustand zu versehen, weil er im Slaashaushalk 1927,28 300 Millionen Zloty (235 AM. Mb.) mehr ausgegeben hat. als der Landtag bewilligt hatte. In der Sitzung ging es recht polnisch zu.

gischen Bestrebungen in der Schelde- und Limburger Frage mißtrauisch gemacht, von vornherein in schärfster Weise ab­gelehnt. Gleichzeitig benutzte der damalige holländ'sche Außenminister Karm deck die Gelegenheit, um auf der Bölkerbundstagung die Veröffentlichung des französisch-belgischen Bündnisses gemäß Artikel 18 der Völkerdu ssatzung zu fordern, ohne mit dieser Forderung allerding ourchzudringen. Ihr Ergebnis war vielmehr die Feststellung, daß eine strenge Auslegung und Anwendung des Artikels 18 nicht nur unmöglich, sondern sogar gefähr­lich iei, da gewisse Verträge nun einmal nicht bekannt­gegeben werden könnten» Damit wurde die Sachevertagt". Es wird nun weiterhin auch zu klären sein, wie weit seiner­zeit im Jahr 1920 auch Luxemburg, wie die luxem­burgische Presse damals ausdrücklich erklärte, unter An­wendung von Zwang und Bedrohung von Frankreich und Belgien zu gewissen Bindungen und Verpflichtungen gegen­über diesen beiden Ländern gezwungen worden ist, die sich auf eine französische Kontrolle der Eisenbahn EschLuxem­burgWasserbillig und eine belgische Kontrolle der Bahn Arlon Kleinbettingen Luxemburg Ulffingen beziehen. Beide Bahnen haben bekanntlich als Aufmarschbahnen gegen Deutschland und Verbindungsbahnen zwischen Frank­reich und Belgien erhebliche militärische Bedeutung.

Poincare und Briand sprechen viel von dem koglsmönt äs la ?aix", der Regelung des Friedens, wor­unter alles aufgemacht wird, was der Verhinderung des Friedens, der Abrüstung, des Locarnogeistes und einer trag­baren Festsetzung des Reparationstributs dienen soll lieber dieseRegelung des Friedens", wie man sie in Paris, in Brüssel und in London versteht, ist den Völkern der Welt lange kein so scharfes Licht mehr aufgesteckt worden wie durch die Enthüllungen des Utrechter Blatts an denen die holländische Regierung wohl nicht so ganz unbeteiligt ist.

Große Anfrage im Reichstag

Berlin, 27. Febr. Die deutschnationale Reichstagsfraktion hat eine Große Anfrage eingebracht, in der es u. a. heißt: Das Utrechter Tagblatt hat militärische Geheimoerträge zwischen Frankreich und Belgien veröffentlicht, die den Charakter eines Angriffsbündnisses gegen Deutsch­land und Holland haben und sich in zweiter Linie gegen Italien und Spanien richten. Zugleich ergibt sich aus ihnen, daß auch England ein ähnliches, gegen Deutschland ge­richtetes Abkommen mit Belgien getroffen hat. Die von seiten der französischen und belgischen Regierungen er­lassene Bestreitung macht keinen überzeugenden Eindruck

Angesichts dieser Sachlage fragen wir die Regierung: 1. Ist sie bereit, von den Regierungen von Großbrilan- nien, Frankreich und Belgien Erklärungen über die Richtigkeit der Veröffentlichungen zu fordern und ge- gegebenenfalls die Bekanntgabe des Militärabkommens vom 7. September 1920 und des Ergänzungsabkommens vom Jahr 1927 zu verlangen? 2. Ist Insbesondere der Herr Neichsaußenminister entschlossen, bis zur völligen und einwandfreien Klärung dieser Angelegenheit von einer Teilnahme an der bevorstehenden Tagung des Völker­bundsrats abzusehen?"

Neue Nachrichten

Der Angriff auf de« Transferschuh

Paris. 27. Febr. In der Sachverstandigenkonfekenz, die iun noch einen zweiten Unterausschuß erhalten wird, spricht ".an n'cht m-cht von eT--r Hweltesli-ng sondern bereits von

einer Dreiteilung der deutschen Tribute. Die Sach­leistungen würden dann, wenn sie nicht überhaupt auf­gegeben und durch Barzahlungen ersetzt werden, nicht mehr zu dem transfergeschützten Teil der Tribute gehören. Der lransfergeschühte Teil soll auf ein möglichst kleines Maß lMuntergesetzt werden. Wenn dann ein Teil der transfer- geschützten Tribute nach dem Urteil des Transfer-Beratungs­ausschusses (der an Stelle des bisherigen Transferans- schusses treten soll) gestundet würde, so müßte der gestundete Betrag im nächstfolgenden Jahr nachgezahlt werden.' Der Exzelsior" stellt fest, daß die Sachverständigen bis jetzt nicht daran denken, auf den Wohlstandsindex gegen Deutschland zu verzichten. DerMatin" sagt, Dr. Schacht habe be­reits der Aufhebung des Transferschutzes zu einem Teil zu­gestimmt, sonst würden ja auch die weiteren Verhandlungen wertlos sein. DasEcho de Paris" schätzt den nicht mehr iransfergeschützten Teil des Tributs auf zwei Drittel des Ganzen.

Das Angebot Deutschlands

London. 27. Febr. DieTimes" läßt sich aus Paris berichten, Dr. Schacht werde im Sachverständigenausschuß dem Sinn nach wahrscheinlich folgendes Angebot machen:

Die von Deutschland jährlich zu zahlende Summe, die sich von Lahr zu Jahr verändern kann, wird ans drei Tei- e n 'bestehen. Der erste Teil wird eine ohne Berück- ichtigungderWirtschastslageDeutschlands n Gold zu zahlende feste Summe sein. Für diese Summe kann eine zweijährige Zahlungsfrist gefordert wer­den, ebenso wie dies die Gläubiger Deutschlands bei ihren Schuldenabmachungen mit den Bereinigten Staaten verein­bart haben. Der zweite Teil wird einer Art von Trans­fer-Kontrolle unterworfen bleiben und infolgedessen je nach derWohlfahrt" des deutschen Volks höher oder etwas niedriger angesetzt werden. Der dritte Teil wird aus Sachlieferungen bestehen. Diese Schuld wird durch Ausgabe von Obligationenkommerziali­siert" werden. Eine internationale Körperscb-ast soll das Recht haben, Deutschland zur Ausgabe dieser Obligationen aufzufordern. Die in Aussicht genommene Ueberwachung dieser Obligationen ist noch nicht mitgeteilt worden, aber es ist wahrscheinlich, daß die Zentralbanken Europas damit in enger Verbindung stehen werden. In diesem Zusammenhang ist die Anwesenheit des Gouverneurs der Bank von England, Montagu Norman, in Paris erwähnens- wert.

Der Berichterstatter fügt hinzu: Der Sachverständigen- ausschutz sei anscheinend endlich im Begriff, den Schlüssel zur Reparationslösung in die Hände zu bekommen. Es ist aber klar, daß die deutsche Regierung einer Regelung nicht zustimmen wird, die die, wenn auch nur teilweise Fortdauer der Rheinlandbesetzung gestaltet. Die deullchs Re­gierung erwartet auch die gleichzeitige Regelung derSaa r- frage durch die Zurückziehung der Franzosen.

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Nach dieser bis setzt noch nicht bestätigten Meldung würde es also zutressen, daß die deutschen Sachverständigen bzw. die Reichsregierung eine beträchtlich höhere Tr but- zahlung bei stark vermindertem Transferschutz und Bei­behaltung des Woh'lstandsindex' vorgelchlaacn hätte, wo­gegen allerdings die Befreiung des Rheinlands und de» Saargebiets gefordert würden. Man wird abwarten müssen, ob dieTimes"-Meldung sich bestätigt.

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Rücktritt Schähels?

Berlin, 27. Febr. Die Fraktion der Bayerischen Volks­partei ist durch die Annahme der Biersteuererhöhung und der Kürzung der Aeichsüberweisungen an die Länder und Ge­meinden durch den Ausschuß des Reichsrats peinlich überrascht. Sollte diese Hilferdingsche Vorlage auch vom Plenum des Relchsrats angenommen werden, so ist mit dem Rücktritt des Reichsverkehrs, und Postministers Schätzet und dem Austreten der Bayerischen Volkspartei aus der Regierungsvereinigung zu rechnen.

Verurteilter Spion

Leipzig, 27. Febr. Das Reichsgericht verurteilte den Ingenieur Herbert Hertling wegen Spionage für Polen zu 1 Jahr 6 Atonalen Gefängnis. 6000 Mark Spionage- gelöer wurden für verfallen erklärt.

Abblendungsverfuche in der Minderheitenfrage

Genf, 27. Febr. Der von Deutschland im Völkerbunds- rat eingebrachte Antrag, die Minderheitenfrage auf die Tagesordnung der nächsten Versammlung zu setzen, sowie die Beschwerden der deutschen Minderheit in Ostoberschie- sten verursachen bei den Verbandsmächten immer größeres Unbehagen, besonders, nachdem nun auch der kanadische Senator Dandurand beim Völkerbund eine Denkschrift über die Minderheitenfrage eingereicht hat, die auf ein» scharfe Verurteilung des bisherigen GehenlassenS des Rats ymausläuft. Der Warschauer Mitarbeiter derNeuen Züricher Zeitung" berichtet, es fei der Entente gelungen, die deutsche Reichs- und die polnische Regierung zu bestimmen, haß ki« v«i »in« arMHMy, BobaMirng der Mntzrrz